Verwaltungsrecht

Interne Fluchtalternative innerhalb der Ballungszentren der Elfenbeinküste

Aktenzeichen  W 2 K 17.33555

Datum:
25.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17846
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e
AufenthG § 60 Abs. 5
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Einem ivorischen Staatsangehörigen muslimischer Religionszugehörigkeit vom Volk der Malinke steht in Yamoussoukro, Bouaké und anderen Ballungszentren eine interne Fluchtalternative innerhalb der Elfenbeinküste zur Verfügung. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit eines Beteiligten verhandelt werden konnte, ist unbegründet.
Der Bundesamtsbescheid vom 6. Oktober 2017 ist in dem verfahrensgegenständlichen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.
Es liegen keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
1.1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 AsylG droht. Dabei kann der behauptete Übergriff durch den bzw. die Brüder seiner damaligen Freundin als wahr unterstellt werden. Auch geht das Gericht aufgrund der in das Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel davon aus, dass in der Hochphase der Wahlkrise 2010/2011 kein wirksamer staatlicher Schutz gegen tätliche Übergriffe durch Armee- bzw. Milizangehörige zu erlangen war. Jedoch steht und stand dem Kläger mit Yamoussoukro, Bouaké und anderen Ballungszentren eine interne Fluchtalternative innerhalb der Elfenbeinküste zur Verfügung. Denn gem. § 4 Abs. 3 i.V.m § 3e AsylG wird dem Ausländer der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und er legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Denn, selbst wenn man die geschilderte Bedrohungslage durch die Brüder der Freundin als wahr unterstellt, ist das Gericht davon überzeugt, dass die Bedrohung sich lokal auf Yopougon bzw. allenfalls die benachbarten Stadtgebiete Abidjans beschränkte. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags, der Bruder sei Mitglied der Rebellenarmee gewesen und hätte dort eine wichtige Funktion innegehabt, hat der Kläger eine landesweite Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingezogener Erkenntnismittel ist das Gericht weder davon überzeugt, dass der Bruder der ehemaligen Freundin des Klägers – den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt – überhaupt ein Interesse daran gehabt hat, den Kläger auch dann noch verfolgen, als er bereits aus dem Leben und Umfeld der Schwester verschwunden war, noch davon, dass er – ein solches weitergehendes Verfolgungsinteresse unterstellt – überhaupt in der Lage gewesen wäre, den Kläger in einer anderen Großstadt oder auch nur einem anderen Stadtviertel Abidjans überhaupt zu finden. Den Vortrag des Klägers, er befürchte bei einer Rückkehr umgebracht zu werden, bewertet das Gericht als offensichtlich asyltaktisch motiviert. Es wäre dem Kläger, der als Angehöriger einer Ethnie, die allgemein den Unterstützern des neuen Präsidenten Ouattara zugerechnet wird (vgl. UNHCR, Côte d’Ivoire COI Compilaton, August 2017, S. 11) auch unter Berücksichtigung eventueller Unterhaltslasten bezüglich Mutter und Schwester sowie dem Aufkommen an Binnenflüchtlingen in den Krisenjahren 2010/2011 möglich gewesen, sich im Norden oder im Zentrum des Landes niederzulassen. Aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse aus Mechaniker wäre es ihm auch in den dortigen Ballungszentren möglich gewesen, sich mit Hilfe seiner Ersparnisse, die sich laut Bundesamtsanhörung auf 1.000,00 EUR belaufen haben, dort niederzulassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch Mutter und Schwester etwa im Rahmen von Kleingewerbe hätten zum Lebensunterhalt der Familie beitragen können. Hinzu kommt, dass die Familie des Klägers – nach dessen eigenen Einlassungen beim Bundesamt – Land besitzt und der Mutter ein Anteil an einer großen Farm gehört, die dem Kläger somit ebenfalls als interne Fluchtalternative zur Verfügung gestanden hat.
Dem Kläger steht mithin jedenfalls unter dem Aspekt des vorrangigen internen Schutzes kein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus zu.
1.2. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24. Mai 2000 – 9 C 34/99 –, juris Rn. 11).
Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27. Mai 2008 – 26565/05, U.v. 28. Juni 2011 – 8319/07). Solche Umstände sind vom Kläger weder vorgetragen, noch ersichtlich. Mit seinen beruflichen Kenntnissen als Automechaniker ist davon auszugehen, dass der gesunde, junge, arbeitsfähige Kläger trotz nur zweijähriger Schulbildung in der Lage sein wird, sich in einer der zahlreichen Großstädte der Elfenbeinküste eine den Anforderungen des Art. 3 EMRK entsprechende Existenz aufbauen kann. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Rahmen der internen Fluchtalternative sowie die Begründung des verfahrensgegenständlichen Bundesamtsbescheids Bezug genommen.
Gesundheitsbedingte Einschränkungen in einem für ein Abschiebungsverbot relevanten Schweregrad wurden weder vorgetragen, noch sind sie offensichtlich. Auftreten und Erscheinungsbild des Klägers in der mündlichen Verhandlung gaben zudem keinen Anlass an seiner Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu zweifeln, so dass auch ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht in Betracht kommt.
1.3. Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
1.4. Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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