Verwaltungsrecht

Iran – Fehlende Überzeugung von der dauerhaften und ernsthaften Konversion zum christlichen Glauben

Aktenzeichen  RO 4 K 16.32159

Datum:
12.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 148011
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Eine religiöse Betätigung von muslimischen Konvertiten im Iran ist selbst im häuslich privaten oder nachbarschaftlich kommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass ein im Zufluchtsland nur formal vollzogener Glaubensübertritt zum Christentum im islamischen Heimatland des schutzsuchenden Ausländers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Verfolgungsmaßnahmen führen würde, wenn er dort seine christliche Glaubenszugehörigkeit verheimlichen, verleugnen oder aufgeben würde. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3 Im Fall einer Konversion muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht, und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Verfahren war hinsichtlich des Antrags, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, einzustellen. Insoweit hat der Kläger seine Klage zurückgenommen.
Die Klage ist, soweit sie aufrechterhalten bleibt, zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG sowie auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bis 7 AufenthG.
1. Das Vorbringen des Klägers zu dem Geschehen im Iran ist unglaubhaft. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung Dinge vorgetragen, die seiner Anhörung vor dem Bundesamt auch nicht ansatzweise zu entnehmen sind. So erzählte er erstmals davon, wegen Drogensucht zehn Jahre einer Selbsthilfegruppe angehört zu haben, in der gemeinsam gebeten worden wäre. Auch die Besuche bei einem Gebetskreis, zu dem ihn H… R… mitgenommen haben soll, wurden vorher nicht vorgetragen. Vielmehr hatte der Kläger beim Bundesamt angegeben, er habe mit H… R…, nachdem dieser ihm die Hand auf den Kopf gelegt und gebetet hatte – was den Kläger sehr berührt hatte -, Kontaktdaten ausgetauscht und später mit ihm viel über Religion und Jesus gesprochen. Diese Ungereimtheiten sind nicht damit zu erklären, dass beim Bundesamt nicht alles aufgenommen worden sei, was der Kläger gesagt habe. Ausweislich der Niederschrift wurde dem Kläger die Niederschrift rückübersetzt, was der Kläger bestätigt hatte.
Unabhängig von diesem neuen Vorbringen ist der Sachvortrag hinsichtlich der Zuwendung zum Christentum an sich unglaubhaft. Ein Geschehen, dass ein wildfremder Mann einem anderen, der schimpfend vor einem Geschäft sitzt, die Hand auf den Kopf legt und betet, hat angesichts der vom Kläger geltend gemachten Gefährdung bei Praktizierung christlicher Riten im Iran mit der Realität nichts gemein. Dass zudem dieser Mann nach zwei Tagen den Kläger bereits zu einem Gebetskreis mitgenommen haben will, bei dem noch andere Personen anwesend waren, ist nicht anzunehmen. Der Schilderung des Klägers ist zu entnehmen, dass es sich bei den Angehörigen dieses Gebetskreises wohl um Konvertiten gehandelt habe, anderenfalls wäre es nicht erklärbar, dass H… R…, in dessen Haus der Gebetskreis stattgefunden haben soll, abgeführt und verhaftet worden sein sollte. Die Einführung einer neuen Person in einen derartigen Gebetskreis, ohne diese vorher näher kennen gelernt zu haben, ist nicht glaubhaft. Auch passt nicht zusammen, wenn der Kläger behauptet, H… R… fünf Tage vor seiner Ausreise kennengelernt zu haben, dann nach zwei Tagen von ihm angerufen worden zu sein und in der verbleibenden Zeit fünfmal den Hauskreis besucht zu haben. In dieser Zeit will er sich auch noch mit dem Heiligen Buch, das er von den Mitgliedern des Hauskreises bekommen haben will, befasst haben. Auch die Schilderung, wie er von der Verhaftung von H… R… Kenntnis erlangt haben will, überzeugt nicht. Auf der einen Seite trägt er vor, er sei neu in dieser Umgebung gewesen. Auf der anderen Seite trägt er vor, ein Bekannter habe ihn davon informiert, dass ein Beamter/ bzw. mehrere Beamte vor dem Haus von H… R… seien. Nachdem der Kläger H… R… erst fünf Tage vorher kennengelernt haben will, ist es unwahrscheinlich, dass ein Bekannter eine Veranlassung gehabt hätte, den Kläger von dem angeblichen Beamten vor dem Haus von H… R… zu informieren, zumal der Kläger über seine Teilnahme an dem Gebetskreis Dritte nicht informiert haben will.
Auch die Schilderung der Vorbereitung seiner Ausreise ist widersprüchlich. In der mündlichen Verhandlung sagte er, er habe seiner Mutter zu Hause gesagt, dass er ausreisen werde. Beim Bundesamt hatte er angegeben, seine Mutter angerufen zu haben.
Die Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung lassen darauf schließen, dass er nicht wegen des behaupteten Kontakts zum Christentum sein Heimatland verlassen hat, sondern wegen anderer Probleme, die er im Zusammenhang mit seiner Sucht gehabt hat.
2. Der Kläger konnte das Gericht nicht davon überzeugen, dass er dauerhaft und ernsthaft zum christlichen Glauben konvertiert ist.
Aufgrund der aktuellen asylrelevanten Lage, welche sich aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ergibt, besteht nach Ansicht des Gerichts im Iran für christ-liche Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen ausüben, die beacht-liche Gefahr von Verfolgungshandlungen. Insgesamt betrachtet ist eine religiöse Betätigung von muslimischen Konvertiten im Iran selbst im häuslich privaten oder nachbarschaftlich kommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich (Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 9.7.2014, Az: W 6 K 14.30301 – juris mit weiteren Hinweisen auf die Rspr. und Literatur).
Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass ein im Zufluchtsland nur formal vollzogener Glaubensübertritt zum Christentum im islamischen Heimatland des schutz-suchenden Ausländers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Verfolgungsmaßnahmen führt, wenn er dort seine christliche Glaubenszugehörigkeit verheimlichen, verleugnen oder aufgeben würde. Ob der Ausländer nach Rückkehr in sein Heimatland anknüpfend an die Religion Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt ist, setzt eine Prognose voraus, wie sich der Betreffende hinsichtlich seiner Religion im Heimatland verhalten wird. Dabei bietet nur eine dauerhafte und ernsthafte religiöse Überzeugung eine tragfähige Grundlage dafür, ein religionsbezogenes (Verfolgungsmaßnahmen auslösendes) Verhalten des Ausländers vorherzusagen. Denn es ist nicht anzunehmen, dass der Ausländer nach Rückkehr in sein Heimatland einer Religion entsprechend lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (so auch Bayer. Verwaltungsgerichtshof, B. v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380).
Tritt ein Erwachsener zu einer neuen Religion über, muss er die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht, und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Nach dem aus der Gesamtheit des verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindrucks muss sich der Schutzsuchende aus innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde. Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist.
Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition (vgl. VG Gelsenkirchen, U.v. 10.7.2014 – 5 aK 60 97/12 A -).
Das Gericht ist bei der Beurteilung, ob die Befolgung einer gefahrträchtigen religiösen Praxis für den Asylbewerber zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist, nicht an die Beurteilung des Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des Betroffenen liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde (vgl. BVerwG, B. v. 25.8.2015 – BVerwG 1 B 40.15 -; BayVGH B. v. 11.8.2015 – 14 ZB 14.30413 -).
Die vom Kläger eingehend geschilderte Geschichte aus der Bibel gibt es so nicht. Maria hatte keinen Bruder. Die Auferweckung eines Toten drei Tage nach dessen Tod bezieht sich auf Lazarus von Bethanien.
Unabhängig davon konnte der Kläger weder den Unterschied vom Islam zum Christentum darlegen noch fundiert erklären, was für ihn am christlichen Glauben wichtig ist. Die Aussage, dass das Christentum Liebe bedeute und Hoffnung zum Leben, reicht nicht aus, da das Wesentliche einer Religion darzustellen, zu der man sich hingewendet haben will und im Falle einer Rückkehr ins Heimatland bereit sein will, sich deshalb erheblicher Repressionen auszusetzen. Auch zeigt die Beschreibung des Islam als Zwangsreligion, in der einem bei Problemen nicht geholfen wird, keine vertiefte Befassung mit der Religion, von der er sich abgewendet haben will. Auffällig ist, dass der Kläger trotz fehlender Durchdringung der christlichen Lehre darauf Wert gelegt hat, mitzuteilen, dass er selbst andere zum Christentum bekehren wolle.
Da es an einem ernsthaften endgültigen Glaubenswechsel fehlt, angesichts dessen die geschützte religiöse Betätigung des Klägers bei einer Rückkehr in den Iran beeinträchtigt sein könnte, ist die Klage im Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen abzuweisen.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, waren die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, § 155 Abs. 2 VwGO. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83 b AsylG.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.


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