Verwaltungsrecht

Iran, zulässiger Folgeantrag, teilweise relevante Wiederaufgreifensgründe, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, missbräuchliche Schaffung von Nachfluchtgründen, asyltaktisches Verhalten, exilpolitische Aktivitäten nur zielgerichtet in Abhängigkeit vom Stand des Asylverfahrens, zweijährige praktische Untätigkeit, Mitglied des Zentralrats der Ex-Muslime, ZdE, Mitglied in Arbeiterkommunistischen, Partei Iran, AKPI, API, AKI, exilpolitische Aktivitäten für AKPI, wie Demonstrationen, Flugblätter, Plakate, Fotos sowie Filme über Aktivitäten im Internet, keine herausgehobenen Aktivitäten, kein ernsthafter und gefährlicher in den Iran hineinwirkender Regimegegner, massentypisches Verhalten, auch im Internet, fehlendes Verfolgungsinteresse des iranischen Staates, keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr bei Rückkehr in Iran, keine relevante Gefahr wegen COVID-19-Pandemie

Aktenzeichen  W 8 K 21.31264

Datum:
31.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2939
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2
AsylG § 3
AsylG § 4
AsylG § 25
AsylG § 28 Abs. 2
AsylG § 71 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
VwVfG § 51

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO) ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind ebenfalls nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Ausführungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge decken sich mit den zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln sowie mit der einschlägigen Rechtsprechung.
Im Ergebnis war ein weiteres Asylverfahren durchzuführen (vgl. § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG). Auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid wird Bezug genommen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG ist grundsätzlich für jeden selbständigen Wiederaufgreifensgrund eigenständig zu prüfen (BVerwG, U.v. 13.5.1993 – 9 C 49/92 – BVerwGE 92, 278; Funke-Kaiser/Fritz/Vormaier, GK-Asylg, Lfg. 135 25.12.2021, § 71 AsylG Rn. 198).
Dem Kläger ist es zwar nicht gelungen, das Vorliegen dieser Voraussetzungen bezogen auf seine Aktivitäten für den Zentralrat der Ex-Muslime (ZdE) sowie im Hinblick auf die Apostasie glaubhaft zu machen. Insbesondere ist insoweit keine neue Sach- und Rechtslage zu erkennen. Insoweit erfolgte kein neues relevantes Vorbringen.
Demgegenüber ist es dem Kläger gelungen, die Einhaltung der Voraussetzungen des § 71 AsylG und § 51 VwVfG hinsichtlich seiner exilpolitischen Aktivitäten, gerade im Zusammenhang mit der Arbeiterkommunistischen Partei Iran (AKPI bzw. AKI bzw. API) glaubhaft zu machen.
Liegt ein Grund dafür vor, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, sind also Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens in hinreichender Weise dargetan, findet eine erneute Prüfung des Asylbegehrens in der Sache selbst statt, wobei grundsätzlich auch früheres Vorbringen des Asylsuchenden zu berücksichtigen ist. Insofern steht die Rechtskraft eines früheren verwaltungsgerichtlichen Urteils der erneuten sachlichen Prüfung des Asylbegehrens nicht entgegen. Die bedeutet jedoch nicht, dass das mit einem Folgeantrag geltende gemachte Asylbegehren ohne Rücksicht auf den vorgebrachten Grund für das Wiederaufgreifen des Verfahrens in jedem Fall in vollem Umfang einer erneuten Sachprüfung unterzogen werden müsste. Vielmehr besteht die Verpflichtung zur erneuten Sachprüfung nur insoweit, wie der in zulässiger Weise geltend gemachte Grund für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens reicht. Wird ein Asylbegehren auf mehrere selbständige Asylgründe gestützt, betrifft der in zulässiger Weise geltend gemachte Grund zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens jedoch nur einen von ihnen, so unterliegt der Folgeantrag lediglich hinsichtlich dieses Asylgrunds einer erneuten Sachprüfung (BVerwG, B.v. 05.08.1987 – 9 B 318/86 – Buchholz 402.25, § 14 AsylVfG Nr. 6; Dickten in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 31. Ed Stand 1.10.2021; siehe aber auch; Funke-Kaiser/Fritz/Vormaier, GK-Asylg, Lfg. 135 25.12.2021, § 71 AsylG Rn. 198 f). Dem folgend war im vorliegenden Asylfolgeverfahren zu prüfen, ob dem Kläger asylerhebliche Verfolgung wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
In der Sache ist das Gericht zum gegenwärtigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht davon überzeugt, dass bei dem Kläger im Iran die begründete Gefahr (politischer) Verfolgung bestand bzw. besteht oder ihm sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte oder droht.
Gemäß §§ 3 ff. AsylG darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Bedrohung liegt dann vor, wenn anknüpfend an Verfolgungsgründe (vgl. dazu Art. 10 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 – so genannte Anerkennungsrichtlinie oder Qualifikationsrichtlinie bzw. § 3b AsylG) Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (§ 3a AsylG).
Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründen in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand oder besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht. Gerade auch aufgrund der Angaben des Klägers im gerichtlichen Verfahren und insbesondere in der mündlichen Verhandlung ist es ihm nicht gelungen, eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Nachfluchtaktivitäten glaubhaft zu machen.
Das Bundesamt hat schon im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens seien vorliegend gegeben, soweit er sich auf seine Aktivitäten und Mitgliedschaft in der Arbeiterkommunistischen Partei bezieht. Der Kläger habe sich bei seiner Aktivität nicht in einer herausgehobenen Position befunden. Aktivitäten, wie die regelmäßige Teilnahme an vielfältigen, gegen das iranische Regime gerichteten Demonstrationen, Kundgebungen und sonstigen Protestveranstaltungen im Zusammenhang mit Tragen von Plakaten, Betreuung von Büchertischen und Verteilung von Flugblättern, begründeten nicht die Gefahr politischer Verfolgung, da sie niedrigen Profils seien. Auch der Bericht im Internet sei angesichts der mittlerweile großen Bedeutung des Internets für exilpolitische Szene nichts Außergewöhnliches. Es sei nicht zu erkennen, dass der Kläger durch seine Aktion als wirkmächtiger Protagonist der exilpolitischen Szene erscheine und damit ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates begründe. Gerade im Hinblick auf die große Zahl regimekritischer Exil-Iraner sei maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten Aktivitäten als untergeordnete Handlung eingestuft würden, die den Betreffenden nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten ließen. Anders sei es, wenn der Betreffende bei seinen Aktivitäten besonders hervortrete und sein gesamtes Verhalten ihn den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran hineinwirkenden Regimegegner erscheinen lasse. Selbst für linke und linksextreme Gruppen – wie die AKPI – und deren Unterstützer sei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer politischen Verfolgung nur auszugehen, wenn sie nicht lediglich als Mitläufer in Erscheinung getreten seien, sondern durch ihr Engagement und ihre entfalteten Aktivitäten aus der Masse oppositioneller Iraner herausgetreten seien, die sich insoweit exponiert hätten. Der Kläger wisse erstaunlich wenig zu Zielen und Strukturen seiner Organisation. Erschwerend komme hinzu, dass seine gesamten Aktivitäten als asyltaktisch zu bewerten seien. Die Fotoaufnahmen seien eher fürs Bundesamt bestellt worden. Adressat der Maßnahmen sei nicht der iranische Staat, sondern das Bundesamt. Auch die Darstellung im Internet wirke als Inszenierung. Der Kläger habe die Bereitschaft mit taktischem Vorbringen gezeigt, wie auch schon das Erstverfahren belege.
Die Aktivitäten des Klägers und seine Angaben hierzu rechtfertigen nach Überzeugung des Gerichts nicht die Annahme, dass der iranische Staat bei einer Rückkehr des Klägers ein Verfolgungsinteresse hätte und den Kläger tatsächlich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch verfolgen würde.
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheitert schon an der Regelung des § 28 Abs. 2 AsylG, wonach in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden kann, wenn der betreffende Ausländer nach unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt und diesen auf Umstände stützt, die er nach unanfechtbarer Ablehnung seines vorigen Antrags selbst geschaffen hat. Denn derjenige kann in der Regel in einem Folgeverfahren nicht als Flüchtling anerkannt werden, bei dem die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er selbst nach Verlassen seines Herkunftslands aus eigenem Entschluss geschaffen hat. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber Nachfluchtgründe, die nach Abschluss des ersten Asylverfahrens vom Betreffenden selbst geschaffen wurden, unter Missbrauchsverdacht gestellt. Durch diese Regelung soll der Anreiz genommen werden, nach unverfolgter Ausreise und abgeschlossenem Asylverfahren aufgrund neu geschaffener Nachfluchtgründe ein Asylverfahren zu betreiben, um damit einen dauerhaften Aufenthalt zu erlangen (BT-Drs. 15/420, 109 f.). Der Betreffende muss die gesetzliche Missbrauchsvermutung widerlegen. Diese ist dann widerlegt, wenn er den Verdacht ausräumen kann, er habe Nachfluchtaktivitäten nach Ablehnung des Erstantrags nur und hauptsächlich mit Blick auf die erstrebte Flüchtlingsanerkennung entwickelt oder intensiviert. Ein gegen Missbrauch sprechendes Indiz, das alleine jedoch nicht zur Widerlegung der Regelvermutung ausreicht, kann die Kontinuität der nach außen betätigten politischen Überzeugung sein. Wird der Betreffende nach einem erfolglosen Asylverfahren erstmals exilpolitisch aktiv oder intensiviert er seine bisherigen Aktivitäten, muss er dafür gute Gründe anführen, um den Verdacht auszuräumen, dies geschehe in erster Linie, um die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung zu schaffen. Die Beurteilung, ob der Kläger gute Gründe vorgebracht hat, ist eine dem Tatsachengericht vorbehaltene Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung im Einzelfall gemäß § 108 VwGO. Hierzu sind die Persönlichkeit des Asylbewerbers und dessen Motive für seine erstmalig aufgenommenen oder intensivierten Aktivitäten vor dem Hintergrund seines bisherigen Vorbringens und seines Vorfluchtschicksals einer Gesamtwürdigung zu unterziehen (Heusch in BeckOK, Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 31. Ed. Stand 1.10.2021, § 28 AsylG Rn. 31 und 37; BVerwG, B.v. 31.1.2014 – 10 B 5/14 – juris; U.v. 24.9.2009 – 10 C 25/08 – BVerwGE 135, 49; U.v. 18.12.2008 – 10 C 27.07 – BVerwGE 133, 31; BayVGH, U.v. 15.10.2010 – 14 B 09.30312 – juris).
Art. 5 Abs. 3 RL/2011/95/EU ermöglicht den Mitgliedsstaaten im Folgeverfahren, einen Asylbewerber in der Regel nicht als Flüchtling anzuerkennen, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslandes selbst geschaffen hat. Die Richtlinie gebietet daher weder die Berücksichtigung selbstgeschaffener Nachfluchtgründe im Folgeverfahren, noch steht sie einer einschränkenden nationalen Regelung entgegen (Heusch in BeckOK, Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 31. Ed Stand 1.10.2021, § 28 AsylG Rn. 31 und 37; BVerwG, U.v. 1.3.2012 – 10 C 10/11 – DVBl. 2012, 841). Auch hinsichtlich der Genfer Flüchtlingskonventionen bestehen keine Bedenken, weil dem Refoulement-Verbot jedenfalls durch den gleichwohl bleibenden Abschiebeschutz durch eventuelle nationale Abschiebungsverbote hinreichend Rechnung getragen wird (Heusch in BeckOK, Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 31. Ed. Stand 1.10.2021, § 28 AsylG Rn. 35 und 39).
Im Rahmen des § 28 Abs. 2 AsylG hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Asylbewerber die Substanziierungs- und objektive Beweislast, dass er Grund dafür hatte, nach erfolglosem Asylerstverfahren erstmalig exilpolitisch aktiv zu werden bzw. seine Aktivitäten zu intensivieren. Der beweisbelastete Ausländer muss die gesetzliche Missbrauchsvermutung mit guten Gründen widerlegen, um in den Genuss der Flüchtlingsanerkennung zu gelangen. Eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel kommt nur in atypischen Ausnahmesituationen in Betracht. Der Beginn oder die Intensivierung exilpolitischen Engagements stellt den klassischen Regelfall des § 28 Abs. 2 AsylG dar. Die gesetzliche Missbrauchsvermutung des § 28 Abs. 2 AsylG wird erst dann widerlegt, wenn der Asylbewerber den Verdacht ausräumen kann, er habe die Nachfluchtaktivitäten nur oder hauptsächlich mit Blick auf die erstrebte Flüchtlingsanerkennung entwickelt oder intensiviert (vgl. Heusch in BeckOK, Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 31. Ed. Stand 1.10.2021, § 28 AsylG Rn. 31 und 37; Müller, Nachfluchtgründe und die Hürde des § 28 Abs. 2 AsylG, Asylmagazin 1-2/2011, S. 8 ff. mit Bezug auf BVerwG, U.v. 18.12.2008 – 10 C 27.07 – BVerwGE 133, 31).
Vorliegend ist es dem Kläger, ausgehend von seinen dargelegten persönlichen Beweggründen sowie dem Zeitpunkt und Umfang seiner Aktivitäten, nicht gelungen, die Regelvermutung des § 28 AsylG zu widerlegen und den Missbrauchsverdacht auszuräumen.
Die Beklagte hat schon im streitgegenständlichen Bescheid sowie in ihrem Schriftsatz vom 7. Oktober 2021 plausibel ausgeführt, dass der Kläger seinen politischen Aktivitäten aus rein taktischen Gründen nachgegangen sei, um ein sonst nicht zustehendes Aufenthaltsrecht zu erlangen, nicht aber aus innerer Überzeugung und Motivation. Darauf wird Bezug genommen.
Dieser Eindruck verschärft sich auch durch den weiteren Fortgang der Geschehnisse, gerade während des laufenden Gerichtsverfahrens. Die Beklagte hatte zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger seine exilpolitischen Aktivitäten gerade in dem Moment begann, als der ablehnende Bescheid im Erstverfahren nach Erlass des ablehnenden Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2019 bestandskräftig worden war. Der Kläger hat diese Aktivitäten dann bis zur ersten mündlichen Verhandlung bzw. bis zwei Tage danach, Mittwoch, dem 20. November 2019, fortgeführt. Auffällig ist jedoch, dass der Kläger im Anschluss daran – während das Gerichtsverfahrens für die Dauer der Einholung der Auskunft des Auswärtigen Amtes ruhte – bis zum 13. November 2021 an keinen weiteren derartigen Aktivitäten in der Öffentlichkeit teilgenommen hat und diese erst wiederaufgenommen hat, als die Auskunft des Auswärtigen Amtes am 4. Oktober 2021 und die aus Sicht des Klägers negative Stellungnahme der Beklagten vom 7. Oktober 2021 vorlagen und die Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens anstand. Ab diesem Zeitpunkt nahm der Kläger neben der Demonstration im November 2021 noch an einer weiteren Demonstration in Frankfurt am 8. Januar 2022 teil. Teilweise ließ der Kläger dazu Fotos mit Screenshots aus dem Jahr 2019 vorlegen. Eine plausible Erklärung für sein Verhalten schon nach Erlass des Erstbescheids und dessen Bestandkraft und insbesondere für die spätere ca. zweijährige Inaktivität gab der Kläger nicht ab. Auf die Frage des Gerichts schon in der ersten mündlichen Verhandlung am 18. November 2019, warum er erst nach der ablehnenden Entscheidung im Erstverfahren mit seinen Aktivitäten für die Partei begonnen habe, gab der Kläger nur kurz an, er habe schon früher gesagt, dass er gegen das Regime sei. Er sei nicht Parteimitglied gewesen. Er habe zunächst selbst erkennen müssen, welche politischen Gedanken er habe. Dann habe er sich eine Partei gesucht und jemanden, der ihn aufnehme. Auch auf erneute dahingehende Frage in der zweiten Verhandlung am 31. Januar 2022 erklärte der Kläger nur, wegen Corona sei vieles im Internet gelaufen. Manchmal habe er auch kein Geld gehabt. Außerdem gab der Kläger nur allgemein an, Menschen seien Opfer und bei dem, was das Regime mache, müsse man aktiv werden. Im Übrigen müsse er arbeiten und einen Kredit zurückzahlen. Er könne einfach nicht zum Arbeitgeber sagen, dass er nicht komme. Diese wenigen kurzen und pauschalen Aussagen des Klägers überzeugen nicht. Insbesondere konnte der Kläger nicht einleuchtend und unter Erläuterung seiner Motivationslage erklären, warum er nur und erst nach Eintritt der Rechtskraft der Ablehnung im Asylerstverfahren bis zur damaligen mündlichen Verhandlung ca. 10 Monate (von Februar bis November 2019) exilpolitisch aktiv war, danach dann zwei Jahre nicht mehr (bis November 2021) und dann erst wieder nach Eingang der eingeholten Auskunft vor der zweiten mündlichen Verhandlung. Zu seinen persönlichen Gründen und zu seiner Motivation für sein Verhalten vermochte der Kläger nichts Plausibles vorzubringen. Auch der Hinweis, dass wegen Corona vieles online stattgefunden habe, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wegen der Corona-Situation waren etwa Versammlungen in der Öffentlichkeit nicht verboten, sondern fanden auch hier in Unterfranken wöchentlich statt (z.B. Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen). Der Kläger gab selbst an, dass alle zwei Wochen in Frankfurt eine Aktion seiner Partei gewesen sei und noch sei, aber er könne wegen seiner Arbeit nicht alle zwei Wochen hinfahren.
Auch zu seinen Online-Aktivitäten erklärte der Kläger, er habe zwar alle zwei Wochen auf der F.-Seite der Partei geschrieben. Aber er habe auf dem Kanal, unter anderem auf dem mit den 1,3 Millionen Abonnenten, (nur) drei Mal im Jahr veröffentlicht. Selbst wenn der Kläger aus finanziellen Gründen nicht zu von der Partei veranstalteten Demonstrationen nach Frankfurt habe fahren können, erklärt dies nicht, dass er etwa hier in der Gegend selbst asylpolitisch aufgetreten ist oder etwa auch in seiner Unterkunft entsprechend für seine Partei geworben hat. Im Gegenteil springt ins Auge, dass gerade die außenwirksamen Aktivitäten mit den Film- und Fotoaufnahmen, die auch ins Internet gestellt worden sind, vornehmlich auch deshalb erfolgten, um Vorteile im Asylverfahren und auch im Gerichtsverfahren zu haben. Denn hätte der Kläger wirklich die von ihm behaupteten politischen Ambitionen, hätte er die Teilnahme an regelmäßig stattfindenden Aktionen der Partei nicht zwei Jahre lang schlichtweg unterlassen. Seine angeblichen Online-Aktivitäten, die sich letztlich nur als solchen in geringem Umfang darstellen, vermögen das Unterlassen der anderweitigen Aktivitäten bei weitem nicht aufzufangen. Vielmehr drängt sich auf, dass die neu geschaffenen Nachfluchtgründe deshalb betrieben wurden und werden, um einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland zu erlangen. Die Missbrauchsvermutung war so nicht zu widerlegen. Wie schon erwähnt, hat der Kläger die Substantiierungs- und die objektive Beweislast darzulegen, dass er gute Gründe hatte, sich so und nicht anders zu verhalten.
Abgesehen vom asyltaktischen Beigeschmack der exilpolitischen Aktivitäten des Klägers sind diese nach vorliegender Erkenntnislage auch in der Sache nicht ausreichend, um mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran zu begründen. Insbesondere steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates an der Person des Klägers vorliegt.
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass für den Kläger eine ernsthafte Verfolgungsgefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Nachfluchtaktivitäten droht. Die als Nachfluchtgründe geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten bewegen sich insgesamt betrachtet noch auf einem niedrigen oppositionellen Niveau, so dass nach Überzeugung des Gerichts nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger in Deutschland derart nach Außen in Erscheinung getreten ist, dass er zum einen durch die iranischen Sicherheitsbehörden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als ernsthafter Regimegegner, welche auf die Verhältnisse im Iran einzuwirken vermag, identifiziert und qualifiziert worden ist und dass zum anderen wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates besteht.
Hinsichtlich der Verfolgung aufgrund von exilpolitischen Aktivitäten kann zunächst aufgrund der vorliegenden Erkenntnis- und Auskunftslage davon ausgegangen werden, dass die exilpolitischen Organisationen im Ausland sowie deren Aktivitäten durch die iranischen Sicherheitsdienste genauestens überwacht werden. Dies ist allgemein bekannt und unstreitig (SFH, Länderanalyse Iran vom 4.4.2006, S. 6 und vom 16.11.2010; amnesty international vom 18.6.2012 an das SächsOVG, S. 1 ff.). Entscheidend für die Frage, ob eine Verfolgungsgefahr vorliegt oder nicht, ist nach übereinstimmenden Auskünften, ob die Aktivitäten dem Geheimdienst bekannt geworden sind, etwa weil der Asylbewerber über die massentypischen und niedrig profilierten Erscheinungsformen exilpolitischer Proteste hinaus Funktionen wahrgenommen und/oder Aktivitäten entwickelt hat, welche ihn aus der Masse der mit dem Regime im Teheran Unzufriedenen heraushebt und als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lässt. Die Indizien hierfür sind Tätigkeiten in herausgehobener Position, öffentliche Aktivitäten, namentliche Kennzeichnung von Publikationen, das in Erscheinung Treten als Organisator von Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen, Dauer, Kontinuität und Intensität der Aktivitäten (vgl. Deutsches Orient-Institut vom 3.2.2006 an das VG Wiesbaden, S. 4; SFH, Länderanalyse Iran vom 4.4.2006, S. 7). Das Deutsche Orient-Institut führt in einer Stellungnahme an das VG Wiesbaden hierzu aus, dass exilpolitische Betätigung nicht besonders verfolgungsrelevant ist, sofern sie nicht an exponierter Stelle und mit ständiger, auch medialer Öffentlichkeitspräsenz verbunden ist (Deutsches Orient-Institut vom 3.2.2006 an das VG Wiesbaden, S. 4; vom 4.1.2006 an VG Münster, S. 4). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe äußerte zwar Bedenken, dass sich mögliche Auswirkungen des Amtsantritts Ahmadinejads zeigen werden (SFH, Länderanalyse Iran vom 4.4.2006, S. 11 ff.). Das Deutsche Orient-Institut weist jedoch in seiner späteren Stellungnahme darauf hin, dass auch nach dem Amtsantritt Ahmadinejads noch von der bisherigen Lage auszugehen und das Verhältnis Irans zu nicht exponierten regimefeindlichen Betätigungen von Iranern in Europa unverändert ist (Deutsches Orient-Institut vom 5.7.2007 an VG Stuttgart, S. 7). Zudem sehen die iranischen Sicherheitsbehörden das Asylverfahren als zulässige Möglichkeit an, einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel in Europa zu erhalten (Deutsches Orient-Institut vom 5.7.2007 an VG Stuttgart, S. 10; vom 3.2.2006 an VG Wiesbaden, S. 4). Sie wissen insofern auch, dass ein solches Verfahren betrieben werden muss und dass als eine Möglichkeit des Betreibens des Verfahrens exilpolitische Aktivitäten aufgenommen werden müssen, um einen Nachfluchtgrund geltend machen zu können (Deutsches Orient-Institut vom 5.7.2006 an VG Stuttgart, S. 10; vom 4.1.2006 an VG Münster, S. 5; Auswärtiges Amt vom 4.4.2007 an HessVGH). Auch wissen die iranischen Behörden genau zu unterscheiden zwischen innerstaatlicher Opposition und exilpolitischer Opposition, so dass ihnen klar ist, dass zwischen exilpolitischen Aktivitäten und iranischer Wirklichkeit kein Zusammenhang besteht (Deutsches Orient-Institut vom 3.2.2006 an VG Wiesbaden, S. 7). Insofern ist es unrealistisch, die untergeordneten standardmäßigen exilpolitischen Aktivitäten mit derselben Härte zu bestrafen, wie sie zu bestrafen wären, wenn sie im Iran stattfinden würden (Deutsches Orient-Institut vom 5.7.2006 an VG Stuttgart, S. 11). Der iranische Geheimdienst als Teil des Staatsapparates ist nicht daran interessiert, den Iranern das „Aufenthaltsrecht in Europa“ kaputt zu machen, sondern interessiert sich nur für oppositionelle Aktivitäten, die die Interessen der islamischen Republik Iran in irgendeiner Weise berühren oder in den Iran hineinwirken können (Deutsches Orient-Institut vom 3.2.2006 an VG Wiesbaden, S. 7).
Die soeben skizzierten Aussagen in den älteren Erkenntnisquellen werden durch die späteren Erkenntnisse bestätigt. So führt etwa das Auswärtige Amt – zunächst – aus, dass iranische Staatsangehörige nach langjährigem Aufenthalt in Westeuropa teilweise befragt werden können, soweit deren exilpolitischen Aktivitäten den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt werden (vgl. Auswärtiges Amt vom 9.8.2010 an VG Wiesbaden und vom 22.11.2010 an VG Hamburg). Iranische Stellen beobachten genau die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran setzen sich daher solche führende Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen aus, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam (z.B. als Redner, Verantwortlicher oder in leitender Funktion) in Erscheinung treten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter vom Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückkehr mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen. Normale Teilnehmer an irankritischen Demonstrationen können bei späteren Besuchen im Iran seitens der Sicherheitsdienste befragt werden, wenn ihre Aktivitäten bekannt sind (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 24.2.2015, Stand: September 2014; vgl. auch Deutsches Orient-Institut vom 22.4.2011 an VG Regensburg; SFH, Länderanalyse vom 16.11.2010, S. 2 f., 7 und 10; amnesty international vom 1.6.2012 an HessVGH und vom 18.6.2012 an SächsOVG; Erlanger Zentrum für Asyl und Recht vom 27.7.2012 an VG Hannover).
Nach Auskunft von amnesty international sind die möglichen Folgen politischer Aktivitäten von Asylsuchenden in Deutschland bei deren Rückkehr in den Iran nur schwer vorherzusagen. Falls die exilpolitische Tätigkeit bekannt wird, bestehe jedoch das Risiko, bei einer Rückkehr in den Iran Verfolgungen ausgesetzt zu sein (vgl. amnesty international vom 20.3.2014 an das VG Würzburg). Ähnlich äußerte sich das Deutsche Orientinstitut, dass bei einem Bekanntwerden von Nachfluchtaktivitäten repressive Maßnahme möglich sind, aber nicht zwangsläufig vorkommen müssten (vgl. Deutsches Orientinstitut vom 19.2.2013 an das VG Würzburg). Aus einer kritischen Haltung gegenüber der politischen Situation im Iran eine direkte Gefährdung eines Individuums abzuleiten, ist zu eindimensional. Verschiedene Faktoren spielen eine Rolle. Eine eindeutige Aussage über eine mögliche Gefährdungslage ist nicht möglich (vgl. Deutsches Orientinstitut vom 22.8.2011 an das VG Regensburg).
Das Auswärtige Amt bestätigt weiter (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 24.2.2015, Stand September 2014) konkret das verstärkte Vorgehen des iranischen Staates gegen oppositionelle Internetaktivitäten. Danach werden Blogger, Hompage-Betreiber und sonstige Netzbürger zunehmend systematisch verfolgt und müssen mit hohen Gefängnisstrafen bis hin zur Todesstrafe rechnen. Praktisch alle oppositionellen Webseiten werden durch die Behörden gefiltert. Verboten sind alle Seiten, deren Inhalt sich gegen die soziale Moral, religiöse Werte und den sozialen Frieden richteten oder die als regierungsfeindlich einzustufen seien. Gleichwohl hält es bei seiner Einschätzung zu den exilpolitischen Tätigkeiten an der Aussage fest, dass sich einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran (nur) solche führenden Persönlichkeiten und Oppositionsgruppen aussetzen, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam in Erscheinung treten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter im Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückführung mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen. Seit Herbst 2009 gibt es verstärkt Hinweise auf gezielte Einschüchterungsmaßnahmen von Oppositionellen im Ausland seitens iranischer Sicherheitsbehörden. Des Weiteren ist zu beobachten, dass Teilnehmer an irankritischen Demonstrationen bei späteren Besuchen im Iran seitens der Sicherheitskräfte zu ihren Aktionen befragt werden. Eine herausgehobene Betätigung ist nach Aussage des Auswärtigen Amt dann anzunehmen, wenn die Aktivitäten über den Rahmen massentypischer exilpolitischer Proteste hinausgehen und im Iran bekannt werden (Auswärtiges Amt vom 24.2.2014 an das VG Würzburg).
In seiner Auskunft vom 19. April 2018 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führte das Auswärtige Amt an, dass es ein Programm gibt, wonach grundsätzlich bei einer freiwilligen Rückkehr keine staatlichen Sanktionen zu erwarten wären und keine Verfolgungshandlungen seitens des Staates, soweit der Rückkehrer keine gewalttätigen Straftaten begangen habe, drohen, wenn auch öffentliche regimekritischen Äußerungen im Ausland grundsätzlich zu staatlichen Repressionen führen können (vgl. auch Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Düsseldorf vom 23.4.2018; vgl. auch Auskunft an das Bayer. Verwaltungsgericht Ansbach vom 3.12.2018 und an das Bundesamt vom 9.1.2019).
Im Lagebericht vom 5. Februar 2021 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran, Stand: Dezember 2020 S. 5, 10 und 19) führt das Auswärtige Amt – nunmehr – an, dass jede Person, die öffentlich Kritik an Missständen übt oder sich für Menschenrechtsthemen engagiert, sich der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung im Iran aussetzt. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden würden oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der islamischen Republik Iran als solche richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhallten, können der Spionage beschuldigt werden. Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen hat oftmals staatliche Zwangsmaßnahmen und Sanktionen zur Folge. Iranerinnen und Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußerten, sind von Repressionen bedroht, nicht nur, wenn sie in den Iran zurückkehren.
In einer Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Oldenburg vom 29. November 2021 – die jedoch noch nicht in der Liste der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisse aufgeführt war, die aber gerade auch wegen der darin berichteten Erhöhung der Verfolgungsgefahr zugunsten des Klägers mitberücksichtigt wird – wird erklärt, dass die iranischen Behörden auch im Ausland in der Überwachung ihrer Staatsangehörigen sehr aktiv sind. Die Änderungen der Formulierung im – vorstehend zitierten – Lagebericht vom Februar 2020, wonach Iraner, die sich im Ausland regimekritisch äußerten und in den Iran zurückkehren, von Repressionen bedroht sind ist im Vergleich zur Formulierung bedroht sein können im Vorjahresbericht ist – laut Auswärtigem Amt – keine lediglich redaktionelle Änderung. Hintergrund der Änderung ist sowohl eine Zunahme von Repressionen gegen im Exil lebende Iraner. So sind Journalisten bzw. Blogger sogar im Ausland bedroht und in den Iran verschleppt worden. Außerdem sind vermehrt Festnahmen von Iranern, unter anderen auch Doppelstaatern, die nach ihrer Rückkehr verhaftet wurden, beobachtet worden. Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass exilpolitische Aktivitäten von Iranern im Ausland im Internet überwacht werden. Ob flächendeckend alle Tätigkeiten überwacht werden, ist nicht bekannt. Die Behandlung von Iranern, die sich regimekritisch geäußert hätten, ist von Fall zu Fall verschieden. Das Auswärtige Amt kann nicht ausschließen, dass auch eine Person, die keine hohe Sichtbarkeit als Aktivist hat, bei ihrer Rückkehr für ihre politischen Aktivitäten verhaftet wird. Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass sowohl exilpolitische Betätigung im Internet als auch außerhalb des Internets Repressionen nach sich ziehen können. Die konkrete Behandlung durch die iranischen Behörden hängt vom konkreten Einzelfall ab. Zumindest mit einer Befragung durch die iranischen Behörden ist zu rechnen. Möglich sind auch Vorladung, Inhaftierung bis hin zur Verurteilung in Abhängigkeit von der Bewertung der exilpolitischen Tätigkeit durch die iranischen Behörden.
Im kürzlich erschienenen neuen Lagebericht vom 28. Januar 2022 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Iran, Stand: 23.12.2021; vgl. aber ähnlich schon der vorherige Lagebericht vom 5.2.2021) – der ebenfalls noch nicht auf der Liste zum Gegenstand der Verfahren gemachten Erkenntnismittel stand, der aber gerade auch wegen der darin berichteten Erhöhung der Verfolgungsgefahr zugunsten des Klägers mitberücksichtigt wird -, ist angemerkt, dass Teile der iranischen Bevölkerung aufgrund ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit, politischer, künstlerischer oder intellektueller Betätigung oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung starken Repressionen ausgesetzt sind. Jede Person, die öffentlich Kritik an Missständen übt oder sich für die Menschenrechte organisiert, setzt sich der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aus (S. 4). Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden werden oder islamische Grundsätze in Frage stellen. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden. Strafverfolgung erfolgt selbst bei niederschwelliger Kritik oftmals willkürlich und selektiv. Inhaftierten droht insbesondere bei politischer Strafverfolgung eine Verletzung der körperlichen und mentalen Unversehrtheit. Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen hat oftmals staatliche Zwangsmaßnahmen und Sanktionen zur Folge (S. 7). Das Regime verfolgt (vermeintlich und tatsächlich) militante separatistische Gruppierungen (S. 9). Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußerten, sind von Repressionen bedroht, nicht nur, wenn sie in den Iran zurückkehren (S. 15). Willkürliche Festnahmen, Haft und unverhältnismäßige Strafen sind in politischen Fällen üblich (S. 18). Allein der Umstand, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. Ausgenommen davon sind Personen, die seitens iranischer Sicherheitsbehörden als ernsthafte Regimegegner identifiziert werden und an denen ein Verfolgungsinteresse besteht. Bisher ist kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden sind. Der neue iranische Justiz-Chef hat Exil-Iraner und Iranerinnen explizit ermutigt, nach Iran zurückzukehren, und ihnen eine Rückkehr ohne Inhaftierung in Aussicht gestellt, sofern dies mit der iranischen Justiz koordiniert wird (S. 21).
In der eigens im vorliegenden Verfahren eingeholten Auskunft vom 4. Oktober 2021 nimmt das Auswärtige Amt wie Folgt Stellung: Die Arbeiterkommunistische Partei Irans (API) ist ausweislich ihrer Gründungserklärung eine marxistische Partei, deren Ziele die Gründung einer kommunistischen Republik im Iran ist. Sie ist eine anti-religiöse und anti-islamische Partei. Folglich wird sie seitens iranischer Sicherheitsbehörden als oppositionelle, feindliche Partei eingestuft und Mitglieder müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Die Strafzumessung liegt im Ermessen des Richters und ist abhängig von der Aktivität. Die Partei agiert primär als Exilpartei. Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes überwachen iranische Sicherheitsorgane und Nachrichtendienste exilpolitische Aktivitäten von im Ausland lebenden Iraner und Iranerinnen. Es liegen dem Auswärtigen Amt jedoch keine Erkenntnisse dazu vor, inwiefern die API und ihre Mitglieder konkret in Deutschland überwacht werden. Es ist davon auszugehen, dass ein Verfolgungsinteresse vor allem in den Fällen besteht, in denen die iranischen Sicherheitskräfte jemanden als ernsthaften Regierungsgegner identifiziert und qualifiziert haben. Nach welchen Gesichtspunkten die iranischen Sicherheitskräfte eine Person als ernsthaften Regierungsgegner einstufen, ist dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. Dem Auswärtigen Amt sind auch Fälle bekannt, in denen einfache Mitglieder oppositioneller Gruppierungen bei ihrer Rückkehr in den Iran verhaftet worden sind – vor allem, wenn sie bereits zuvor im Iran aufgrund ihrer politischen Aktivität inhaftiert gewesen sind. Dem Auswärtigen Amt sind Fälle bekannt, in denen Personen im Ausland aufgrund ihrer exilpolitischen Aktivitäten überwacht und bei ihrer Rückkehr in den Iran strafrechtlich verfolgt worden sind. Dem Auswärtigen Amt sind jedoch keine Fälle mit API-Hintergrund bekannt. Es kann von einer gestiegenen Verfolgungswahrscheinlichkeit zum Teil auch für einfache Mitglieder ausgegangen werden. Ein grundsätzliches Verfolgungsinteresse bei exilpolitischen Aktivitäten ergibt sich aus dem Iranischen Strafgesetzbuch. In der Praxis konzentriert sich das Verfolgungsinteresse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit primär auf ernsthafte Regimegegner. Vor dem Hintergrund, dass iranische Sicherheitsbehörden exilpolitische Tätigkeiten im Ausland überwachen, besteht vor allem in den Fällen eines exponierten exilpolitischen Engagements eine wesentliche Verfolgungswahrscheinlichkeit. Sofern die iranischen Sicherheitskräfte von den exilpolitischen Tätigkeiten des Klägers Kenntnis haben, ist ferner fraglich, ob der Kläger aufgrund dieser Tätigkeiten als ernsthafter Regimegegner qualifiziert worden ist oder ob dessen exilpolitische Aktivitäten als Handlungen auf niedrigem oppositionellem Niveau eingestuft worden sind. Bei Kenntnis von den Aktivitäten steigt das Risiko für den Kläger, als ernsthafter Regimegegner qualifiziert zu werden. Unabhängig davon, ob der Kläger als ernsthafter Regimegegner identifiziert worden ist, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in den Iran seitens der Sicherheitskräfte befragt wird, wenn die iranischen Sicherheitskräfte Kenntnis von seinen Aktivitäten haben. Falls der Kläger darüber hinaus als ernsthafter Regimegegner identifiziert wird, ist mit Repressionen und strafrechtlicher Verfolgung zu rechnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass iranischen Sicherheitskräften die exilpolitischen Tätigkeiten des Klägers bekannt sind, steigt folglich, wenn der Kläger im Zuge seiner Tätigkeit individuell identifizierbar öffentlich aufgetreten ist und dies im Internet durch entsprechende Veröffentlichungen langfristig dokumentiert ist. Angesichts der Tatsache von veröffentlichten Fotos mit namentlicher Nennung ist eine Identifizierung seiner Person im Sinne einer Feststellung der Personenidentität möglich. Beim Zentralrat der Ex-Muslime sind die gleichen Maßstäbe wie bei exiloppositioneller Tätigkeit anwendbar. Sofern der Iranische Geheimdienst die Eltern des Klägers auf dessen exilpolitische Tätigkeit angesprochen hätte, wäre von einem erhöhten Verfolgungsrisiko bei Rückkehr des Klägers auszugehen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Iran, vom 22.12.2021, S. 9 f., 37, 94 f.) führt aus, dass die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen kann. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden werden oder die islamischen Grundsätze in Frage stellen. Hinsichtlich des Risikos, für politische Aktivitäten verhaftet zu werden, ist die Art der Aktivität entscheidend. Andauernde politische Aktivitäten werden eher in einer Anklage enden. Eine Person, die nur eine einzige politische Aktivität auf niedrigem Niveau setzt, läuft kaum Gefahr, deswegen angeklagt zu werden. Gegen Personen, die ihre Meinungen oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wird massiv vorgegangen. Der elektronische Medien- oder Internet-Verkehr steht unter staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten und viele Plattformen sind gesperrt. Regimefeindliche oder islamfeindliche Äußerungen werden auch geahndet, wenn sie in den elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken getätigt werden. Jede Person, die sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen „Cyber-Krieg“ gegen das Land führen zu wollen. Iraner, die im Ausland leben und sich dort öffentlich regimekritisch äußeren, können von Repressionen bedroht sein. Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit im Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückkehr eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus im Iran ab.
Nach der Österreichischen Botschaft Teheran (Österreichische Botschaft Teheran, Asyl-Länderbericht – Islamische Republik Iran, November 2021, S. 5 und 25) ist der Spielraum für die außerparlamentarische Opposition vor allem durch einen Überwachungsstaat eingeschränkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht. Zu Rückkehrern und Rückkehrerinnen gibt es nach wie vor kein systematisches Monitoring. In einzelnen Fällen hätte im Fall von Rückkehrern und Rückkehrerinnen aus Deutschland festgestellt werden können, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise keine Repressalien zu erwarten gehabt haben.
Nach ACCORD (ACCORD, Anfragebeantwortung zum Iran: Überwachung von Aktivitäten im Ausland, Exilpolitische Aktivitäten, Konversion vom 5.7.2019, S. 1 f. und 3 f.) ist es den iranischen Behörden gelungen, die meisten oppositionellen Organisationen zu unterwandern. Den iranischen Behörden ist bewusst, dass iranische Auslandsstudenten und – studentinnen – in der Hoffnung, ein Asyl- oder Bleiberecht zu erhalten – sich Oppositionsgruppen anschließen oder zum Christentum konvertieren würden. Die Überwachung von Exil-Iranern ist bereits zur Zeit des Schahs Praxis gewesen. Sehr häufig kommt es vor, dass sich Exil-Iraner und Iranerinnen gegenseitig verraten und Personen auf diese Art in den Fokus iranischer Überwachsungstätigkeiten geraten würden. Es gibt regelmäßig Berichte über die Beobachtung exilpolitischer Aktivitäten durch Angehörige der Iranischen Botschaft oder iranischer Nachrichtendienste. Dies gilt beispielsweise auch für exilpolitische Demonstrationen.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH, Schnellrecherche der SFH – Länderanalyse, Iran: Risiken im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von „kritischen“ Informationen in sozialen Netzwerken, vom 25.4.2019, S. 4 ff.) teilt mit, dass die Kriminalisierung von Äußerungen abweichender politischer Meinungen in den sozialen Netzwerken seit 2013 zugenommen hat. Die Repressionen gegen im Internet aktive regierungskritische Personen ist erhöht worden, besonders gegen Blogger und Bloggerinnen bzw. Nutzer und Nutzerinnen der sozialen Netzwerke. Die Überwachung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken von Iraner und Iranerinnen im Ausland ist wahrscheinlich. Weit gefasste Auslegungen von Gesetzen ermöglichen es, in sozialen Netzwerken veröffentlichte, politisch abweichende Meinungen zu kriminalisieren und hart zu bestrafen. Die Regierung hat dutzende Personen inhaftiert, weil sie sich gegen das aktuelle Regime geäußert haben. Die Behandlung von politischen Aktivisten und Aktivistinnen bei der Rückkehr in den Iran ist von Fall zu Fall verschieden. Gefahr einer schweren Bestrafung besteht für solche Personen mit hoher Sichtbarkeit. Eine Verhaftung ist aber auch möglich für Personen mit geringeren politischen Aktivitäten in den sozialen Netzwerken. Die Behandlung von Oppositionellen, die in den Iran zurückkehren, ist von Fall zu Fall verschieden. Personen, die für ihr dissidentes Verhalten außerhalb Iran bekannt sind, werden bei einer Rückkehr in den Iran besonders streng behandelt. Es ist aber schwierig vorherzusagen, wie eine Person bei einer Rückkehr in den Iran behandelt wird. Manchmal kann sogar eine Person, die keine hohe Sichtbarkeit als Aktivist oder Aktivistin habe, bei einer Rückkehr in den Iran für eigene politische Online-Aktivitäten im Ausland verhaftet werden.
Speziell zur Arbeiterkommunistischen Partei Iran ergibt sich aus den vorliegenden Erkenntnisquellen – neben der schon zitierten Auskunft des Auswärtigen Amtes im vorliegenden Verfahren vom 4. Oktober 2021 – Folgendes: Die Arbeiterkommunistische Partei Iran ist im Verfassungsschutzbericht 2003 S. 210/211 unter Nr. 4.2 aufgeführt. Sie ist eine Abspaltung der Kommunistischen Partei Iran. Die höchste Parteiebene bilde das Zentralkomitee (ZK); die Linie der Partei wird jedoch vom Politbüro des ZK bestimmt. Zu den politischen Zielen der Partei gehört der revolutionäre Umsturz im Iran (vgl. auch Bundesamt für Verfassungsschutz, Gutachten an das VG Frankfurt vom 22.1.2004). Nach Aussage des Deutschen Orientinstituts (Deutsches Orientinstitut, Auskunft an das VG Schwerin vom 1.9.2006) ist die Arbeiterkommunistische Partei Iran eine ganz ephemere Gruppe, die nur wenige Mitglieder hat. Es handelt sich um eine Gruppe mit starkem kurdischen Bezug, die besonders im Grenzgebiet zwischen Iran und Irak eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Sie ist keine landesweit agierende Partei. Sie speist sich aus althergebrachten sozialistisch-kommunistischen Vorstellungen. Veröffentlichte Artikel sind regimekritisch. Sie veranstaltet Demonstrationen vor den Konsulaten in Frankfurt und Hamburg. Auch in Deutschland scheint die Partei nur einen sehr geringen und geringfügigen Anhang zu haben. Sie hat eine äußerst geringe Bedeutung in der exilpolitischen Szene (Deutsches Orientinstitut, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 6.10.2006). Die Arbeiterkommunistische Partei Iran wird aufgrund ihrer ideologischen Ausrichtung und ihrer regimekritischen Äußerungen von der iranischen Regierung kritisiert. Sie steht mit hoher Wahrscheinlichkeit unter Beobachtung der iranischen Sicherheitsdienste. Durch ihren Internetauftritt, den beiden Zeitungen sowie einem eigenen Radio- und Fernsehsender versucht sie, ihre politischen Forderungen zu publizieren. Als abschließende Einschätzung, ob sich eine Person von der Masse der in der Bundesrepublik Deutschland exilpolitisch tätigen Iraner unterscheidet, lässt sich nicht geben. Exilpolitische Gruppen gelten mit Sicherheit allgemein als eine Bedrohung, da sie sich oftmals kritisch und ablehnend zu der politischen und geistigen Elite Irans äußern. Ob der Bestand des iranischen Regimes in Gänze als bedroht wahrgenommen wird, lässt sich nicht eindeutig konstatieren (Deutsches Orientinstitut, Auskunft an das SächsOVG vom 25.6.2010).
An der Einschätzung, dass sich bei der Arbeiterkommunistischen Partei Irans, auch wenn diese eine aufwendige Internetpräsenz betreibt, um eine ephemere Veranstaltung handelt, wird festgehalten. Genaue Mitgliederzahlen sind nicht bekannt. Nach einem Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2005 sollen es in Deutschland ungefähr 250 Mitglieder sein. Es handelt sich um eine Szene, die in den 70er/80er Jahren im Iran gebildet worden ist und nach der Revolution 1979 genötigt war, ins westliche Ausland auszuweichen. Es ist letztlich der westliche Rest der im Iran längst völlig zerschlagenen kommunistischen Gruppen und Parteien. Inhalt und Diskussionen sind staubig/altmodisch, ferner antireligiös, was der iranischen Tradition überhaupt nicht entspricht. Diese Gruppe gehört zu einem Spektrum, das im Iran über keinerlei Rückhalt verfüge. Die Aussagen zu einer sozialistischen Revolution im Iran sind ersichtlich unrealistisch und irreal, so dass diese Dinge mit Blick auf eine potentielle Wirksamkeit im Iran in inhaltlicher Hinsicht schlechterdings nicht ernstgenommen werden können. Die kommunistische Opposition spielt im Iran schlechterdings keine Rolle mehr. Denn die kommunistische Ideologie ist im Iran hinsichtlich ihrer Akzeptanz und ihrer gesellschaftlich-politischen Relevanz, auch als Oppositionsströmung, letztlich schlicht irrelevant. Es ist nicht zweifelhaft, dass die führenden Figuren dieser Partei bei einer Rückkehr gefährdet wären. Es handele sich hierbei um einen ganz kleinen Personenkreis. Es kommt wesentlich darauf an, ob die Leute im Ausland einen realen und lebendigen Bezug zur iranischen Politik und zu den dortigen Oppositionellen oder überhaupt gesellschaftlich-politische Strömungen unterhielten. Das ist gerade bei der Arbeiterkommunistischen Partei Iran nicht der Fall (GIGA, Auskunft an das VG Schwerin vom 12.4.2007).
Tatsächlich ist die Bedeutung der Arbeiterkommunistischen Partei Iran ausschließlich auf die iranische Diaspora beschränkt. Man betreibt eine aufwendige Internetpräsenz, aber es gibt inzwischen hunderte solcher TV-Programme. Die Partei verfügt innerhalb Irans über keinerlei Bedeutung. Einen darstellbaren Einfluss nach Iran hinein oder im Iran hat die Partei nicht. Augenscheinlich hat sich die Partei verringert. Die iranischen Machthaber kümmern sich nicht um die Arbeiterkommunistische Partei Iran. Sie ist für die Machthaber ohne jede Bedeutung. Die anti-religiöse, rein westliche Haltung und die sozialistisch-kommunistischen Inhalte können einer breiten Bevölkerungsschicht im Iran nicht kommuniziert werden und dort auch nicht auf fruchtbaren Boden fallen. Der Fernsehsender und das Programm stellen keine wesentlich zu beachtende Größe dar. Eine Verfolgung deswegen ist unwahrscheinlich. Die Vermutung, dass bei einer unterstellten Rückkehr nach Iran irgendwelche Konsequenzen drohen, ist nicht plausibel, solange sich der Betreffende im Iran nicht offen betätige (Uwe Brocks, Gutachten für das Sächs. OVG vom 31.8.2010).
Nach einer älteren Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Osnabrück vom 27. April 2007 ist die Arbeiterkommunistische Partei Irans eine iranische Exilorganisation, die in Opposition zur iranischen Regierung steht. Sie verfügt über Fernsehsender und eine Radiostation. Ein spürbares politisches Einwirken dieser Partei in die iranische Gesellschaft hat bisher nicht festgestellt werden können. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes hätten weder einfache Mitglieder noch Vorstandsmitglieder eines örtlichen Rates, deren politische Tätigkeit auf erkennbar niedrigem Niveau stattfinde, im Falle der Rückkehr nach Iran staatlichen oder staatlich geduldeten Repressalien zu rechnen. Nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 22. November 2010 an das VG Hamburg hat die Partei im Verfassungsschutzbericht 2009 Erwähnung gefunden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Programmatik und Aktivitäten dem iranischen Regime bekannt sind. Maßnahmen gegen Mitglieder der Partei, unabhängig von deren Funktion und Aktivitäten, sind bei einer Rückkehr in den Iran nicht auszuschließen. Es ist jedoch anzumerken, dass der Partei im Iran durch die iranischen Behörden seit Jahren keine bedeutende Rolle mehr beigemessen wird und es bekanntermaßen seit Jahren zu keinerlei Verhaftungen oder Verurteilungen von Mitgliedern der Partei im Iran gekommen ist. Wenn den iranischen Behörden die exilpolitischen Aktivitäten bekannt sind, kann zumindest eine Anhörung der Aktivisten bei einer Rückkehr in den Iran durch die iranischen Sicherheitsbehörden als sehr wahrscheinlich angesehen werden.
Nach einer Auskunft von amnesty international an das Sächsische Oberverwaltungsgericht vom 18. Juni 2012 gibt es regelmäßig Berichte über die Beobachter exilpolitischer Aktivitäten durch Angehörige der Iranischen Botschaft oder iranischer Nachrichtendienste, beispielsweise auch über exilpolitische Demonstrationen. Zudem wird das Internet verstärkt überwacht. Es ist nicht auszuschließen, dass exilpolitische Tätigkeiten den iranischen Behörden bekannt geworden sind. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn der Betreffende im Zuge seiner exilpolitischen Tätigkeit individuell und identifizierbar öffentlich aufgetreten ist. Indizien für eine herausgehobene Position können eine Funktion als Vorstand des Verbands der Arbeiterkommunistischen Partei Iran sein, sofern er in dieser Funktion erkennbar öffentlich in Erscheinung getreten ist.
Auch nach der Rechtsprechung ist – gerade angesichts der großen Anzahl regimekritisch aktiver Exiliraner – maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die den Betreffenden nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 14 ZB 10.30114 – Asylmagazin 2011, 17). Demgegenüber ist eine Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten nur anzunehmen, wenn der iranische Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran hineinwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris; B.v. 17.10.2009 – 14 ZB 09.30257 – juris). Selbst für linksextreme Gruppen und deren Unterstützer ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer politischen Verfolgung nur auszugehen, wenn sie nicht lediglich als bloße Mitläufer bei Veranstaltungen dieser Oppositionsgruppe in Erscheinung getreten sind, sondern durch ihr Engagement und durch die von ihr entfalteten Aktivitäten aus der Masse oppositioneller Iraner herausgetreten sind, sie sich insoweit exponiert haben (OVG Bremen vom 8.11.2010 – 2 A 209/08.A – juris). Dafür reichen Aktivitäten als Demonstrationsteilnehmer nicht aus (SächsOVG, U.v. 9.7.2008 – A 2 B 296/07, Entscheidungen Asyl 9/2008, S. 3). Untergeordnete exilpolitische Aktivitäten führen nicht zu asyl- und abschiebungsrelevanten Repressalien im Iran (OVG Berlin-Bbg, U.v. 16.9.2009 – OVG 3 B 12.07 – juris). Regimekritische Veröffentlichungen im Internet und sonstigen Medien können ausnahmsweise eine Verfolgungsgefahr begründen, wenn damit zu rechnen ist, dass sie den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt werden und der Betreffende als überzeugter und besonders aktiver Regimegegner erscheint, der aus Sicht der iranischen Behörden wegen der von ihm ausgehenden Gefahr für den islamischen Staat nachhaltig zu bekämpfen ist (HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4).
Auch nach der neueren Rechtsprechung ist es nach den konkreten individuellen Gesamtumständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlich im Fall exilpolitischer Aktivitäten vorliegt. Ab welcher Intensität der politischen Aktivitäten es zu Verfolgungshandlungen kommt, lässt sich dabei nicht allgemein gültig beantworten. Die passive Mitgliedschaft in einer exilpolitischen Organisation oder die vereinzelte Teilnahme an Demonstrationen allein genügt in der Regel jedoch nicht. Insoweit erscheint es lebensfremd, dass jede Person, die an Veranstaltungen der Exilopposition teilnimmt, als möglicher Regimekritiker erkannt und verfolgt wird. Auch sind bloße untergeordnete exilpolitische Betätigungen, auch wenn sie im Internet dokumentiert sind, für sich genommen nicht ausreichend, um erhebliche Repressalien bei einer Rückkehr befürchten zu lassen. Nach der Erkenntnislage ist Iran bekannt, dass eine große Anzahl iranischer Asylbewerber aus wirtschaftlichen oder anderen und politischen Gründen versuche, im Ausland dauernd Aufenthalt zu finden und hierzu Asylverfahren mit entsprechendem Vortrag betreibe. Bekannt ist weiter, dass deshalb auch entsprechende Aktivitäten stattfinden, etwa eine oppositionelle Betätigung in Exilgruppen, die häufig, wenn nicht vorwiegend, dazu dienen, Nachfluchtgründe zu belegen. Auch insoweit ist davon auszugehen, dass die iranischen Behörden diese Nachfluchtaktivitäten realistisch einschätzen. Vielmehr kann eine exilpolitische Betätigung eine asylerhebliche Verfolgungsgefahr nur begründen, wenn nach den konkret-individuellen Umständen des Einzelfalles damit zu rechnen ist, dass der Betroffene für die iranischen Stellen erkennbar und identifizierbar in die Öffentlichkeit getreten ist und als ein Regimegegner erscheint, von dem aus Sicht der iranischen Behörden eine ernsthafte Gefahr für den islamischen Staat ausgehe. Entscheidend ist, ob die Aktivitäten den jeweiligen Asylsuchenden aus der Masse der mit dem Regime in Teheran Unzufriedenen heraushebe, so dass ein konkretes Verfolgungsinteresse an der Person des Betreffenden besteht (vgl. etwa VG Meiningen, U.v.1.12.2021 – 5 K 588/19 Me – Milo S. 12 f.; VG Aachen, U.v. 30.8.2021 – 10 K 3100/18.A – juris Rn. 56; SächsOVG, U.v. 12.10.2021 – 2 A 88/20.A – juris Rn. 25 ff., 30; B.v. 11.11.2011 – A 2 A 855/10 – juris Rn. 8; B.v. 26.9.2011 – A 2 A 518/08 – juris Rn. 7; OVG NRW, B.v. 16.6.2021 – 6 A 1407/19.A – juris Rn. 32; B.v. 22.8.2019 – 6 A 300/19.A – juris Rn. 14; B.v. 1.3.2019 – 6 A 1882/18.A – juris Rn. 26; VG Freiburg, U.v. 19.5.2021 – A 15 K 10213/17, 6531310 – juris S. 12 ff.; VG Hamburg, U.v. 10.3.2021 – 10 A 949/18 – juris Rn. 25 ff.; VG Potsdam, U.v. 10.11.2020 – 14 K 5030/17.A – juris Rn. 37; OVG SH, U.v. 24.3.2020 – 2 LB 18/19 – juris Rn. 34 ff.; BayVGH, B.v. 9.1.2020 – 14 ZB 19.30108 – juris Rn. 9; B.v. 9.1.2020 – 14 ZB 19.30023 – juris Rn. 8; B.v. 29.7.2013 – 14 ZB 13.30084 – juris Rn. 4; B.v. 25.1.2013 – 14 ZB 12.30326 – juris Rn. 4; B.v. 7.12.2012 – 14 ZB 12.30385 – juris Rn. 8; B.v. 25.1.2013 – 14 ZB 12.30326 – juris; B.v. 15.1.2013 – 14 ZB 12.30220 – juris; B.v. 7.12.2012 – 14 ZB 12.30385 – juris; Hess. VGH, B.v. 16.4.2019 – 6 A 700/19.Z.A – juris – AuAS 2019, 141 – juris Rn. 12; siehe auch schon VG Würzburg, U.v. 19.12.2012 – W 6 K 12.30171 – juris).
Für die Beurteilung der Verfolgungswahrscheinlichkeit wegen Aktivitäten für die Arbeiterkommunistische Partei Iran gilt derselbe Maßstab, wonach im Einzelfall zu klären ist, ob die Aktivitäten geeignet sind, den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt zu werden und ob eine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates besteht. Eine Rolle bei dieser Beurteilung spielt auch, dass eine große Anzahl von Asylbewerbern aus wirtschaftlichen und anderen unpolitischen Gründen versucht, im westlichen Ausland und insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland Aufenthalt zu finden und hier ihr Asylverfahren zu betreiben, in deren Verlauf eine oppositionelle Betätigung geltend gemacht und dementsprechend auch ausgeübt wird (vgl. VG Meiningen, U.v.1.12.2021 – 5 K 588/19 Me – Milo S. 11 ff.; U.v. 14.4.2021 – 5 K 185/19 Me S. 11 ff; VG Sigmaringen, U.v. 15.11.2019 – A 3 K 6356/17 – juris Rn. 31 ff.; VG Berlin, U.v. 7.9.2016 – 3 K 314.15 A – juris Rn. 30 ff.; VG Regensburg, U.v. 21.8.2012 – RO 4 K 12.30081 – juris Rn. 40; OVG Bremen, B.v. 8.11.2010 – 2 A 209/08 A – juris Rn. 6 ff.; VG Darmstadt, U.v. 19.6.2009 – 5 K 417/07.DA.A (3) – Milo S. 7 f; VG Düsseldorf, U.v. 28.3.2006 – 2 K 5747/05.A – juris Rn. 34 ff.).
Ausgehend von der Rechtsprechung, die auf der aktuellen Erkenntnislage – nach der nicht jede exilpolitisch aktive Persson gleichermaßen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht, sondern auf die Gesamtumstände des Einzelfalles abzustellen ist, ob eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr infolge eines konkreten Verfolgungsinteresse des iranischen Staates besteht, weil er die Person als ernsten Regimegegner identifiziert und qualifizier hat – beruht, begründen die vom Kläger geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten unter Würdigung der Gesamtumstände seines Falles keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr. Der Kläger hat sich nach Überzeugung des Gerichts nicht in einer exponierten Weise exilpolitisch engagiert, die ihn aus dem Kreis der standardmäßigen exilpolitischen Aktiven heraushebt und dem iranischen Staat als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt, so dass wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse seitens des iranischen Staates bestehen würde.
Für Aktivitäten im Internet ist der gleiche Maßstab der Herausgehobenheit und Exponiertheit anzulegen wie bei sonstigen politische Aktivitäten. Es ist nicht realistisch anzunehmen, dass jegliche private, unorganisierte, letztlich unprofessionell und gleichwohl regimekritische Verbreitungsaktivität zu persönlichen Konsequenzen führen wird. Die Zahl der iranischen Blogger ist viel zu groß und das Heer der iranischen Web-Blogger viel zu anonym und unspezifisch, um insoweit Befürchtungen zu begründen. Dies gilt auch für die Nutzung von sozialen Netzwerken wie F. oder In.. Regimekritische Veröffentlichungen im Internet, insbesondere in sozialen Medien können dann eine asylerhebliche Verfolgungsgefahr begründen, wenn nach den konkret-individuellen Umständen des Einzelfalls damit zu rechnen ist, dass sie den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt werden und der Betreffende als ein in exponierter Weise auftretender Regimegegner erscheint, von dem aus der Sicht der iranischen Behörden eine ernsthafte Gefahr für den islamischen Staat ausgeht (vgl. nur VG Düsseldorf, U.v. 19.7.2018 – 2 K 5777/18.A – Internet S. 5 ff.). Denn schon die Masse der von iranischen Oppositionellen betriebene Internetportale und Blogs spricht dagegen, für alle gleichermaßen eine Verfolgungsgefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Die Zahl derartiger Internetseiten wurde schon vor über zehn Jahren auf 60.000 geschätzt (vgl. HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4 unter Bezugnahme auf die Auskunft des Deutschen Orientinstituts vom 21.10.2010 an den HessVGH). Mittlerweile sind die Internetnutzung und die Anzahl der dort verbreiteten Beiträge um ein Vielfaches, wenn nicht sogar exponentiell höher. Dies gilt sowohl für entsprechende Webseiten als auch für die sozialen Medien. Es gibt allein im Iran Millionen gesperrter Internetseiten (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Iran, vom 22.12.2021, S.37). Vielmehr ist es unrealistisch, dass jegliche regimekritische Internetnutzung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu persönlichen Konsequenzen führen würde (siehe schon Deutsches Orientinstitut vom 22.10.2010 an den HessVGH, S. 10).
Ausgehend von der dargelegten Erkenntnislage und der darauf fußenden Rechtsprechung ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass dem Kläger persönlich bei einer Rückkehr politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Zwar ist anzunehmen, dass die Veröffentlichung des Klägers bzw. über ihn im Internet mit seiner Abbildung und mit seinem Klarnamen auch den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt sind. Dies gilt gerade angesichts der Teilnahme an Demonstrationen und durch die Aktion des Klägers am Jahrestag der Revolution im November 2019, bei der er die Tür des Iranischen Konsulats mit einer Kette verschlossen hat. Dafür spricht auch, dass nach Angaben des Klägers der Iranische Geheimdienst bei seinen Eltern auf dessen exilpolitische Tätigkeit angesprochen hat, wobei dies vom Auswärtigen Amt im Iran nicht verifiziert werden konnte (vgl. Auskunft an das VG Würzburg vom 4.10.2021, S. 5 zu Punkt 5). Zudem erfolgt nach der zitierten Erkenntnislage eine weit verbreitete Überwachung der Internetaktivitäten gerade seitens Exil-Iraner durch den iranischen Staat.
Das Gericht ist jedoch nicht davon überzeugt, dass der iranische Staat ein Verfolgungsinteresse an den Kläger hat. Denn wie ausgeführt, hat der Kläger sich innerhalb der Arbeiterkommunistischen Partei Iran mit seinen exilpolitischen Aktivitäten nicht exponiert. Er ragt nicht aus der großen Masse der Exil-Iraner heraus, die sich in großer Zahl regimekritisch, auch im Internet, äußern. Gerade im Vergleich zu einer Vielzahl – auch im Internet – exilpolitisch aktiver Iraner ist der Kläger nicht besonders hervorgetreten. Es ist nicht anzunehmen, dass der iranische Staat ein Verfolgungsinteresse an der Person des Klägers hat. Die Arbeiterkommunistische Partei Iran steht nicht im besonderen Fokus des iranischen Staates, weil sie – wie in den zitierten Erkenntnisquellen ausgeführt – keine große Bedeutung hat, anders etwa als die Volksmujahedin oder separatistische kurdische Parteien.
Das Auswärtige Amt hat in der eingeholten Auskunft vom 24. Oktober 2021 dargelegt, dass ein Verfolgungsinteresse vor allem in den Fällen besteht, in denen die iranischen Sicherheitskräfte jemanden als ernsthaften Regierungsgegner identifiziert und qualifiziert haben. Warum gerade der Kläger ein ernsthafter Regierungsgegner sein sollte, ist nicht ersichtlich. Zwar sind dem Auswärtige Amt auch Fälle bekannt, in denen einfache Mitglieder oppositioneller Gruppierungen bei der Rückkehr in den Iran verhaftet worden sind. Aber es hat sich bei diesen Personen um solche gehandelt, die anders als der Kläger schon zuvor aufgrund ihrer politischen Aktivität inhaftiert waren. Dem Auswärtigen Amt sind keine konkreten Fälle mit Bezug zur Arbeiterkommunistischen Partei Iran bekannt, die zu Repressionen bei einer Rückkehr geführt haben. Auf Seite 3 der Auskunft hat das Auswärtige Amt weiter dargelegt, dass sich in der Praxis das Verfolgungsinteresse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit primär auf ernsthafte Regimegegner konzentriert. Vor diesem Hintergrund, dass die iranischen Sicherheitsbehörden exilpolitische Tätigkeiten im Ausland überwachten, bestehe vor allem in den Fällen eines exponierten exilpolitischen Engagements eine wesentliche Verfolgungswahrscheinlichkeit. Es reicht für die Annahme einer Verfolgungsgefahr nicht allein aus, dass die Sicherheitskräfte Kenntnis von der exilpolitischen Tätigkeit haben. Darüber hinaus muss der Betreffende als ernsthafter Regimegegner qualifiziert und seine exilpolitischen Aktivitäten dürfen nicht bloß als Handlungen auf niedrigem oppositionellen Niveau eingestuft sein. Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger identifiziert ist und bei einer Rückkehr seitens der Sicherheitsbehörden befragt würden, würden nur dann staatliche Repressionen ausgelöst werden, wenn die iranischen Behörden den Rückkehrer als ernsthaften Regimegegner identifizierten, an dem zusätzlich ein Verfolgungsinteresse besteht.
Der Kläger hat aktuell innerhalb seiner Partei keine Funktion oder Position inne. Weiter ist anzumerken, dass nach der Auskunftslage die Arbeiterkommunistische Partei Iran bei den iranischen Behörden keine bedeutende Rolle spielt und repressive Maßnahmen gegen Mitglieder der Partei nicht bekannt sind. Letztlich fehlt für die Annahme einer begründeten Verfolgungsgefahr eine gewisse Qualität der gegen das Regime gerichteten Aktivitäten, die den Schluss rechtfertigen würden, dass der iranische Staat ein Verfolgungsinteresse hat, weil er den Betreffenden als ernsthaft und gefährlichen Regimegegner einschätzt, der auf die Verhältnisse im Iran hineinwirkt. Nicht jede regimekritische Äußerung führt zwangsläufig zu Zwangsmaßnahmen (vgl. schon VG Würzburg, U.v. 4.1.2012 – W 6 K 10.30331 – juris Rn 34.).
Auch der Umstand, dass der Kläger nach seinem Vorbringen als Redner bei Demonstrationen aufgetreten ist, hebt ihn nicht aus der Masse hervor. Denn der Kläger hat zum einen selbst angegeben, dass seine Rede etwa nur zwei bis drei Minuten gedauert habe und dass er nur einer von mehreren Rednern gewesen sei. Die Aufnahme von kurzen Redebeiträgen ist ein bekannter und weit verbreiteter Umstand bei Exiliranern, genauso wie die Aufnahme von gemeinsamen Fotos mit bekannten exilpolitisch aktiven Personen, um sich dadurch Vorteile im Asylverfahren zu verschaffen. Wie ausgeführt ist dieses asyltaktische Verhalten auch den iranischen Behörden bekannt und erhöht nicht das Verfolgungsrisiko. Die Aktivitäten des Klägers von Januar 2019 bis Januar 2022 den Kläger machen in der Gesamtbetrachtung nicht zu einem exponierten oder sonst ernsthaften Regimegegner, an dem ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehen könnte. Letztlich ändert sich nichts an der grundlegenden Beurteilung, wie schon im Erstverfahren dargelegt (siehe VG Würzburg, U.v. 30.10.2017 – W 8 K 17.32061 – juris Rn 30 ff.).
Gegen eine Verfolgungswahrscheinlichkeit spricht auch, dass die Aktivitäten des Klägers im Internet im Vergleich zu anderen eher dürftig sind. Er hat keine eigene exilpolitische Webseite, sondern findet sich nur mit vereinzelten Berichten über ihn bzw. Filmaufnahmen von Aktionen, an denen er teilgenommen hat, auf anderen Kanälen. Soweit der Kläger angab, auf der F.-Seite der Partei zu schreiben, ist fraglich, inwieweit dies einer breiten Masse bekannt wird und gleichzeitig ein Verfolgungsinteresse auslösen würde. Auch die Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2022 von 1,5 Millionen Aufrufen des Films, auf dem er zu sehen sei, bzw. von 1,3 Millionen Abonnenten des Internetkanals – im Schriftsatz vom 17. Januar 2022 ist von 146.000 Abonnenten der In.-Seite mit der Aufnahme der Demonstration am 8. Januar 2022 die Rede, im Schriftsatz vom 22. Dezember 2021 von Kanälen mit bis zu 1,3 Millionen Abonnenten und von Videobeiträgen bis zu 262.000 Aufrufen – relativiert sich, wenn man berücksichtigt, dass der Kläger nicht selbst der Betreiber dieser Seiten ist und nach eigenem Bekunden nur etwa dreimal im Jahr veröffentlicht haben will. An exilpolitischen Aktivitäten, die im Internet durch entsprechende Veröffentlichungen langfristig dokumentiert sind, um von einer möglichen höheren Verfolgungswahrscheinlichkeit ausgehen zu können (vgl. die eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Würzburg vom 4.10.2021, S. 4 zu Punkt Nr. 3), fehlt bei den vereinzelt gebliebenen Aktionen in den letzten Jahren.
Gegen ein nachhaltiges Verfolgungsinteresse des iranischen Staates spricht auch der Umstand, dass einerseits im Jahr 2019 seine Eltern angeblich einen Besuch vom Iranischen Geheimdienst bekommen hätten. Denn der Kläger gab in der mündlichen Verhandlung am 18. November 2019 ausdrücklich an, man hätte seinen Eltern gesagt, er, der Kläger, solle in Deutschland aufhören, sonst würden sie Probleme bekommen. Dem ist er offensichtlich auch ohne große Not nachgekommen. In der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2022 erklärt der Kläger dazu ausdrücklich, dies sei ein einmaliger Fall gewesen. Soweit der Kläger dann nachgeschoben hat, angeblich sei vor zwei Monaten eine Vorladung an seine Familie gegangen, sind die näheren Umstände dazu völlig offen. Der Kläger hat nach eigenem Bekunden dieser angeblichen Vorladung auch keine große Relevanz zugemessen. Er hat sich selbst nicht weiter darum gekümmert, geschweige denn sich die Vorladung besorgt bzw. schicken lassen, um sie dem Gericht vorlegen zu können. Des Weiteren ist unklar, was überhaupt Inhalt dieser angeblichen Vorladung sein soll, ob sie überhaupt den Kläger und seine exilpolitischen Aktivitäten betrifft. Genauso könnte es sein, dass das Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte bei der Familie des Klägers auch insoweit nur dazu diente, Druck auf den Kläger auszuüben, sich exilpolitisch zu betätigen.
Im Übrigen ist ausdrücklich anzumerken, dass der Kläger von November 2019 bis November 2021, obwohl er in Deutschland ungehindert hätte exilpolitisch hätte tätig sein können, davon abgesehen hat und danach lediglich an zwei Aktionen/Demonstrationen in der Öffentlichkeit teilgenommen hat, also in den letzten ca. 26 Monaten vor der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2022 in eigener Person insgesamt nur zweimal tatsächlich öffentlich regimekritisch in Erscheinung getreten ist, obwohl seine Partei nach eigener Aussage des Klägers alle zwei Wochen eine Aktion in Frankfurt veranstaltet hat. Da ist – ebenso wie seine Internetaktivitäten in diesem Zeitraum – äußerst dürftig. Er hat seine häufigeren öffentlichen Auftritte vor der ersten mündlichen Verhandlung am 28. November 2019 gerade nicht fortgesetzt. Wie schon im Zusammenhang mit § 28 Abs. 2 AsylG ausgeführt, spricht vieles dafür, dass die konkreten exilpolitischen Aktivitäten des Klägers primär asyltaktisch motiviert sind, um Vorteile im Asylverfahren zu erlangen. Dieser Umstand bleibt auch den iranischen Sicherheitsbehörden nicht verborgen. Wenn der Kläger schon in Deutschland keine großen exilpolitischen regimekritischen Aktivitäten an den Tag legt, ist auch nicht zu erwarten, dass er dies bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran machen würde. Offensichtlich besteht beim Kläger dafür kein großes oder vorrangiges Bedürfnis. Das gesamte Verhalten des Klägers erweckt den Eindruck, dass er seine exilpolitischen Aktivitäten auch in Zukunft nicht fortführen wird, wenn er sich davon keine Vorteile im Asylverfahren versprechen kann.
Auch wenn eine mögliche Verfolgung des Klägers bei einer potenziellen Rückkehr in den Iran nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, besteht nach dieser Auskunftslage und der darauf basierenden Rechtsprechung, insbesondere auch der Obergerichte nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran. Da nach Überzeugung des Gerichts nicht davon auszugehen ist, dass die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers den iranischen Sicherheitsbehörden nicht nur bekannt sind, sondern zusätzlich ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates begründen.
Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen des Auslandsaufenthalts oder der Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Allein der Umstand, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus; ausgenommen davon sind Personen, die – anders als hier – seitens der iranischen Sicherheitsbehörden als ernsthafte Regimegegner identifiziert wurden und an denen ein Verfolgungsinteresse besteht. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Nur in Einzelfällen ist es zu einer Befragung durch Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt gekommen. Insbesondere in Fällen, in denen Iran illegal verlassen worden ist, muss mit einer Befragung gerechnet werden. Bisher ist kein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Exiliraner werden explizit ermutigt zurückzukehren; ihnen wird bei Koordinierung mit der iranischen Justiz eine Rückkehr ohne Inhaftierung in Aussicht gestellt. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Abgesehen davon akzeptiert die iranische Regierung unter Verweis auf die Verfassung grundsätzlich ausschließlich freiwillige Rückkehr (Freizügigkeit). Nur bei unterstützter Rückkehr (also im weiteren Sinne auch Umwandlung von Abschiebung in „freiwillige“ Rückkehr durch finanzielle oder sonstige Anreize) ist eine Kooperation realistisch. Konsularkonsultationen über eine Zusammenarbeit bei der Rückführung sind, insbesondere hinsichtlich der Rücknahme schwerer Straftäter, waren noch nicht erfolgreich (siehe zum Ganzen Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran, Stand Dezember 2020, vom 5.2.2021, S. 25 f. und Stand 23.12.2021, vom 28.1.2022, S. 4 f. und 21 f. sowie OVG NRW, U.v. 6.9.2021 – 6 A 139/19.A – juris Rn. 74; vgl. im Übrigen VG Würzburg, U.v. 2.1.2020 – juris Rn. 36; U.v. 19.8.2019 – W 8 K 19.30846 – juris Rn. 42 jeweils m.w.N. zur Rspr.).
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG vorliegen, weil wie schon ausgeführt beim Kläger ein ernsthafter Schaden nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Des Weiteren bestehen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wie das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid ebenfalls schon zutreffend ausgeführt hat.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich schließlich auch nicht aus der weltweiten COVID-19-Pandemie, weil nach den aktuellen Fallzahlen im Iran – auch im Vergleich zu Deutschland -, wie sie das Gericht in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat (siehe S. 2 des Sitzungsprotokolls), keine hohe Wahrscheinlichkeit der Gefahr der Ansteckung oder sogar eines schweren oder lebensbedrohlichen Verlaufs besteht, so dass nicht ersichtlich ist, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran krankheitsbedingt einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben oder sonst einer extremen materiellen Not mit der Gefahr der Verelendung ausgesetzt wäre. Dies gilt erst recht, wenn der Kläger die vom iranischen Staat getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sowie individuelle Schutzmaßnahmen (Einhaltung von Abstand, Hygieneregeln, Mund-Nasen-Schutz-Masken usw.) beachtet und die bestehenden Hilfemöglichkeiten in Anspruch nimmt, zumal der iranische Staat nicht tatenlos geblieben ist und Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sowie Hilfsmaßnahmen getroffen hat.
In dem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Iran etwa mit Ausgangssperren, örtlichen Lockdowns, Maskenpflicht, Reiseeinschränkungen, Verbot von Feierlichkeiten und dergleichen reagiert hat. Weiter wurden Schulen und Universitäten geschlossen, Freitagsgebete sowie Kultur- und Sportveranstaltungen wurden abgesagt, Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt. Des Weiteren rufen die Behörden dazu auf, möglichst soziale Kontakte zu meiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die öffentlichen Verkehrsmittel zu meiden bzw. bei deren Nutzung eine Gesichtsmaske zu tragen (vgl. BAMF, Briefing-Notes vom 3.1.2022, 11.10.2021, 13.9.2021, 6.9.2021, 16.8.2021, 9.8.2021, 2.8.2021, 26.7.2021, 5.7.2021, 7.6.2021, 10.5.2021, 19.4.2021, 12.4.2021, 22.3.2021, 1.3.2021, 22.2.2021, 15.2.2021, 8.2.2021, 1.2.2021, 18.1.2021, 11.1.2021, 16.11.2020, 26.10.2020, 5.10.2020, 28.9.2020, 17.8.2020, 27.7.2020, 20.7.2020, 13.7.2020 sowie Auswärtiges Amt, Iran: Reise- und Sicherheitshinweise [COVID-19-bedingte Reisewarnung] gültig seit 29.9.2021; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 22.12.2021, S. 1 und 2 ff.; Länderinformation – Iran, Gesundheitssystem und COVID-19-Pandemie, November 2020; Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand 06/2020, S. 30 ff.; Kurzinformation der Staatendokumentation, Zone Russische Föderation/Kaukasus und Iran, COVID-19-Informationen vom 9.6.2020, S. 2 f.).
Abgesehen davon hat der Kläger keinerlei Angaben gemacht, wie sich aktuell die Lage zur Ausbreitung von COVID-19 im Iran – vor allem in seiner Heimatregion – darstellt, insbesondere wieviele Menschen sich dort mit dem zugrundeliegenden Krankheitserreger SARS-CoV-2 infiziert haben, hierdurch schwer erkrankt oder gar verstorben sind, von wievielen Ansteckungsverdächtigen derzeit auszugehen ist, welche Schutzmaßnahmen mit welcher Effektivität der iranische Staat zur Eindämmung der Pandemie ergriffen hat, um beurteilen zu können, ob und welche Wahrscheinlichkeit für eine möglicherweise befürchtete Ansteckung mit COVID-19 im Falle einer Rückkehr besteht. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalles abzustellen, zu der auch eine eventuelle – beim Kläger nicht gegebene – Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe gehört (vgl. OVG NRW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20.A – juris konkret zum Iran).
Abgesehen davon käme hinsichtlich der COVID-19-Pandemie ein Abschiebeverbot nur bei einer extremen allgemeinen Gefahrenlage in Betracht, wenn die drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Betreffenden die begründete Furcht ableiten ließe, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssten mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Eine Abschiebung müsste nur dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam den sicheren Tod oder schwerste Verletzungen ausgeliefert würde“, wobei sich diese Gefahren auch alsbald nach der Rückkehr realisieren würden. Dass der Kläger bei Rückkehr in den Iran eine derart extreme allgemeine Gefährdungslage ausgesetzt sein könnte, ist nicht vorgebracht und insbesondere mit Bezug auf die vorstehenden Ausführungen betreffend die COVID-19-Pandemie auch nicht ersichtlich (vgl. OVG NRW, U.v. 6.9.2021 – 6 A 139/19.A – juris Rn. 86 ff. m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.3.2021 – 14 ZB 20.31824 – juris Rn. 6 f., 20 ff.).
Schließlich sind auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht zu beanstanden, wird insoweit auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden kann (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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