Verwaltungsrecht

Isolierte erneute Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  Au 5 K 16.665

Datum:
19.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG BayVwZVG Art. 18, Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Art. 20, Art. 21, Art. 22, Art. 29 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Art. 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 6 S. 2, Art. 37 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Vollstreckungsvoraussetzung ist die Wirksamkeit, nicht die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts (ebenso BVerwG, BeckRS 2008, 40173). (redaktioneller Leitsatz)
Aufgrund einer Beseitigungsanordnung wegen unerlaubter Sportwetten können Zwangsgelder für einzelne Geräte festgessetzt werden. Die Beseitigungsanordnung ist eine in tatsächlicher Hinsicht teilbare Verpflichtung; der Höchstrahmen des Zwangsgelds bezieht sich dann auf jedes einzelne Gerät und addiert sich nicht. (redaktioneller Leitsatz)
Die Beitreibung des zunächst festgesetzten Zwangsgelds ist nicht Voraussetzung für die Androhung eines erneuten Zwangsgelds. Voraussetzung der erneuten Androhung eines Zwangsmittels ist lediglich, dass die vorausgegangene Androhung des Zwngsmittels erfolglos geblieben ist. (redaktioneller Leitsatz)
Die Festsetzung einer Frist von einer Woche für die Beseitigung von Bildschirmen und Wett-Terminals ist angemessen, da die Geräte ohne größeren technischen Aufwand beseitigt werden können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
1. Die (erneute) isolierte Zwangsgeldandrohung, die im angefochtenen Bescheid ausgesprochen wurde, stützt sich zutreffend auf Art. 31, 36 und 37 VwZvG.
Gemäß Art. 29 Abs. 1 VwZVG können Verwaltungsakte, mit denen die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gefordert wird, mit Zwangsmitteln vollstreckt werden. Als Zwangsmittel nennt das Gesetz in Absatz 2 Nr. 1 das Zwangsgeld und bestimmt in Absatz 3 Satz 1, dass das Zwangsmittel in angemessenem Verhältnis zu seinem Zweck stehen muss. Die Vollstreckung setzt voraus, dass der zu einer sonstigen Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung Verpflichtete seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt (Art. 19 Abs. 2 VwZVG). Einzelheiten zum Zwangsgeld sind in Art. 31 VwZVG geregelt. Nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG kann die Vollstreckungsbehörde, wenn die Pflicht zu einer Handlung nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wird, den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten. Das Zwangsgeld beträgt bis zu 50.000,– EUR und soll das nach Ermessen zu schätzende wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen (Art. 31 Abs. 2 VwZVG). Eine neue Androhung ist erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG). Zwangsmittel können so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist (37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).
a) Ausgehend von diesen Maßgaben ist das mit Bescheid vom 12. April 2016 angedrohte, erneute Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro je Live-Quotenbildschirm und je Wett-Terminal nicht zu beanstanden.
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 18 bis 22 VwZVG) liegen vor.
Mit dem hinsichtlich der Beseitigungsanordnung für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 30. November 2015 liegt ein wirksamer vollstreckungsfähiger Grundverwaltungsakt vor (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage blieb erfolglos. Unabdingbare Grundlage einer rechtmäßigen Verwaltungsvollstreckung ist allein die Wirksamkeit, nicht aber die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung (BVerwG, B.v. 25.9.2008 – 7 C 5/08 – juris Rn. 12; Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 10. Aufl. 2014, § 6 VwVG Rn. 1c). Selbst wenn man vorliegend ausnahmsweise von einem Rechtswidrigkeitszusammenhang ausgehen wollte (s. hierzu Engelhardt/App/Schlatmann a. a. O.), ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes, weil der Grundverwaltungsakt nach Auffassung des Gerichts rechtmäßig ist. Sowohl im Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Januar 2015 (Az. Au 5 S 15.1788) als auch in der Beschwerdeentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Mai 2016 (Az. 15 CS 16.300) ist ausgeführt, dass sich der Grundverwaltungsakt voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird und insbesondere gegen die Beseitigungsanordnung keine rechtlichen Bedenken bestehen. In der Beschwerdeentscheidung ging der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, ebenso wie das Verwaltungsgericht, davon aus, dass es sich bei der von der Klägerin betriebenen Wettvermittlungsstelle um eine Vergnügungsstätte in Form eines Wettbüros handle und begründete diese Rechtsauffassung ausführlich. Eine andere rechtliche Bewertung ist durch das Klagevorbringen, das im Wesentlichen die bereits in den vorangegangenen gerichtlichen Verfahren vorgetragene Argumentation aufgreift, deshalb nicht veranlasst.
bb) Auch die besonderen Voraussetzungen für die Androhung eines erneuten Zwangsgeldes im Sinne der Art. 31, 36 und 37 VwZVG sind erfüllt.
Das der Klägerin angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro je Terminal und Bildschirm hält sich im Rahmen, den die Vorschrift des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG eröffnet (15 bis 50.000 Euro). Insbesondere konnte das Zwangsgeld für die von der Klägerin aufgestellten Terminals und Bildschirme jeweils gesondert festgesetzt werden. Denn die Beseitigungsanordnung ist auf die Verpflichtung zur Beseitigung jedes einzelnen Gerätes gerichtet und deshalb eine in tatsächlicher Hinsicht teilbare Verpflichtung. Damit ist auch die Zwangsgeldandrohung nur hinreichend bestimmt i. S. d. Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG, wenn für den Pflichtigen erkennbar wird, welche vollstreckungsrechtlichen Folgen eine nur teilweise Pflichterfüllung nach sich zieht. Eine künstliche Aufsplittung des Zwangsgeldes kann darin nicht gesehen werden. Die Höhe des jeweils angedrohten Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden und steht in angemessenem Verhältnis zu seinem Zweck. Zunächst hatte die Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro angedroht. Dieses war aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (VG Augsburg, B.v. 15.1.2016 – Au 5 S 15.1788 – Rn. 39). Nachdem das zunächst angedrohte Zwangsgeld die Klägerin jedoch nicht zur Einhaltung ihrer Beseitigungsverpflichtung anhalten konnte, erscheint es erforderlich, das Zwangsgeld entsprechend zu erhöhen. Den Überlegungen der Beklagten zur Bemessung der Höhe des Zwangsgeldes unter Berücksichtigung der Studie „Glücksspielmarkt Deutschland 2015“ trat die Klägerin nicht substantiiert entgegen. Der Umstand, dass ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro je Gerät noch nicht ausreichend war, um die Klägerin zur Beseitigung zu veranlassen, deutet im Übrigen auch darauf hin, dass das wirtschaftliche Interesse am Betrieb der einzelnen Geräte von der Klägerin offensichtlich höher als das zunächst angedrohte Zwangsgeld eingestuft wird.
(2) Schließlich verstößt die getroffene Regelung auch nicht gegen Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG. Hiernach ist eine erneute Androhung eines Zwangsmittels erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Die Beitreibung des zunächst angedrohten Zwangsgeldes ist demgegenüber nicht Voraussetzung für die Androhung eines erneuten Zwangsgeldes, denn die Beugewirkung des Zwangsgeldes tritt bereits mit dessen Androhung ein (BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 10 ZB 10.2439 – juris Rn. 12). Zwangsmittel können nur in der Form einer erneuten selbstständigen Androhung wiederholt und gegebenenfalls gesteigert werden. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können sie so oft und so lange angewendet werden, bis die zugrunde liegende Verpflichtung erfüllt ist. Die Klägerin ist ihrer Beseitigungsverpflichtung aus Nr. 1 des Bescheids vom 30. November 2015 nicht innerhalb der im Bescheid gesetzten Frist nachgekommen. Dies wurde anlässlich zweier Baukontrollen am 11. Februar 2016 und 12. April 2016 festgestellt. Die Klägerin bestreitet die Richtigkeit dieser Feststellungen auch nicht, die Geräte wurden bisher nicht beseitigt. Die vorangegangene Zwangsgeldandrohung blieb damit erfolglos.
(3) Soweit in Nr. 1 des Bescheids vom 12. April 2016 der Klägerin eine Frist zur Beseitigung der Bildschirme und Wett-Terminals von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids eingeräumt wird, ist diese Frist als angemessen i. S. des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG anzusehen, da die Geräte ohne größeren technischen Aufwand beseitigt werden können. Zudem konnte die Klägerin angesichts der vorangegangenen Zwangsgeldandrohung bereits entsprechende Vorkehrungen treffen.
Nachdem sich der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 12. April 2016 damit als rechtmäßig erweist, war die Klage abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 22.000,- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.7.1 Satz 2 des Streitwertkatalogs).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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