Verwaltungsrecht

Isolierte Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  9 ZB 21.1749

Datum:
20.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 33621
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 36
VwZVG Art. 38 Abs. 1 S. 3
VwZVG Art. 38 Abs. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 3 K 20.1484 2021-05-05 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger ist Miteigentümer der Grundstücke FlNr. … und … Gemarkung R … … … Mit bestandskräftigem Bescheid vom 9. Juni 2015 verpflichtete das Landratsamt N … … den Kläger, den auf den Grundstücken FlNr. … und … Gemarkung R … … … errichteten Lager- und Müllplatz vollständig zu beseitigen. Für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung bis zum 30. November 2015 wurde dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 Euro angedroht. Mit Schreiben vom 29. Februar 2016 wurde dieses Zwangsgeld gegenüber dem Kläger fällig gestellt. Der Betrag wurde vom Kläger entrichtet.
Mit Bescheid vom 3. März 2016 wurde dem Kläger für den Fall, dass er der Verpflichtung aus dem Bescheid vom 9. Juni 2015 nicht bis spätestens 1. September 2016 nachkomme, ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 Euro angedroht. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2016 wurde auch dieses Zwangsgeld fällig gestellt; es wurde vom Kläger ebenfalls entrichtet. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2016, geändert mit Bescheid vom 5. März 2018, drohte das Landratsamt dem Kläger unter Setzung einer Frist von zehn Wochen nach Bestandskraft ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 Euro an. Die hiergegen erhobene Klage (Az. AN 3 K 16.02326) nahm der Kläger zurück. Das Zwangsgeld wurde mit Schreiben vom 29. Oktober 2018 fällig gestellt. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2018 drohte das Landratsamt unter Fristsetzung bis 21. Dezember 2018 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 15.000,00 Euro an. Auch die hiergegen erhobene Klage (Az. AN 3 K 18.02329) nahm der Kläger zurück. Das Zwangsgeld wurde mit Schreiben vom 8. Juli 2020 fällig gestellt. Mit Bescheid vom 8. Juli 2020 wurde dem Kläger mit Fristsetzung bis zum 31. August 2020 nochmals ein Zwangsgeld, diesmal in Höhe von 20.000,00 Euro angedroht. Die dagegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 5. Mai 2021 ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen allenfalls sinngemäß geltend gemachter ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen, weil dieser Grund nicht in der nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Weise dargelegt ist bzw. nach dem Dargelegten nicht vorliegt.
Nach dem in § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO enthaltenen Darlegungsgebot ist eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs, vor allem eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil zu fordern. Dazu muss der Rechtsmittelführer im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Annahmen des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2020 – 9 ZB 18.2090 – juris Rn. 9 m.w.N.). Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
1. Der Kläger macht geltend, es sei unverhältnismäßig, trotz der Räumungsverpflichtung aller Miterben der Grundstücke FlNr. … und … Gemarkung R … … … sowie vier erfolgloser Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausschließlich ihn in Anspruch zu nehmen und nicht längst gegenüber den Miterben Maßnahmen zur Räumung und ggf. zwangsweisen Durchsetzung in die Wege zu leiten. Das Verwaltungsgericht verschließe sich der Argumentation, dass zu prüfen sei, ob die Räumung der Grundstücke ggf. durch die ebenfalls verpflichteten Miterben deutlich effektiver und schneller durchgesetzt werden könne bzw. übersehe den Aspekt der notwendigen Auswahl zwischen mehreren Schuldnern unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der angeordneten Zwangsvollstreckungsmaßnahme.
Das Verwaltungsgericht hat den entsprechenden erstinstanzlichen Vortrag zur Störerauswahl als materiell-rechtliche Einwendungen gegen den bestandskräftigen Ausgangsbescheid vom 9. Juni 2015 angesehen sowie darauf hingewiesen, dass der Kläger als Vollstreckungsschuldner im Klageverfahren gegen die streitgegenständliche isolierte Zwangsgeldandrohung damit nicht mehr gehört werden könne (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 VwZVG; BayVGH, B.v. 8.1.2021 – 9 ZB 19.322 – juris Rn. 8). Damit, dass das Verwaltungsgericht die Störerauswahl zu Recht der Auswahlermessensentscheidung der Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Grundverfügung zugeordnet hat (vgl. z.B. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand Mai 2021, Art. 76 Rn. 177 ff.), die hier mit dem Bescheid vom 9. Juni 2015 im Sinne der Inanspruchnahme des Klägers als Handlungsstörer bestandskräftig getroffen wurde, setzt sich der Kläger im Zulassungsverfahren nicht auseinander.
Der Kläger legt darüber hinaus auch nicht substantiiert dar, wieso das Verwaltungsgericht die Frage der Störerauswahl gleichwohl im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit der hier angegriffenen Zwangsmittelandrohung noch hätte berücksichtigen können oder müssen. Der Kläger beruft sich zwar darauf, er sei 67 Jahre alt und als Inhaber eines Container-Dienstes sowie Lkw-Fahrer vollschichtig tätig, weshalb es ihm bislang nicht möglich gewesen sei, die Grundstücke vollständig zu räumen. Im Übrigen sei es angesichts der von ihm bereits durchgeführten Räumungsarbeiten und seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unverhältnismäßig, immer höhere Zwangsgelder bis hin zu 20.000,00 Euro anzudrohen, statt die Inanspruchnahme der weiteren Miterben zu prüfen. Dem kann aber schon weder nachvollziehbar entnommen werden, dass er, wie er meint, zur Erfüllung der verhängten Maßnahmen offenbar nicht in der Lage sei, noch, dass sonst die Annahme der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der angegriffenen Zwangsgeldandrohung oder der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ernstlichen Zweifeln begegnen müsste. Der Kläger setzt sich zudem wiederum nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander, hinsichtlich der Höhe des Zwangsgeldes seien sowohl vier erfolglos gebliebene Androhungen des Beugemittels Zwangsgeld als auch Dauer und Intensität der Pflichtverletzung sowie das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Anordnung zu berücksichtigen.
2. Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren erneut vorbringt, das Abstellen einzelner Container und Baumaschinen sei weder umweltrechtlich noch im Hinblick auf einen Eingriff in das Landschaftsbild bzw. die Eigenart der näheren Umgebung problematisch, geht er ebenfalls nicht auf die Argumentation des Verwaltungsgerichts hinsichtlich Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG ein. Er wendet sich damit vielmehr allein gegen die Grundverfügung.
3. Auch mit dem ebenfalls schon erstinstanzlich Vorgetragenen, der Kläger habe bereits umfangreiche Räumungsarbeiten vorgenommen, es sei jedoch nicht hinreichend bestimmt, was unter „vollständig geräumt“ zu verstehen sei, die Unbestimmtheit der Grundverfügung stehe einer Vollstreckbarkeit entgegen, setzt sich der Kläger nicht substantiiert mit der angegriffenen Entscheidung auseinander, sondern wiederholt nur seine eigene Rechtsauffassung, die der des Verwaltungsgerichts, an der hinreichenden Bestimmtheit bestünden nach dem Bescheidtenor und den Bescheidgründen keine Zweifel, entgegensteht (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2019 – 20 ZB 18.2196 – juris Rn. 3). Mit dem Hinweis auf Kleinstabfall, der zufällig auf das Grundstück gelangt sein könne, oder Bauschutt, der möglicherweise in den Boden eingearbeitet sei, ist zudem nicht dargelegt, weshalb angesichts der angeordneten vollständigen Beseitigung des Lager- und Müllplatzes der Umfang dieser Maßnahme unbestimmt sein könnte. Es bestehen aufgrund der in der Behördenakte befindlichen Lichtbilder, die anlässlich von Überprüfungen vor Ort kurz vor und nach der streitgegenständlichen Zwangsgeldandrohung durch das Landratsamt aufgenommen wurden, im Übrigen auch keine Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht zu Recht von der bisherigen Nichterfüllung der verfügten Verpflichtung ausgegangen ist.
4. Schließlich führt auch das Vorbringen des Klägers, die Stadt A … habe das Grundstück FlNr. … Gemarkung R … … … am 18. Februar 2021 ersteigert und sei Eigentümerin geworden, nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Dabei kann offenbleiben, inwieweit sich der Kläger im vorliegenden Klageverfahren gegen eine Zwangsgeldandrohung auf Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch im Sinne des Art. 21 Satz 2 VwZVG berufen kann (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2021 – 1 CS 21.31 – juris Rn. 18; B.v. 19.2.2021 – 1 ZB 20.2691 – juris Rn. 4 m.w.N; vgl. auch B.v. 11.3.2021 – 20 ZB 20.2152 – juris Rn. 6; B.v. 3.2.2020 – 8 ZB 19.2185 – juris Rn. 13). Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage zugunsten des Klägers, die einer Vollstreckung der hier ausgesprochenen Beseitigungsanordnung entgegenstehen könnte (vgl. auch BayVGH, U.v. 18.1.2021 – 9 CS 20.1771 – juris Rn. 15 m.w.N.), hat er jedenfalls nicht dargelegt.
Der Eigentümerwechsel betreffend das Grundstück FlNr. … Gemarkung R … … … wirkt sich auf die bereits zuvor gegenüber dem Kläger als Handlungsstörer bestandskräftig angeordnete Beseitigungspflicht nicht aus. Einer Zustimmung der Stadt A … bedarf es nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt mit der Räumung dieses Grundstücks nicht einverstanden sein könnte, ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2021 – 1 ZB 21.59 – juris Rn. 5; B.v. 10.5.2019 – 1 ZB 17.1039 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Der Kläger trägt gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit dieser Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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