Verwaltungsrecht

Kabul und Herat sind im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als Fluchtalternative geeignet

Aktenzeichen  Au 6 K 17.31062

Datum:
17.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13996
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

1 Grds. ist Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als Fluchtalternative geeignet. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass die Anforderungen an ein ärztliches Attest nach § 60a Abs. 2c AufenthG auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind (BayVGH BeckRS 2018, 489). (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung des subsidiären Schutzes und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote.
Der nach seinen bisherigen Angaben am … 1997, nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am … 1992 in der Provinz Laghman in Afghanistan geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger der Volkszugehörigkeit der Paschtunen sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 14. Oktober 2015 auf dem Landweg u.a. über Bulgarien, Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte hier Asyl.
Bei seiner auf Paschtu geführten Anhörung beim Bundesamt am 9. August 2016 gab er im Wesentlichen an (BAMF-Akte Bl. 30 ff.), er habe bis kurz vor seiner Ausreise am 9. August 2015 in der Provinz Laghman im Distrikt … gelebt. In verschiedenen Städten in Afghanistan lebten noch drei Brüder, zwei Schwestern sowie 13 Tanten und Onkel. Er habe in seiner Heimatprovinz das Abitur gemacht und anschließend in der Logistik eines Gefängnisses gearbeitet. Am 4. März 2015 habe ein Unbekannter bei ihm angerufen und ihn aufgefordert, bei der Befreiung einiger Gefängnisinsassen zu helfen. Er habe aufgelegt; der Anrufer habe am selben Tag noch mehrfach versucht, ihn zu erreichen. Er habe dem Gefängnisdirektor von diesem Vorfall berichtet, der erfolglos über das Telekommunikationsunternehmen versucht habe, die Telefonnummer zuzuordnen. Einige Tage später sei er erneut angerufen und aufgefordert worden, in seinem Pkw heimlich Gegenstände in das Gefängnis zu transportieren. Er habe dem Anrufer geantwortet, dass er als kleiner Angestellter nichts machen könne und wolle. Anschließend habe er dem Gefängnisdirektor erneut von dem Anruf berichtet, der gemeint habe, man könne nichts machen und müsse abwarten. Daraufhin habe er seine Telefonnummer gewechselt, habe aber nach einigen Tagen erneut einen Anruf erhalten. Ihm seien für Schleusertätigkeiten in und aus dem Gefängnis 100.000 USD geboten worden. Außerdem habe ihm der Anrufer gesagt, dass man die neue Telefonnummer des Klägers herausgefunden habe und auch den Kläger selbst finden werde. Der Kläger habe geantwortet, er wolle in Ruhe gelassen werden und werde andernfalls seinen Arbeitsplatz wechseln. Nach diesem Vorfall habe der Gefängnisdirektor die Polizei informiert, die jedoch nicht weitergekommen sei. Im Mai 2015 habe er einige Häftlinge von seinem Gefängnis in ein … Gefängnis verlegt. Daraufhin habe sein Bruder zu Hause einen an den Kläger gerichteten Drohbrief der Taliban gefunden, nach dem er zum Tode verurteilt sei (der Kläger legte den Drohbrief sowie Bestätigungen des Gefängnisses vor). Daraufhin habe er seine Arbeit im Gefängnis aufgegeben. Wenig später habe er seinen kranken Bruder in ein Krankenhaus in … begleitet. Auf dem Rückweg seien sie in der Nähe eines Polizeipostens von den Taliban angegriffen worden. Er habe die Kontrolle über seinen Pkw verloren und sei gegen einen Baum gefahren. Als er wieder zu sich gekommen sei, habe er gesehen, dass sein Bruder eine Schussverletzung im Genick gehabt habe. Er sei daraufhin in ein Krankenhaus gefahren, jedoch sei für seinen Bruder jede Hilfe zu spät gekommen. Nach diesem Vorfall sei er auf Wunsch seiner Eltern zu einem Onkel nach … gezogen. Jedoch habe er auch dort einen Telefonanruf erhalten. Der Anrufer habe gesagt, man kenne seinen Aufenthaltsort; der erste Angriff habe dem Kläger und nicht seinem Bruder gegolten. Zwar habe er auch diesen Vorfall bei der Polizei angezeigt, diese wolle und könne aber nichts machen. Sein Vater und sein Onkel hätten daraufhin beschlossen, dass der Kläger Afghanistan verlassen müsse.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 16. Februar 2017 den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), auf Asylanerkennung (Ziffer 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 4). Die Abschiebung nach Afghanistan wurde angedroht (Ziffer 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Der Vortrag des Klägers sei kurz, pauschal und emotional unberührt gewesen und habe den Anschein erweckt, dass der Vortrag aus asyltaktischen Gründen erfolgt sei. Zudem habe der Kläger Zugang zu vorhandenen Schutzmöglichkeiten gehabt. Sollte der Kläger mit den polizeilichen Ermittlungen nicht zufrieden gewesen sein, hätte er sich an einen Ombudsmann oder an einen Anwalt wenden können. Im Übrigen stünden dem Kläger innerstaatliche Fluchtalternativen in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif zur Verfügung. Dabei könne der Kläger auch auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt in Afghanistan könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dem Kläger würden jedoch keine erheblichen individuellen Gefahren drohen, da für ihn keine gefahrerhöhenden Umstände vorlägen und zumindest innerstaatliche Fluchtalternativen bestünden. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan würden auch nicht zu der Annahme führen, dass bei einer Abschiebung der Kläger eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege.
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger am 27. Februar 2017 Klage erheben und neben Prozesskostenhilfe beantragen,
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Februar 2017, Gz.:, zugestellt am 18. Februar 2017, wird hinsichtlich Ziffer 1 sowie Ziffern 3 bis 6 aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen, ferner die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG zu reduzieren.
Der Kläger habe seine Heimat aufgrund der erlittenen Verfolgung durch die Taliban verlassen und könne hierfür auch Beweise vorlegen. Der afghanische Staat sei nicht in der Lage, Schutz vor Übergriffen der Taliban zu bieten. Zudem habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan nach dem Bericht des UNHCR von Dezember 2016 weiter verschlechtert. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für den Kläger nicht, da die Taliban auch größere Städte angriffen. Zudem seien die wirtschaftliche Situation und die Versorgungslage problematisch. Der Kläger legte drei Atteste vor. Nach einem Attest vom 17. März 2017 (Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin) sei der Kläger seit Oktober 2015 in ärztlicher Behandlung. Er leide an massiven Schlafstörungen mit Albträumen im Rahmen eines posttraumatischen Belastungssyndroms. Mangels Genehmigung und Therapieplatz habe eine psychotherapeutische Behandlung erst im Februar 2017 begonnen werden können. Nach Attesten vom 23. Juni 2017 und vom 8. Mai 2018 (Dipl.Psych., psychologische Psychotherapeutin) befinde sich der Kläger seit dem 14. Februar 2017 in tiefenpsychologisch-psychotherapeutischer Behandlung. Der Kläger leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F 43.1) sowie einer rezidivierend depressiven Störung, derzeit mittelgradige Episode (ICD-10 F 33.1). Die Symptomatik sei vielfältig, im Vordergrund stünden u.a. schwere Schlafstörungen, intermittierend auftretende dissoziative Störungen, Affektisolierung und eine ausgeprägt depressive Störung. Der Kläger leide unter Kreislaufschwäche, Übelkeit und Kopfschmerzen. Er sei kaum in der Lage, einfache Alltagsaufgaben zu entrichten. Es sei untragbar, den Kläger nach Afghanistan abzuschieben, da er kaum für sich sorgen könne. Auch müsse von einer Retraumatisierung ausgegangen werden. Es sei wahrscheinlich, dass der Kläger dadurch in eine schwere depressive und suizidale Krise geraten könne.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Die Regierung von … als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.
Mit Beschlüssen vom 27. April 2018 ist der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen und dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt worden. Mit der Ladung übersandte das Gericht eine aktuelle Erkenntnismittelliste.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.
II.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. auf Zuerkennung subsidiären Schutzes oder auf Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag aufgrund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Selbst wenn sich die Geschehnisse in Afghanistan trotz der mehrjährigen Identitätstäuschung des Klägers (zumindest) im Hinblick auf sein Alter durch Vorlage einer – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung einräumte – gefälschten Tazkira so zugetragen haben sollten, wie vom Kläger vorgetragen, stehen dem Kläger zumutbare innerstaatliche Fluchtalternativen in Kabul und Herat zu Verfügung. Das Gericht ist davon überzeugt, dass nach knapp drei Jahren Abwesenheit und Aufgabe der Tätigkeit als Gefängnismitarbeiter Kabul und Herat als Fluchtalternativen noch geeignet und zumutbar sind, so dass erwartet werden kann, dass er sich dort vernünftigerweise niederlässt.
a) Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan jedenfalls in Kabul keiner Verfolgung ausgesetzt wäre und Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative noch geeignet und zumutbar ist, so dass erwartet werden kann, dass er sich dort vernünftigerweise niederlässt.
(1) Grundsätzlich ist Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative geeignet.
Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 13a ZB 17.30314 – Rn. 6 ff.; BayVGH, B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – Rn. 6; VGH BW, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris Rn. 365 ff.): Auch aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes, der Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes und weiteren Quellen ergibt sich nicht, dass sich die Sicherheitslage in Kabul trotz gezielter Angriffe auf ausländische und afghanische Einrichtungen (dazu BT-Drs. 19/1120, S. 6 a.E.; UNHCR, International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 12.3.2018, S. 4) im Vergleich zur Einschätzung in den vorangegangenen Lageberichten derart wesentlich verschlechtert hätte (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 19.10.2016, S. 4 mit Verweis auf UNAMA-Daten, S. 17 f.; Auswärtiges Amt, Lagebeurteilung vom 28.7.2017, S. 6 Nr. 21 mit Verweis auf UNAMA-Daten). Die Hauptgefährdung der afghanischen Zivilbevölkerung geht demnach landesweit von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus, die sich der Kontrolle der Zentralregierung entziehen und häufig ihre Macht missbrauchen. Neben medienwirksamen Anschlägen auf militärische wie zivile internationale Akteure wurden vermehrt Anschläge auf afghanische Sicherheitskräfte verübt mit gestiegenen Opferzahlen insbesondere unter Armeeangehörigen (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 19.10.2016, S. 17). Die im Vergleich zum Jahr 2016 etwas gesunkene (Rückgang um 9% gegenüber dem Vorjahr) Gesamtzahl ziviler Opfer von 3.438 toten und 7.015 verletzten Zivilisten landesweit resultiert vor allem aus weniger Opfer fordernden Kampfhandlungen, während Selbstmordattentate und komplexen Anschläge etwa 22% der zivilen Opfer verursachten und um 17% auf 2.295 Opfer stiegen (UNAMA, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2017, S. 1 f. mit Fn. 6, www.unama.unmissions.org; zuvor Auswärtiges Amt, Lagebeurteilung vom 28.7.2017, S. 8 Nr. 30 f. mit Verweis auf UNAMA-Daten; ebenso UNHCR, International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 12.3.2018, S. 5). In der Provinz Kabul seien 88% der 1.831 zivilen Opfer auf solche Attentate regierungsfeindlicher Kräfte zurückzuführen (vgl. UNAMA a.a.O. S. 4). Auffallend sei die Zunahme von Anschlägen auf religiöse Ziele insbesondere der Schiiten durch Terroristen des IS (vgl. auch UNHCR, International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 12.3.2018, S. 7), während UNAMA die Anstrengungen der Regierungskräfte würdigt, zivile Opfer bei Kampfhandlungen zu vermeiden (vgl. UNAMA a.a.O. S. 3). Erstrangiges Ziel der Aufständischen seien ausländische Streitkräfte, Regierungsvertreter und die als Verbündete angesehenen afghanischen Sicherheitskräfte und Regierungsmitglieder sowie Regierungsbedienstete (Auswärtiges Amt, Lagebeurteilung vom 28.7.2017, S. 6 ff. Nr. 23 f., 28); für sie fluktuiere die Bedrohungslage regional (Auswärtiges Amt, ebenda S. 7 Nr. 24), sowie der Unterstützung für diese verdächtige Zivilisten (vgl. UNAMA a.a.O. S. 3; auch Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 19, 26; AI, Auskunft vom 8.1.2018 an das VG Leipzig, S. 3 f.).
Für afghanische Zivilisten gehe eine Bedrohung für Leib und Leben in ländlichen Gebieten insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen und in städtischen Gebieten vor allem von Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen sowie gezielten Tötungen und Entführungen aus (ebenda S. 8 f. Nr. 30 f., 35 unter Verweis auf UNAMA-Daten). Systematisch staatlich organisierte Gewalt gegen die eigene Bevölkerung aber finde nicht statt (ebenda S. 11 Nr. 40).
Soweit eine landesweite Gefährdung von Zivilisten durch Kampfhandlungen, Anschläge und Verfolgung gesehen wird (vgl. Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 2), widerspricht dies der Einschätzung von UNAMA nicht, da die Intensität der Gefährdung von zahlreichen Faktoren abhängt (vgl. AI ebenda S. 2 ff., 16 f., 43 ff. unter Verweis u.a. auf UNAMA).
Für Kabul teilt die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) in ihrem Jahresbericht für 2017 um 4% im Vergleich zum Jahr 2016 auf 1.831 zivile Opfer, darunter 479 getötete und 1.325 verletzte Zivilsten gestiegene Opferzahlen mit (vgl. UNAMA a.a.O. S. 4, 67). So bestätigte auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19.6.2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 2, www.fluechtlingshilfe. ch/assets/herkunftslaender/ mittlerer-osten-zentralasien/afghanistan/170619-afg-sicherheitslage-kabul.pdf), dass die Provinz Kabul im Jahr 2016 unter allen afghanischen Provinzen die meisten zivilen Toten und Verletzten zu verzeichnen gehabt habe. Nächst hohe Opferzahlen werden aus den Provinzen Helmand, Nangarhar, Kandahar, Faryab und Uruzgan gemeldet (vgl. UNAMA a.a.O. S. 4). Das Selbstmordattentat vom 31. Mai 2017 in Kabul sei der folgenschwerste Angriff nach den Aufzeichnungen der UNAMA seit dem Jahr 2011 (ebenda S. 28 f.; ähnlich SFH a.a.O., S. 3 f.). Diese Datenlage zeigt also einerseits etwa gleichbleibende gesamte Opferzahlen, allerdings einen Anstieg der zivilen Opferzahlen und eine relative Verschlechterung der Sicherheitslage in Stadt und Provinz Kabul durch die Zunahme gezielter Anschläge (vgl. UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016; AI, Auskunft vom 8.1.2018 an das VG Leipzig, S. 4 f., 8). Allerdings hat die Zunahme von Anschlägen nach Überzeugung des Gerichts nicht zu einer solchen Verschlechterung der Sicherheitslage in der Zentralregion und in Stadt und Provinz Kabul geführt, dass vernünftigerweise nicht mehr erwartet werden könnte, dass ein Rückkehrer sich dort niederlässt. Die allgemeine Gefährdungslage dort erreicht keine Intensität, dass ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nach den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an einen solchen Konflikt (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – Rn. 6; BayVGH, B.v. 26.3.2018 – 13a ZB 17.30438 – Rn. 7) angenommen werden könnte.
Ausgehend von einer Opferzahl von rund 10.500 zivilen Opfern im Jahr 2017 und einer Bevölkerungszahl in Afghanistan von mindestens 27 Mio. Menschen ist das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, landesweit noch weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris Rn. 6 ff.: Wahrscheinlichkeit weit unter 1:800) und es besteht auch keine zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führende Gefahrenlage (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – Rn. 6; BayVGH, B.v. 26.3.2018 – 13a ZB 17.30438 – Rn. 7). Dies gilt auch für die Stadt Kabul mit einer von UNAMA mitgeteilten Opferzahl im Jahr 2017 von 1.831 zivile Opfern bei einer Einwohnerzahl in der Stadt Kabul von geschätzt 4,5 Mio. Menschen (UNAMA a.a.O. S. 4, 67; vgl. auch Auswärtiges Amt, Länderinformationen Afghanistan, Schätzung 2011, www.ausaertiges-amt.de, Abruf vom 7.6.2017).
Soweit Organisationen wie UNHCR und Pro Asyl sowie Presseberichte auf die Zunahme von Anschlägen in Kabul verweisen (vgl. UNHCR, Anmerkungen zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016), folgen sie eigenen Maßstäben, nicht jenen der o.g. Rechtsprechung. Dass die Opferzahlen – bei anderer Zählweise – höher liegen können, wie teils eingewandt wird (vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2017, 82 mit Fn. 2), ändert diese Bewertung nicht, denn die von UNAMA mitgeteilten Daten sind methodisch nachvollziehbar ermittelt und auch deswegen belastbar (dies räumt auch das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht, U.v. 13.10.2017 – D-5800/2016 – www.bvger.ch, Urteilsabdruck S. 18 f. ein), da sie von einer von der internationalen Staatengemeinschaft getragenen Organisation stammen. UNAMA wurde auf Grund der Resolution Nr. 1401 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eingerichtet auf Bitten der afghanischen Regierung; das Mandat wurde bis heute verlängert, zuletzt am 17. März 2017 mit Resolution Nr. 2344. UNAMA ist landesweit vertreten und unterhält Verbindungsbüros in Pakistan und im Iran; die Mission hat mehr als 1.500 Beschäftigte, darunter etwa 1.150 afghanische Beschäftigte (vgl. UNAMA, Mandate, Methodology, a.a.O.). Dass die Methodik der UNAMA überholt wäre, die Informationen an offen erkennbaren inhaltlichen Defiziten litten, insbesondere an entscheidungserheblichen unzutreffenden Tatsachenannahmen, unlösbaren Widersprüchen, sich aus den Stellungnahmen ergebenden Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit oder eines speziellen, hier nicht vorhandenen Fachwissens bedürften (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2015 – 7 C 15.13 – NVwZ 2016, 308/312 Rn. 47 m.w.N.), ist weder ersichtlich noch substantiiert gerügt. Im Gegenteil liegen für Afghanistan mangels Einwohnermeldewesens auch für die Bevölkerungszahlen nur Schätzungen vor (dies räumt das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht, U.v. 13.10.2017 – D-5800/2016 – Urteilsabdruck S. 18 f. ein; auch Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/74), so dass jede Datenerhebung schon deswegen an tatsächliche Grenzen stößt. Dass und weshalb andere Auskunftsquellen methodisch belastbarere Primärdaten hätten (auch SFH a.a.O. gibt keine selbst erhobenen Daten wieder), ist nicht ersichtlich, so dass die Daten von UNAMA weiterhin zu Grunde gelegt werden (vgl. Amnesty International, Afghanistan 2017 vom 15.2.2017, https://www.amnesty.de/ jahresbericht/2017/afghanistan, S. 3; Amnesty International, Zurück in die Gefahr 2017, S. 13 ff.; Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 2, 47 ff. jeweils unter Verweis auf UNAMA-Daten; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan Update vom 14.9.2017, S. 4 ff.).
Auch der Ende Mai 2017 gegen die Deutsche Botschaft in Kabul gerichtete Selbstmordanschlag (Auswärtiges Amt, Lagebeurteilung vom 28.7.2017, S. 1 f. Nr. 4 ff.) führt zu keiner abweichenden Bewertung. Ausländische Institutionen und ihre afghanischen Helfer sind wie bisher Ziel gezielter Anschläge (ebenda S. 6 f. Nr. 23 ff.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan Update vom 14.9.2017, S. 22 ff.; Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 4; UNHCR, International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 12.3.2018, S. 12); ihre Bedrohungslage ist mit jener der Zivilbevölkerung (Auswärtiges Amt ebenda S. 8 ff. Nr. 30 ff.) aber nicht ohne Weiteres vergleichbar (vgl. oben). Trotz der dabei hohen Opferzahl (vgl. auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan Update vom 14.9.2017, S. 13 f.) sind die von der Rechtsprechung an die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Schaden an Leib oder Leben gestellten Anforderungen nicht erfüllt (vgl. nur BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 13a ZB 17.30314 – Rn. 7 m.w.N.). Auf zahlenmäßige Relationen kann auch nicht deswegen verzichtet werden, weil keine gesicherte Einwohnerzahl vorläge und bereits deswegen auf die bloße Quantität von Anschlägen in Kabul abzustellen wäre (so aber das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht, U.v. 13.10.2017 – D-5800/2016 – Urteilsabdruck S. 21, 24). Im Gegenteil hat dieselbe Opferzahl in einer dünnbesiedelten Region andere Auswirkungen auf die Sicherheitslage als in einer dichtbesiedelten Metropole wie Kabul. Die o.g. genannten Daten zu Grunde gelegt erreicht die allgemeine Gefährdungslage in Kabul keine Intensität, dass Stadt und Provinz Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative nicht mehr geeignet wären (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris Rn. 6 ff.; BayVGH, B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – Rn. 6). Daran wird auch im vorliegenden Fall festgehalten.
Eine landesweite gezielte Verfolgung ist nicht plausibel, u.a. deswegen, weil sich der Kläger in keiner Weise so exponiert hat, dass ihn die Taliban gezielt bei einer Rückkehr suchen und töten sollten; ein Untertauchen in der Millionenstadt Kabul ohne Meldewesen ist ihm ohne Weiteres möglich. Das Verfolgungsinteresse hängt vom jeweiligen Einzelfall ab (vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2017, 82/88). Gerade in Kabul leben mindestens 3 Mio., nach informellen Schätzungen aber 7 Mio. Menschen (vgl. auch das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht, U.v. 13.10.2017 – D-5800/2016 – Urteilsabdruck S. 21), wobei fast alle Volksgruppen vertreten sind, insbesondere Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Baluchen, Sikh und Hindu, ohne dass eine Volksgruppe unter ihnen deutlich vorherrscht. Auch wenn die Angehörigen der Volksgruppen zu einer Ansiedlung bei ihren Familien oder im Kreis ihrer Volksgruppe neigen, haben sich doch auch Volksgruppenübergreifende Nachbarschaften gebildet (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Key socio-economic indicators etc., August 2017, S. 17, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/ EASO_COI_Afghanistan_IPA_August2017.pdf). Dass Taliban gerade in größeren Städten Netzwerke unterhalten, ist bekannt. Schätzungen reichen von 500 bis 1.500 Spionen in Kabul. Allerdings richtet sich ihr Interesse wegen ihrer personell begrenzten Möglichkeiten dort auf prominente Personen wie Parlamentsmitglieder, Regierungsmitglieder und höherrangige Angehörige der Streitkräfte; nicht prominente Personen und ihre Familienangehörigen bleiben bis auf spezifische persönliche Feindschaften und Rivalitäten unbehelligt (EASO, Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, coi.easo.europa.eu/ administration/easo /PLib/Afghanistan_targeting_conflict.pdf, S. 63 f.). Beobachter für EASO schätzten die Zahl derer, die von den Taliban in größeren Städten Afghanistans gezielt gesucht und verfolgt würden, auf wenige Dutzend Personen, höchstens 100 Personen (EASO, a.a.O., S. 64). Alle übrigen nicht prominenten Personen und deren Familien, die auch keine persönlichen Feindschaften mit Taliban-Mitgliedern pflegten, würden die Taliban grundsätzlich bei einem Umzug in die Stadt nicht aufzuspüren versuchen. Soweit Gegenteiliges angenommen wird, weil die Taliban aus einer Migration in den Westen ein ihnen feindliches Verhalten ableiteten und deswegen einen in den Westen geflohenen Afghanen bei seiner Rückkehr gezielt suchen sollten (so Stahlmann, Gutachten vom 28.3.2018 an das VG Wiesbaden, S. 202), erscheint dies vor dem Hintergrund der hier ebenfalls ausgewerteten gegenteiligen Auskünfte und der großen Zahl nach Europa Geflüchteter nicht realistisch. Dass Taliban u.a. landesweit im Jahr 2017 gezielt 530 Zivilisten getötet und 339 Zivilisten verletzt haben sollen (vgl. AI, Auskunft vom 8.1.2018 an das VG Leipzig, S. 6), widerspricht der Annahme einer individuell und regional unterschiedlichen Bedrohungslage nicht. Selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags ist eine landesweite gezielte Verfolgung daher nicht plausibel. Der Kläger ist zwar ein ehemaliger Angestellter des afghanischen Staates, als einfacher Logistikmitarbeiter eines Provinzgefängnisses jedoch nicht mit prominenten Personen wie Parlamentsmitgliedern, Regierungsmitgliedern und höherrangigen Angehörigen der Streitkräfte, auf die die Taliban in Kabul wegen ihrer nur begrenzten Möglichkeiten ihr Hauptaugenmerk richten, vergleichbar (vgl. EASO, Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, coi.easo.europa.eu/administration/easo /PLib/Afghanistan_targeting_conflict.pdf, S. 63 f.). Da der Kläger angab, weder die Anrufer noch die betreffenden Gefangenen gekannt zu haben, ja nicht einmal gewusst zu haben, um welche Gefangenen es den Anrufern ging, und erst durch den Drohbrief erfahren zu haben, dass es sich um die Taliban handelte, besteht auch keine spezifische Feindschaft oder Rivalität zu Taliban-Mitgliedern, die zu einer Verfolgung durch die Taliban auch nach einem Umzug nach Kabul führen könnte. Zudem hält sich der Kläger seit mehreren Jahren nicht mehr in Afghanistan auf und hat seine Tätigkeit als Gefängnismitarbeiter noch vor seiner Ausreise aufgegeben. Angesichts von über 350.000 autorisierten afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräften (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 2.3.2017, S. 118 f.) ist davon auszugehen, dass sich die Taliban – neben anderen Zielen wie u.a. ausländische Streitkräfte und Institutionen sowie hochrangige afghanische Politiker – maßgeblich auf die Bekämpfung der aktiven Streitkräfte des afghanischen Militärs, der afghanischen Polizei und der übrigen Sicherheitsbehörden konzentrieren und ihre beschränkten Ressourcen nicht auf die Suche und Verfolgung einer Person richten, die seit mehreren Jahren ihre Tätigkeit als einfacher Mitarbeiter eines Gefängnisses aufgegeben hat und dessen Bekämpfung oder Rekrutierung derzeit für die Taliban nicht mehr von Nutzen ist. Dafür, dass der Kläger in anderen Landesteilen sicher ist, spricht auch der Umstand, dass sämtliche Angriffe der Taliban auf den Kläger und seinen Vater (der Angriff auf das Auto des Klägers und der Angriff auf seinen Vater bei einem Gefangenentransport) in der Provinz Laghman stattfanden. Sein Vater, von dem anzunehmen ist, dass er als noch immer aktiver Polizist deutlich stärker im Fokus der Taliban steht als der Kläger, lebt nach dem Angriff auf den vom Vater geleiteten Gefangenentransport seit zweieinhalb Jahren in, ohne dass die Taliban ihn dort angegriffen hätten. Da es sich bei … nicht um eine Millionenstadt wie Kabul handelt, wäre dort ein (erneutes) Aufspüren der klägerischen Familie in … sogar deutlich leichter als in Kabul. Ein landesweites Verfolgungsinteresse der Taliban ist daher – in Bestätigung der Auskunftslage, insbesondere von EASO – auch in Bezug auf die Familie des Klägers nicht zu erkennen. Vielmehr beschränkt sich die Gefährdung auf die Provinz Laghman. Kabul ist damit im Hinblick auf die Sicherheitslage als Niederlassungsort für den Kläger geeignet.
b) Dem Kläger ist Kabul auch wirtschaftlich zumutbar. Ihm droht erst recht keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Kabul (dazu sogleich). Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Kabul sicherstellen kann (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 14.1.2015 – 13a ZB 14.30410 – juris Rn. 5). Auch wenn hierfür mehr zu fordern ist als ein kümmerliches Einkommen zur Finanzierung eines Lebens am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20), ist doch vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger sich in Kabul aufhält und seinen Lebensunterhalt dort sicherstellt. Es ist zu erwarten, dass der Kläger als gesunder Mann auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiäre bzw. sonstige Kontakte seinen Lebensunterhalt in Kabul sicherstellen kann (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 13a ZB 17.31611 – Rn. 6 m.w.N.; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 470 ff.; VGH BW, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris Rn. 345 ff. u.a. zu Stahlmann, Gutachten 28.3.2018 an VG Wiesbaden).
Zwar wird darauf verwiesen, der Zugang zu Wohnung und Arbeit hänge maßgeblich von Netzwerken vor Ort ab (vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/76 f., 78), allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die große Zahl aus den Nachbarstaaten zurückkehrender Afghanen über solche verfügt (Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/75 spricht von über 1 Mio. Rückkehrern allein im Jahr 2016; bestätigt durch Auswärtiges Amt, Lagebeurteilung vom 28.72017, S. 10 f. Nr. 37 f. unter Verweis auf UNHCR: etwa 670.000 Binnenvertriebene im Jahr 2016; EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 19, www.ecoi.net/en/file/local/1422958/ 1226_1517217590 afghanistan-networks.pdf, nennt 600.000 afghanische Rückkehrer aus Pakistan und mehr als 440.000 aus dem Iran im Jahr 2016; hohe Anforderungen an funktionsfähige Netzwerke stellt Stahlmann, Gutachten vom 28.3.2018 an das VG Wiesbaden, S. 192 ff.). Etwa 280.000 bisher im Jahr 2017 aus Iran und Pakistan zurückgekehrten Afghanen stehen etwa 150.000 Binnenvertriebenen bisher im Jahr 2017 gegenüber (Auswärtiges Amt, Lagebeurteilung vom 28.7.2017, S. 10 f. Nr. 37 f. unter Verweis auf UNHCR und IOM). Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen wurde für Ende 2017 auf etwa 2 Mio. Personen geschätzt (Amnesty International, Zurück in die Gefahr 2017, S. 12; dazu auch Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 45). Insgesamt leben rund 6.5 Mio. Afghanen außer Landes, etwa 18,4% der Gesamtbevölkerung (BT-Drs. 19/1120, S. 14). Durch diese Auflösung überkommener Strukturen besteht die soziale Notwendigkeit, neue und von gewachsenen Strukturen unabhängige Netzwerke unter den Rückkehrern zu bilden oder ohne solche zu leben (vgl. VGH BW, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris Rn. 346 ff..
In diesem Sinne werden dauerhafte familien- und stammesbasierte Netzwerken einerseits und sich dynamisch wandelnde sektorspezifische Netzwerke beispielsweise in der Wirtschaft andererseits (sog. quam) unterschieden (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 10, 18 f.). Traditionelle Netzwerke haben durch Landflucht und Verstädterung sowie die Folgen des Krieges an Wirksamkeit abgenommen. Gleichwohl ist es zuerst die erweiterte generationenübergreifende Familie vorrangig väterlicherseits, welche die Existenz des Einzelnen sichert und umgekehrt seine Arbeitskraft für die Gruppe beansprucht und wesentlich auf der Blutsbeziehung beruht, während andere Netzwerke auf persönlichen Beziehungen der Beteiligten untereinander beruhen (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 12 f., 14). Selbst durch Auslandsaufenthalte abgeschwächte Familienbande lassen sich durch Rückkehrer wieder stärken; je länger ein Afghane allerdings im Ausland gelebt hat, desto schwieriger ist die Wiederaufnahme solcher Beziehungen (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 13 f.). Die Familiengruppe (Clan) ist die erweiterte Großfamilie, der Stamm die durch gemeinsame Vorfahren gebildete Großgruppe, deren Bedeutung in der paschtunischen Volksgruppe am deutlichsten ausgeprägt ist und sich in der privaten Aufnahme Hunderttausender Paschtunen aus Pakistan durch Paschtunen in Afghanistan während einer pakistanischen Militäroffensive in den dortigen westlichen Stammesgebieten zeigte (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 15 f.). Nicht familienbasierte Netzwerke (quam), z.B. aus gemeinsamer Zeit in demselben Beruf, an derselben Universität oder auch in demselben Flüchtlingslager können ebenfalls Unterstützung sichern, die umso größer ist, je enger das Vertrauensverhältnis der Personen untereinander ist (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 17). Wanderung insbesondere junger Männer zur Arbeitsaufnahme und Unterstützung des Familienverbandes ist Afghanen keineswegs fremd, sondern charakteristisch für eine weitverbreitete Strategie zur Unterstützung Einzelner und der Gruppe (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 19). Einen minderjährigen Familienangehörigen in die Fremde, gar nach Europa zu schicken, ist eine Entscheidung der gesamten Familie und ohne deren Billigung und Unterstützung auch nicht möglich; sie erhofft sich dadurch finanzielle Unterstützung und eine personenbezogene Verankerung in der Ferne des Westens mit der Möglichkeit, die restliche Familie nachzuholen, zumal Afghanen mit den Asylumständen in Europa vertraut sind und für Minderjährige ein leichter erlangbares Bleiberecht erhoffen (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 20 f.). Im Jahr 2017 überwiesen Afghanen aus dem Ausland 479 Mio. USD in ihre Heimat – für viele Familie eine wichtige Einkommensquelle (BT-Drs. 19/1120, S. 15). Erfahrungsgemäß halten Afghanen im Ausland – auch in Europa – enge Verbindung zu ihrer Großfamilie, selbst wenn ihnen (und besonders Minderjährigen) geraten wird, in Asylverfahren deren Existenz zu verneinen (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 23). Die tatsächlich enge Verbindung zeigt sich sowohl im Heiratsverhalten von Auslandsafghanen innerhalb der eigenen ethnischen Gruppe bis hin zu Familiennachzügen aus Afghanistan einerseits sowie in den enormen finanziellen Rückflüssen aus dem Westen nach Afghanistan, die nach (wegen des informellen hawala-Systems nur) Schätzungen der Weltbank von rund 85. Mio. USD im Jahr 2008 auf rund 300 Mio. USD im Jahr 2015 angestiegen sind (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 24, zu hawala ebenda S. 31; die Bedeutung der Geldüberweisungen erkennt auch Stahlmann, Gutachten vom 28.3.2018 an das VG Wiesbaden, S. 197, an). Der Kontakt wird vorwiegend über Mobiltelefone gehalten, von denen mindestens die Hälfte der Großfamilien über eines verfügt bei rund 25 Mio. Anschlussnehmern und fünf großen Netzanbietern in Afghanistan, zunehmend auch über Internet (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 25 f.; dies räumt auch Stahlmann, Gutachten vom 28.3.2018 an das VG Wiesbaden, S. 192, ein).
Letztlich kommt es auf die individuelle Rückkehrsituation für alleinstehende leistungsfähige Männer bzw. für verheiratete Paare im berufsfähigen Alter an (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris Rn. 15) bezogen auf Unterkunft und Arbeit. Insofern bemerkenswert ist, dass die Volksgruppen in Kabul an ethnisch getrennten Wohnformen nicht mehr festhalten (können): So sind in Kabul fast alle Volksgruppen vertreten, insbesondere Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Baluchen, Sikh und Hindu, ohne dass eine Volksgruppe unter ihnen deutlich vorherrscht. Auch wenn die Angehörigen der Volksgruppen zu einer Ansiedlung bei ihren Familien oder im Kreis ihrer Volksgruppe neigen (Nutzung von quam, EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 17), haben sich doch auch Volksgruppenübergreifende Nachbarschaften gebildet (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Key socio-economic indicators etc., August 2017, S. 17, 68 a.E., coi.easo.europa.eu/administration/ easo/PLib/EASO _COI_Afghanistan IPA_August 2017.pdf; die ethischen „Dörfer in der Stadt“ betont EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, a.a.O. S. 11).
Die Kernherausforderung ist, trotz der geschätzten Arbeitslosenrate von 40% eine Beschäftigung zu finden, wobei die Beschäftigungsquote von Frauen in Vollzeit in einem männerdominierten Arbeitsmarkt ohnehin gering ist (in Kabul und Herat ca. 20%, in Mazar-e-Sharif ca. 5%). Etwa 90% der Arbeitsplätze sind nicht dauerhaft und die Arbeitslosenrate unter jungen Menschen (15 – 24 Jahre) deutlich höher als in der übrigen männlichen Bevölkerung (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Key socio-economic indicators etc. a.a.O. S. 22; zum Ganzen auch UNHCR, International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 12.3.2018, S. 19). Die Beschäftigung weist hauptsächlich zwei Arten von Arbeitsverhältnissen auf, förmliche Arbeitsstellen in Regierung, Hilfsorganisationen und einem Teil der Wirtschaft mit etwa 20% der Arbeitsverhältnisse in den Städten, sowie unqualifizierte Stellen in den Bazaren, als Tagelöhner im Bausektor (mit sinkendem Anteil in Folge des Rückgangs des internationalen Militärengagements) und in der Landwirtschaft sowie in familiären Netzwerken (ebenda S. 22). Hingegen können trotz der hohen Arbeitslosenrate tausende Stellen für qualifizierte Beschäftigte nicht besetzt werden (ebenda S. 23). Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Rückkehrer hängen insbesondere von Bildung (Sprache, Schrift, Rechenfähigkeit) und Erfahrung ab, wobei Rückkehrer u.a. ihre Migrationserfahrung je nach Einzelfall für sich einsetzen können (ebenda S. 24; auch EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 27 f.). Der durch den Rückzug der internationalen Truppen ausgelöste Rückgang der Wirtschaftsentwicklung hat sich nunmehr etwas stabilisiert (BT-Drs. 19/1120, S. 3 f.), was sich auch auf den Arbeitsmarkt auswirkt.
In der Provinz Kabul hängen die meisten Beschäftigungsverhältnisse noch direkt oder indirekt von der Landwirtschaft ab, auch hier hat sich die Perspektive einer Beschäftigung trotz im Landesvergleich besserer Aussichten durch die verschlechterte Sicherheitslage und den Rückgang des international militärischen Engagements verschlechtert (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Key socio-economic indicators etc. a.a.O. S. 28). Für Rückkehrer ist auch für ihren Zugang zu grundlegenden Rechten, förmlicher Beschäftigung und Unterkunft der Besitz von Identitätspapieren entscheidend (ebenda S. 40 f.). In der Zusammenfassung sind die Schwierigkeiten für Rückkehrer umso größer, je geringer ihre Arbeitsfähigkeit, ihre Bildung oder Vertrautheit mit den Lebensverhältnissen in Kabul ist (ebenda S. 103; ähnlich Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 15, 44, 55 f.), wobei familiäre Netzwerke solche Defizite eher auffangen können (EASO ebenda S. 65 f.) und die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe den Zugang zu einer Arbeit zwar nicht allein ermöglicht, aber erleichtern und Vorurteile gegenüber Rückkehrern mindern kann (ebenda S. 68; zum Ganzen auch Asylos, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 29 ff., 42 ff.; Amnesty International, Zurück in die Gefahr 2017, S. 20, 24, 32; auch EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 27 f.; Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 50 ff., 65, 69 f.).
Soweit geltend gemacht wird, abgeschobene Afghanen würden als Straftäter, Gefährder oder Apostaten stigmatisiert und erhielten deswegen keinen Zugang zu Netzwerken (vgl. Amnesty International – AI, Auskunft an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018, S. 65; AI, Auskunft vom 8.1.2018 an das VG Leipzig, S. 11 ff.), ist darauf hinzuweisen, dass Ausreisepflichtige dem behaupteten Stigma durch eine freiwillige Erfüllung ihrer Ausreisepflicht entgehen können und zudem nach den in Afghanistan vorherrschenden Rechtsschulen ein vom Islam Abgefallener zur Reue aufgefordert werden muss und Gelegenheit zum Widerruf des Glaubenswechsel erhalten muss (vgl. VG Würzburg, U.v. 30.9.2016 – W 1 K 16.31807 – juris Rn. 23 f.). Ein automatischer Ausschluss aus Netzwerken in Afghanistan ist daher nicht zu befürchten, insbesondere wenn der Rückkehrer zuvor erfolgreich die Großfamilie aus dem Ausland unterstützt hat (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 24 f.; den Abbruch der Unterstützung in Folge einer Rückkehr wertet Stahlmann, Gutachten vom 28.3.2018 an das VG Wiesbaden, S. 198, aber als Anlass zur Verweigerung umgekehrter Unterstützung bei einer Rückkehr).
Ebenso wenig erfolgt zwangsläufig eine nähere Überprüfung der Abgeschobenen durch afghanische Sicherheitskräfte. So teilte zwar das Bundesministerium des Innern zur Sammelabschiebung im Dezember 2017 mit, dass der afghanischen Seite bekannt sei, „dass Straftäter, Gefährder (und) Mitwirkungsverweigerer zurückgeführt werden“; außerdem würden „die Namen der Betroffenen übermittelt“. Beamte des Flüchtlingsministeriums in Kabul und der Grenzpolizei hätten allerdings gesagt, sie bekämen diese Informationen nicht. Auf afghanischer Seite gab es nach ersten Erkenntnissen keine besonderen Maßnahmen. „Hier ist niemand der Polizei übergeben worden“, habe der Leiter der Beobachtungsgruppe im Flüchtlingsministerium erläutert (vgl. Süddeutsche Zeitung online vom 7.12.2017, Achter Abschiebeflug erreicht Kabul, www.sueddeutsche.de/news/politik/ migration-achter-abschiebeflug-erreicht-kabul-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101171207-99-177718). Dies bestätigt, dass die Bundesrepublik afghanischen Behörden drei Wochen vor dem geplanten Flug die Identitäten der für die Abschiebung vorgesehenen Personen mitteilt und die Daten kurz vor dem Flug aktualisiert (BT-Drs. 19/632, S. 3); Angaben über im Bundesgebiet begangene Straftaten werden nicht übermittelt, nur Hinweise auf zurückgeführte Gefährder (BT-Drs. 19/632, S. 4). Die Bundesregierung hält vorläufig daran fest, nur Straftäter, Gefährder und hartnäckig sich ihrer Identifizierung Verweigernde abzuschieben, im Jahr 2017 insgesamt 121 Personen aus über 250.000 in Deutschland aufhältigen und mehr als 14.000 ausreisepflichtigen Afghanen (BT-Drs. 19/1120, S. 15).
Angesichts der Bevölkerungsfluktuation in Afghanistan durch Rückkehrer auch aus dem benachbarten Ausland kann auf das Vorhandensein von bestehenden Netzwerken gerade nicht maßgeblich abgestellt werden (so aber das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht, U.v. 13.10.2017 – D-5800/2016 – www.bvger.
ch, Urteilsabdruck S. 26 f. selbst für junge gesunde Männer; auch Stahlmann, Gutachten vom 28.3.2018 an das VG Wiesbaden, S. 194), weil auch solche Netzwerke keine statischen Gebilde sind und ihre Veränderung bzw. Neubildung nicht ausgeschlossen sondern auch unter Afghanen möglich und zumutbar ist, wie ihre Neubildung auch in Europa zeigt.
Dass dem Kläger verwehrt wäre, ggf. neue Netzwerke zu bilden, ist nicht ersichtlich. Er ist volljährig (nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ist er entgegen der vor dem Bundesamt vorgelegten gefälschten Tazkira 26 Jahre alt) und arbeitsfähig (zur Gesundheit s.u.). Er ist mit den Verhältnissen in Afghanistan vertraut und hat dort ca. 23 Jahre gelebt. Dabei ist maßgeblich nicht einmal ein Vertrautsein erforderlich, sondern es genügt für einen Rückkehrer, wenn er den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht (BayVGH, B.v. 29.6.2017 – 13a ZB 17.30597 – Rn. 6; BayVGH, B.v. 26.3.2018 – 13a ZB 17.30438 – Rn. 7), was beim in Afghanistan geborenen, aufgewachsenen und Paschtu sowie Dari sprechenden Kläger der Fall ist. Da er in Afghanistan das Abitur erworben und nach seinem Vortrag mehrere Jahre als Logistikmitarbeiter eines Gefängnisses gearbeitet hat, verfügt er über eine gute Schulbildung und über hinreichende Arbeitserfahrung. Zudem kann der Kläger in Afghanistan auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen. Zu seinen in … lebenden Eltern hält er wöchentlichen Kontakt; so dass diese ihn insbesondere im Hinblick auf die Netzwerkbildung und bei der Arbeitsplatzsuche unterstützen können. Des Weiteren leben sieben Onkel und sechs Tanten des Klägers in Afghanistan, deren wirtschaftliche Situation ebenso wie die seiner Eltern (sein Vater ist Polizist) nach seinem letzten Kenntnisstand in Ordnung war. Den nach seiner Ausreise abgebrochenen Kontakt kann der Kläger bei Bedarf über seine Eltern wieder aufnehmen. In Bezug auf seine gesundheitlichen Probleme wird auf die noch folgenden Ausführungen unter 4. verwiesen. Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert grundsätzlich nicht am fehlenden vorherigen Aufenthalt im Herkunftsland; maßgeblich ist, dass eine der beiden Landessprachen Dari oder Paschtu gesprochen wird (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2017 – 13a ZB 17.30597 – Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.3.2018 – 13a ZB 17.30438 – Rn. 7). Im Übrigen sind unter Berücksichtigung der Auskunftslage insbesondere Rückkehrer aus dem Westen in einer Position, die durchaus auch Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts eröffnet (vgl. BayVGH, U.v. 13.5.2013 – 13a B 12.30052 – juris Rn. 12; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 479, 484, 493). Zudem stehen ihm auch Rückkehrhilfen zur Verfügung (vgl. BAMF an VG Augsburg vom 12.08.2016), die jedenfalls für die Anfangszeit einer Wiedereingliederung des Klägers in die afghanischen Verhältnisse sein Auskommen sichern, bis er aus eigener Kraft seinen Lebensunterhalt sichern kann (aus GARP-Mitteln 500 Euro je Erwachsener, aus ERIN-Mitteln ca. 700 Euro, näher dazu VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – Au 3 K 16.30949 – Rn. 21 m.w.N.; auch Asylos, Afghanistan: Situation of young male „Westernised“ returnees to Kabul, August 2017, S. 19, 21, asylos.eu/wp-content/uploads/2017/ 08/AFG2017-05-Afghanistan-Situation-of-young-male-Westernised-returnees-to-Kabul-1.pdf; zudem BT-Drs. 19/1120, S. 15 f.), wobei nur ein Sechstel der Rückkehrer auch Leistungen nach der Rückkehr in Anspruch nahm (Asylos ebenda S. 20). Hinzu kommt z.B. eine von Deutschland unterstützte Hilfsorganisation vor Ort (IPSO), welche psycho-soziale Hilfe für 400 bis 500 Personen am Tag anbietet wie u.a. Übungen für Kenntnisse des Alltags in Afghanistan, Einzelberatung, und handwerkliche Fähigkeiten (Asylos ebenda S. 53 m.w.N.), sowie eine von IOM unterhaltene Unterkunftsmöglichkeit für die ersten zwei Wochen nach der Ankunft (EASO, Afghanistan Networks, Februar 2018, S. 30).
c) Selbst wenn – wie nicht – dem Kläger Kabul wegen der räumlichen Nähe zur Nachbarprovinz Laghman nicht zumutbar wäre, kommt auch Herat als geeignete innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht. Das Gericht ist der Überzeugung, dass auch Herat zumutbar ist, sodass erwartet werden kann, dass sich der Kläger dort vernünftigerweise niederlässt.
Im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage ist Herat als Fluchtalternative geeignet. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BayVGH, B.v. 19.6.2013 – 13A ZB 12.30386 – juris; B.v. 11.4.2017 – 13A ZB 17.30294 – juris). Eine Verdichtung allgemeiner Gefahren ist in der Provinz Herat nicht anzunehmen. Ausgehend von einer Bevölkerungszahl von über 1.890.000 Menschen in der Provinz Herat (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Security Situation, November 2016, S. 160, https://www.easo.europa. eu/sites/default/files/Nov%2016%20-Afghanistan%20security%20report.compres sed.pdf) und einer Opferzahl von 495 Personen im Jahr 2017 (UNAMA, Annual Report 2017, S. 67, https://unama.unmissions.org/sites/ default/files/15_ february_2018_-_afghanistan_civilian_casualties_in_2017_-_un _report_english_0.pdf) sind weder die Anforderungen der Rechtsprechung an einen bewaffneten innerstaatlichen Konflikt erfüllt (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris Rn. 7), noch ist ein im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris) entsprechend hohes Risiko, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, gegeben. Für Herat teilt UNAMA im Jahresbericht 2017 (a.a.O. S. 67) mit, dass dort 238 Zivilisten getötet und 257 verletzt worden seien sowie sich die Opferzahl gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 37% erhöht habe. Damit ist das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, dennoch weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Der unsicherste Distrikt in der Provinz Herat ist zudem nicht die Stadt Herat, sondern der 130 km von der Stadt Herat entfernte Distrikt Shindand. Zwischen September 2015 und Mai 2016 kam es im Distrikt Shindand zu 154 sicherheitsrelevanten Vorfällen; während der Distrikt Herat bei einer Einwohnerzahl von mindesten 477.400 bis zu 730.000 Personen nur 68 sicherheitsrelevante Vorfälle zu verzeichnen hatte (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Security Situation, November 2016, S. 160 f. https://www.
easo.europa.eu/sites/default/files/Nov%2016%20-Afghanistan%20 security%20 report.compressed.pdf; EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 17, https://www.easo.europa. eu/sites/default/files/ publications/EASO-COI-Afghanistan-IPA-August-2017_0. pdf). Des Weiteren ist Herat auch auf sicherem Wege erreichbar, da sowohl internationale Flüge nach Herat als auch mehrfach täglich nationale Flüge von Kabul nach Herat gebucht werden können (EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 127 f., https://www.easo.europa.eu/sites/default/ files/publications/EASO-COI-Afghanistan-IPA-August-2017_0.pdf).
Die Stadt Herat hat Binnenflüchtlinge insbesondere aus den Nachbarprovinzen sowie aus dem Iran aufgenommen (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan, Security Situation, November 2016, S. 163, a.a.O.; EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 17, a.a.O.). Obwohl die Stadt Herat traditionell eine von Tadschiken dominierte Enklave in einem von Paschtunen dominierten Umland war, machen aufgrund dieser Migrationsbewegungen inzwischen Schiiten (hauptsächlich Hazara und einige Tadschiken) ein Viertel der Bevölkerung aus (EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 17, a.a.O.). In der Stadt lebt inzwischen eine beträchtliche Anzahl an Hazara und Aimaken (EASO Country of Origin Information Report; Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 17, a.a.O.). Trotz dieser Rückkehrer und Binnenflüchtlinge leben in der Stadt Herat noch immer viele Bürger, die noch nie geflohen sind; der Anteil der Binnenvertriebenen ist im Vergleich zu anderen größeren Städten eher klein. Im Jahr 2015 registrierte der UNHCR 1.958 Binnenvertriebene in Herat. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die meisten Binnenvertriebenen sich außerhalb der Stadtgrenzen niedergelassen haben, so dass ihre Gesamtzahl schon 2015 größer war (EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 18, a.a.O.). Nach einer Studie der Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (unterstützt von UNFPA) vom Dezember 2016 hatten 33,4% der Bevölkerung in der Provinz Herat (ca. 808.000 Personen) für mindestens sechs Monate schon in einem anderen Distrikt (anteilig 39,3%), einer anderen Provinz (anteilig 26,1%) oder einem anderen Land (anteilig 34,6%) gelebt (CSO, Socio-Demographic and Economy Survey 2016, S. 29, http://cso.gov.af/Content /files/SDES/Highlight%20Herat%20Fr%204%20March.pdf). Für die Stadt Herat kam die Studie im Dezember 2016 auf einen Anteil zugewanderter Personen von 47%, wobei darunter 43,2% aus einem anderem Distrikt, 27,5% aus dem Ausland (meist Iran), 12% aus einer benachbarten Provinz und 17,3% aus einer sonstigen Provinz stammten. Der Kläger trifft in Herat damit auf eine vergleichsweise gute sozio-kulturelle Lage mit einer noch vergleichsweise stabilen Bevölkerungsstruktur bei gleichzeitig so hohem Migrationsanteil, dass auch in Herat die Notwendigkeit zur Gründung neuer Netzwerke besteht (auf die diesbezüglichen Ausführungen zu Kabul wird Bezug genommen). Auch die Ethnie der Paschtunen, der der Kläger angehört, ist in Herat vertreten, so dass erwartet werden kann, dass sich der Kläger – wie andere Binnenvertriebene und Rückkehrer – dort neue Netzwerke aufbaut.
Dem Kläger ist Herat auch wirtschaftlich zumutbar. Die Stadt Herat profitiert von einer starken und vergleichsweise vielseitigen Wirtschaft einschließlich eines stabilen Bau- und Dienstleistungssektors sowie verarbeitender Industrie (EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 17, a.a.O.), wenn auch die Stadt unter starkem Urbanisierungsdruck steht. Es bestehen starke, geschichtlich gewachsene Handelsbeziehungen zum Iran und zu Turkmenistan, wobei wegen der stagnierenden nationalen Wirtschaftsleistung mit einem deutlichem Rückgang des Handelsvolumens zu rechnen ist, der sich negativ auf das Arbeitsplatzangebot in Herat auswirken wird (EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 28 f.). Das Klein- und mittelständische Gewerbe ist in Herat gut entwickelt, insbesondere im Handwerk, in der Teppich- und in der Seidenproduktion. Auch Industrie einschließlich Fabriken zur Schuh-, Mobiltelefon- und Kühlschrankproduktion ist vorhanden, wobei ausschließlich Männer in der Industrie arbeiten. Die meisten Personen in Herat sind als Tagelöhner tätig oder selbstständig. Seit 2001 hat keine andere afghanische Stadt mehr Privatinvestitionen erhalten als Herat, jedoch wurden die in Herat produzierten Produkte oft von iranischen Produkten preislich unterboten. Private Investitionen sind auch wegen der Sicherheitslage und politischer Unwägbarkeiten zurückgegangen. Das Haushaltseinkommen hat sich durch die stark gesunkene Nachfrage der Nichtregierungsorganisationen als Kunden verringert (EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan – Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, S. 28 f.). Im März 2016 arbeiteten 41,4% der Bevölkerung über 15 Jahre in der Stadt Herat in den letzten zwölf Monaten, die meisten davon über sechs Monate lang (CSO, Socio-Demographic and Economy Survey 2016, S. 36 ff., http://cso.gov.af/Content/files/SDES/Highlight% 20Herat%20Fr% 204% 20March.pdf). Die Zahl derer, die in der Provinz Herat keiner Beschäftigung nachgingen, war in den Altersgruppen der 15- bis 19-jährigen (71,5%) und der über 65-Jährigen (70,8%) am höchsten. Die Zahl der Nichtbeschäftigten in der Stadt Herat (58,6%) ist jedoch nicht gleichzusetzen mit der Zahl der ungewollt Arbeitslosen. Von den Nichtbeschäftigten gaben in der Stadt Herat 85,1% an, dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung zu stehen. Nur 14,4% der nicht Erwerbstätigen hätten dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung gestanden, waren also beispielsweise auf Arbeitsplatzsuche oder nur kurzfristig erkrankt. Diese Auskünfte entsprechen auch dem weiteren Ergebnis der Studie, dass nur 11,4% der Frauen über 15 Jahre in der Stadt Herat einer Beschäftigung nachgingen, aber 71,7% der Männer über 15 Jahre. Gleichzeitig waren in der Stadt Herat knapp 10% der Frauen arbeitssuchend, aber nur 7,8% der Männer (CSO, Socio-Demographic and Economy Survey 2016, S. 39 f., http://cso.gov.af/Content/ files/SDES/Highlight%20Herat%20Fr%204%20 March.pdf). Es ist daher davon auszugehen, dass die meisten in Herat nicht beschäftigten Personen nicht wegen der schlechten Arbeitsmarktlage, sondern aus sonstigen Gründen (Tätigkeit als Hausfrau, Schulbesuch, Studium, Krankheit, Alter) nicht arbeiten. Insbesondere die deutlich höhere Nichtbeschäftigung der Frauen erklärt sich maßgeblich mit dem in weiten Teilen der afghanischen Gesellschaft vorherrschenden Gesellschaftsbild, nach dem eine Tätigkeit der Ehefrau und Mutter außerhalb des familiären Haushalts nicht erwünscht ist, solange die Familie darauf nicht zwingend aus wirtschaftlichen Gründen angewiesen ist. Der Kläger ist als Abiturient und Gefängnismitarbeiter hinreichend qualifiziert. Es ist daher davon auszugehen, dass er sich trotz der angespannten Wirtschaftssituation auf dem Arbeitsmarkt wird behaupten können.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Auch insoweit steht dem Kläger interner Schutz offen (§ 4 i.V.m. § 3e AsylG, vgl. oben).
3. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Auf den Bescheid des Bundesamts wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend auf obige Ausführungen zur zumutbaren Fluchtalternative verwiesen.
4. Ebenso liegt kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren‚ die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind‚ während Gefahren‚ die sich aus der Abschiebung als solche ergeben‚ nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (stRspr. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG; vgl. BVerwG‚ U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – DVBl 2003, 463; U.v. 25.11.1997 – 9 C 58.96 – BVerwGE 105‚ 383 m.w.N.). Eine „erhebliche konkrete Gefahr“ im Falle einer zielstaatsbezogenen Verschlimmerung einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung ist daher gegeben, wenn sich der Gesundheitszustand alsbald nach der Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dortigen Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 3.11 – BVerwGE 142, 179; B.v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 – juris; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 13a B 16.30007 – juris). Gründe hierfür können nicht nur fehlende Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat sein, sondern etwa auch die tatsächliche Nichterlangbarkeit einer an sich vorhandenen medizinischen Behandlungsmöglichkeit aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33).
Der sich auf eine seiner Abschiebung entgegenstehende Erkrankung berufende Ausländer muss diese durch aussagekräftige, nachvollziehbare Atteste, die klare Diagnosen stellen und Aufschluss über die konkrete Therapie und mögliche Folgen einer unzureichenden Behandlung geben, glaubhaft machen (BayVGH, B.v. 27.11.2017 – 9 ZB 17.31302 – juris Rn. 4). Ein Attest muss den Mindestanforderungen genügen, die das Bundesverwaltungsgericht zur Substantiierung einer behandlungsbedürftigen PTBS / psychischen Erkrankung aufgestellt hat (BayVGH, B.v. 27.3.2018 – 9 ZB 18.30057 – juris Rn. 6 zu PTBS und schwerer Depression). Aus dem vorgelegten Attest muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen ärztlichen Befunde bestätigt werden. Zudem sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Auch bei Depressionen oder einer posttraumatischen Belastungsstörung treten bei Nichtbehandlung oder deren Abbruch nicht zwangsläufig erhebliche Gefahren für Leib oder Leben ein. Deshalb muss in einer ärztlichen Stellungnahme auch insoweit die Frage der Behandlungsbedürftigkeit und insbesondere der Folgen des Abbruchs der Behandlung konkret angesprochen werden (SächsOVG, B.v. 13.3.2018 – 2 A 586/17.A – juris Rn. 5).
Es entspricht inzwischen gefestigter Rechtsprechung, dass die Anforderungen an ein ärztliches Attest nach § 60a Abs. 2c AufenthG auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 16.30735 – juris Rn. 8: „Frage nicht klärungsbedürftig, weil sie sich anhand des Wortlauts des Gesetzes, der Entstehungsgeschichte und der gesetzgeberischen Erwägungen ohne weiteres bejahen lässt“; BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105 – juris Rn. 7; OVG NRW, B.v. 9.10.2017 – 13 A 1807/17A – juris Rn. 19 ff.; OVG LSA, B.v. 28.9.2017 – 2 L 85/17 – juris Rn. 2 ff.)
Ohne ärztliches Attest sind nähere Ausführungen des Klägers nicht geeignet, die Tatsachengrundlage für ein Abschiebungsverbot zu schaffen (BayVGH, B.v. 9.11.2017 – 21 ZB 17.30468 – juris Rn. 4).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger seine Erkrankungen nicht durch qualifizierte Atteste glaubhaft gemacht.
a) Im Hinblick auf die erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Probleme mit der Bandscheibe hat der Kläger kein Attest vorgelegt; seine (nur kurzen) Ausführungen hierzu sind daher nicht geeignet, die Tatsachengrundlage für ein Abschiebungsverbot zu schaffen (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2017 – 21 ZB 17.30468 – juris Rn. 4).
Im Übrigen ist auch weder ersichtlich, dass es sich überhaupt um eine schwerwiegende oder lebensbedrohliche Erkrankung handelt noch dass sich die Erkrankung nach der Rückkehr in sein Heimatland alsbald wesentlich verschlechtern würde. Auch nur eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers ist nicht ersichtlich.
b) Der Kläger hat auch das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Depression nicht glaubhaft gemacht, so dass auch insoweit kein Abschiebungsverbot besteht.
(1) Das aus drei Sätzen bestehende hausärztliche Attest vom 17. März 2017 ist nicht geeignet, das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung glaubhaft zu machen.
aa) Aus dem Attest ergibt sich schon nicht, dass es sich bei der beim Kläger diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung um eine schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Erkrankung handelt. Der Kläger leide an massiven Schlafproblemen mit Albträumen. Insbesondere eine hohe Wahrscheinlichkeit für selbstverletzende oder suizidale Handlungen ist demgegenüber nicht dargelegt. Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die diagnostizierte Erkrankung für den Kläger lebensbedrohlich oder auch nur schwerwiegend ist und sich die Krankheit im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan alsbald wesentlich verschlechtern würde.
bb) Des Weiteren erfüllt das Attest weder die Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG (vgl. oben), noch die Anforderungen, die die Rechtsprechung speziell für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung entwickelt hat (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – BVerwGE 129, 251 – juris Rn. 15; B.v. 26.7.2012 – 10 B 21/12 – juris Rn. 7).
Diesen Anforderungen genügt das vorliegende Attest nicht einmal ansatzweise. Es wurde von einem Facharzt für Allgemeinmedizin ausgestellt. Für eine komplexe Diagnose wie eine posttraumatische Belastungsstörung ist jedoch eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung, die sich regelmäßig nur in einem Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie manifestieren, erforderlich. Darüber hinaus beschränkt sich das Attest auf drei Sätze, in denen eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wird. Angaben u.a. zu den Grundlagen der gestellten Diagnose, zur Zahl der Behandlungen, zur Schwere der Krankheit und zur künftig erforderlichen Behandlung fehlen.
(2) Die beiden Atteste der Diplompsychologin vom 23. Juni 2017 und vom 8. Mai 2018 zum Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Depression genügen ebenfalls nicht den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung.
Zum einen ist für eine derartige Diagnose ein fachärztliches Attest erforderlich. Bei der Diplompsychologin handelt es sich indes nicht um eine (Fach-)Ärztin. Die erstmalige Diagnose einer Depression ist damit ärztlich nicht bestätigt. Zum anderen genügt das Attest auch nicht den sonstigen Anforderungen an (ärztliche) Atteste. Insbesondere fehlen Angaben zur Grundlage der Diagnose, seit wann und wie häufig sich der Patient in Behandlung befunden hat, zum bisherigen Verhandlungsverlauf (insbesondere zu bisherigen Medikation, zu der der Kläger ohne Nachweis vorträgt) und zur künftig erforderlichen Behandlung.
(3) Im Übrigen stehen die vorgelegten Atteste insoweit im Widerspruch zueinander, als dass das hausärztliche Attest (lediglich) eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, die Atteste der Diplompsychologin hingegen auch eine rezidivierend depressive Störung.
5. Nachdem sich auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG für den volljährigen Kläger als rechtmäßig erweist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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