Verwaltungsrecht

Kampfhundesteuer trotz Negativattest

Aktenzeichen  4 CS 17.1894

Datum:
29.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 3, Abs. 4 VwGO
Art. 3 Abs. 1 KAG
LStVG Art. 37 Abs. 1 LStVG

 

Leitsatz

1. Der in zwei Bestimmungen einer Hundesteuersatzung mit unterschiedlichen Rechtsfolgen verwendete Begriff “Kampfhund” führt nicht zu einem unauflösbaren Normwiderspruch und damit zur Nichtigkeit einer der Vorschriften, wenn sich das vom Satzungsgeber verfolgte Regelungsziel anhand der üblichen Auslegungsmethoden mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln lässt. (Rn. 4 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Gemeinde darf auch für Kampfhunde mit einem sog. Negativattest, die als ungefährlich gelten und nicht mehr der sicherheitsrechtlichen Erlaubnispflicht unterliegen, den an die Kampfhundeeigenschaft anknüpfenden erhöhten Hundesteuersatz festsetzen, weil es sich um Hunde handelt, bei denen aufgrund ihrer Rassemerkmale von einer abstrakten Gefährlichkeit auszugehen ist, was als Rechtferigungsgrund für den Erlass einer Lenkungssteuer mit dem Ziel der Minimierung einer als gefährlich vermuteten Hundepopulation genügt (ebenso BayVGH BeckRS 2013, 54163 Rn. 17).  (Rn. 6 und 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 8 S 17.868 2017-09-05 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 172,50 Euro Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die gegen Nr. 1 und Nr. 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 5. September 2017 gerichtete Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die in der Rechtsmittelbelehrungzitierte Vorschrift des § 146 Abs. 3 VwGO, wonach keine Beschwerde gegeben ist „in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt“, ist entgegen der Annahme des Beschwerdeführers nicht anwendbar. Die streitgegenständliche Abgabenforderung, die auf einer örtlichen Aufwandsteuer beruht (Art. 3 Abs. 1 KAG), unterfällt weder dem allgemeinen Kostenbegriff (vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG), noch handelt es sich, wie dies § 146 Abs. 3 VwGO voraussetzt, um eine aus einem gerichtlichen Verfahren resultierende Forderung (vgl. HessVGH, B.v. 9.12.1988 – 8 TH 4345/88 – NVwZ-RR 1990, 113; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 146 Rn. 16).
2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, da das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Hundesteuerbescheid des Antragsgegners vom 11. Januar 2016 zu Recht abgelehnt hat. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten und daher vom Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründe, die allein die Anwendbarkeit des für Kampfhunde geltenden erhöhten Steuersatzes auf den Hund „M.“ der Antragstellerin zum Gegenstand haben, rechtfertigen keine andere Entscheidung.
Die Antragstellerin trägt sinngemäß vor, ihr Rottweiler, der den Wesenstest laut Gutachten erfolgreich bestanden habe, könne nicht gemäß § 5 Abs. 3 der Satzung für die Erhebung der Hundesteuer (HStS) weiterhin in voller Höhe der Kampfhundesteuer unterliegen, da dies der Vorschrift des § 5a Nr. 2 HStS widerspreche, wonach die Vermutung der Kampfhundeeigenschaft bei dieser Hunderasse widerlegt werden könne. Es frage sich, weshalb überhaupt die Möglichkeit eines Gutachtens über die nicht gegebene Aggressivität und Gefährlichkeit geboten werde, wenn sich daraus keine Folgerungen im Rahmen der Hundesteuer ergäben. Da § 5 Abs. 3 und § 5a Nr. 2 HStS sich widersprächen, könne die erstgenannte Vorschrift keine Wirksamkeit entfalten.
Dieses Vorbringen vermag die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage zu stellen. Zwar ergeben sich aus den beiden genannten Satzungsbestimmungen unterschiedliche Rechtsfolgen. Ein unauflösbarer Normwiderspruch, der zur Nichtigkeit der Vorschrift des § 5 Abs. 3 HStS führen würde, liegt darin jedoch nicht, da sich das vom Satzungsgeber verfolgte Regelungsziel anhand der üblichen Auslegungsmethoden mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln lässt.
Die in § 5a HStS enthaltene Umschreibung des Begriffs „Kampfhund“ gilt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur für das diesbezügliche Tatbestandsmerkmal in § 5 Abs. 2 HStS. Hätte der Normgeber in § 5a HStS die Kampfhundeeigenschaft für den gesamten Geltungsbereich der Hundesteuersatzung definieren wollen, hätte es im Eingangssatz des einschränkenden Zusatzes „im Sinne des § 5 Abs. 2 dieser Satzung“ nicht bedurft. Dass dieser ausdrückliche Verweis auf die in § 5 Abs. 2 HStS getroffene Grundsatzregelung zur erhöhten Steuerpflicht von Kampfhunden auch nach Hinzufügung des § 5 Abs. 3 HStS mit Wirkung zum 1. Januar 2015 (§ 12 HStS) beibehalten wurde, lässt erkennen, dass die beiden Bestimmungen unabhängig voneinander Anwendung finden sollen.
Wird für einen unter den Katalog der Hunderassen in § 5a Nr. 2 HStS fallenden Hund aufgrund eines Wesenstests ein sog. Negativattest ausgestellt (dazu näher Nr. 37.3 VollzBekLStVG, AllMBl 2014, 621), so wird damit zwar die aus der Rassenzugehörigkeit resultierende generelle Vermutung der gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit im Einzelfall widerlegt, so dass es sich auch im engeren steuerrechtlichen Sinne des § 5 Abs. 2 HStS nicht mehr um einen Kampfhund handelt. Davon unberührt bleibt aber die spezielle Kampfhundesteuer nach § 5 Abs. 3 HStS, die gerade für jene Hunde gelten soll, die wegen eines vorgelegen Negativattests nicht mehr dem – aus der Verordnung zu Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LStVG wörtlich übernommenen (vgl. VO v. 10.7.1992, BayRS 2011-2-7-I) – Kampfhundebegriff des § 5a HStS unterfallen. Diese aus sicherheitsrechtlicher Sicht als ungefährlich geltenden Hunde werden zwar in § 5 Abs. 3 HStS gleichfalls als „Kampfhunde“ tituliert; dabei handelt es sich aber ersichtlich um ein über § 5a HStS hinausreichendes Begriffsverständnis, wie auch in der gegenüber § 5 Abs. 2 HStS abweichenden Definition zum Ausdruck kommt (Hund „mit gesteigerter Aggressivität“ statt „mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit“).
Dass mit der durch Satzungsänderung vom 15. September 2014 eingefügten Vorschrift des § 5 Abs. 3 HStS der erhöhte Steuersatz von 250 Euro jährlich gerade auf die Hunde erstreckt werden sollte, die wegen eines Negativattests nach bestandenem Wesenstest nicht mehr als „Kampfhund“ im sicherheitsrechtlichen Sinne zu qualifizieren sind, folgt nicht nur aus dem Wortlaut der genannten Sondervorschrift, sondern lässt sich auch aus der Entwicklung der Rechtsprechung begründen. Der Senat hat in einigen neueren Entscheidungen nochmals klargestellt, dass eine Gemeinde den an die Kampfhundeeigenschaft anknüpfenden erhöhten Hundesteuersatz auch dann festsetzen darf, wenn der Halter des betreffenden Hundes über einen Nachweis darüber verfügt, dass der Hund keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist (BayVGH, B.v. 13.12.2012 – 4 B 12.567 – juris Rn. 29; U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.144 – ZKF 2013, 235 Rn. 17 jeweils m.w.N.). Der positive Wesenstest lässt zwar die sicherheitsrechtliche Erlaubnispflicht entfallen (Art. 37 Abs. 1 LStVG), ändert aber nichts daran, dass es sich um Hunde handelt, bei denen aufgrund ihrer Rassemerkmale von einer abstrakten Gefährlichkeit auszugehen ist; dies genügt – auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts – als rechtfertigender sachlicher Grund für den Erlass einer Lenkungssteuer mit dem Ziel der Minimierung einer als gefährlich vermuteten Hundepopulation (vgl. BayVGH, a.a.O.). Der Antragsgegner hat diese in der Rechtsprechung vorgezeichnete Regelungsoption mit der neu geschaffenen Bestimmung des § 5 Abs. 3 HStS aufgegriffen und damit den Kreis derjenigen Steuerpflichtigen, für die der erhöhte Kampfhundesteuersatz von 250 Euro gilt, gegenüber der früheren Fassung der Satzung erweitert.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung zum Streitwert folgt aus § 47, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 GKG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht mehr auf den mit Widerspruch angegriffenen Bescheid vom 11. Januar 2016 insgesamt, sondern nur noch auf die darin enthaltene Heranziehung zu der erhöhten Steuer für Kampfhunde bezieht. Als Ausgangspunkt für die Streitwertbemessung ergibt sich damit ein jährlicher Unterschiedsbetrag von 230 Euro, der einerseits wegen der absehbaren Auswirkungen auf künftige Leistungspflichten zu verdreifachen (§ 52 Abs. 3 Satz 2 GKG) und andererseits wegen der nur vorläufigen Prüfung im Verfahren nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO auf ein Viertel zu kürzen ist (Nr. 1.5 Satz 1 Halbsatz 2 des Streitwertkatalogs).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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