Verwaltungsrecht

Kein Abschiebungsverbot wegen einer dialysepflichtigen Nierenerkrankung

Aktenzeichen  B 1 S 17.32315

Datum:
6.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 124145
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Ist eine schwere dialysepflichtige Nierenerkrankung im Herkunftsland (hier: Armenien) erfolgreich behandelbar, muss sich der Ausländer auf den im Heimatland verfügbaren Standard verweisen lassen und zwar nicht nur für die Grunderkrankung, sondern auch für den Umgang und eine etwaige Behandlung von unmittelbar mit der Grunderkrankung zusammenhängenden weiteren Erkrankungen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass dem Antragsteller bei seiner Abschiebung nach Armenien ein Barbetrag von 210,00 EUR mitzugeben ist.
2. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller 9/10 und die Antragsgegnerin 1/10.
3. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe zu 1/10 der anfallenden Kosten bewilligt. Insoweit wird ihm Rechtsanwältin …, als Prozessbevollmächtigte beigeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nach seinen Angaben armenischer Staatsangehöriger armenischer Volks- und armenisch-orthodoxer Religionszugehörigkeit. Er sei im Oktober 2014 nach Deutschland eingereist und beantragte am 17.12.2014 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Anlässlich seiner Anhörung beim Bundesamt am 29.07.2016 gab der Antragsteller an, er habe bis zur Ausreise in der Stadt I. in einem Haus gewohnt, das seiner Familie gehört habe. Dort hätten sein Vater, seine Frau, sein Sohn, sein Bruder mit seiner Frau und deren gemeinsames Kind gewohnt. Die anderen Personen lebten noch dort. Die Reise nach Deutschland habe 3.000,00 € gekostet, Freunde und Verwandte hätten ihm das Geld gegeben. Dieses sei ihm gespendet worden. An weiteren Verwandten habe der Antragsteller noch zwei verheiratete Töchter und mehrere Enkelkinder sowie eine Großfamilie. Er telefoniere regelmäßig per Skype mit seinen Verwandten. In Deutschland habe er eine Schwester mit Vornamen …, sie mache Dialyse in Deutschland und wohne hier mit ihrem Mann. Auf Frage, welchen Beruf die Verwandten ausüben würden, gab der Antragsteller an, sie arbeiteten zu 90% nicht und bekämen eine Rente. Der Antragsteller habe in der Sowjetzeit bis 1991 in der Baubranche gearbeitet, danach habe es keine Arbeit im Bau mehr gegeben. Auf Frage, wie er dann die Familie ernährt habe, gab der Antragsteller an, sie hätten im Wald Bäume gefällt und das Holz verkauft.
Befragt nach den Gründen für seine Ausreise gab der Antragsteller an, sein Gesundheitszustand sei der einzige Grund gewesen. Er sei an der Niere erkrankt und Dialyse sei notwendig gewesen. Er habe gesehen, dass das nicht wirke und es sei Glückssache, ob man überlebe. Andere Ärzte, nicht die, die für die Dialyse zuständig gewesen seien, hätten ihm geraten, ins Ausland zu gehen, wenn er weiter leben wolle. Hier in Deutschland sei er behandelt worden und fühle sich wie neu geboren. Der für die Dialyse zuständige Arzt habe ihm empfohlen, viel Honig zu essen. In ihrem Dorf hätten sie viel Honig und er habe dann auch viel Honig gegessen. Die Ärzte in Deutschland hätten gemeint, dass der Honig eher schädlich für seine Gesundheit sei.
Er legte eine ärztliche Bescheinigung des …Nierenzentrums … vom 27.07.2016 vor. Danach werde der Antragsteller seit 17.11.2014 zur Erhaltung des Lebens mit der künstlichen Niere behandelt. Die Dialyse finde drei Mal wöchentlich im Nierenzentrum statt.
Dem Antragsteller wurde weiter ein Schreiben übergeben, in dem er aufgefordert wurde, innerhalb einer Woche ein Attest vorzulegen, das Auskunft über den aktuellen Gesundheitszustand, die erforderlichen Behandlungen und die konkreten gesundheitlichen Folgen eines Abbruchs der Behandlung gebe.
Weitere Unterlagen über die gesundheitliche Situation des Antragstellers gingen in der Folgezeit jedoch nicht beim Bundesamt ein.
Mit Bescheid vom 08.06.2017 wurde der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf Gewährung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffern 1, 2 und 3). Ferner wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, das Bundesgebiet innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Ihm wurde die Abschiebung nach Armenien oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller sei offensichtlich kein Flüchtling im Sinne der entsprechenden Definition (wird näher ausgeführt).
Es lägen auch keine Abschiebungsverbote vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Armenien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt (wird näher erläutert). Es sei nicht erkennbar, dass der Antragsteller bei Rückkehr einer extremen allgemeinen Gefahr ausgesetzt wäre, weil er untypisch von Hilfe und Unterstützung durch im Herkunftsland verbliebene Verwandte ausgeschlossen sein würde. Diese Feststellung werde dadurch gestützt, dass sich seine Kernfamilie in Armenien aufhalte. Aus dem Vortrag gehe hervor, dass sie nach wie vor im gemeinsamen Haus der Familie wohne. Aus dem familiären Umfeld sei zudem Unterstützung in finanzieller Hinsicht zu erwarten, da sich der Antragsteller auf die Vorbereitung seiner Ausreise habe beziehen können. Es drohe dem Antragsteller auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 führen würde. Die entsprechenden Maßstäbe (wurden näher erläutert) seien indes nicht erfüllt. Die ärztliche Bescheinigung des …Nierenzentrums vom 27.07.2016 stelle lediglich fest, dass der Antragsteller mit der künstlichen Niere behandelt werde und mache Angaben zur wöchentlichen Häufigkeit. Weiterreichende Informationen – etwa zum aktuellen Stadium der Nierenerkrankung – würden nicht mitgeteilt. Die Bescheinigung lasse auch nicht erkennen, auf welcher Grundlage die Therapie erfolge. Auch der Verfasser der Zeilen sei unklar. Ausweislich der ärztlichen Bescheinigung erfolge die Dialyse in Deutschland drei Mal wöchentlich.
Das alternative Nierenersatzverfahren der Dialyse sei jedoch auch in Armenien verfügbar. Es sei dem Antragsteller auch zumutbar. Insulinabgabe und Dialysebehandlung erfolgten grundsätzlich kostenlos. Derzeit sei die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Eriwan möglich, auch in den Städten Vandazor und Gyumri seien die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet. Der Antragsteller sei somit auf das für ihn in seinem Heimatland verfügbare Nierenersatzverfahren der Hämodialyse zu verweisen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller in seinem Heimatland die für ihn notwendige Behandlung aus finanziellen Gründen nicht erreichen könne. Soweit Kosten für die Behandlung anfielen, was auch im Lagebericht unter Berücksichtigung beschränkter kostenloser Behandlungsplätze nicht ausgeschlossen werde, sei der Antragsteller auf die Zuhilfenahme seines Familienverbandes – insbesondere seiner Kernfamilie – zu verweisen. Ein gegenteiliger Vortrag fehle.
Unter dem Eindruck dessen sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller im Fall seiner Rückkehr eine alsbaldige Gefahr für Leib oder Leben drohe und somit ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis bestehe. Auf die weiteren Ausführungen wird verwiesen.
Am 19.06.2017 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte Klage gegen den Bescheid vom 08.06.2017 erheben (Az. B 1 K 17.32316) sowie um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller habe sein Heimatland aufgrund einer konkreten Leibes- und Lebensgefahr verlassen. Er habe die Bundesrepublik Deutschland in einem schlechten Gesundheitszustand erreicht. Bereits bei seiner Ankunft sei eine diabetische Nephropathie diagnostiziert worden, aufgrund derer der Antragsteller terminal niereninsuffizient sei und die Hämodialyse unverzüglich habe durchgeführt werden müssen. Diese Behandlung müsse regelmäßig drei Mal pro Woche für mindestens 5 Stunden stattfinden. Ohne diese Dialyse würde der Antragsteller innerhalb kürzester Zeit versterben.
Darüber hinaus leide der Antragsteller an einer renalen Anämie und Hyperphosphatämie, die regelmäßig mittels Erythropoetinen und Phosphatbindern therapiert werden müssten. Ebenso müsse der Bluthochdruck des Antragstellers durch Medikamente kontrolliert werden. Weiter sei der Antragsteller an Diabetes erkrankt sowie an einer diabetischen Retinopathie mit Glaskörperblutungen. Folge dieser Erkrankung sei die Erblindung, wenn keine Behandlung erfolge. Hierzu seien regelmäßige augenärztliche Kontrollen und entsprechende qualifizierte Therapien erforderlich. Insofern habe sich der Antragsteller auch zur Behandlung in das Augenzentrum … begeben. Die vorderen Augenabschnitte seien von einer beidseitigen Pseudophakie mit HKL, reizfrei, betroffen. Die hinteren Augenabschnitte seien beeinträchtigt durch eine beidseitige proliferative diabetische Retinopathie. Diagnostiziert worden sei eine rezidivierende Glaskörperblutung beidseits, ebenso beidseitige Retinopathie diabetica proliferanz, Myopie, Astigmatismus, Presbyopie, beidseitig Pseudophakie mit kapselfixierter Hinterkammerlinse. Es seien operative Eingriffe als Vizerektor rechts im Februar 2016 sowie links im Februar 2017 durchgeführt worden. Auch nach diesen Behandlungen sei der Antragsteller weiterhin auf Hilfe Dritter angewiesen. Seine Sehfähigkeit sei extrem eingeschränkt, so sei er etwa auch beim Laufen auf sein Gefühl angewiesen, da er die Umgebung nicht richtig wahrnehmen könne. Es sei auch ein Antrag gestellt worden auf Feststellung eines Grades der Behinderung. Bei allen alltäglichen Besorgungen benötige der Antragsteller Hilfe. Am 18.05.2017 sei eine erneute Kontrolle der Operationen erfolgt, eine weitere Kontrolle sei für den 03.07.2017 in … anberaumt.
Der Antragsteller habe keine Möglichkeit, in seinem Heimatland ausreichende medizinische Versorgung zu erhalten. Dies schon allein deshalb, da im Heimatort des Antragstellers kein Dialysezentrum bestehe. Die Fahrt dorthin dauere etwa 1,5 bis 2 Stunden. Diese Fahrt sei dem Antragsteller nicht mehr zuzumuten. Weiterhin habe er hier öffentliche Verkehrsmittel benutzen müssen. Darüber hinaus habe er auch die Dialyse bezahlen müssen. Die Kosten würden etwa 50,00 € pro Anwendung betragen. Die Familie des Antragstellers könne ihn weiterhin nicht unterstützen, weder finanziell noch in tatsächlicher Weise, jedenfalls nicht in der Art und Weise, wie es aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes des Antragstellers nötig wäre. Etwa 90% der Familie des Antragstellers sei selbst arbeitslos und beziehe eine Rente. Diese sei jedoch so gering, dass sie nicht einmal das Existenzminimum abdecke. Eine Unterstützung eines Dritten sei keinesfalls möglich.
Die ausreichende Versorgung könne nur dadurch geschehen, dass das Sozialsystem des Staates die Behandlungskosten trage. Dies sei nur dann der Fall, wenn die kostenlose, vollumfängliche medizinische Behandlung sowohl die Dialyse in chronischer Therapie als auch die Augenbehandlung sowie die Behandlung der renalen Anämie und Hyperphosphatämie und Diabetes verbindlich durch das Zielland zugesichert werde.
Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig, es sei zumindest ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen. Armenien biete nur eine geringe Gesundheitsversorgung, diese sei zudem weitestgehend kostenpflichtig und andererseits sei die konkrete Situation des Antragstellers und seines erheblich beeinträchtigten Gesundheitszustandes zu berücksichtigen. Bei einer Rückkehr würde der Antragsteller wegen der schlechten humanitären Verhältnisse insgesamt und konkret auf ihn bezogen Gefahr laufen, dass Art. 3 EMRK verletzt werde. Er sei schwerwiegend erkrankt und habe in Armenien keine ausreichende Hilfe erlangt. Aufgrund der drei Mal wöchentlich durchzuführenden Dialyse sei eine Erwerbstätigkeit keinesfalls möglich. Die Augenkrankheit sei zwar in Deutschland behandelt worden, er sei jedoch weiterhin auf Hilfe angewiesen. Er könne keine Erwerbstätigkeit aufnehmen, um sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Zu diesem zählten auch die notwendigen Krankenbehandlungen, die er selbst entrichten müsse. Hierfür fielen Kosten von wöchentlich mindestens etwa 200,00 € an. Zwar halte sich die Familie des Antragstellers weiterhin in Armenien auf, das Bundesamt verkenne jedoch, dass die Hilfe, die der Antragsteller benötige, durch diese nicht zu erhalten sei. Der Antragsteller benötige medizinische Versorgung auf einem hohen medizinischen Standard, die notwendigen Behandlungen gingen über standardmäßig durchgeführte ärztliche Konsultationen hinaus, bedeuteten vielmehr eine komplexe und sorgfältige Durchführung der Behandlung. Des Weiteren sei die Überwachung der medizinischen Daten und optimalen Reaktion auf gesundheitliche Veränderungen zwingend erforderlich und zu gewährleisten. Es sei offensichtlich, dass die Familie des Antragstellers ihn auf diese Weise nicht unterstützen könne. Ebenso sei eine finanzielle Unterstützung nicht möglich. Anderenfalls hätte der Antragsteller die Strapazen nicht auf sich genommen, in so einem schlechten Gesundheitszustand nach Deutschland zu reisen. Im Zeitpunkt der Ausreise sei er fast erblindet gewesen. Die Rente, die etwa 90% seiner arbeitslosen Familie beziehe, sei so gering, dass nicht einmal das Existenzminimum abgedeckt werde. Eine Unterstützung eines Dritten sei keinesfalls möglich. Dass die Familie den Antragsteller bei seiner Ausreise haben unterstützen können, stelle selbstverständlich einen Sonderfall dar, aus dem nicht zu schließen sei, dass die stetige Versorgung des Antragstellers durch die Familie gewährleistet werden könne. Die Ausreise habe gerade auch den Zweck erfüllen sollen, dass zukünftige finanzielle Belastungen nicht erfolgten.
Es sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG festzustellen (wird ausgeführt). Es sei dem Antragsteller nicht zumutbar, sich in einen bestimmten Teil des Zielstaates zu begeben, wo die medizinische Versorgung gewährleistet sei. Der Antragsteller leide an zahlreichen Gesundheitsbeeinträchtigungen, die in abhängig machten von der Hilfe Dritter, sowohl tatsächlich als auch finanziell. Allein schon aufgrund seiner Augenkrankheit sei der Antragsteller abhängig von der Unterstützung anderer. Bislang habe diese Versorgung die Familie vornehmen können. Ob dies weiterhin der Fall sei, sei nicht ersichtlich. Sollte der Antragsteller nun angewiesen sein, in einen anderen Landesteil zu ziehen, etwa in die Nähe eines Krankenhauses, so bräuchte er dennoch von staatlicher Seite eine Pflegekraft oder sonstige Unterstützung, um seinen Alltag zu bewältigen. Wenn der Antragsteller seinen Wohnsitz wiederum bei seiner Familie nehme, bestünden dieselben Probleme, die auch zur Flucht des Antragstellers geführt hätten. Die Dialyse selbst sei sehr teuer, hinzu kämen die Fahrtkosten. Es gehe nicht darum, nur den hochwertigen Standard in Deutschland zu erhalten, sondern bereits um grundlegende medizinische Versorgung. So sei ihm bereits von seinen Ärzten in Armenien geraten worden, zur Behandlung ins Ausland zu gehen. Dies spreche schon dafür, dass die Situation so betrachtet werden müsse, als habe der Antragsteller dort keine ausreichende Gesundheitsversorgung. Die dargestellten Hindernisse seien so erheblich, dass deren Vorhandensein einem Versagen der medizinischen Behandlung gleichkomme. Es sei dem Antragsteller auch nicht zumutbar, in andere Landesteile für die Behandlung auszuweichen. Es sei ihm ferner nicht zumutbar, auf die Unterstützung seiner Familie verwiesen zu werden. Der größte Teil der Familie sei selbst nicht erwerbstätig und erhalte lediglich eine geringe Rente, die für das eigene Existenzminimum nicht ausreiche. Soweit das Bundesamt meine, es hätte hierzu keinen Sachvortrag gegeben, sei darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller die finanziellen und familiären Verhältnisse dargelegt habe. Des Weiteren sei es offensichtlich, dass die Versorgung in der vom Antragsgegner angedachten Weise nicht erfolgen könne. Insbesondere sei die Behandlung für den Antragsteller nicht kostenlos, die reine Dialyse koste wöchentlich ca. 150,00 €. Hinzu kämen noch Fahrtkosten, so dass insgesamt mindestens 200,00 € pro Woche für die Behandlung der Dialyse aufgewendet werden müssten. Noch nicht eingerechnet worden seien die Kosten für die Augenbehandlung. Selbst wenn die Möglichkeit der Familie unterstellt werde, den Antragsteller tatsächlich finanziell zu unterstützen, so sei er zur Situation seiner Familie zumindest anzuhören. Bislang seien keine Feststellungen über die Leistungsfähigkeit der Familie getroffen worden. Das Bundesamt führte selbst aus, dass kein Vortrag erfolgt sei.
Es sei festzuhalten, dass aus den Gesamtumständen des Antragstellers in diesem konkreten Fall durch eine Abschiebung eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben bestehe. Diese könne nur dadurch ausgeräumt werden, dass die kostenlose vollumfängliche medizinische Behandlung verbindlich durch das Zielland zugesichert werde. Da eine solche Zusicherung nicht vorliege, sei die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung wieder herzustellen.
Aus der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung des Dr. R. ergibt sich, dass der Antragsteller zum Erhalt seines Lebens auf die regelmäßige drei Mal wöchentliche Hämodialyse für mindestens 5 Stunden angewiesen sei. Ohne diese Therapie würde er innerhalb kürzester Zeit versterben. Die einzige realistische Therapiealternative auf Dauer sei eine erfolgreiche Nierentransplantation. Folgen der terminalen Niereninsuffizienz seien eine renale Anämie und Hyperphosphatämie, die regelmäßiger Therapie mittels Erythropoetinen und Phosphatbindern bedürften. Ein vorbestehender Bluthochdruck müsse ebenfalls mit Medikamenten behandelt werden. Folgen der langjährigen Diabeteserkrankung seien eine diabetische Retinopathie mit Glaskörperblutungen. Um eine drohende Erblindung zu verhindern, müsse er hier regelmäßig augenärztlich überwacht und entsprechend qualifiziert therapiert werden. Es müsse auch im Herkunftsland auf Dauer gewährleistet sein, dass er eine chronische Hämodialysebehandlung erhalte und sich diese auch auf Dauer finanziell leisten könne. Der Hinweis des Bundesamts auf eine Dialysemöglichkeit im Falle einer akuten Erkrankung in einem Krankenhaus des Herkunftslandes genüge nicht. Es müsse die Behandlung auf Dauer im Rahmen eines chronischen Therapieprogrammes gewährleistet sein.
In einem weiter vorgelegten Attest des Augenzentrums … vom 13.06.2017 werden diverse Diagnosen und Befunde angeführt.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 08.06.2017, zugestellt am 12.06.2017, Gz. …, anzuordnen.
Des Weiteren wird beantragt,
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin …, als Prozessbevollmächtigte beizuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sich die Antragsgegnerin auf die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, bleibt in der Sache mit Ausnahme der verfügten Maßgabe ohne Erfolg.
Nach den Regelungen in Art. 16a Abs. 4 GG und § 36 Abs. 3 AsylG kann das Gericht die Aussetzung der Abschiebung nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt den Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann, wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreichend ist (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG) offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i.S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält. Dies ist aber zu verneinen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich dem Verwaltungsgericht bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Erweist sich der Asylantrag bzw. der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dagegen als nicht offensichtlich, sondern lediglich schlicht unbegründet, hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166; B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen in der vorliegenden Sache keine solchen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids in Bezug auf die Verneinung der Asylanerkennung und der Zuerkennung internationalen Schutzes.
Das Bundesamt die Anträge mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.06.2017 vielmehr zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Auch die weiteren Entscheidungen im streitgegenständlichen Bescheid begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
Das Gericht nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamts (§ 77 Abs. 2 AsylG). Zur Sache und zum Antragsvorbringen ist ergänzend Folgendes auszuführen:
Zutreffend hat das Bundesamt auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG verneint. Beim aktuellen Sachstand ergibt sich insbesondere aus den behandelten Erkrankungen des Antragstellers kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot. Das Bundesamt hat in Bezug auf seine gesundheitliche Situation im Falle der Rückkehr oder Rückführung in das Heimatland zutreffend angenommen, dass dem Antragsteller keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine solche Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Sätze 3 und 4 AufenthG). Abzustellen ist auch in dieser Hinsicht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG).
Bei der Auslegung des Begriffs der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist im Grundsatz kein anderer Maßstab anzulegen als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab verankerte Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für den Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefahrensituation statuiert. Für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung oder sonstige Rechtsgutverletzung im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr muss eine solche mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Das ist anzunehmen, wenn die für die Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen und deshalb ihnen gegenüber überwiegen. Dieses größere Gewicht ist nicht rein quantitativ zu verstehen, sondern im Sinne einer zusammenfassenden Bewertung des Sachverhalts bei verständiger Würdigung aller objektiven Umstände dahingehend, ob sie bei einem vernünftig denkenden, besonnen Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutverletzung rechtfertigt. Dabei sind auch die Zumutbarkeit eines mit der Rückkehr verbundenen Risikos und der Rang des gefährdeten Rechtsguts von Bedeutung. Erheblich ist eine Gefahr, wenn der Umfang der Gefahrenrealisierung von bedeutendem Gewicht ist. Das ist der Fall, wenn sich durch die Rückkehr der unter dem Gesichtspunkt der Leibes- und Lebensgefahr hier in Betracht kommende Gesundheitszustand des Betroffenen wegen geltend gemachter unzureichender medizinischer Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung in einem angemessenen Prognosezeitraum wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn „lediglich“ eine Heilung eines gegebenen Krankheitszustands des Ausländers im Abschiebungszielland nicht zu erwarten ist. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern vor gravierender Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren. Daher ist eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands auch nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen, kurz: bei existentiellen Gesundheitsgefahren. Das folgt insbesondere aus dem der Vorschrift immanenten Zumutbarkeitsgedanken. Konkret ist eine Verschlimmerung einer Erkrankung, wenn sie alsbald nach Rückführung des Betroffenen im Zielland zu erwarten ist. Bereits aus dem Wortlaut des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG – „dort“ – folgt, dass die das Abschiebungshindernis begründenden Umstände an Gegebenheiten im Abschiebungszielland anknüpfen müssen. Soweit eine geltend gemachte Gesundheitsverschlechterung ihren Grund in Gegebenheiten und Vorgängen im Aufenthaltsland Deutschland findet, kann sie dem Bundesamt gegenüber nicht als Abschiebungshindernis geltend gemacht werden (vgl. OVG NRW, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A mit zahlreichen weiteren Nachweisen; siehe ferner BayVGH, B.v. 12.8.2015 – 11 ZB 15.30054 – juris).
Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er an einer (terminalen) Niereninsuffizienz leidet und eine regelmäßige Hämodialysebehandlung benötigt. Für diese Erkrankung sind jedoch hinreichende Behandlungsmöglichkeiten auch in Armenien verfügbar und dem Antragsteller zugänglich.
Er hat selbst eingeräumt, bereits im Heimatland eine Dialysebehandlung erhalten zu haben. Vor dem Hintergrund des durch den behandelnden Nephrologen erläuterten dringenden Behandlungsbedarfs, der offenbar auch bereits in Armenien erkannt worden war, ist in keiner Weise wahrscheinlich, dass dem Antragsteller die notwendige medizinischen Versorgung im Falle seiner Rückkehr versagt werden würde.
Um eine regelmäßige kostenlose Hämodialyse zu erhalten, muss sich der Antragsteller (wiederum) in einem wohnortnahen Krankenhaus mit einer funktionierenden Hämodialyse-Abteilung vorstellen. Solche Einrichtungen gibt es nicht nur in Erwian, sondern auch in den nahe am ehemaligen Wohnort des Antragstellers I. gelegenen Städten N. und V. (Entfernung ca. 54 km bzw. 71 km), im Radius bis 150 km finden sich zudem fünf geeignete Einrichtungen in Eriwan und ein weiteres Krankenhaus in G. Die Zuweisung von Behandlungsplätzen erfolgt nach einem Quotensystem, d.h. das jeweilige Krankenhaus verfügt über eine maximale Anzahl an Behandlungskapazitäten („Quote“), die vom Gesundheitsministerium genehmigt und finanziert wird. Wenn ein Krankenhaus einen freien Platz hat, die „Quote“ also noch nicht erreicht ist, erfolgt die Aufnahme des neuen Patienten in kurzer Zeit. Sollten die Quote in einer Einrichtung ausgeschöpft sein, kann das Krankenhaus auf der Grundlage einer fachärztlichen Einschätzung der jeweiligen Einrichtung die Genehmigung zur Aufnahme eines neuen Patienten beim Gesundheitsministerium beantragen, wobei auch die geografische Erreichbarkeit berücksichtigt wird. Die entsprechende Anweisung des Ministeriums stellt dann die rechtliche Grundlage dar für die programmierte Hämodialyse, d. h. die kostenfreie und regelmäßige Behandlung. Dies bedeutet, dass das konkrete Krankenhaus ein freies vom Gesundheitsministerium zur Verfügung gestelltes Budget aufweisen muss, um die Leistungen für einen neuen Patienten abdecken zu können. Steht in einem bestimmten Krankenhaus kein Budget zur Verfügung, kommt jedoch in Betracht, dass der Patient ein anderes Krankenhaus mit freier Quote aufsucht. Ein späterer Transfer des Patienten, der bereits Hämodialyse erhält, von einem Krankenaus zu einem anderen ist nach Anweisung des Gesundheitsministeriums möglich. In einer aktuellen Auskunft der Deutschen Botschaft in Eriwan an das VG Bayreuth vom 10.03.2017 (Az. RK-1-516.80 SE bzw. RK-100-516.80/3203) wird ebenso ausgeführt, dass es eine Wartezeit nicht gibt, wenn ein Krankenhaus eine freien Quotenplatz zur Verfügung hat, die Versorgung kann dann innerhalb von ein bis zwei Tagen sofort organisiert werden. Sollte das Budget des konkreten Krankenhauses erschöpft sein, sind für das oben beschriebene Verfahren zur Erlangung einer Anweisung/Genehmigung des Gesundheitsministeriums mehrere Tage erforderlich, wobei eben auch – wie erläutert – die Möglichkeit besteht, ggf. vorübergehend bis zu einer Transferierung ein anderes Krankenhaus mit einem freien Quotenplatz aufzusuchen.
Weiter wird in der Auskunft ausgeführt, dass jeder Patient, der Hämodialyse benötigt, berechtigt ist, diese auf privater Basis zu erhalten, wenn er sich direkt an die jeweilige Krankenhausverwaltung wendet. So können vorübergehende Übergangzeiten auch im Falle des Antragstellers sicher abgedeckt, die sich etwa dadurch ergeben können, dass er sich im Falle seiner Rückkehr mit Hilfe seiner zahlreichen Verwandten wieder in das Gesundheitssystem in Armenien integriert, so also ein Krankenhaus aufsucht, das ihn entweder unmittelbar in das kostenfreie staatliche Dialyseprogramm aufnimmt oder ggf. eine Erweiterung der Quote über das Gesundheitsministerium erwirkt, was mehrere Tage in Anspruch nehmen kann, oder aber dass der Antragsteller sich an ein weiteres Krankenhaus wendet, bei dem freie Kapazitäten vorhanden sind und das ihn unmittelbar in das kostenfrei staatliche Hämodialyse-Programm aufnimmt (und ggf. später in ein anderes Krankenhaus transferiert).
Zur sicheren Abdeckung dieser ggf. anfallenden (Überbrückungs-)Zeit hält es das Gericht für geboten, die tenorierte Maßgabe zu verfügen. Eine einzelne Hämodialyse-Sitzung kostet in Armenien derzeit ca. 35,00 EUR (18.100 Dram), so dass mit dem dem Antragsteller im Falle seiner Abschiebung zur Verfügung zu stellenden Barbetrag von 210,00 EUR ein Zeitraum von zwei Wochen zuverlässig abgedeckt werden kann (6 Dialyse-Sitzungen). Es ist zu erwarten, dass der Antragsteller mit Unterstützung seiner Verwandten innerhalb dieser Zeit in das staatliche Hämodialyse-Programm in einem geografisch in zumutbarer Weise erreichbaren Krankenhaus aufgenommen werden wird, zumal er bereits in der Vergangenheit in entsprechender Behandlung war.
Die Einfuhr von Fremdwährung ist nach Armenien unbeschränkt möglich, ebenso wenig problematisch ist der Umtausch des Bargeldes in die Landeswährung an Flughäfen, in Banken, in den meisten Hotels und in Geschäften (vgl. https://www…de/laenderinfos/ armenien).
In Bezug auf die konkrete Durchführung der regelmäßigen kostenfreien Hämodialyse-Behandlung in Armenien muss sich der Antragsteller auf den in seinem Heimatland üblichen Standard verweisen lassen, dies gilt insbesondere auch für eine etwaige Behandlung von regelmäßigen Folgen der Niereninsuffizienz, hier also namentlich für die in dem ärztlichen Attest vom 13.06.2017 erwähnte renale Anämie (Blutarmut). Bei schweren Nierenerkrankungen ist der Erythropoetin-Wert erniedrigt, so dass es zur renalen Anämie kommt. Patienten, die auf eine Dialyse angewiesen sind, erhalten daher in Deutschland Erythropoetin als Medikament (vgl. http://www…de/erythropoetin). Wenn aber schwere, dialysepflichtige Nierenerkrankungen in Armenien behandelbar sind und auch erfolgreich behandelt werden – für eine gegenteilige Annahme gibt es keine Anhaltspunkte –, so gilt der Grundsatz, dass sich ein Ausländer auf den im Heimatland verfügbaren Standard verweisen lassen muss, nicht nur für die Grunderkrankung, sondern auch für den Umgang und eine etwaige Behandlung von unmittelbar mit der Grunderkrankung zusammenhängenden Erscheinungen, hier in Form der renalen Anämie. Für die Hyperphosphatämie gelten diese Erwägungen in gleicher Weise. Sollte sich die Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung nach den Maßstäben in Armenien ergeben, spricht alles dafür, dass der Antragsteller als behinderte Person ersten oder zweiten Grades dringend benötigte Präparate kostenfrei in einer lokalen Polyklinik erhalten, jedenfalls aber eine Kostenerstattung von 50% als behinderte Person der dritten Gruppe in Anspruch nehmen kann (IOM, Länderinformationsblatt Armenien, August 2015, S. 1). Kostenfrei erfolgt auch eine ggf. nötige Insulinbehandlung (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21.06.2017, S. 18).
Präparate zur Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. Bluthochdruck) sind in Armenien ebenfalls verfügbar (z.B. Metoprolol, vgl. Auskunft der Botschaft in Eriwan an das VG Schwerin vom 08.05.2014 – Gz. RK 516.80 E 3024; s. ferner Auskunft der Botschaft in Eriwan an das Bundesamt vom 03.06.2013 – Gz. RK 516.80 E 2941).
In Bezug auf das Sinnesorgan Auge – diesbezüglich hat der Antragsteller offenbar diverse Behandlungen in Deutschland bereits erhalten – wurde eine aktuelle fortbestehende (dringende) Behandlungsbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht.
Soweit er – wie vorgetragen – Hilfe bei der Bewältigung des Alltags benötigen sollte, ist er auf die Inanspruchnahme familiärer bzw. verwandtschaftlicher Hilfe zu verweisen. Nach seinen eigenen Angaben beim Bundesamt verfügt der Antragsteller insoweit über ganz erheblichen Rückhalt. Es darf auch erwartet werden, dass derjenige Teil der Familie/Verwandtschaft bzw. Großfamilie, von der der Antragsteller beim Bundesamt gesprochen hat und der einer Erwerbstätigkeit nachgeht (der Antragsteller hat den Anteil der berufstätigen Verwandten auf 10% beziffert), den Antragsteller nach Kräften unterstützen wird. Dabei fällt vor allem ins Gewicht, dass es sich keineswegs um entfernte Verwandte handelt, sondern dass namentlich zwei verheiratete Töchter, ein Sohn, eine Ehefrau und ein Bruder samt Familie(n) vorhanden sind, mit denen der Antragsteller nach wie vor regelmäßig in Kontakt steht. Der Antragsteller wurde beim Bundesamt ausdrücklich dazu angehalten, alle Umstände anzugeben, die einer Abschiebung entgegenstehen. Er hat selbst nicht ausgeführt, dass er im Falle seine Rückkehr befürchte, auf sich alleine gestellt zu sein oder dass, sollten (Zu-) Zahlungen zu Medikamenten in gewissem Umfang aufzubringen sein, dies durch seinen verwandtschaftlichen Verbund nicht zu leisten wäre. Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen in Armenien jedenfalls nur in geringem Umfang (Zu-)Zahlungen leisten (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21.06.2017, S. 18).
Der Antragsteller hat viele Jahre in Armenien gelebt und ist mit den dortigen Verhältnissen vertraut. Ferner war er bereits erkrankt, als er sich noch in Armenien aufgehalten hatte; er hat selbst von der Nierenerkrankung berichtet, sein Nephrologe spricht von einer langjährigen Diabeteserkrankung. Es ist vor diesem Hintergrund anzunehmen, dass der Antragsteller auf die Frage, warum er nicht nach Armenien zurückkehren könne, unmittelbar alle wesentlichen Umstände benennen kann, und zwar auch solche, die eine etwaige Unterstützungsmöglichkeit durch seine Verwandten betreffen, mit denen er in regelmäßigem Kontakt steht. Insoweit trifft es nicht zu, dass der Antragsteller nicht hinreichend befragt worden wäre oder dass er jedenfalls nicht Gelegenheit gehabt hätte, alle Umstände darzulegen, die die Möglichkeit oder das Fehlen einer Unterstützung, auch finanzieller Art, durch seine Verwandten betreffen. Der Antragsteller hat beispielsweise mit keinem Wort erwähnt, dass er in der Vergangenheit nicht in der Lage gewesen wäre, etwa anfallende (Zu-)Zahlungen zu Medikamenten oder ärztlichen Leistungen selbst oder mit Hilfe seiner Verwandten zu bestreiten. Auch von Problemen hinsichtlich der Verfügbarkeit von Präparaten, die er dringend benötige, hat der Antragsteller nicht gesprochen. Auslöser für die Ausreise nach Deutschland soll vielmehr gewesen sein, dass ihm gewisse Ärzte geraten hätte, ins Ausland zu gehen. Soweit mit dem Antragsvorbringen geltend gemacht wird, die Finanzierung der Ausreisekosten von 3.000,00 EUR durch Freunde und Verwandte habe gerade dazu gedient, künftige Belastungen auszuschließen, spiegelt sich dies in der Anhörung des Antragstellers so nicht wieder. Selbst wenn dies aber ein zusätzlicher Beweggrund gewesen sein mag, nämlich dem Antragsteller das Geld für die Ausreise zu „spenden“, so hat er selbst nicht geltend gemacht, dass sämtliche seiner Verwandten im Heimatland derart verarmt seien, dass etwaige in der Vergangenheit geleistete Unterstützungen gänzlich nicht mehr möglich sein sollten, zumal seit der Ausreise des Antragstellers im Oktober 2014 zwischenzeitlich mehr als 2,5 Jahre vergangen sind, innerhalb derer freilich die Verwandten des Antragstellers aufgrund seiner Abwesenheit von der Leistung von Unterstützung finanzieller und sonstiger Art entbunden gewesen sind.
Insgesamt ist damit nicht wahrscheinlich, dass der Antragsteller im Falle seiner Rückkehr oder Rückführung nach Armenien alsbald in eine Situation geraten wird, die die Schwelle des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erreicht.
Damit ist auch für das Gericht offensichtlich, dass dem Antragsteller die beanspruchten Rechtspositionen nicht zuerkannt werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG.
2. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO voraus, dass die betreffende Partei außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Wie sich aus den Ausführungen unter Nr. 1 ergibt, bleibt der vorliegende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Ausnahme der verfügten Maßgabe ohne Erfolg. Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts kann daher nur im dem Umfang bewilligt werden, der dem Gewicht der zu verfügenden Maßgabe – hier 1/10 – entspricht. Im Übrigen ist der Antrag abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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