Verwaltungsrecht

kein Abschiebungsverbot

Aktenzeichen  9 ZB 20.30662

Datum:
23.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9690
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 5

 

Leitsatz

Der bloße Hinweis auf eine über 12 Jahre alte Auskunft des Auswärtigen Amtes ohne Auseinandersetzung in Bezug auf die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage genügt dem Darlegungserfordernis nicht.  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 K 19.30397 2019-12-16 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten wird abgelehnt.
III. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu je einem Drittel zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 18.30670 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Die Kläger sehen eine grundsätzliche Bedeutung in der Frage, inwieweit die soziokulturelle Struktur Albaniens und deren Wechselwirkung auf die Lebensführung von alleinstehenden Frauen und minderjährigen unbegleiteten Kindern derzeit dazu geeignet ist, die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Albanien zu begründen.
Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die junge und gesunde Klägerin zu 1, die über eine neunjährige abgeschlossene Schulausbildung verfüge und nicht verpflichtet sei, zu ihren Eltern zurückzukehren, in Albanien ihren eigenen Lebensunterhalt sicherstellen könne, indem sie einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Soweit man unterstelle, dass die Klägerin zu 1 wieder zu ihrer Tante zurückkehre, wo sie bereits ein Jahr lang gelebt habe, könne sie zum Haushaltseinkommen beitragen. Hinsichtlich der Kläger zu 2 und 3 sei davon auszugehen, dass diese bei einer Rückkehr nach Albanien zu den Eltern zurückkehren könnten, nachdem seitens der Ausländerbehörde versucht werde, Kontakt zu diesen herzustellen. Das von der Klägerin zu 1 beschriebene problematische Verhältnis zur Mutter werde für die Kläger zu 2 und 3 nicht vorgetragen. Es werde außerdem davon ausgegangen, dass sich neben den Eltern, die ihrer Erziehungsfunktion wohl nur teilweise nachkämen, auch weitere Verwandte, insbesondere die Tante, kümmern würden. Darüber hinaus sei die Unterbringung in einer staatlichen Einrichtung möglich. Der Kontakt zwischen der Klägerin zu 1 und den Klägern zu 2 und 3 könne durch Besuche aufrechterhalten werden.
Abgesehen davon, dass das Zulassungsvorbringen dem nicht substantiiert entgegentritt und ihm nicht zu entnehmen ist, warum die aufgeworfene Frage, insbesondere im Hinblick auf die Kläger zu 2 und 3, vorliegend überhaupt entscheidungserheblich sein soll, setzt es sich in Bezug auf die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht mit den eingeführten Erkenntnismitteln auseinander. Dazu wäre hier erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2019 – 9 ZB 19.34123 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem genügt der Hinweis auf eine über zwölf Jahre alte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 31. Juli 2007 (Az. 508-516.80/45345) an das Verwaltungsgericht München, die die Situation minderjähriger bzw. volljähriger Töchter thematisiert, die sie sich gegenüber ihrer Familie einer Verheiratung wiedersetzen, und im Hinblick auf eine inländische Fluchtalternative Betroffener u.a. die Aussage enthält, dass es einer mittellosen, 18-jährigen traumatisierten Frau nur in Ausnahmefällen gelingen dürfte, eine sichere Zuflucht und eine ausreichende Lebensgrundlage zu finden, nicht. Dass sich der gesellschaftliche Status und die sozialökonomische Situation von Frauen in der stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft Albaniens deutlich schlechter darstellen als bei Männern und sich hieraus u.a. negative Auswirkungen im Hinblick auf Erwerbssuche und Arbeitssowie Lebensbedingungen ergeben, ist auch schon der Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 13. Februar 2013 zu entnehmen, die vom Verwaltungsgericht zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gemacht wurde. Inwieweit deshalb die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG erfüllt sein können, ist eine Frage des Einzelfalls.
2. Die Kläger haben somit auch keinen Anspruch auf die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung bereits zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO). Dementsprechend war auch der Antrag auf Beiordnung der Bevollmächtigten (§ 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO) abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 Asyl).


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