Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Erteilung einer Duldung zum Zwecke der Berufsausbildung

Aktenzeichen  M 25 E 17.3413

Datum:
4.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1, S. 3
AsylG AsylG § 55, § 71 Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

Die bloße zeitliche Verzögerung der Aufnahme einer Berufsausbildung stellt keinen schwerwiegenden irreparablen Nachteil dar, der die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnte.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Erteilung einer Duldung zum Zweck der Berufsausbildung.
Der am …1992 (fiktiv) geborene Antragsteller reiste am 12. März 2014 in das Bundesgebiet ein. Er stellte in der Folge Asylantrag, der vom Bundesamt abgelehnt wurde; die hiergegen erhobene Klage wurde durch Urteil des VG München vom 26. September 2016, das rechtskräftig wurde, abgewiesen (M 24 K 16.31740).
Am 18. April 2017 sprach der Antragsteller bei der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) für Oberbayern der Antragsgegnerin vor und legte Unterlagen und insbesondere einen Berufsausbildungsvertrag vor, wonach er zum 1. September 2017 eine Ausbildung zum Verkäufer im Lebensmittelbereich beginnt. Mit Schreiben vom 3. Mai 2017 hörte die ZAB Oberbayern den Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung an. Mit Schreiben vom 9. Mai 2017 legte der Antragsteller neue Unterlagen vor, insbesondere sollte die beabsichtigte Ausbildung nun schon zum 1. August 2017 beginnen.
Die Antragsgegnerin hat den Antrag mit Bescheid vom … Juli 2017 unter Verweis auf bevorstehende, konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung abgelehnt. Bereits am 24. April 2017 sei die Beschaffung von Passersatzpapieren durch die ZAB Oberbayern eingeleitet worden.
Hiergegen hat der Antragsteller am 21. Juli 2017 durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben (M 25 K 17. 3412) und zugleich beantragen lassen,
„im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Regierung von Oberbayern zu verpflichten, die begehrte Duldung zum Zwecke der Ausbildung […] zu erteilen.“
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Antragsteller mittlerweile einen Asylfolgeantrag gestellt habe und daher aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht angebracht seien. Die einstweilige Anordnung sei notwendig, da die Ausländerbehörde nicht bereit sei, eine Duldung auszustellen.
Die Antragsgegnerin hat unter wiederholender Vertiefung der Gründe im angegriffenen Bescheid beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Gericht nimmt ergänzend auf die Gerichtsakte und vorliegende Behördenakte Bezug.
II.
1. Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, insbesondere auch, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich sind danach ein Anordnungsgrund, die Eilbedürftigkeit der Sache, sowie ein Anordnungsanspruch, der Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind nach § 123 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
a) Der Antrag ist unzulässig, da mit dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung die Hauptsache in unzulässiger Weise vorweggenommen würde.
Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Betroffenen nicht schon in vollem Umfang – wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache – das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Durch die einstweilige Erteilung der Duldung zum Zwecke der Berufsausbildung würde die Hauptsache in der beschriebenen Weise vorweggenommen. Das Verbot der Vorwegnahme in der Hauptsache gilt zwar nicht uneingeschränkt. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebotes effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG ist eine Vorwegnahme dann zulässig, wenn dem Betroffenen ein Abwarten bis zu der Entscheidung über die Hauptsache unzumutbar ist, da er sonst schwere irreparable Nachteile erleiden würde.
Dies ist hier indes nicht der Fall. Dem Antragsteller droht allenfalls der Verlust des Ausbildungsplatzes. Derzeit verfügt der Antragsteller nicht über eine Erlaubnis oder Duldung zum Zwecke der Aufnahme einer Berufsausbildung. Er will in der Hauptsache und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes seinen Rechtskreis erweitern. Er hat zu gewärtigen, dass er die beabsichtigte Berufsausbildung in dem konkreten Ausbildungsbetrieb nicht wird aufnehmen können. Es ist allerdings weder substantiiert dargetan noch anderweitig ersichtlich, dass er nicht – nach einem gegebenenfalls erfolgreichen Abschluss des Hauptsacheverfahrens – einen anderen Ausbildungsplatz finden kann. Der Antragsteller hat zu einem etwaigen (besonderen) Interesse an dem konkreten Ausbildungsplatz in dem konkreten Ausbildungsbetrieb nichts vorgetragen. Ein solches ist auch nicht anderweitig ersichtlich. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Antragsteller eine Gefährdung der sozialen, beruflichen oder wirtschaftlichen Existenzgrundlage drohte. Die bloße zeitliche Verzögerung der Aufnahme einer Berufsausbildung stellt angesichts all dessen – auch unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Schutzes dieser Betätigung – keinen schweren irreparablen Nachteil dar, der die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen würde. Dass die baldige Aufnahme einer Berufsausbildung für den Antragsteller vorteilhaft wäre und zur Entlastung der öffentlichen Hand beitragen würde, lässt ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht unzumutbar erscheinen (vgl. VG München, B.v. 26.10.2016 – M 4 E 16.4408 – juris Rn. 15; B.v. 25.1.2016 – M 10 E 15.5827 – juris Rn. 23; B.v. 25.8.2015 – M 4 E 15.35554 – juris Rn. 19 ff. und zu § 10 und § 11 BeschVerfV a.F. BayVGH, B.v. 10.3.2006 – 24 CE 05.2685 – juris Rn. 19 ff.).
b) Der Antrag ist überdies unbegründet.
Die Abschiebung eines Ausländers ist gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Einem Ausländer kann nach Satz 3 dieser Norm eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von Satz 3 ist nach Satz 4 zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen.
Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Sätze 3 und 4 AufenthG für die von ihm beabsichtigte Berufsausbildung zum Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk nicht glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller ist vollziehbar ausreisepflichtig. Sein Asylantrag wurde bestandskräftig abgelehnt. Der Vortrag des Antragstellers, wonach er einen Asylfolgeantrag gestellt hat, ändert daran nichts. Zum einen hat er dies lediglich behauptet, ohne die Antragstellung glaubhaft zu machen. Selbst wenn man den Folgeantrag unterstellt, ändert dies jedoch nichts. Aus der bloßen Stellung eines Asylfolgeantrags folgt jedenfalls bis zur Entscheidung über die Durchführung eines weiteren Verfahrens gerade keine Aufenthaltsgestattung iSd § 55 AsylG (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 55 AsylG Rn. 10). In welchem Stadium sich das Folgeverfahren des Antragstellers befindet, ist weder vorgetragen geschweige denn glaubhaft gemacht. Soweit vertreten wird, ein Folgeantragsteller habe Anspruch auf Erteilung einer (sonstigen) Duldung, fehlt es auch hierfür an einem glaubhaft gemachten Vortrag der Antragstellerseite. Dass der Vollzug der Abschiebung des Antragstellers von der Mitteilung des Bundesamts an die Ausländerbehörde nach § 71 Abs. 5 S. 2 AsylG abhängt, hindert die Ausländerbehörde nicht daran, die für eine Abschiebung notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich insbesondere auch, dass der Anspruch auf Duldung bei Aufnahme einer qualifizierten Ausbildung nicht dazu bestimmt ist, bei konkret bevorstehenden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung eine Bleibeperspektive für die Dauer der Ausbildung (erst) zu begründen (OVG Koblenz, v. 5.1.2017 – 7 B 11589/16, 7 D 11595/16 juris).
Die Ausländerbehörde hat vorliegend die für die Abschiebung notwendigen Vorbereitungen in der Form getroffen, dass sie die Beschaffung von Passersatzpapieren eingeleitet hat. Damit aber liegen konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung iSd § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG vor (vgl. BT-Drs. 18/9090, 25; BeckOK AuslR/Kluth, 14. Ed. 1.5.2017, AufenthG § 60a Rn. 27; s. a. OVG Koblenz, v. 5.1.2017 – 7 B 11589/16, 7 D 11595/16 juris). Diese stehen der Erteilung einer Ausbildungsduldung iSd § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG zwingend entgegen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.


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