Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung – Herkunftsland Somalia

Aktenzeichen  W 9 K 19.32033

Datum:
13.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34846
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 3
AsylG § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 3, § 3b Abs. 1, § 4, § 77 Abs. 2
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. 

Gründe

Über die Klage konnte auch in Abwesenheit der Beklagten entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO), da in der Ladung hierauf hingewiesen wurde.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Oktober 2019 ist – soweit er noch streitgegenständlich ist – einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung und der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Ansprüche (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung.
1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Aus § 3a AsylG ergibt sich, welche Handlungen als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten. Zwischen derartigen Handlungen und den in § 3b AsylG näher definierten Verfolgungsgründen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; BVerwG, U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 -, BVerwGE 1989, 162 f.; BVerwG, U.v. 15.3.1988 – 9 C 278/86 -, BVerwGE 1979, 143 f.). Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 3a AsylG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011, RL 2011/95/EU) (QRL) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (BVerwG, U.v. 24.11.2009 – 10 C 24.08 – juris Rn. 14).
Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asyl- oder Flüchtlingsanspruch voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asyl- bzw. Flüchtlingsbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BvR 1095/90 – InfAuslR 1991, 94/95; BVerwG, U.v. 30.10.1990 – 9 C 72/89 – Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 113).
1.2. Dies vorangestellt, ist das Gericht nicht von der Richtigkeit des klägerischen Vortrags überzeugt. Hierfür sind zu viele Widersprüche im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgetreten, die der Kläger nicht plausibel erklären konnte. Ein wesentlicher Widerspruch war, dass der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Befragung durch das Gericht erstmals angegeben hat, dass ein Bruder von ihm im Juni 2015 in der Stadt L* … getötet worden sei. Hiervon hatte der Kläger bei seiner Bundesamtsanhörung nichts erwähnt. Gleichzeitig kann hiermit nicht der Bruder gemeint sein, der bei dem behaupteten Verkehrsunfall umgekommen sein soll. Dieser soll schon im Mai 2015 gewesen sein.
Erst auf Vorhalt erwähnte der Kläger die angebliche Tötung seines Vaters im Jahr 2017. Davor hatte er angegeben, dass nach der Tötung seines Bruders im Mai 2015 nichts mehr passiert sei. Seine Erklärung, dass er diese Angabe, wonach keinem Familienangehörigen nach der Tötung des Bruders mehr etwas zugestoßen sei, nur auf das Jahr 2015 bezogen habe, überzeugt im Ergebnis nicht. Diese Frage war durch das Gericht bewusst offen formuliert worden.
Letztlich widerspricht der Kläger mit der neuen Angabe, dass bereits zwei seiner Familienangehörigen durch die andere Familie getötet worden seien, dem Kern seiner vorgeblichen Verfolgungsgeschichte, wonach für die bei dem Verkehrsunfall getöteten zwei Männer der anderen Familie Rache durch die Tötung zweier seiner Familienmitglieder genommen werden solle. Dies ist nach seinem Vortrag bereits erfolgt, sodass der Kläger bei einer Rückkehr keine Angst vor einer weiteren Verfolgung haben müsste.
Weitere Widersprüche ergaben sich bezüglich der Geschwisteranzahl. Bei der Bundesamtsanhörung hat der Kläger mehrfach von zwei Schwestern berichtet. In der mündlichen Verhandlung will der Kläger nur noch eine Schwester haben.
Diese Vielzahl von Widersprüchen und die völlig unzureichenden Erklärungen hierzu führen für den erkennenden Einzelrichter zu der Überzeugung, dass dem Vortrag des Klägers aufgrund des Gesamteindrucks in der mündlichen Verhandlung keinerlei Glauben geschenkt werden kann.
Weitere Umstände, die bei einer Rückkehr des Klägers nach Somalia erstmals eine Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG begründen könnten, wurden weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3), sofern nicht Ausschlussgründe gemäß § 4 Abs. 2 AsylG (z.B. Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder schwere Straftaten) vorliegen. Gemäß § 4 Abs. 3 AsylG gelten §§ 3c bis 3e AsylG, somit die Regelungen über verfolgungsmächtige Akteure (§ 3c), schutzfähige Akteure (§ 3d) sowie die Regelungen über den internen Schutz (§ 3e), entsprechend.
Auch im Rahmen von § 4 AsylG ist bei der Prognose, ob für einen Kläger im Abschiebezielstaat die konkrete Gefahr besteht, der Todesstrafe, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2010 – 10 C 11/09 – juris Rn. 14).
Der Kläger muss nach Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Somalia nicht damit rechnen, landesweit einen ernsthaften Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG zu erleiden.
2.1. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts nicht die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG. Er hat hierzu bereits keine Tatsachen vorgetragen.
2.2. Der Kläger hat auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden durch Folter oder durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht.
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl L 337, S. 9) – QRL – dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z.B. EuGH, U.v. 17.2.2009 – Elgafaji, C – 465/07 – juris Rn. 28; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 22 ff. m.w.N.). Danach ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – ZAR 2011, 395, Rn. 220 m.w.N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 – Jalloh, 54810/00 – NJW 2006, 3117/3119 Rn. 67; Jarass a.a.O.; Hailbronner a.a.O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Eine Bestrafung oder Behandlung ist nur dann als unmenschlich oder erniedrigend anzusehen, wenn die mit ihr verbundenen Leiden oder Erniedrigungen über das in der Bestrafungsmethode enthaltene, unausweichliche Leidens- oder Erniedrigungselement hinausgehen, wie z.B. bei bestimmten Strafarten wie Prügelstrafe oder besonders harten Haftbedingungen (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24, 25). Aufgrund des unglaubhaften Vortrags des Klägers ist davon auszugehen, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Somalia nicht die Gefahr eines ernsthaften Schadens durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung aus individuellen Gründen droht.
Es ist auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia aus anderen Gründen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen würde.
Eine unzureichende Versorgungslage im Herkunftsland vermag bereits aus Rechtsgründen die Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG nicht zu begründen (so auch BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 20 B 17.31659 – juris Rn. 24; anders insoweit OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 – 4 LB 50/16 – juris Rn. 55, 60-67), sondern kann allenfalls im Rahmen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 EMRK i.V.m. Art. 3 EMRK berücksichtigt werden. Denn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten für den subsidiären Schutz die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit muss für die Zuerkennung subsidiären Schutzes die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG ausgehen (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 20 ZB 17.30875 – juris Rn. 14). Die Versorgungslage in Sool und in Somalia insgesamt kann jedoch nicht auf einen solchen Akteur zurückgeführt werden. Sie ist vielmehr Ausdruck verschiedener Faktoren, zu denen u.a. die unsichere Lage und periodisch wiederkehrende Dürreperioden gehören (vgl. etwa BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, Stand: 17.9.2019, S. 122 ff.).
2.3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Dass ihm ein ernsthafter Schaden im Sinne dieser Vorschrift landesweit drohen würde, ist von diesem selbst weder vorgetragen noch nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln im erforderlichen Umfang wahrscheinlich.
Vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne dieser Vorschrift ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als „bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist“, i.S.d. humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass – über die Beurteilung des Grads der im betreffenden Gebiet herrschenden Gewalt hinaus – eine Bewertung der Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, des Organisationsgrades der bewaffneten Gruppen oder der Dauer des Konflikts anzustellen ist (vgl. EuGH, U.v. 30.01.2014 – C-285/12, Diakité – juris Rn. 18 ff.). Allerdings wird das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nur dann zur Gewährung subsidiären Schutzes führen können, wenn die Auseinandersetzungen ausnahmsweise als ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person angesehen werden können, weil der Grad willkürlicher Gewalt bei diesen Konflikten ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. ebd., Rn. 30).
Nach den maßgeblichen Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar:
Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikalislamistischen Al-Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- und Zentralsomalia kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon längere Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al-Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al-Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (vgl. BayVGH, U.v. 27.3.2018 – 20 B 17.31663 – juris Rn. 20 m.w.N.). Was die tatsächliche Lage in Somalia angeht, so gehen somit sämtliche Auskünfte von einer unterschiedlichen Intensität des Konflikts in Somalia, insbesondere was Süd- und Zentralsomalia auf der einen und die relativ friedlichen Regionen Puntland und Somaliland auf der anderen Seite angeht, aus.
Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji]; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12, LS 1 und Rn. 13/14; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29; BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 20 B 17.31659 – juris Rn. 25). Im Falle des Klägers ist dies die Region Sool, da er nach seinen Angaben aus L* … stammt.
Zur Region Sool als Teil von Somaliland kann ausgeführt werden, dass in Somaliland im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht wurde (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia (Stand: Januar 2020), S.4). Somaliland ist das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler. Mehrere Quellen bezeichnen Somaliland als sicher. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden (Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia – Somaliland, S. 11f.) Somaliland war in der Lage, die Bedrohung durch Al-Shabaab einzudämmen. In Sool scheint es eine Präsenz von Al-Shabaab zu geben (BFA, a.a.O., S. 12).
Seit 2014 ist es in der Region Sool zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und der Khatumo-Miliz gekommen. Im Südosten des Landes haben Angehörige des Dulbahante-Clans im Jahr 2012 den sogenannten Khatumo-Staat ausgerufen. Seit Beginn des Jahres 2017 hat es so gut wie keine bewaffneten Aktivitäten von Khatumo oder mit Bezug auf Khatumo gegeben. Die Lage in den Gebieten Ost-Somalilands an der Grenze zu Puntland bleibt aber weiterhin fragil (Auswärtiges Amt, a.a.O. S. 5). Dabei geht es nicht so sehr um den Konflikt zwischen Puntland und Somaliland, sondern um lokale Clans, die regelmäßig in Schießereien verwickelt sind (BFA, a.a.O. S. 13).
Nach alledem steht dem Kläger kein subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu, da in der Herkunftsregion des Klägers kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gegeben ist. Die beschriebenen Auseinandersetzungen erfüllen die Voraussetzungen hierfür nicht.
Selbst wenn man dies anders bewerten wollte, ist die willkürliche Gewalt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in der Herkunftsregion des Klägers nicht in einem Maße gegeben, dass ihm ein subsidiärer Schutz nach dieser Vorschrift zu gewähren wäre. Die dafür erforderliche Gefahrendichte ist nicht gegeben. Nach der Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) (zusammengestellt von ACCORD, 19. Dezember 2019) wurden im 1. Halbjahr 2019 für die Region Sool 17 Vorfälle berichtet, wobei es dabei insgesamt zu 6 Todesopfern kam. Zahlen zu Verletzten enthielt der Bericht nicht. Selbst wenn man diese Zahlen mit großer Vorsicht verwenden sollte und eine Untererfassung möglich ist, ist das Risiko in dieser Region (in den Regionen Awdal, Sanaag, Sool, Togdheer und Woqooyi Galbeed lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 3,5 Millionen Einwohner, vgl. BFA, a.a.O., S. 15), im bewaffneten Konflikt als Zivilperson getötet oder verletzt zu werden, jedenfalls noch weit entfernt von der relevanten Schwelle 1:800 (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – juris).
Gefahrerhöhende persönliche Umstände liegen bei dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts und unter Berücksichtigung der unglaubhaften Angaben zu dem angeblichen Verfolgungsschicksal nicht vor.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die weiter hilfsweise begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
3.1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. In Konstellationen wie der vorliegenden, in der gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, weshalb in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; VG München, U.v. 8.5.2014 – M 15 K 12.30903 – juris Rn. 37).
Die diesbezügliche aktuelle Lage in Somalia stellt sich wie folgt dar:
Generell erholt sich die somalische Wirtschaft weiterhin von der Dürre der Jahre 2016 und 2017. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 2,3%, 2018 bei ca. 2,8% und wird vom Internationalen Währungsfonds für 2019 und 2020 auf jeweils 3,5% prognostiziert. Das Wachstum hat sich also erholt, die Inflation wurde gebremst und das Handelsdefizit reduziert. Zur wirtschaftlichen Erholung beigetragen haben gute Regenfälle und wachsende Remissen, die Erstarkung des Agrarsektors, die Konsolidierung von Sicherheit und die Zunahme privater Investitionen und von Geldflüssen aus Geberländern. Eine der Triebfedern der wirtschaftlichen Entwicklung ist also die Diaspora, welche begonnen hat, in Somalia (v.a. Mogadischu und die Hauptstädte der Bundesstaaten) zu investieren. Auch zahlreiche Agenturen der UN (etwa UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei, das Land wiederaufzubauen.
Allerdings hat sich das BIP pro Kopf seit 2013 von 316 US-Dollar auf 313 US-Dollar verringert, da die Bevölkerung schneller wächst als das BIP. Das Wirtschaftswachstum ist für die meisten Somalis zu gering, als dass sich ihr Leben dadurch verbessern würde. Außerdem behindern Al-Shabaab und andere nichtstaatliche Akteure kommerzielle Aktivitäten in Bakool, Bay, Gedo und Hiiraan und unterbinden die Leistung humanitärer Hilfe. Folglich gehört Somalia auch weiterhin zu den ärmsten Ländern der Erde. Bei den gängigen Indikatoren zur Messung der wirtschaftlichen Entwicklung (BSP, Lebenserwartung, Mütter- und Kindersterblichkeit) liegt Somalia zumeist auf den letzten Plätzen. In Puntland ist die Situation besser (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia, Stand: 17.9.2019, S. 115).
In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten. Die Arbeitslosigkeit in Somaliland beträgt bei jungen Menschen rund 60%. Nach anderen Angaben beträgt die Arbeitslosigkeit insgesamt 47,4%. Die Suche nach Arbeitsmöglichkeiten gehört zu den Hauptgründen für Migration. Die Regierung hat gemeinsam mit der Weltbank im November 2017 ein Programm gestartet, das rund 3.500 Jobs schaffen soll (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia – Somaliland, S.33).
Teile von Somaliland waren schwer von der Dürre betroffen. Dort ist die Situation aber bei weitem weniger schlecht als im Süden. Die Gesamtsituation in Bezug auf die Dürre ist in Somaliland erheblich besser als in den anderen Landesteilen. Der Konflikt in den umstrittenen Gebieten von Sool und Sanaag schränkt den Zugang für humanitäre Organisationen ein (BFA, a.a.O., S.34). Zudem ist Somaliland von einer Heuschreckenplage betroffen (vgl. UN OCHA, Somalia Humanitarian Bulletin, September 2020).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben und der persönlichen Umstände des Klägers ist davon auszugehen, dass er als junger, arbeitsfähiger Mann sein Existenzminimum und damit ein menschenwürdiges Dasein selbst sichern kann, selbst wenn sich aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie die wirtschaftliche Situation in Somalia eintrüben sollte. Das Gericht hält es zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass von einer grundsätzlich abweichenden Beurteilung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann. Schlechte humanitäre Verhältnisse können dabei nur in ganz außergewöhnlichen Fällen zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn es sich hierbei um zwingende humanitäre Gründe handelt (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N.). Aus der Rechtsprechung des EGMR (U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 und 11449/07 – BeckRS 2012, 8036 – Rn. 278) und des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12) ergibt sich, dass die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraussetzt. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind. Entscheidend ist, dass die Person keiner Situation extremer materieller Not ausgesetzt wird, die es ihr unter Inkaufnahme von Verelendung verwehrt, elementare Bedürfnisse zu befriedigen.
Für den Eintritt einer dahingehenden Verschlechterung der humanitären Verhältnisse in Somalia fehlen dem Gericht zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) greifbare Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Somaliland am 30. Juni 2020 alle COVID-19-Beschränkunegn aufgehoben hat und weiterhin ein grenzüberschreitender Verkehr mit Äthiopien gegeben ist. Zudem sind dort weiterhin Hilfsprogramme aktiv (vgl. zur aktuellen Lage im Einzelnen UN OCHA, Somalia: COVID-19 Impact Update No. 10 [As of 22Jule 2020]).
Sonstige Verstöße gegen Bestimmungen der EMRK sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG kann sich der Kläger daher nicht berufen.
3.2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Wann allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 60 AufenthG Rn. 101). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Beim Kläger handelt es sich, wie bereits ausgeführt, um einen jungen und arbeitsfähigen Mann, der nach Überzeugung des Gerichts seine Existenzgrundlage sichern kann. Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung infolge der weltweiten COVID-19-Pandemie. In Somalia sind die Infektionszahlen mit 3.390 insgesamt und 98 Todesfällen, davon 934 Fälle in Somaliland und 34 Todesfälle (zitiert nach UN OCHA, COVID-19 Impact Update No. 12, 21. September 2020) insgesamt nicht besonders hoch – selbst wenn man unterstellen muss, dass eine Dunkelziffer nicht erkannter Infektionsfälle gegeben ist. Bei dem jungen Kläger ist es nicht im hier notwendigen Maße wahrscheinlich ist, dass er (ernsthaft) an COVID-19 erkrankt. Der Kläger hat auch im gerichtlichen Verfahren nichts von weiteren Einschränkungen durch eine Erkrankung berichtet.
Ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht dem Kläger daher ebenfalls nicht zu.
4. Schließlich bestehen auch gegen die Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine rechtlichen Bedenken. Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Befristung sind nicht ersichtlich.
Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).


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