Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf positive Verbescheidung des Asylantrags

Aktenzeichen  Au 4 K 18.32001

Datum:
12.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 11431
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 An der erforderlichen stimmigen Schilderung des Sachverhalts fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH Mannheim BeckRS 2013, 59598). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Abschiebungsverbot wegen einer erheblichen konkreten Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nur vor bei einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 7. Dezember 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass der Kläger sein Heimatland nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung im o.g. Sinne verlassen hat. Der Kläger hat darüber hinaus auch bei einer Rückkehr nach Togo eine solche Verfolgung nicht zu erwarten.
Das Gericht muss auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor (politischer) Verfolgung herleitet (vgl. BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris; U.v. 21.7.1989 – 9 B 239.89 – juris; B.v. 31.3.1999 – 9 B 144/99 – juris). Zwar dürfen keine unerfüllbaren Beweisanforderungen gestellt und keine unumstößliche Gewissheit verlangt werden, sondern es genügt in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris; OVG NRW, B.v. 6.8.2012 – 13 A 1118/12.A – juris). Der Ausländer ist jedoch gehalten, seine Fluchtgründe in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss insbesondere seine persönlichen Erlebnisse unter Angabe genauer Einzelheiten derart schlüssig darlegen, dass seine Schilderung geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239.89 – juris; OVW NRW, B.v. 20.1.2016 – 13 A 1868/15.A – juris). An der erforderlichen stimmigen Schilderung des Sachverhalts fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v.4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Den vorstehend genannten Anforderungen entspricht das Vorbringen des Klägers nicht. Das Gericht ist vielmehr der Überzeugung, dass das vom Kläger behauptete individuelle Schicksal nicht der Wahrheit entspricht; es hält sein Vorbringen für unglaubhaft. Das Vorbringen des Klägers enthält folgende, zum Teil gravierenden, Widersprüche, Steigerungen und Unstimmigkeiten:
– In der Klagebegründung hat der Kläger vortragen lassen, sein Onkel sei kurz nach seiner Entlassung spurlos verschwunden (S. 3 und S. 5). Von einem solchen (gleichsam endgültigen) Verschwinden seines Onkels hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 20. April 2018 jedoch nichts erwähnt. Dort hat er von der Entlassung seines Onkels im Oktober 2017 berichtet und nur hinzugefügt, dies heiße nicht, dass der Onkel nicht wieder verhaftet werde (Anhörungsniederschrift vom 20.4.2018, S. 7). Nachdem der Kläger aber nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung bereits im Januar oder Februar 2018 von dem Verschwinden des Onkels nach seiner Entlassung erfahren haben will, ist unerklärlich, weshalb der Kläger bei seiner Anhörung im April 2018 nichts von einem Verschwinden des Onkels angab, sondern nur eine theoretisch mögliche erneute Verhaftung angeführt hat. Auch aus weiteren Angaben des Klägers vor dem Bundesamt ergibt sich, dass er von einem Verschwinden des Onkels – wie erst in der Klagebegründung geltend gemacht – nichts erwähnt hat. So hat der Kläger angeführt, seine Geburtsurkunde müsse noch bei seinem Onkel sein (Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 20.4.2018, S. 2); weiter hat er die Frage bejaht, ob alle Personen mit denen er zusammen gelebt habe (einschließlich des Onkels) immer noch an diesem Ort wohnten (a.a.O., S. 3). Da der Kläger mit diesem nachgeschobenen endgültigen Verschwinden des Onkels offensichtlich den Grad der ihm drohenden Gefahr untermauern will und zudem diese Gefahr gerade auf seine Unterstützung der politischen Arbeit des Onkels für die PNP zurückführt, handelt es sich um einen gravierenden Widerspruch bzw. um eine ganz erhebliche und nicht nachvollziehbare Steigerung des klägerischen Vorbringens.
– In der Klagebegründung (S. 1, S. 3) hat der Kläger vortragen lassen, sein Onkel habe zu dem kleinen Kern gehört, der die Partei PNP mit begründet habe; der Onkel sei in der Gründungsphase der Partei sehr aktiv gewesen. Die Partei PNP sei 2014 gegründet worden. Konträr dazu hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, der Onkel habe sich (erst) seit 2015 bei der PNP engagiert; als die PNP im Jahr 2014 entstanden sei, habe sich der Onkel nicht direkt bei der Partei engagiert (Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 20.4.2018, S. 7). Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger – entgegen seinem schriftsätzlichen Vorbringen – angegeben, dass der Onkel (erst) 2015 bei der PNP aktiv dabei gewesen sei, mithin gerade nicht in der Gründungsphase, die bereits im Jahr 2014 lag. Da der Kläger, wie ausgeführt, eine ihm drohende Verfolgungsgefahr maßgeblich auch auf seine Unterstützung der politischen Aktivitäten dieses Onkels stützt, handelt es sich ebenfalls um einen gravierenden Widerspruch.
– In der Klagebegründung (S. 2) hat der Kläger zum Zeitpunkt des erstmaligen Aufsuchens durch die Polizei angegeben, dies sei am Abend gewesen. Konträr dazu hat er bei seiner Anhörung beim Bundesamt angegeben, das erste Mal, als die Polizei zu ihm nach Hause gekommen sei, sei an einem Samstag Morgen gewesen (Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 20.4.2018, S. 8). Da der Kläger vom Bundesamt ausweislich der Anhörungsniederschrift explizit zu einer ganz genauen Schilderung der Situation aufgefordert worden war, handelt es sich nicht nur um ein Detail, sondern um einen weiteren wesentlichen Widerspruch.
– Die Verhaftung des Onkels hat der Kläger zum einen so geschildert, dass die Polizei zu ihnen „rein gekommen“ sei und sie alle geschlagen habe. Sie hätten Angst gehabt, dass die Polizei zurückkomme und nach dem Onkel auch sie mitnehme (Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 20.4.2018, S. 5). Dieser Sachvortrag – aus dem sich schließen lässt, dass der Kläger zu Hause war, als die Polizei ein weiteres Mal kam und den Onkel verhaftete – war dem Kläger rückübersetzt und von ihm bestätigt worden (a.a.O., S. 6). Im weiteren Verlauf der Bundesamtsanhörung (a.a.O., S. 7) und in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Ablauf demgegenüber so dargestellt, als sei er nicht zu Hause, sondern noch auf dem Heimweg gewesen, als er gesehen habe, dass die Polizei beim Haus des Onkels gewesen sei; von der Verhaftung des Onkels will der Kläger nur durch einen Nachbarn erfahren haben. Daraufhin sei er geflohen.
– Völlig widersprüchlich, jedenfalls aber uneinheitlich und inkonsistent sind auch die Angaben des Klägers zur Rolle des Onkels innerhalb der PNP. So hat der Kläger den Onkel bei der Anhörung durch das Bundesamt als Sympathisant der PNP bezeichnet (Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 20.4.2018, S. 6), er sei nicht Mitglied, sondern sehr wortlaut und eine Autoritätsperson gewesen (a.a.O., S. 9). Demgegenüber hat der Kläger, wie ausgeführt, in der Klagebegründung ausführen lassen, der Onkel habe zum kleinen Kern der Mitbegründer der Partei gehört; in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Onkel – im Widerspruch zu seinen Angaben vor dem Bundesamt – als Mitglied der PNP bezeichnet.
– Völlig unerklärlich ist auch, weshalb der Kläger keinerlei Angaben dazu machen kann, weshalb er bei seinem vorgeblich für die PNP aktiven Onkel (ab einem Alter von sechs Jahren, d.h. etwa zehn Jahre lang) aufgewachsen ist (vgl. Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 29.11.2018, S. 2). Die Eltern des Klägers sind zwar getrennt, aber sie leben noch; der Kläger hat angegeben, ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen zu haben (vgl. a.a.O., S. 3 und Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 20.4.2018, S. 3). Der Kläger will die politischen Aktivitäten des Onkels maßgeblich unterstützt haben und mit seinem Onkel gemäß der Klagebegründung auf Veranstaltungen gewesen sein. Dass der Kläger trotz des genannten Hintergrunds offenbar weder seine Eltern noch einen Onkel gefragt hat bzw. über keinerlei nähere Informationen darüber verfügt, weshalb er bei dem Onkel aufgewachsen ist, ist auch nicht ansatzweise nachvollziehbar.
– Widersprüchlich ist schließlich die Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung, nur über eine Freundin Kontakt zu seinen Eltern zu haben. Beim Bundesamt hat er demgegenüber angeführt, ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Eltern zu haben und seine Eltern ab und zu anzurufen (Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 29.11.2018, S. 3); von einem solchen Kontakt nur „über Eck“ hat der Kläger vor dem Bundesamt mit keinem Wort gesprochen, wie überhaupt die von ihm in der mündlichen Verhandlung mehrfach erwähnten Personen einer Freundin bzw. eines Freundes in der Anhörung beim Bundesamt nicht genannt wurden.
Diese qualitativ und quantitativ erheblichen Widersprüche lassen sich mit einer für eine anwaltliche Besprechung nicht zur Verfügung stehenden Verdolmetschung nicht erklären, zumal etliche Widersprüche bei Anhörungen und Terminen aufgetreten sind, bei denen dem Kläger eine Verdolmetschung zur Verfügung stand.
Aus den klägerseits vorgelegten bzw. angeführten Erkenntnisquellen ergibt sich daher nichts zu Gunsten des Klägers; vielmehr ist das Gericht der Überzeugung, dass der Kläger lediglich versucht, aus der Lage in Togo und dortigen Ereignissen für sich ein Verfolgungsschicksal zu konstruieren, dass das von ihm Vorgetragene aber nicht dem von ihm tatsächlich Erlebten entspricht.
2. Aus den vorstehend (unter 1.) genannten Gründen besteht auch kein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gem. § 4 AsylG. Dem Drohen eines ernsthaften Schadens im Sinne dieser Norm steht entgegen, dass der klägerische Vortrag zur Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft ist. Auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (S. 4) wird im Übrigen gem. § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.
3. Zu Gunsten des Klägers besteht auch kein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG. Auf die Begründung des Bescheids (S. 5 – 8) wird zunächst gem. § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.
Insbesondere liegt kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen gem. § 60 Abs. 7 AufenthG vor. In Rede steht insoweit die beim Kläger diagnostizierte Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1. Hinsichtlich der Diagnose einer Hepatitis B-Erkrankung weist das klägerseits in der mündlichen Verhandlung vorgelegte vorläufige Dokument einer Fortschreibung des Hilfeplans (unter „Gesundheit/Hygiene“) aus, dass diese Erkrankung derzeit stabil und eine medikamentöse Behandlung nicht nötig ist; aus dieser Diagnose ergibt sich mithin ersichtlich kein Abschiebungsverbot.
Wie im streitgegenständlichen Bescheid (S. 8) nachvollziehbar ausgeführt, durch vom Bundesamt eingeholte Auskünfte bestätigt (Bundesamtsakte, Bl. 149) und von der Klägerseite ausdrücklich nicht bestritten (Klagebegründung, S. 6), ist Diabetes mellitus Typ I grundsätzlich in Togo behandelbar (vgl. auch die klägerseits vorgelegte Unterlage „Togo: Medizinische Versorgung“ der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 16.7.2012, S. 9). Zwar kann sich die Gefahr der wesentlichen Verschlimmerung einer Erkrankung (§ 60 Abs. 7 AufenthG) im Einzelfall auch daraus ergeben, dass der erkrankte Ausländer eine an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung tatsächlich nicht erlangen kann, wie hier klägerseits in Bezug auf die entstehenden Kosten geltend gemacht. Allerdings ist in die nötige Prognose, ob eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, neben der für den Kläger möglichen Erzielung eigener Einkünfte auch eine mögliche Unterstützung durch Familienangehörige einzubeziehen (vgl. BVerwG, B.v. 17.1.2019 – 1 B 85/18 – juris Rn. 5 m.w.N.). Dabei muss die nötige medizinische Versorgung in Togo weder mit der in der Bundesrepublik gleichwertig, noch im gesamten Zielstaat gewährleistet sein (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG). Vor diesem Hintergrund muss davon ausgegangen werden, dass für den Kläger eine Behandlung seiner insulinpflichtigen Diabetes mellitus-Erkrankung erreichbar und finanzierbar wäre.
Der Kläger hat seit seinem sechsten Lebensjahr bei seinem Onkel gelebt. Nach seinen Angaben vor dem Bundesamt hat ihn der Onkel so behandelt wie ein eigenes Kind. Er habe alles für ihn getan, es habe ihm an nichts gefehlt (vgl. Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 29.11.2018, S. 2). So bekam er auch bei gesundheitlichen Problemen Geld für Medikamente von dem Onkel (vgl. Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 20.4.2018, S. 9). Wie ausgeführt, hält das Gericht das Vorbringen des Klägers bezüglich einer Verfolgung wegen Aktivitäten für die PNP für unglaubhaft; gerade hinsichtlich der Verhaftung, des Verschwindens und der Rolle des Onkels in der PNP bestehen gravierende Widersprüche im Klägervortrag. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Onkel, wie der Kläger behauptet, endgültig verschwunden wäre und eine Versorgung des Klägers durch den Onkel, anders als vor der klägerischen Ausreise, nicht mehr möglich wäre. Zudem hat der Kläger angegeben, dass auch seine Eltern berufstätig sind (vgl. Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 29.11.2018, S. 3). Zu seinen Eltern hat der Kläger nach seinen Angaben vor dem Bundesamt (a.a.O.), ein sehr gutes Verhältnis; soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung unvermittelt versucht hat, gegenteiliges zu behaupten (Kontakt zu den Eltern nur über Freundin), ist dies widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Auch zu seinen weiteren Onkeln und den Tanten mütterlicherseits hatte der Kläger ein gutes Verhältnis, wobei die meisten in der Nähe wohnten (vgl. Anhörungsniederschrift Bundesamt vom 29.11.2018, S. 3). Zudem hat der Kläger seinen Onkel in Deutschland, den der Kläger zwar nicht kennt; gleiches gilt für dessen Aufenthaltsort (a.a.O., S. 4). Gleichwohl hat der Kläger von dem Aufenthalt des Onkels in Deutschland schon in seinem Heimatland gehört. Auch Unterstützung durch Angehörige im (vom Zielstaat aus betrachtet) Ausland ist in die gerichtliche Prognose einzubeziehen (vgl. BVerwG, B.v. 1.10.2001 – 1 B 185/01 – juris Rn. 2 m.w.N.).
Insofern ist davon auszugehen, dass für die Kostentragung der medizinischen Behandlung des Klägers bei seiner Rückkehr ein mannigfaltiges familiäres Netz zur Verfügung stünde. Zwar blieben, wie die Klägerseite dargelegt hat (Klagebegründung, S. 6 f.), die Kosten für die Behandlung der Diabetes mellitus-Erkrankung in Togo sehr hoch; allerdings würde sich die Kostentragung gleichsam – etwa auch im Wege eines „Zusammenlegens“ – auf viele Schultern verteilen. Dem Vorbringen des Klägers, gerade bei der gezielt zu seiner Situation in Togo durchgeführten weiteren Anhörung durch das Bundesamt am 28. November 2018, lässt sich auch eine innerfamiliäre Solidarität entnehmen (wie sich etwa daran zeigt, dass der Onkel den Kläger wie ein eigenes Kind behandelt hat). Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Familienangehörigen des Klägers alle Anstrengungen unternehmen würden – gegebenenfalls auch beispielsweise durch eigene Selbstbeschränkung -, damit der Kläger die für seinen Gesundheitszustand nötige Behandlung erhält. Insofern liegt der Fall hier anders als in der klägerseits vorgelegten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart (U.v. 27.7.2018 – A 5 K 18943/17), bei der der dortige Kläger nach den Feststellungen des entscheidenden Gerichts über keine näheren Verwandten mehr in Togo verfügte (UA S. 15). Auch in der von der klägerseits vorgelegten Unterlage „Togo: Medizinische Versorgung“ der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 16. Juli 2012 angeführten (S. 10, Fn. 71) Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg (U.v. 24.6.2008 – 7 A 1830/06 – juris Rn. 29) wurde darauf abgestellt, dass nach den Angaben des dortigen Klägers alle Verwandten in Togo bereits gestorben seien.
Vor diesem Hintergrund bedurfte es nicht der schriftsätzlich (S. 7 der Klagebegründung) angeregten Einholung einer Auskunft über die Kosten der für die vom Kläger benötigten Medikamente bzw. Nadeln und Teststreifen. Die klägerischen Angaben über seine Situation in Togo vor seiner Ausreise und insbesondere zu seiner familiären Situation lassen bereits eine hinreichend sichere Prognose dahingehend zu, dass beim Kläger keine wesentliche Verschlechterung seiner Erkrankung eintreten würde (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG), weil er bezüglich der Kosten für deren Behandlung mit ausreichender Unterstützung und Solidarität durch Familienangehörige rechnen könnte.
4. Abgesehen davon, dass sich der gestellte Klageantrage hierauf nicht explizit bezieht, weist die Entscheidung des Bundesamts, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, keine Rechtsfehler auf. Die Länge der Frist liegt im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Dass insoweit besondere Umstände vorlägen, die eine Verkürzung der Frist als zwingend erscheinen ließen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
5. Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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