Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mangels hinreichender Darlegung einer drohenden Verfolgung durch Ogboni-Gesellschaften in Nigeria

Aktenzeichen  W 4 K 17.31844

Datum:
11.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
VwGO VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Bei den in Nigeria existenten Ogboni-Gesellschaften handelt es sich nicht um kriminelle Gruppierungen, die ihren Zweck in der Entführung, Erpressung und Tötung von Menschen sehen. (Rn. 24 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die derzeitige politische Lage in Nigeria lässt nicht den Schluss zu, dass allein wegen einer Asylantragstellung in Deutschland mit einer politischen Verfolgung zu rechnen wäre. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Jedenfalls bestehen innerstaatliche Schutzalternativen iSv § 3e AsylG im überwiegend christlichen Süden, insbesondere in einer der zahlreichen Großstädte. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die immer wieder aufkommenden, gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Gruppen bzw. die Angriffe und Auseinandersetzung mit der Gruppierung Boko Haram sind überwiegend regional begrenzt und weisen nicht die Merkmale eines innerstaatlichen Konflikts iSv § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG auf. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Über die Verwaltungsstreitsache konnte trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 8. September 2017 verhandelt und entschieden werden, da die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 19. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG (nachfolgend: 1.). Es ist ihm weder der subsidiäre Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen (nachfolgend: 2.), noch liegen in seiner Person nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vor (nachfolgend: 3.).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
a) Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, i.S.d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Aus § 3a AsylG ergibt sich, welche Handlungen als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG gelten. Zwischen derartigen Handlungen und den in § 3b AsylG näher definierten Verfolgungsgründen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; BVerwG, U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 –, BVerwGE 1989, 162 f.; BVerwG, U.v. 15.3.1988 – 9 C 278/86 –, BVerwGE 1979, 143 f.). Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 3a AsylG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifizierungsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011, Richtlinie 2011/95/EU) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (BVerwG, U.v. 24.11.2009 – 10 C 24.08 – juris Rn. 14).
Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asyl- oder Flüchtlingsanspruch voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asyl- bzw. Flüchtlingsbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BvR 1095/90 – InfAuslR 1991, 94/95; BVerwG, U.v. 30.10.1990 – 9 C 72/89 – Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 113).
b) Der Kläger ist aufgrund des von ihm vorgebrachten Verfolgungsschicksals nicht Flüchtling i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG, da seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint. Es lässt sich aufgrund des Vorbringens des Klägers nicht feststellen, dass er vor seiner Ausreise aus Nigeria oder im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria landesweit von Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) betroffen war bzw. bedroht sein wird.
Zunächst ist schon fraglich, ob der Kläger sich auf einen der in §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe berufen kann. Genannt sind in diesem Zusammen die Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, der Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Letzteres setzt nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG voraus, dass (a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und (b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Der Kläger macht geltend, als ältester Sohn seinem Vater in der Gruppierung der sog. Ogboni-Fraternity nachfolgen zu müssen. Insofern ist jedoch nicht ersichtlich, dass damit die Zugehörigkeit zu einer Gruppe begründet wird, die in Nigeria eine deutlich abgegrenzte Identität hat.
Letztlich kann dies dahinstehen, da jedenfalls die Verfolgungsgeschichte des Klägers von nicht aufklärbaren Widersprüchen und Ungereimtheiten gekennzeichnet ist, welche eine Glaubhaftmachung der Verfolgung ausschließen. Der Kläger gibt an, er habe seinem Vater als Mitglied in einer Gang, der sog. Ogboni-Fraternity Uromi nachfolgen sollen. Man habe gedroht, ihn umzubringen, wenn er dies nicht tue. Diese Darstellung erscheint nach der Lebenserfahrung bzw. aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft. Zu bedenken ist zum einen, dass es sich bei dem Kläger zu dem fraglichen Zeitpunkt der Bedrohungshandlungen im Jahr 2010 um ein elfjähriges Kind gehandelt hat, welches zu seinem Vater sechs Jahre keinen Kontakt gehabt hat. Es stellt sich hier konkret die Frage, aus welchem Grund der Kläger für die Organisation von solcher Bedeutung sein sollte, dass sein Aufenthalt über Jahre hinweg nachverfolgt wird. Das gilt umso mehr, als es nicht glaubhaft erscheint, dass es sich bei der vom Kläger genannten kriminellen Gang um die sog. Ogboni-Fraternity handelt.
Bei den in Nigeria existenten Ogboni-Gesellschaften handelt es sich nicht um kriminelle Gruppierungen, die ihren Zweck in der Entführung, Erpressung und Tötung von Menschen sehen. Vielmehr tritt der Ogboni-Kult in zwei zu unterscheidenden Erscheinungsformen auf (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft an VG Schwerin vom 19. Juni 1998). Zunächst handelt es sich bei der traditionellen Ogboni-Gesellschaft der Yoruba um eine Geheimgesellschaft, die ihre Wurzeln in vorkolonialer Zeit hat und in der Gesellschaft eine religiös-rituelle, aber auch politische Funktion hatte und zum Teil noch hat (ACCORD, Nigeria – Traditionelle Religion, Okkultismus, Hexerei und Geheimgesellschaften, 17. Juni 2011, S. 52; BBA, Analyse der Staatendokumentation – Der Ogboni-Kult in Nigeria, 18. März 2010, S. 5 ff.). Zum anderen gibt es die sog. Reformed Ogboni Fraternity (ROF), welche sich aus Politikern und einflussreichen Personen zusammensetzt und als zivilgesellschaftliche Organisation mit einer studentischen Verbindung oder den Freimaurern vergleichbar ist (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft an VG Schwerin vom 19. Juni 1998). Diese Organisation grenzt sich vom traditionellen Ogboni-Kult ab, basiert aber auch auf einem quasi religiösen Grundcharakter und dem Gedanken der Geheimhaltung. Entscheidend ist der Gedanke der Netzwerkbildung, die jedoch nicht auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet ist, vielmehr im Gegenteil auf die Förderung der Mitglieder in politischer und ökonomischer Hinsicht (ACCORD, Nigeria – Traditionelle Religion, Okkultismus, Hexerei und Geheimgesellschaften, 17. Juni 2011, S. 57). Soweit der Kläger darauf abstellt, dass sein Vater aufgrund der Tätigkeit in der kriminellen Organisation durch Lösegelderpressung etc. zu einem gewissen Reichtum gekommen ist, deutet das daher nicht auf eine Mitgliedschaft in einer Ogboni-Gesellschaft hin.
Selbst wenn man aber davon ausginge, dass der Vater des Klägers Mitglied der Ogboni-Gemeinschaft war, so ist es doch unwahrscheinlich, dass er als ältester Sohn zur Nachfolge gezwungen ist. Zwar wird die Nachfolge in gewisse höhere Ämter für möglich gehalten, nicht jedoch außerhalb der Yoruba-Ethnie (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft an VG Schwerin vom 19. Juni 1998, S. 3). Im Bereich der sog. Reformed Ogboni Fraternity geht man dagegen davon aus, dass nicht familiäre Beziehungen eine Rolle für die Mitgliedschaft spielen, sondern primär der gesellschaftliche Stand und Empfehlungen von Mitgliedern (BBA, Analyse der Staatendokumentation – Der Ogboni-Kult in Nigeria, 18. März 2010, S. 9).
Unter Zugrundelegung dieser Erkenntnisse ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger von Angehörigen der Ogboni-Gesellschaft bedroht wurde. Warum aber unabhängig hiervon eine kriminelle Vereinigung gerade Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Kläger haben sollte, der 2010 noch ein Kind war, erschließt sich nicht. Ferner ist zu beachten, dass der Kläger nach seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung nie selbst mit den Männern Kontakt hatte, die ihn bedrohen wollten. Vielmehr hat er nur aufgrund der Berichte seiner Mutter Kenntnis von den Vorgängen und auch von der angeblichen Beteiligung der Ogboni-Gesellschaft. Andere Hinweise hierauf gibt es darüber hinaus nicht.
Die derzeitige politische Lage in Nigeria lässt ferner nicht den Schluss zu, dass der Kläger wegen seiner Asylantragstellung in Deutschland mit einer politischen Verfolgung rechnen müsste (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2016, vom 21. November 2016 – Lagebericht, Nr. IV.2, S. 23/24).
Der Kläger hat folglich eine Verfolgung in Sinne vom § 3 AsylG nicht dargetan.
Der in der mündlichen Verhandlung gestellte bedingte Beweisantrag für die Tatsache, dass in einer mächtigen Mafia-Organisation wie der Ogboni-Fraternity der älteste Sohn die Nachfolge des Vaters antrete, wird abgelehnt. Zum einen spricht bereits einiges dafür, dass der Beweisantrag verfristet ist, denn er wurde trotz ordnungsgemäßer Belehrung (§ 87b VwGO) im Bescheid und in der Erstzustellung ohne vorherige Ankündigung erstmals in der mündlichen Verhandlung am 8. September 2017 gestellt. Zum anderen wird kein Beweismittel benannt, weshalb der Beweisantrag nicht substantiiert ist. Unabhängig davon fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 25 und 38), da das Gericht – wie bereits dargelegt – schon nicht davon ausgeht, dass die Bedrohung des Klägers in Zusammenhang mit der Ogboni-Gesellschaft steht.
Gleiches gilt daher für den Antrag, darüber Beweis zu erheben, dass aufgrund der Machtstellung der Ogboni-Organisation es dem Kläger nicht möglich sei, sich den Nachstellungen der Organisation durch Aufenthalt in einer größeren Stadt zu entziehen. Dies kann zudem als wahr unterstellt werden, da anzunehmen ist, dass es bezogen auf die traditionelle Ogboni-Gesellschaft keine verfolgungsfreien Gebiete innerhalb Nigerias gibt (so auch Institut für Afrika-Kunde, Auskunft an VG Schwerin vom 19. Juni 1998, S. 4). Darauf kommt es aber, wie bereits dargelegt, vorliegend nicht an.
c) Jedenfalls besteht für den Kläger ein interner Schutz i.S.v. § 3e AsylG bzw. eine innerstaatliche Fluchtmöglichkeit. Er konnte und kann in den überwiegend christlichen Süden, insbesondere in eine der zahlreichen Großstädte, gehen. Dass er dort nach den vielen Jahren seiner Abwesenheit aus Nigeria noch aufgespürt werden könnte, zumal in Nigeria kein Meldesystem existiert, erscheint äußerst unwahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen. Selbst wenn die Angaben des Klägers glaubhaft wären, erscheint es zudem völlig unwahrscheinlich, dass der Kläger von den Personen, die ihn nach dem Tod seines Vaters bedroht haben sollen, nach wie vor landesweit gesucht wird, obwohl mittlerweile sieben Jahre seit diesem (behaupteten) Ereignis vergangen sind und der Kläger mit den Machenschaften seines Vaters im Übrigen nichts zu tun hatte.
Er hat dort auch keine Verfolgung wegen seiner Religionszugehörigkeit oder durch Anschläge von Islamisten (z.B. der islamistischen Terrororganisation Boko Haram) zu befürchten. Derartige Anschläge finden nicht landesweit statt, sondern hauptsächlich im Norden und Nordosten Nigerias, während es im Süden nur zu vereinzelten Anschlägen kommt (vgl. etwa Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2016, vom 21. November 2016 – Lagebericht – S. 5 und II.1.4, S. 11/12; OVG NW, B.v. 14.7.2015 – 11 A 2515/14.A –, B.v. 27.4.2015 – 11 A 2087/14.A – jeweils juris und m.w.N.).
2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG bleibt ohne Erfolg.
Eine konkrete Gefahr, dass der Kläger im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG in Nigeria Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden könnte, ist nicht erkennbar. Hierzu kann auf die obigen Ausführungen unter 1. verwiesen werden.
Der Kläger hat auch nicht geltend gemacht und hierfür ist auch nichts ersichtlich, dass er in Nigeria wegen einer Straftat gesucht wird, die mit der Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe verbunden ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG).
Schließlich ist der Kläger im Falle seiner Rückkehr nicht der erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Dies kann auch nicht im Hinblick auf die religiös motivierten Auseinandersetzungen in Nigeria angenommen werden. Die immer wieder aufkommenden, gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Gruppen bzw. die Angriffe und Auseinandersetzung mit der Gruppierung Boko Haram sind überwiegend regional begrenzt und weisen nicht die Merkmale eines innerstaatlichen Konflikts i.S. der Vorschrift auf. Das Ausmaß dieser Konflikte ist in Intensität und Dauerhaftigkeit (noch) nicht mit Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerillakämpfen, die in Nigeria nicht festzustellen sind, vergleichbar. In jedem Fall verbliebe dem Kläger die Möglichkeit, sich in sichere Gebiete Nigerias zu begeben. Als ein solches Gebiet kommt insbesondere der Süden Nigerias in Betracht.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Bundesamts vom 19. April 2017 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
4. Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung nach Nigeria gemäß § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist ebenfalls rechtmäßig, weil dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wurde, ihm kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen und er auch keinen asylunabhängigen Aufenthaltstitel besitzt. Die Ausreisefrist von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.
5. Gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG bestehen im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Zeitpunkt keine rechtlichen Bedenken.
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).


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