Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes

Aktenzeichen  AN 19 K 20.30102

Datum:
1.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27509
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 16a
AsylG § 3, § 4, § 25
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO § 86

 

Leitsatz

Def Asylsuchende muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, sodass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Asylanerkennung gemäß Art. 16a GG und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (1.), auf Feststellung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG (2.) und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG (3.) hat. Auch die in Ziffer 5) und 6) getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken (4.). Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 13. Januar 2020 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, so dass die Klage abzuweisen war, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der – letzten – mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG.
Das Gericht nimmt zur Begründung dieses Urteils vorab Bezug auf den ausführlichen und zutreffend begründeten Bescheid des Bundesamtes vom 13. Januar 2020, § 77 Abs. 2 AsylG, und führt im Hinblick auf die durchgeführte Beweisaufnahme sowie auf den Verlauf und das Ergebnis der beiden mündlichen Verhandlungen nur noch ergänzend aus:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Asylanerkennung gemäß Art. 16a GG (1.1) und ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG (1.2).
1.1 Da der Kläger von der Türkei über Griechenland und somit aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, kann er sich nicht auf das Grundrecht der Asylanerkennung berufen, Art. 16a Abs. 2 GG.
1.2 Der Kläger ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 AsylG.
Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Der Kläger begründet seine Klage im Wesentlichen damit, dass er die Verfolgung durch iranische Behörden aufgrund seiner Tätigkeit in der Druckerei fürchtet. Was die angebliche Hinwendung zum Christentum angeht, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2020 erklärt, dass diese für die Asylantragstellung keine Rolle spielt.
Seinen Fluchtgrund hat der Kläger jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht.
Allgemein ist zur Glaubhaftmachung folgendes auszuführen: Bei der Glaubhaftmachung im Asylverfahren und im anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der vor Ausreise entstandenen Fluchtgründe naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der objektiven Nachprüfbarkeit dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO i.V.m. § 25 Abs. 1 AsylG muss der Ausländer zunächst selbst die Tatsachen vorbringen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Asylsuchende unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, U.v. 29.11.1977 – I C 33.71 -, BVerwGE 55, 82-86).
Der Kläger hatte bereits gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass er in seiner Druckerei mehrfach verbotene Bücher gedruckt und dies zu seiner zweimaligen Verhaftung geführt habe. Erstmals in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2020 trug der Kläger vor, aufgrund des illegalen Buchdruckes nicht nur inhaftiert, sondern mit Stockhieben bestraft worden zu sein. Die vorgelegten Fotos veranlassten das Gericht trotz des Umstandes, dass der Kläger diesen Sachvortrag gegenüber dem Bundesamt unerwähnt gelassen hatte, zur Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Das aufgrund des gerichtlichen Beweisbeschlusses vom 30. April 2020 erstellte Gutachten ist nach Auffassung des Gerichts schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Die Fragen des Gerichts werden umfassend beantwortet.
Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2020 ist zudem nicht geeignet, die zentralen Aussagen des Gutachtens zu erschüttern:
Nach den Feststellungen des Gutachters weist der Körper des Klägers „keinerlei Spuren von Peitschenhieben auf, die sich insbesondere auch den auf den vom Kläger vorgelegten Fotos erkennbaren ‚Befunden‘ an dessen Körperrückseite zuordnen ließen“ (S. 6).
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2020 auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts eingewendet, dass er im Rahmen der Begutachtung – im Wortsinne – nur oberflächlich untersucht worden sei. Er habe erwartet, „in die Röhre geschoben zu werden“, damit man die Spuren von den Peitschenhieben überhaupt erkennen könne. Der damit implizierten Behauptung, die Auspeitschungen hätten zwar stattgefunden, seien aber rein äußerlich nicht mehr zu erkennen, so dass das Gutachten insoweit nicht aussagekräftig ist, kann nicht gefolgt werden. Denn der Untersuchungsmethode des Gutachters begegnen keine Zweifel. Es erscheint vielmehr geradezu abwegig, dass Auspeitschungen, welche die vom Kläger durch die vorgelegten Fotos behaupteten Verletzungen zur Folge gehabt haben sollen, nach eineinhalb Jahren äußerlich überhaupt nicht mehr zu erkennen sein sollen. Das Gericht hat zudem keine Zweifel, dass der Gutachter eine entsprechend andere Untersuchungsmethode („Röhre“) gewählt hätte, wenn die Behauptung des Klägers wissenschaftlich auch nur ansatzweise denkbar gewesen wäre.
Außerdem „stellen die auf den Aufnahmen dargestellten Befunde aber definitiv keine Folgen von Peitschenhieben dar. (…) Bei Hieben mit einem peitschenartigen Gegenstand, die den Rücken auf beiden Seiten, also rechts und links der Körpermittellinie, treffen, ist eine lineare Verlängerung bzw. Fortsetzung der Veränderungen über die Mittellinie hinaus in identischer Ausrichtung zu erwarten. Dies ist auf den übergebenen Lichtbildern zumindest an zwei Stellen definitiv nicht der Fall (…). Bei Schlägen auf die Oberschenkelrückseiten einer stehenden Person (…) müsste sich diese aber, wie bereits am Rücken beschrieben, in den zentralen Bereichen beider Oberschenkel in gleichförmiger Ausrichtung fortsetzen, ohne dass hierbei die Oberschenkelinnenseiten von den Schlägen auch nur ansatzweise betroffen wären.“ (S.7f.).
Demnach sind die vom Kläger vorgelegten Fotos nicht geeignet, seinen Vortrag, er sei wegen des illegalen Buchdruckes nicht nur zweimal verhaftet, sondern auch mit 60 bzw. 80 Peitschenhieben bestraft worden, zu stützen. Denn nach den eindeutigen und nachvollziehbaren Feststellungen des Gutachters können die auf den Fotos erkennbaren Veränderungen auf dem Rücken und den Oberschenkeln nicht die Folge von Peitschenhieben sein.
Das Gericht geht daher nicht davon aus, dass der Kläger tatsächlich mit Peitschenhieben bestraft worden ist. Das entsprechende Vorbringen ist nach den gutachterlichen Feststellungen nicht glaubhaft und der Kläger nach Auffassung des Gerichts unglaubwürdig. Denn die Ausführungen des Gutachters legen den Schluss nahe, dass der Kläger die „Veränderungen“ am Rücken und an den Beinen – wie auch immer – manipuliert hat, um auf diese Weise im hiesigen Asylverfahren bessere Erfolgsaussichten zu haben.
Hinzu kommt, dass der Kläger sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens in besonderem Maße gesteigert hat. Während er die angeblichen Auspeitschungen gegenüber dem Bundesamt nicht einmal erwähnt hat, stützt er seine Flucht aus dem Iran nun maßgeblich hierauf. Aufgrund der mangelnden Glaubhaftigkeit des Vortrags und der fehlenden Glaubwürdigkeit des Klägers besteht keine Veranlassung, seinem Einwand, er habe die Peitschenhiebe bereits gegenüber dem Bundesamt dargestellt, weiter nachzugehen.
„Übrig“ bleibt vom Sachvortrag des Klägers nur noch, dass er illegal Bücher gedruckt habe und deswegen mehrfach verhaftet worden sei. Auch insoweit hat der Kläger seine Einlassungen in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2020 ergänzt, nämlich dahingehend, dass die zweite Verhaftung anlässlich eines Zeitungsartikels erfolgt sei, worin über eine Aktion unter dem Motto „Landsmann, hupe nicht“ berichtet worden sei. Erstmals in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2020 legte der Kläger ein Lichtbild vor, worauf der entsprechende Zeitungsausschnitt zu sehen sein soll. Allerdings stellt sich auch insoweit die Frage, weshalb er dies nicht bereits vor dem Bundesamt vorgetragen hat. Gerade im Zusammenhang mit dem gesteigerten Sachvortrag, was die Verhaftungen und die Peitschenhiebe betrifft, erscheint der Kläger höchst unglaubwürdig. Warum zudem eine Aktion unter dem Motto „Landsmann, hupe nicht“ zu einer Verhaftung und letztlich zu der zweiten Auspeitschung des Klägers geführt haben soll, erschließt sich nicht und ist daher bereits unglaubhaft. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der angeblichen Aktivitäten des Klägers in seiner Druckerei auf den ausführlichen und zutreffend begründeten Bundesamtsbescheid verwiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Nach alledem ist der Kläger nicht als Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG anzusehen.
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht.
Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nur dann subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß Satz 2: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da der Kläger auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüberhinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG. Was die angeblichen Auspeitschungen, die als wahr unterstellt möglicherweise einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus begründen würden, angeht, wird auf die Ausführungen unter Ziff. 1.2. verwiesen.
3. Dasselbe gilt für die begehrte Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
4. Die in Ziffer 5 des Bescheids vom 13. Januar 2020 angedrohte Abschiebung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 30 Monate) ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben