Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes für ivorischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  W 2 K 18.30949

Datum:
27.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 34564
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die ivorische Polizei menschenrechtswidrig vorgeht oder nicht Willens oder in der Lage ist, Zivilpersonen zu schützen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ivorische Staatsbürger können sich gefahrlos im gesamten Staatsgebiet der Elfenbeinküste niederlassen und haben dort, zumindest als junge gesunde Männer auch ohne familiäre Unterstützung, grundsätzlich die Möglichkeit, ein Erwerbseinkommen zu erzielen und sich das nötige Existenzminimum zu sichern. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandelt werden konnte, ist unbegründet.
1. Der Bundesamtsbescheid vom 30. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
Das Gericht folgt der entsprechenden Begründung im Bescheid vom 30. April 2018 hinsichtlich der Versagung subsidiären Schutzes und von Abschiebungsverboten und verweist auf die dortigen Ausführungen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
1.1 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG.
Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Weder die Vollstreckung noch Verhängung der Todesstrafe noch die Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommen in Betracht.
Auch eine eventuell drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung kann nicht angenommen werden.
Dabei muss nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat der Kläger eine drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in der Elfenbeinküste nicht glaubhaft gemacht. Schon die vom Kläger vorgetragene Flucht- und Verfolgungsgeschichte kann nicht überzeugen. Es kann nicht nachvollzogen werden, wie der Kläger völlig mittellos seine Flucht nur mit der Hilfe von Freunden hätte finanzieren können. Insbesondere seine Aussage, dass ein Schleuser in Libyen ihn nur aus Mitleid und ohne Gegenleistung übers Mittelmeer gebracht haben soll, erscheint nach der allgemeinen Lebenserfahrung wenig wahrscheinlich. Auch der selbstbewusste Auftritt des Klägers in der mündlichen Verhandlung mit Anzug, weißem Hemd, Krawatte, Hut, Sonnenbrille und diversen Schmuck deutet daraufhin, dass es der Kläger gewohnt ist, als wohlhabender und erfolgreicher Geschäftsmann aufzutreten. Das passt nicht mit der geschilderten Flucht und der Verfolgungsgeschichte überein, sondern deutet eher darauf hin, dass der Kläger auf seiner Flucht über Geld verfügen konnte.
Auch kann die Einzelrichterin nicht nachvollziehen, dass der Kläger gerade als erfahrener Geschäftsmann einem ihm relativ unbekannten „Freund“ seine komplette Kakauernte ohne jeglichen Beleg oder Quittung anvertraut haben soll. Der Erlös aus dieser Kakauernte stellte nach seinen eigenen Angaben immerhin seine eigenen Existenzgrundlage und die seiner Beschäftigten dar. Der diesbezügliche Sachvortrag ist auch nicht sehr detailreich und oberflächig. Zwar lief dieses „Geschäft“ nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung im Rahmen von „mafiösen Strukturen“ ab, allerdings würde ein erfahrener Geschäftsmann umso mehr auf eine Art Absicherung oder Beweisbarkeit dieses Geschäfts Wert legen.
Aber selbst wenn der Vortrag des Klägers hinsichtlich seiner Verfolgungsgeschichte als wahr unterstellt würde, könnte dies zu keiner Schutzgewährung führen.
Soweit der Kläger vorträgt, er befürchte bei einer Rückkehr in die Elfenbeinküste von seinen ehemaligen Mitarbeiter verfolgt zu werden, kann dies keinen Anspruch auf subsidiären Schutz begründen. Diesbezüglich könnte er in seinem Heimatland den Schutz der ivorischen Sicherheitsbehörden in Anspruch nehmen. Denn ein Ausländer ist nicht subsidiär schutzberechtigt, wenn er im Heimatland wirksamen und nicht nur vorübergehenden Schutz vor der Bedrohung finden kann, § 4 Abs. 3, § 3 e Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 d Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Der Kläger kann nicht damit gehört werden, dass er sich nicht an die ivorische Polizei wenden könne, weil diese vom ihm auch die Zahlung des ausstehenden Lohnes verlangen würde und weil er diesen nicht zahlen könne, ihn inhaftieren würde. In den Erkenntnismittel sind weder Aussagen darüber auffindbar, dass die ivorische Polizei bei ihren polizeilichen Ermittlungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit menschenrechtswidrig vorgehen würde, noch sind auch in den aktuellsten Erkenntnismitteln Aussagen darüber enthalten, dass die ivorische Polizei nicht Willens oder in der Lage wäre, die Zivilpersonen zu schützen (vgl.: Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Côte d‘ Ivoire, vom Januar 2018; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Elfenbeinküste, Gesamtaktualisierung am 30.3.2018; Bertelsmann Stiftung 2018: Country Report – Côte d’Ivoire; Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat; Human Rights Watch: World Report 2018 vom 18.1.2018). Es wird nur erwähnt, dass die Sicherheitskräfte zeitweise daran scheitern, gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren, insbesondere während interkommunaler Auseinandersetzungen über Grundbesitz. Von der Versagung von Schutz bei individueller konkreter Bedrohung wird allerdings nicht gesprochen. So ist es nicht ausreichend wahrscheinlich, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr eine menschenrechtswidrige Behandlung durch die ivorische Polizei drohen oder ihm Schutz versagt werden würde. Es entspricht rechtsstaatlichen Maßstäben, dass im Falle von Lohnunterschlagung der Schuldner für die ausstehenden Summen einstehen muss. Daher kann in dem bisherigen Verhalten der ivorischen Polizei im Fall des Klägers kein eklatanter Verstoß gegen rechtsstaatliche Maßstäbe festgestellt werden.
Darüber hinaus scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes auch wegen des Vorrangs der internen Fluchtalternative aus. Denn gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG wird dem Ausländer der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt, wenn für ihn in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadenseintritts besteht und er legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Nach der aktuellen Auskunftslage können sich die ivorischen Staatsbürger gefahrlos im gesamten Staatsgebiet der Elfenbeinküste niederlassen. Sie haben dort, zumindest als junger gesunder Mann, grundsätzlich die Möglichkeit, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Beim Kläger sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die dem widersprechen würden, so dass er in anderen Landesteilen von den Nachstellungen seiner ehemaligen Beschäftigten sicher wäre.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
1.2 Es liegen auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2000 – 9 C 34/99 -, juris Rn. 11).
Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05, U.v. 28.6.2011 – 8319/07). Solche Umstände sind beim Kläger nicht ersichtlich.
Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG scheidet aus.
Der Kläger ist ein gesunder junger Mann, der in der Lage ist, in seinem Heimatland auch ohne familiäre Unterstützung ein Erwerbseinkommen zu erzielen und sich das nötige Existenzminimum zu sichern. Gesundheitsbedingte Einschränkungen im für ein Abschiebungsverbot relevanten Schweregrad sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
1.3 Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
1.4 Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 7des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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