Verwaltungsrecht

Kein Anspruch ukrainischer Staatsangehöriger auf Anerkennung als Asylberechtigte

Aktenzeichen  Au 2 K 17.31866

Datum:
24.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG AsylG § 3, § 3a, § 4, § 26a
GG GG Art. 16a
EMRK EMRK Art. 9

 

Leitsatz

1 Bleibt der Einreiseweg unaufklärbar, trägt der Asylbewerber die materielle Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sicheren Drittstaats nach Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG, § 26a AsylG auf dem Luft- oder Seeweg nach Deutschland eingereist zu sein (BVerwG BeckRS 1999, 30065069). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat der Asylkläger durch seine Unterschrift bestätigt, dass ihm das gefertigte Anhörungsprotokoll rückübersetzt worden ist und seine Angaben vollständig sind und der Wahrheit entsprechen, bleibt ihm die Berufung auf Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher bzw. auf eine falsche Übersetzung des Dolmetschers verwehrt (BVerwG BeckRS 1988, 31253550. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein sich steigernder Vortrag des Asylsuchenden kann zur Unglaubwürdigkeit seines Asylvorbringens führen (BVerwG BeckRS 1986, 31268775). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4 Eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen einer Wehrdienstentziehung kann regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn der Betreffende durch die fehlende Möglichkeit der Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen und die daraus folgende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung in seinem Recht aus Art. 9 EMRK verletzt wird (EGMR BeckRS 2012, 80059). (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurde bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der klagegegenständlichen Schutzansprüche (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Die Kläger haben keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte i.S.v. Art. 16a GG.
aa) Zwar ist ein Asylanspruch der Kläger nicht bereits aufgrund Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG ausgeschlossen.
Ein Kläger kann sich auf Art. 16a Abs. 1 GG nicht berufen, soweit er aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat eingereist ist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG). Da die Bundesrepublik Deutschland vollständig von sicheren Drittstaaten umgeben ist, scheidet somit ein Asylanspruch im Lichte von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG insbesondere aus, soweit ein Asylbewerber auf dem Landweg nach Deutschland eingereist ist (BVerwG, B.v. 29.6.1999 – 9 C 36/98 – juris Rn. 4, 8 und 11; BayVGH, U.v. 29.7.1998 -7 B 98.30770 – juris Rn. 11).
Ob bei einer vom Asylbewerber behaupteten, aber nicht belegten Einreise auf dem Luftweg weitere Ermittlungen durch das Gericht anzustellen sind, ist eine Frage der Ausübung tatrichterlichen Ermessens im Einzelfall. Ein Anlass zu weiterer Aufklärung ist etwa dann zu verneinen, wenn der Asylbewerber keine nachprüfbaren Angaben zu seiner Einreise gemacht hat und es damit an einem Ansatzpunkt für weitere Ermittlungen fehlt. Im Rahmen seiner Überzeugungsbildung ist das Gericht zwar aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, die Angaben des Asylbewerbers mit Blick auf eine Beweisnot auch ohne Beweisaufnahme als wahr anzusehen. Jedoch hat der Tatrichter gerade in den Fällen, in denen der Asylbewerber die Weggabe wichtiger Beweismittel behauptet – also in den Fällen einer selbst geschaffenen Beweisnot – das Vorbringen besonders kritisch und sorgfältig zu prüfen. Den Asylsuchenden trifft insoweit zwar keine Beweisführungspflicht. Das Gericht kann aber bei der Feststellung des Reisewegs die behauptete Weggabe von Beweismitteln ebenso wie eine Weigerung oder das Unvermögen, mit der Flugreise im Zusammenhang stehende Fragen zu beantworten wie bei einer Beweisvereitelung zu Lasten des Asylbewerbers würdigen. Der Vortrag einer Luftwegeinreise kann durch Vorlage etwa eines Reisepasses mit entsprechenden Eintragungen, eines Flugtickets oder zumindest einer Bordkarte substantiiert werden. Bei nicht ausräumbaren Zweifeln an der behaupteten Einreise auf dem Luftweg muss das Tatsachengericht sich 18 schlüssig werden, ob der Asylbewerber nur über die angegebene konkrete Flugverbindung falsche Angaben gemacht hat oder ob er überhaupt nicht auf dem Luftweg, sondern auf dem Landweg nach Deutschland eingereist ist. Dann scheidet eine Anerkennung als Asylberechtigter aufgrund der Drittstaatenregelung (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG) aus. Ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Asylbewerber wie behauptet auf dem Luftweg eingereist ist, kann es gleichzeitig aber auch nicht die Überzeugung gewinnen, dass er auf dem Landweg eingereist ist, und sieht es keinen Ansatzpunkt für eine weitere Aufklärung des Reisewegs, hat es die Nichterweislichkeit der behaupteten Einreise auf dem Luftweg („non liquet“) festzustellen und eine Beweislastentscheidung zu treffen. Bleibt der Einreiseweg in diesem Sinne unaufklärbar, trägt der Asylbewerber die materielle Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sicheren Drittstaats nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG auf dem Luft- oder See Weg nach Deutschland eingereist zu sein (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 29.6.1999 – 9 C 36.98 – juris Rn. 9-13; BayVGH, B.v. 9.9.2013 – 2 ZB 13.30222 – juris Rn. 6; B.v. 19.1.2001 – 19 B 97.32011 – juris Rn. 22; VG Augsburg, U.v. 9.2.2012 – Au 6 K 11.30137 – juris Rn. 16).
Hiervon ausgehend ist im Fall der Kläger ein Asylanspruch nicht bereits aufgrund Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG ausgeschlossen. Das Gericht geht davon aus, dass die Kläger – wie vorgetragen – am 23. Oktober 2014 auf dem Luftweg (Kiew-Dortmund) nach Deutschland eingereist sind. Hierfür sprechen maßgeblich die insoweit vorgelegten vier Bordkarten mit Namen der Kläger (Blatt 83 der Verwaltungsakte), die die Flugstrecke sowie den Flugtag mit Uhrzeit ausweisen.
bb) Allerdings steht den Klägern in der Sache kein Asylanspruch aus Art. 16a GG zu.
(1) Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht.
Ein Anspruch auf Asyl nach Art. 16a GG besteht nur, wenn der Ausländer von politischer, d.h. staatlicher oder quasi-staatlicher Verfolgung bedroht ist (vgl. BVerwG, U.v. 19.5.1998 – 9 C 5/98 – juris Rn. 14).
Als politische Verfolgung kommt grundsätzlich jede Maßnahme in Betracht, die an die politische Überzeugung, die religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale des Betroffenen anknüpft, die sein Anderssein prägen. Ob eine derart asylerhebliche Anknüpfung vorliegt, ist anhand objektiver Kriterien nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen; auf die subjektiven Motive des Verfolgers kommt es hierfür nicht an. Eine Verfolgungsmaßnahme verliert mithin ihre Asylerheblichkeit nicht dadurch, dass der Verfolger mit ihr weitere Zwecke verfolgt, die an sich asylneutral sind (vgl. zum Ganzen: BVerfG, B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502/86 -juris Rn. 79).
Politisch Verfolgte müssen weder tatsächlich noch nach der Überzeugung des verfolgenden Staates selbst Träger eines verfolgungsverursachenden Merkmals sein; politische Verfolgung kann auch dann vorliegen, wenn der oder die Betroffene lediglich der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet wird, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist (vgl. BVerfG, B.v. 22.11.1996 – 2 BvR 1753/96 – juris Rn. 5).
Einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter hat zudem nur, wer auch noch bei Rückkehr in das Heimatland landesweit mit politischer Verfolgung rechnen muss. Hierfür ist der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen, falls der Betroffene sein Heimatland unverfolgt verlassen hat. Ist er jedoch vorverfolgt ausgereist, muss er bei einer Rückkehr nach dem sogenannten herabgestuften Maßstab hinreichend sicher vor erneuter Verfolgung sein (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 8.12.1998 – 9 C 17/98 – juris Rn. 8).
Des subsidiären asylrechtlichen Schutzes in Deutschland aus Art. 16a GG bedarf grundsätzlich nicht, wem auf dem Territorium seines Heimatstaats eine 22 verfolgungsfreie Zuflucht offensteht. Dies gilt namentlich dann, wenn der vor einer regionalen (Gruppen-)Verfolgung fliehende Ausländer in anderen Teilen seines Heimatstaats vor erneuter politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und wenn ihm am Ort einer solchen inländischen Fluchtalternative keine sonstigen unzumutbaren Gefahren und Nachteile drohen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 8.12.1998 – 9 C 17/98 – juris Rn. 12).
(2) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze besteht kein Asylanspruch der Kläger aus Art. 16a GG.
Dem Kläger zu 1 – die anderen Kläger haben keine eigenen Fluchtgründe vorgetragen – droht bei einer Rückkehr in die Ukraine nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung in Form einer unverhältnismäßigen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung.
Das Gericht geht bereits davon aus, dass die durch den Kläger zu 1 vorgetragene Verfolgungsgeschichte im Kern nicht glaubhaft ist; denn diese enthält erhebliche Widersprüche bzw. Steigerungen. So hat der Kläger zu 1 beim Bundesamt noch vorgetragen, dass die versuchte Zwangseinberufung durch Uniformierte nach dem Einkaufen am 15. Mai 2014 erfolgt sei (Blatt 62 der Verwaltungsakte); in der mündlichen Verhandlung gab er sodann als Datum den 22. Mai 2014 an (Blatt 2 der Niederschrift). Beim Bundesamt hat der Kläger zu 1 ferner angegeben, dass auch danach häufig Polizisten zu ihm nach Hause gekommen seien, um ihn zum Militärdienst heranzuziehen; er habe mit diesen diskutiert und jedes Mal gesagt, dass er nicht mitkommen würde (Blatt 62 der Verwaltungsakte); in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 hingegen angegeben, dass er sich nach dem Vorfall am 22. Mai 2014 im Kern durchgängig bis zur Ausreise versteckt habe und es zu keinen weiteren Vorfällen mit Polizisten oder Armeeangehörigen mehr gekommen sei (Blatt 4 der Niederschrift). Auch hat der Kläger zu 1 erstmals im Klageverfahren den zweiten zentralen Teil seiner Verfolgungsgeschichte -den angeblichen Vorfall bei Reparatur des Autos in der Garage – vorgebracht (siehe Klagebegründung vom 24.4.2017, Blatt 21 der Gerichtsakte; Blatt 5 der 29 Niederschrift zur mündlichen Verhandlung); es handelt sich mithin um einen gesteigerten Vortrag, Gründe für das verspätete Vorbringen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 nur auf ausdrückliche Nachfrage seines Bevollmächtigten von diesem Vorfall berichtet, nachdem er zuvor auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich erklärt hatte, dass es keine weiteren Vorfälle mit persönlichem Kontakt zur Armee oder Polizei gegeben habe (Blatt 5 der Niederschrift); seine Einlassung, er habe den Vorfall zuvor vergessen, überzeugt nicht. Zudem hieß es in der Klagebegründung noch, der Vorfall in der Garage sei eine Woche nach dem 22. Mai 2014 geschehen (Blatt 21 der Gerichtsakte); in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zu 1 sodann an, der Vorfall sei im August bzw. September 2014 geschehen (Blatt 5 der Niederschrift). Auch hat der Kläger zu 1 beim Bundesamt noch angegeben, im Jahr 2000 erstmals durch die ukrainische Armee gemustert worden zu sein (Blatt 62 der Verwaltungsakte); in der mündlichen Verhandlung gab er hingegen an, dass dies 1998 gewesen sei (Blatt 2 der Niederschrift).
Auf „erhebliche Sachverhaltsverzerrungen“ bei der Anhörung beim Bundesamt aufgrund unzutreffender Übermittlungen (Klagebegründung, Blatt 20 der Gerichtsakte) kann sich der Kläger zu 1 nicht berufen. Grund hierfür ist, dass der Kläger zu 1 ausdrücklich bei der Anhörung beim Bundesamt durch seine Unterschrift auf dem Kontrollbogen (Blatt 6 der Verwaltungsakte) bestätigt hat, dass er ausreichend Gelegenheit hatte, die Gründe für seinen Asylantrag zu schildern und dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben hat; er hat durch seine Unterschrift auch bestätigt, dass ihm das gefertigte Anhörungsprotokoll rückübersetzt worden ist und seine Angaben vollständig sind und der Wahrheit entsprechen. Bei einer solchen Sachlage ist einem Asylkläger die Berufung auf Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher bzw. auf eine falsche Übersetzung des Dolmetschers verwehrt (vgl. BVerwG, U.v. 23.2.1988 – 9 C 273/86 – juris Rn. 11).
Ein sich steigernder Vortrag des Asylsuchenden kann zur Unglaubwürdigkeit seines Asylvorbringens führen (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.1986 – 9 B 180/86 31 juris Rn. 5). In gleicher Weise darf das Vorbringen eines Asylsuchenden tatrichterlich als unglaubhaft beurteilt werden, wenn es erhebliche, nicht überzeugend aufgelöste Widersprüche enthält (vgl. BVerwG, U.v. 23.2.1988 -9 C 273/86 – juris Rn. 11). So liegt der Fall – wie dargelegt – auch hier. Maßgeblich gegen eine asylrelevante staatliche Verfolgung, die ein permanentes Verstecken vor den ukrainischen Behörden erforderlich gemacht hätte, spricht auch, dass der Kläger zu 1 vor seiner Ausreise aus der Ukraine am 21. Oktober 2014 seinen Wohnsitz bei der zuständigen ukrainischen Behörde ordnungsgemäß abgemeldet hat (siehe Eintragung in seinem ukrainischen Pass, Blatt 47 der Verwaltungsakte).
Unabhängig davon folgt aus dem klägerischen Vortrag selbst bei Wahrunterstellung keinen Anspruch auf Asyl i.S.v. Art. 16a GG.
Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass jeder Staat ein legitimes Recht hat, eine Streitkraft zu unterhalten, seine Staatsangehörigen zum Wehrdienst in dieser Streitkraft heranzuziehen und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, angemessen zu bestrafen. Eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen einer Wehrdienstentziehung kann regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn der Betreffende durch die fehlende Möglichkeit der Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen und die daraus folgende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung in seinem Recht aus Art. 9 EMRK verletzt wird (vgl. EGMR, U.v. 7.7.2011 – 23459/03 – BeckRS 2012 80059 Rn 112 ff.). Dabei kommt es insbesondere auch darauf an, ob der Betreffende eine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung gegen den Wehr- oder Kriegsdienst glaubhaft machen kann (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 – juris Rn. 15; B.v. 13.1.2017 – 11 ZB 16.31051 – juris Rn. 4).
Gemessen an diesen Vorgaben droht dem Kläger zu 1 bei einer Rückkehr in sein Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung.
Das Gericht hat bereits Zweifel, ob im Fall des Klägers zu 1 eine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung gegen einen Militärdienst gegeben ist. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt hat er insoweit im Kern geäußert, dass er keinen Militärdienst leisten wolle, da er keine Menschen auf Befehl töten wolle; er sei allgemein gegen Gewalt. Kein Mensch habe das Recht, über das Leben einer anderen Person zu entscheiden. Er habe 1992 bei einem Besuch mit seinem Vater in Aserbaidschan gesehen, was im Krieg geschehe und wie es sei, wenn Menschen sterben oder vertrieben werden (siehe zum Ganzen: Anhörung, Blatt 62-64 der Verwaltungsakte). Diese Einlassungen hat der Kläger zu 1 im Kern in der mündlichen Verhandlung wiederholt (Blatt 5 der Niederschrift). Ob dieser eher allgemeine, pauschale und oberflächliche Vortrag jedoch für eine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung gegen einen Militärdienst (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 -juris Rn. 19) ausreichend ist, ist zweifelhaft. Zudem hat der Kläger zu 1 bei seiner ersten Musterung in der Ukraine – nach eigenen Angaben im Jahr 1998 bzw. 2000 – nicht etwa kategorisch den Militärdienst verweigert, er ist offenbar wegen Untauglichkeit ausgemustert worden (Anhörung, Blatt 64 der Verwaltungsakte). Seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung, dass er bei Tauglichkeit auch bereits damals den Kriegsdienst verweigert hätte (Blatt 5 der Niederschrift), überzeugt das Gericht nicht. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass es dem Kläger zu 1 bei der Verweigerung des Militärdienstes weniger um eine Gewissensentscheidung gegen den Militärdienst, sondern im Kern um die – menschlich nachvollziehbare – Angst geht, dass seine Familie im Falle seines kriegsbedingten Todes unversorgt oder ungeschützt wäre (vgl. Anhörung Kläger zu 1, Blatt 64 der Verwaltungsakte: „Ich befürchte, wenn mir etwas zustoßen würde, würde sie niemand mehr schützen.“; Anhörung Klägerin zu 2, Blatt 102 der Verwaltungsakte: „Der wichtigste Grund war der, dass er Angst hat zu sterben, weil er seine Familie zu versorgen hat.“). Auch nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 am 22. Mai 2014 den Wehrdienst abgelehnt, da er minderjährige Kinder hat und im Falle seines Todes niemand für diese sorgen würde (Blatt 5 der Niederschrift). Letztlich kann die Frage, ob vorliegend eine echte und aufrichtige Gewissensentscheidung gegen den Militärdienst gegeben ist, jedoch offen bleiben.
Denn jedenfalls ist den aktuellen Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass derzeit in der Ukraine keine neue Mobilisierungswelle geplant ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 7.2.2017, Nr. II.1.6, S. 9), sondern dass verstärkt Berufssoldaten in die Armee aufgenommen werden (Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Fact Finding Mission Report Ukraine, May 2017 – BFA-Report – Chapter 3.1.2, S. 24 f. und Chapter 3.1.3.3, S. 31). Für den Kläger zu 1 besteht daher bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland auf absehbare Zeit keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass er eingezogen wird (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 – juris Rn. 18).
Zudem unterliegt der 34-jährige Kläger zu 1 nach ukrainischem Recht nicht länger der Wehrpflicht. Hierbei kann offenbleiben, ob die Wehrpflicht in der Ukraine mit dem Tag des 26. oder 27. Geburtstag endet; die Auskunftslage dazu ist nicht eindeutig (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 7.2.2017, „Männer im Alter zwischen 20 und 25 Jahren“; UNHCR, International Protection Considerations related to developments in Ukraine – Update II, January 2015, Nr. 19 „Regular military conscription of 18-25 year-old men“; UNHCR, International Protection Considerations related to developments in Ukraine – Update III, September 2015, Nr. 34 „The large-scale mobilization of men aged 18 to 26 years old“; Alec Luhn, The Draft Dodgers of Ukraine, 18.2.2015, „… to conscript young men between the ages of 20 and 27.“). Ohnehin gilt für Wehrdienstpflichtige, dass nach Durchlaufen der Grundausbildung ein Einsatz in den umkämpften Gebieten der Ostukraine nur auf freiwilliger Basis erfolgt (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 11 ZB 16.30012 – juris Rn. 18; VG Ansbach, U.v. 26.7.2017 – AN 4 K 16.31057 -juris Rn. 22; VG Würzburg, U.v. 20.3.2017 – W 7 K 16.31035 – juris Rn. 17; Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 7.2.2017, S. 9 f.). Soweit der Kläger zu 1 vorgetragen hat, dass der ukrainische Staat versucht habe, ihn im Jahr 2014 -mithin im Alter von 31 Jahren – im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht zu 37 einem Einsatz in der Ostukraine heranzuziehen, erachtet das Gericht dies angesichts der entgegenstehenden Auskunftslage und seines widersprüchlichen und gesteigerten Vortrags als nicht glaubhaft; jedenfalls sind solche Heranziehungsversuche derzeit in der Ukraine nicht zu besorgen.
Nur der Vollständigkeit halber sei daher noch darauf hingewiesen, dass die Verweigerung des Wehrdienstes in der Ukraine jedenfalls bei Zugehörigkeit zu bestimmten Religionsgemeinschaften möglich ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Stand März 2015, Nr. II.1.6). Diese Möglichkeit ergibt sich aus Art. 35 Abs. 4 der Verfassung der Ukraine (englische Übersetzung auf www.irf.in.ua) und dem Gesetz über einen Alternativdienst vom 12. Dezember 1991, No. 1975-XII (englische Zusammenfassung auf www.irf.in.ua). Der Oberste Gerichtshof für Zivil- und Strafrecht der Ukraine hat zudem entschieden, dass auch in Krisen- und Kriegszeiten Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen – im konkreten Fall ein Anhänger der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas – das Recht auf Zivildienst haben, selbst wenn die gesetzlichen Vorschriften dies nicht vorsehen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 11 ZB 16.30012 – juris Rn. 19 f.; Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 7.2.2017, S. 9 f.).
b) Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.v. § 3 AsylG. Insoweit – insbesondere zu einer unverhältnismäßigen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung i.S.v. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG – wird zunächst vollumfänglich auf die Ausführungen zu Art. 16a GG verwiesen.
Abgesehen davon, dass in der Ukraine keine neue Mobilisierungswelle geplant ist und eine Einberufung des Klägers zu 1 daher nicht hinreichend wahrscheinlich ist, würde dem Kläger bei einer Verweigerung des Militärdienstes auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Strafverfolgung oder Bestrafung gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG drohen. Den aktuellen Erkenntnismitteln kann nicht entnommen werden, dass der Dienst im staatlichen ukrainischen Militär hinreichend plausibel und mit hoher Wahrscheinlichkeit völkerrechtswidrige Handlungen umfassen würde. Zwar wird auch weiterhin von Übergriffen der Streitkräfte berichtet (vgl. Office of the United Nations High Commissioner for Human rights, Report on the human rights situation in Ukraine 16 August to 15 November 2016 – OHCHR-Report November 2016, Chapter II.A und II.D.1). Es kam jedoch zu einer Deeskalation (vgl. OHCHR-Report November 2016, Chapter II.A, S. 8 Rn. 17) und teilweise findet auch eine Strafverfolgung bei Übergriffen statt (vgl. OHCHR-Report November 2016, Chapter I, S. 7 Rn. 11). Unabhängig davon, ob die im Amnesty-Bericht Mai 2015 beschriebenen Probleme tatsächlich Verbrechen oder Handlungen der Streitkräfte umfassten, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG gefallen wären, hat sich die Situation durch das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk verbessert. Zwar gibt es weiterhin Verstöße gegen das Waffenstillstandsabkommen und ggf. gelegentliche Übergriffe der Streitkräfte. Aktuelle Erkenntnisse, nach denen im ukrainischen Militärdienst mit hoher Wahrscheinlichkeit völkerrechtswidrige Handlungen begangen werden, sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 – juris Rn. 21).
c) Auch die Voraussetzungen für eine Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG sind im Fall der Kläger nicht gegeben.
Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG i.V.m. Art. 15 QRL die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG kann die Verfolgung i.R.v. § 4 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die (staatlichen bzw. quasistaatlichen) Akteure einschließlich internationaler Organisationen (§ 3c Nr. 1 und 2 AsylG) erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung i.S.v. § 3d AsylG zu bieten. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG wird dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt, wenn inländische Fluchtalternativen i.S.v. § 3e AsylG bestehen.
Auch im Rahmen von § 4 AsylG ist bei der Prognose, ob für einen Kläger im Abschiebezielstaat die konkrete Gefahr besteht, der Todesstrafe, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2010 – 10 C 11/09 – juris Rn. 14).
aa) Dem Kläger zu 1 droht in der Ukraine keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Dem Kläger zu 1 droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Bestrafung, denn eine strafbare Mobilisierungsentziehung liegt nicht vor. Es kann dabei offen bleiben, ob das vom Kläger zu 1 in ukrainischer Sprache vorgelegte Schreiben (Blatt 84 der Verwaltungsakte) tatsächlich eine Ladung der ukrainischen Wehrverwaltung zur Musterung darstellt und echt ist, denn es handelt sich selbst dann, wenn man den Vortrag des Klägers zu 1 als wahr unterstellt, jedenfalls nicht um einen Einberufungsbefehl. Das Schreiben -selbiges gilt für vorgetragene weitere Ladungen – kann daher keine negativen Folgen für den Kläger zu 1 haben (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 – juris Rn. 24).
Es gibt für den Wehrdienst in der Ukraine drei unterschiedliche Benachrichtigungen bzw. Einberufungsbefehle. Zuerst erfolgt eine Benachrichtigung, zu einem bestimmten Zeitpunkt zwecks Abgleich der persönlichen Daten beim Kreiswehrersatzamt zu erscheinen. Dann erfolgt eine Einladung zu einer medizinischen Untersuchung. Erst danach wird der tatsächliche Einberufungsbefehl zugestellt, mit der Vorgabe, wann und wo der betreffende ukrainische Staatsbürger zu erscheinen hat und welche persönlichen Gegenstände mitzuführen sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem vorgelegten Schreiben nach dem Vortrag des Klägers zu 1 selbst nur um eine Ladung zur Musterung. Eine Einberufung zum Militärdienst ist hiervon jedenfalls nicht umfasst (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 24.8.2017 -11 B 17.30392 – juris Rn. 26 unter Bezugnahme auf Auswärtiges Amt, Auskunft v. 24.5.2017 – Gz. 508-516.80/49347).
bb) Auch wenn gleichwohl bei seiner Rückkehr ein Strafverfahren gegen den Kläger zu 1 eingeleitet werden würde, da er – nach seinem Vortrag – mehrere Ladungen zur Registrierung bzw. medizinischen Untersuchung nicht beachtet hat, wäre nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Verurteilung zu rechnen vgl. BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 – juris Rn. 27).
Nach Art. 337 des Ukrainischen Strafgesetzbuchs (UStGB) kommen für die Vermeidung der militärischen Registrierung nur Geldstrafe, Arbeitsstunden oder Freiheitsstrafe für bis zu sechs Monate in Betracht (Lagebericht 2017, Nr. II.1.6, S. 10). Allerdings haben nach der Auskunftslage im März/April 2014 z.B. 70 v.H. der Reservisten in Kiew die Ladungen ignoriert und sind nicht bei den Rekrutierungsbüros erschienen (BFA-Report, Chapter 3.3.3.1, S. 35 ff.). Um 1.000 Männer zu mobilisieren, seien bis zu 40.000 Ladungen notwendig gewesen (BFA-Report, a.a.O., S. 37). Angesichts dieser Zahlen erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass ein Jahr nach der Demobilisierung aller tatsächlich eingezogenen Soldaten im Oktober 2016 (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 7.2.2017, Nr. II.1.6, S. 9) nunmehr ein großer Teil der männlichen Bevölkerung mit Strafverfahren überzogen wird, weil sie Ladungsschreiben zur Musterung bzw. medizinischen Untersuchung nicht gefolgt sind. Den Erkenntnismitteln lässt sich nicht entnehmen, dass eine solche Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörden bisher erfolgt oder noch zu erwarten ist, sondern es wird berichtet, es seien zahlreiche Strafverfahren gegen solche Personen eingeleitet worden, die vom Militärdienst desertiert sind oder sich der Einberufung entzogen haben (vgl. Home Office, Country Policy and Information Note Ukraine: Military Service, Version 4.0 April 2017, Nr. 9.2.4 ff.; vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 – juris Rn. 28 f.).
cc) Selbst wenn sich der Kläger zu 1 einer Mobilisierungsentziehung schuldig gemacht haben sollte, wäre aber jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zu rechnen, in deren Vollzug eine menschenrechtswidrige Behandlung drohen würde.
Zwar kann nach Art. 336 UStGB eine Mobilisierungsentziehung mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 7.2.2017, Nr. II.1.6, S. 10) und eine Strafverfolgung von Fahnenflüchtigen findet auch statt (vgl. BFA-Report, Chapter 3.3.3, S. 39). Auch Verurteilungen zu Freiheitsstrafen wegen Mobilisierungsentziehung werden berichtet, die in einzelnen Fällen auch nicht zur Bewährung ausgesetzt werden (vgl. BFA-Report, a.a.O., S. 39 f.; UNHCR, International Protection Considerations related to developments in Ukraine – Update III, September 2015, Nr. 34, S. 13; Anfrage des Bundesamts an das Auswärtige Amt v. 28.7.2016 – Gz. 9206-230 – 7406-374/16 – UKR-454). Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass in jedem konkreten Fall das Gericht die Schwere der Schuld des Betreffenden unter den aktuellen Gegebenheiten feststellt und bei Personen, die mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren, keine Freiheitsstrafen ohne Aussetzung zur Bewährung verhängt werden (vgl. BFA-Report, a.a.O., S. 40). Angesichts der Umstände, dass die Ausreise des Klägers zu 1 zur Vermeidung des Militärdienstes nicht politisch motiviert war und er nicht vorbestraft ist, erscheint es dem Gericht nicht hinreichend wahrscheinlich, dass er zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt werden würde (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 – juris Rn. 30 f.).
Darüber hinaus erscheint es auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass bei der Vollstreckung einer kurzen Freiheitsstrafe eine menschenrechtswidrige Behandlung droht. Zwar sind trotz erheblicher Fortschritte in den Haftanstalten, da aufgrund einer Reform der ukrainischen Strafprozessordnung die Zahl der Insassen stark rückläufig ist, schlecht bezahltes und unzureichend ausgebildetes Wachpersonal, überbelegte Großraumzellen, mangelhafte Ernährung, unzureichende medizinische Betreuung, unzulängliche hygienische Verhältnisse sowie unverhältnismäßig starke Beschränkungen von Kontakten zur Außenwelt weiterhin nicht völlig verschwunden (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 7.2.2017, Nr. II.4, S. 14) und in einigen Untersuchungshaft- und psychiatrischen Einrichtungen herrschen weiterhin sehr schlechte Zustände (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 7.2.2017, 51 a.a.O.). Auch ist der Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine vom 11. Februar 2016, Stand Januar 2016, noch davon ausgegangen, die Missstände in den Gefängnissen seien in der Regel anzutreffen. Die Änderung der Formulierung im Lagebericht 2017 legt jedoch eine spürbare Verbesserung zumindest in Haftanstalten zur Verbüßung kürzerer Freiheitsstrafen nahe. Die Bedingungen im Polizeigewahrsam sowie in Untersuchungshaft sind schlechter als in Gefängnissen mit niederer oder mittlerer Sicherheitsstufe (vgl. USDOS, Country Report on Human Rights Practices 2016 Ukraine, USDOS Country Report, Section 1.c., S. 4) und stellen manchmal eine ernsthafte Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Gefangenen dar. Auch zu lebenslanger Haft Verurteilte erleiden oft erhebliche Rechtsverletzungen (USDOS Country Report, a.a.O.). Das Auswärtige Amt hat auch seit 2013 in neun Fällen „Monitoring“ durch die Botschaft Kiew nach erfolgter Auslieferung veranlasst. Die Auslieferungen erfolgen jeweils nach Einzelfallprüfungen und Abgabe von Zusicherungen, u.a. hinsichtlich EMRK-konformer Behandlung und Unterbringung (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt v. 30.8.2016, Gz. 508-516.80/48541). Demgegenüber ist es aber für die Häftlinge und ihre Familienangehörigen möglich, beim Ombudsmann für Menschenrechte eine Beschwerde zu erheben und es finden auch unabhängige Kontrollen der Gefängnisse durch internationale und lokale Menschenrechtsorganisationen statt (USDOS Country Report, a.a.O., S. 4 f.). Nach Auskunft des Foreign and Commonwealth Office soll jedes Gefängnis über eine medizinische Abteilung verfügen, in der medizinische Hilfe gewährleistet ist (vgl. Home Office, Country Policy and Information Note, Ukraine: Prison conditions, Version 2.0, April 2017, Chapter 7.1.4 und 7.2.3, S. 11 f.). Vom 21. bis 30. November 2016 hat das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe die Ukraine besucht und festgestellt, dass durch die Gefängnisreform die Auslastung der Haftanstalten stark zurückgegangen ist. Die Gesundheitsversorgung sowie die Personalausstattung seien weiterhin verbesserungsbedürftig. In den besuchten Haftanstalten seien aber keine aktuellen Misshandlungen der Gefangenen durch das Personal festgestellt worden und die Ausstattung sei überwiegend in Ordnung gewesen. In den besuchten Untersuchungsgefängnissen sei es jedoch zu Misshandlungen durch Mitgefangene gekommen. Hinsichtlich der zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefängnisinsassen komme es immer wieder zu inakzeptablen Maßnahmen (vgl. insgesamt Council of Europe, Report to the Ukrainian government on the visit to Ukraine carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 21 to 30 November 2016, Straßburg 19.6.2017; vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 – juris Rn. 32).
Angesichts dieser Auskunftslage wäre nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass dem Kläger zu 1 eine unmenschliche Behandlung in Haft drohen würde. Zum einen käme wohl allenfalls eine kurze Haftstrafe in Betracht, die in einem Gefängnis mit niederer oder mittlerer Sicherheitsstufe verbüßt werden könnte. Solche Haftanstalten weisen – wie ausgeführt – einen besseren Standard auf. Dass der Kläger zu 1 in Untersuchungshaft oder Polizeigewahrsam genommen werden oder eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen werden würde, in denen die Zustände weit schlechter sind, ist demgegenüber nicht zu erwarten. Zum anderen haben sich die Verhältnisse in den ukrainischen Gefängnissen in den von der Regierung kontrollierten Landesteilen durch die Reform der Prozessordnung und der Gefängnisreform verbessert und die Zahl menschenrechtswidriger Verstöße ist zurückgegangen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 24.8.2017 -11 B 17.30392 – juris Rn. 33).
Eine Gesamtbetrachtung ergibt daher, dass die Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG haben, da ihnen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden in ihrem Herkunftsland droht. Es spricht bereits alles dafür, dass sich der Kläger zu 1 nicht strafbar gemacht. Selbst im Falle einer Verurteilung würde eine mögliche Haftstrafe wohl zur Bewährung ausgesetzt und bei der Verbüßung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe würde auch nicht mit beachtlicher 53 Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche Behandlung in der Strafhaft drohen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 – juris Rn. 34).
d) Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Der sachliche Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist dabei weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 4 AsylG und geht über dieses nicht hinaus (BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – juris Rn. 25). Eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung droht dem Kläger zu 1 jedoch nicht; insoweit wird auf die Ausführungen zu § 4 AsylG verwiesen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 24.8.2017 – 11 B 17.30392 – juris Rn. 36).
Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht ersichtlich. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Die Kläger zu 1 und 2 verfügen nach eigener Aussage noch über zahlreiche Verwandte im Heimatland (u.a. die jeweiligen Eltern; 1 Bruder und 1 Schwester des Klägers zu 1; vgl. Blatt 61 und 101 der Verwaltungsakte), die sie ggf. bei einer Rückkehr ins Heimatland in der Anfangsphase unterstützen können. Die Kläger zu 1 und 2 verfügen zudem über eine vergleichsweise gute Schulbildung sowie eine Ausbildung bzw. ein Studium, sie sind arbeitsfähig und in Deutschland auch berufstätig. Im Fall des Klägers zu 1 liegt auch kein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem klägerseitig vorgelegten handschriftlichen Dokument (Blatt 83 der Verwaltungsakte), das eine einmonatige neurologisch-psychiatrische Behandlung des Klägers zu 1 in der Ukraine im Herbst 2014 ärztlich bestätigt (siehe Angaben 57 des Dolmetschers in der mündlichen Verhandlung, Blatt 6 der Niederschrift). Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger zu 1 derzeit psychiatrischer Behandlung bedarf. Es besteht somit keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch die Abschiebung in die Ukraine wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG).
e) Die Abschiebungsandrohung unter Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids (Frist: 30 Tage) findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 AsylG, § 38 AsylG und § 59 AufenthG.
2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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