Verwaltungsrecht

Kein Bedürfnis für Schalldämpfer an Waffen von Sportschützen

Aktenzeichen  M 7 K 17.2495

Datum:
10.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 47185
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG  § 8 Nr. 1, § 13 Abs. 2 S. 2
WaffGAnlage 1 § 1 Abs. 4
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1, § 124, § 124 a Abs. 4
RDGEG § 3, § 5
GKG § 52 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten waffenrechtlichen Erlaubnis (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Erteilung einer (insoweit auch notwendigen, vgl. dazu 1.1) waffenrechtlichen Erlaubnis zum Erwerb zweier Schalldämpfer für die Sportschützen-Langwaffen des Klägers setzt nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 8 WaffG ein entsprechendes Bedürfnis voraus. Ein solches hat der Kläger vorliegend nicht nachgewiesen (dazu 1.2).
1.1 Nach dem Waffengesetz stehen wesentliche Teile von Schusswaffen und Schalldämpfer den Schusswaffen, für die sie bestimmt sind, gleich, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist (Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 Satz 1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG). Daraus folgt, dass das Waffengesetz Schalldämpfer als eigenständige Regelungsgegenstände ansieht, so dass sich die beim Kläger vorhandenen Berechtigungen zum Erwerb, Besitz und Führen einer Schusswaffe nicht auf dafür bestimmte Schalldämpfer erstrecken. Vielmehr sind für Erwerb und Besitz eines Schalldämpfers sowie für das Führen einer schallgedämpften Waffe gesonderte Berechtigungen erforderlich. Dies gilt sowohl für Berechtigungen, die durch Erteilung der waffengesetzlich vorgesehenen Erlaubnis, als auch für Berechtigungen, die unmittelbar durch das Waffengesetz verliehen werden. Durch den Vorbehalt der anderweitigen gesetzlichen Bestimmung wird klargestellt, dass Regelungen, die bestimmten Personengruppen Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen ohne Nachweis eines Bedürfnisses i.S.v. § 8 WaffG gestatten, nicht ohne weiteres auf Schalldämpfer angewendet werden können. Der legale Schusswaffenbesitz bestimmter Personengruppen zieht nicht ohne weiteres den legalen Besitz eines für die Schusswaffe bestimmten Schalldämpfers nach sich. Vielmehr ist durch Auslegung der Bestimmungen, die den Schusswaffenbesitz abweichend von den allgemeinen waffengesetzlichen Regeln ermöglichen, zu ermitteln, ob sie auch Geltung für Schalldämpfer beanspruchen (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2018 – 6 C 4/18 – juris Rn. 13 bzgl. eines Schalldämpfers für Jagdwaffen).
Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgend ist dies für das sog. Jägerprivileg des § 13 WaffG nicht der Fall, da § 13 WaffG weder aufgrund des sich aus der Entstehungsgeschichte ergebenden Normzwecks noch wegen des Regelungszusammenhangs mit dem Bundesjagdgesetz auf Schalldämpfer anwendbar ist (vgl. dazu ausführlich BVerwG, U.v. 28.11.2018 – 6 C 4/18 – juris Rn. 14 ff.). Die vom Bundesverwaltungsgericht angeführten grundsätzlichen Erwägungen beanspruchen auch bzw. erst Recht für § 14 WaffG und damit für Sportschützen Geltung. Eine mit § 13 Abs. 2 Satz 2 WaffG vergleichbare Regelung für Sportschützenwaffen ist im Waffengesetz nicht vorgesehen, so dass sich eine vergleichbare (Auslegungs-)Frage, ob sich ein gesetzlich unter- bzw. festgestelltes Bedürfnis für Lang- und Kurzwaffen auch auf den Erwerb und Besitz von korrespondierenden Schalldämpfern erstreckt, letztendlich gar nicht stellt. § 14 Abs. 2 WaffG konkretisiert vielmehr, auch seinem eindeutigen Wortlaut nach und vergleichbar zur allgemeinen Regelung des § 13 Abs. 1 WaffG, allein die Anforderungen eines Bedürfnisnachweises für den Erwerb und Besitz von Schusswaffen und der dafür bestimmten Munition bzw. der dafür vorausgesetzten Einordnung einer Person als Sportschütze. Im Hinblick auf den Bedürfnisnachweis für Schalldämpfer bleibt es dagegen bei der Regelung des § 8 WaffG, d.h. es muss ein auf den Schalldämpfer bezogenes Bedürfnis nachgewiesen werden (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2018 – 6 C 4/18 – juris Rn. 24).
1.2 Den Nachweis eines solchen Bedürfnisses in Bezug auf einen Schalldämpfer hat der Kläger vorliegend nicht erbracht, sprich nicht i.S.v. § 8 Nr. 1 und 2 glaubhaft gemacht (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 WaffG).
Nach § 8 WaffG ist der Nachweis erbracht, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennende persönliche oder wirtschaftliche Interessen, etwa als Sportschütze (Nr. 1), sowie die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffe für den beantragten Zweck (Nr. 2) glaubhaft gemacht sind. Es handelt sich um unbestimmte bundesgesetzliche Rechtsbegriffe, deren Auslegung und Anwendung durch die Waffenbehörden der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterliegt; ein behördlicher Beurteilungsspielraum besteht nicht (vgl. dazu umfassend/grundsätzlich BVerwG, U.v. 28.11.2018 – 6 C 4/18 – juris Rn. 21 ff.).
Der Begriff der Belange der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 8 WaffG bringt das zentrale Anliegen des Waffengesetzes zum Ausdruck, den Waffenbesitz von Privatpersonen, die keiner der in § 8 WaffG genannten Gruppe angehören, möglichst zu verhindern. Dadurch begegnet der Bundesgesetzgeber dem Risiko, dass Waffen missbräuchlich verwendet werden, bereits im Vorfeld möglicher Gefahrenlagen. Angesichts des Gefahrenpotentials, das insbesondere von Schusswaffen für Leben und Gesundheit Dritter ausgeht, steht die Verhältnismäßigkeit dieser Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes außer Frage (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2018 – 6 C 4/18 – juris Rn. 22 mit Verweis u.a. auf BVerfG, B.v. 1.4.2003 – 1 BvR 539/03 – juris; stRspr).
Dieser gesetzliche Zweck des Bedürfnisnachweises bringt es mit sich, dass Personen, die keiner der in § 8 WaffG genannten Gruppen angehören, nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen ein Recht auf Waffenbesitz haben. Auch ein besonders anzuerkennendes persönliches Interesse kann ein Bedürfnis im Sinne von § 8 WaffG für Erwerb, Besitz und Führen einer Waffe regelmäßig nur begründen, wenn sich die betreffende Person aufgrund individueller Umstände, etwa der besonderen Gefährlichkeit der Berufsausübung, in einer Gefahrenlage befindet, die im Vergleich zur Allgemeinheit erheblich erhöht ist. Für normale Verhältnisse ist der polizeiliche Schutz als ausreichend anzusehen. Hinzukommen muss, dass der Besitz einer Waffe erforderlich ist, weil der Gefahr nicht auf andere Weise wirkungsvoll begegnet werden kann. Wie bereits ausgeführt, finden diese gesetzlichen Vorgaben nach Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 Satz 1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG auch Anwendung auf Schalldämpfer, die für Schusswaffen bestimmt sind. Für deren Erwerb und Besitz sowie für das Führen von schallgedämpften Waffen muss ein auf den Schalldämpfer bezogenes Bedürfnis nach § 8 WaffG nachgewiesen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer der in § 8 WaffG genannten Gruppen für einen bestimmten Zweck ohne Bedürfnisnachweis nach § 8 WaffG Zugang zu Schusswaffen hat. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Schusswaffen mit Schalldämpfern einer erhöhten Gefahr missbräuchlicher Verwendung unterliegen, weil sie generell als gefährlicher gelten können als Schusswaffen ohne Schalldämpfer. Der Schusswaffengebrauch kann besser verheimlicht werden oder unbemerkt bleiben, weil ein Schalldämpfer eine lautlose Schussabgabe ermöglicht oder jedenfalls die Lautstärke des Mündungsknalls beim Abfeuern der Waffe erheblich vermindert. Diese Einschätzung liegt der restriktiven Behandlung von Schalldämpfern im Waffenrecht seit jeher zugrunde. Dies ist vom weiten gesetzgeberischen Spielraum für die Regelung des Waffenrechts gedeckt. Hierfür reicht aus, dass der Bedürfnisnachweis für Schalldämpfer nicht als offensichtlich ungeeignet angesehen werden kann, um einen Beitrag zu dem beabsichtigten Rechtsgüterschutz im Vorfeld konkreter Gefahrenlagen zu leisten (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2018 – 6 C 4/18 – juris Rn. 23 ff.).
Aus dem klägerischen Vortrag, sein Schießen mit Schießsport-Langwaffen ohne Schalldämpfer könne sein Gehör schädigen, lässt sich kein besonders anzuerkennendes persönliches Interesse i.S.v. § 8 WaffG entnehmen. Wie oben dargestellt, ist bei der Auslegung dieses Begriffs zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber Schalldämpfer generell nicht als für den Schießsport erforderlich erachtet und daher auch keine entsprechende Regelung in § 14 WaffG ausgestaltet hat. Dieser gesetzlichen Entscheidung widerspräche es, bei Sportschützen ein Interesse am Erwerb von Schalldämpfern aus Gründen des Gesundheitsschutzes anzuerkennen, zumal es sich um ein Interesse handelt, das letztendlich bei allen Sportschützen, welche mit großkalibrigen Langwaffen schießen, in gleicher bzw. jedenfalls ähnlicher Weise bestehen würde. Das vorgelegte HNO-Attest vom 4. Januar 2016 vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Da der Kläger dem Attest folgend ein normales Hörvermögen bei einer individuell erhöhten Lärmempfindlichkeitsschwelle aufweist, könnte er jedenfalls im – hier allein verfahrensgegenständlichen – Bereich des Schießsports ein Überschreiten dieser Empfindlichkeitsschwelle vermeiden, indem er schlicht mit kleinkalibrig(er) en und damit zugleich deutlich leiseren Waffen seinen Schießsport ausübt.
Selbst wenn man den Gehörschutz als persönliches Interesse anerkennen wollte, ist weiter ein waffenrechtliches Bedürfnis nicht nachgewiesen, weil ein solches Interesse den Belangen der öffentlichen Sicherheit gerade im Schießsport nicht vorgehen kann. Der waffengesetzliche Grundsatz, möglichst keine Schalldämpfer für Schusswaffen in privaten Besitz gelangen zu lassen, beschränkt auch deren Erwerb in aller Regel auf die oben dargestellten Ausnahmefälle, in denen ein Privater aufgrund individueller Umstände einer anders nicht abwendbaren Gefährdung ausgesetzt ist, die ihn von der Allgemeinheit abhebt. Demgegenüber will sich der Kläger vor einer gesundheitlichen Gefahr schützen, die er selbst durch seine Freizeitbetätigung als Sportschütze hervorruft. Es geht nicht um den Schutz durch eine Waffe als Mittel der Verteidigung vor einem rechtswidrigen Angriff, sondern um den Schutz des Schützen vor Nachteilen des Schießens für ihn selbst. Das Interesse, die Möglichkeit nachteiliger Folgen einer Selbstgefährdung auszuschließen, vermag regelmäßig nicht zu rechtfertigen, die gesetzgeberische Entscheidung, auch bei legalem Schusswaffenbesitz Privater möglichst keine Ausstattung der Schusswaffen mit Schalldämpfern zuzulassen, für die gesamte Gruppe der Sportschützen generell außer Kraft zu setzen. Dies gilt erst recht, weil Schalldämpfer nach der weit überwiegenden Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Schutz des Gehörs regelmäßig nur benötigt werden, wenn der Schütze freiwillig darauf verzichtet, das Gehör durch andere Vorkehrungen zu schützen (in diesem Sinne BVerwG, U.v. 28.11.2018 – 6 C 4/18 – juris Rn. 27 zum Bedürfnis von Jägern an Schalldämpfern). Selbst wenn man davon ausginge, dass im Fall des Klägers auch eine Kombination von Gehörschutzstöpseln und Gehörkapselschutz keine ausreichende Lärmreduzierung ermöglicht, müsste das Interesse des Klägers hier in Abwägung zum öffentlichen Sicherheitsinteresse – auch im Vergleich zur Situation bei Jägern – zurücktreten, weil es sich vorliegend um eine reine Sport- bzw. Freizeitbetätigung handelt und der Kläger zudem ohne weiteres – anders als ein Jäger – auf leisere (kleinkalibrige) Schusswaffen zurückgreifen könnte, ohne dadurch gleich generell auf die Ausübung des Schießsports verzichten zu müssen (wobei ihm auch letzteres aufgrund des überragenden öffentlichen Sicherheitsinteresse wohl zuzumuten sein dürfte). Aus diesem Grund dürfte es auch an der Erforderlichkeit nach § 8 Nr. 2 WaffG fehlen.
Zum Vortrag des Klägers bzgl. der geringen Deliktsrelevanz von Schalldämpfern und den insoweit – da ausschließlich die im Rahmen seiner Freizeit ausgeübte Tätigkeit als Sportschütze verfahrensgegenständlich ist – nicht einschlägigen Regelungen der RL 2003/10/EG und der LärmVibrationsArbSchV vgl. ebenfalls die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2018 – 6 C 4/18 – juris Rn. 28, 33f.).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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