Verwaltungsrecht

Kein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt in Mogadischu

Aktenzeichen  20 ZB 18.30707

Datum:
11.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11864
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

In Mogadischu liegt kein derart hohes Niveau der willkürlichen Gewalt vor, dass jungen, gesunden männlichen Personen ohne besondere gefahrerhöhende Umstände im Falle ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden iSd § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG droht (BayVGH BeckRS 2017, 114323, BeckRS 2017, 119883, BeckRS 2018, 7819 und BeckRS 2018, 7820). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 17.32087 2018-02-06 Ent VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Denn der geltend gemachte und dargelegte (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten (Klärungsfähigkeit) und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Klärungsbedürftigkeit). Des Weiteren muss der Tatsachen- oder Rechtsfrage eine über den konkret zu entscheidenden Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36 m.w.N.).
Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
ob einem Kläger, bei dem keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen, im Falle einer Rückkehr nach Mogadischu eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes droht.
Diese Frage ist jedoch nicht klärungsbedürftig, weil sie bereits in der Rechtsprechung des Senats geklärt ist und kein Anlass zu einer Überprüfung oder Änderung dieser Rechtsprechung in einem Berufungsverfahren besteht. Es kann offen bleiben, ob in der Hauptstadt Mogadischu derzeit ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG herrscht (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 27.3.2018 – 20 B 17.31663 – juris Rn. 25; U.v. 23.3.2018 – 20 B 17.31582 – juris Rn. 19; U.v. 28.3.2017 – 20 B 15.30204 – juris; U.v. 23.3.2017 – 20 B 15.30110 – juris). Weder macht der Kläger selbst besondere gefahrerhöhende Umstände in seiner Person geltend, noch haben die Beklagte oder das Verwaltungsgericht solche Umstände angenommen. Vielmehr verweist der Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrages auf eine erhebliche Veränderung der Sachlage wegen der Häufung terroristischer Anschläge in Mogadischu sowie im Zeitraum Januar bis August 2017 gestiegener Opferzahlen (unter Verweis auf einen Bericht von EASO vom Dezember 2017 und verschiedene Presseartikel). Daraus schließt der Kläger, dass in Mogadischu ein so hohes Niveau willkürlicher Gewalt herrscht, dass jeder Person alleine aufgrund ihrer Anwesenheit dort die erhebliche individuelle Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG droht. Diese Annahme setzt ein besonders hohes Niveau der im Rahmen des bewaffneten Konfliktes herrschenden willkürlichen Gewalt voraus. In der Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 20 B 15.30110 – juris m.w.N.; U.v. 28.3.2017 – 20 B 15.30204 – juris; U.v. 23.3.2018 – 20 B 17.31582 – juris; U.v. 27.3.2018 – 20 B 17.31663 – juris m.w.N.; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15.OVG – juris; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 29.3.2018 – 19 A 552/17.A – juris) ist jedoch geklärt, dass in Mogadischu kein derart hohes Niveau der willkürlichen Gewalt vorliegt, dass jungen, gesunden männlichen Personen ohne besondere gefahrerhöhende Umstände im Falle ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG droht. Aus den von dem Kläger vorgelegten Berichten (EASO Country of Origin Information Report, Somalia Security situation, Dezember 2017 auszugsweise sowie verschiedene Berichte eines deutschen Nachrichtenmagazins) geht keine derart erhebliche Änderung der tatsächlichen Umstände hervor, dass Anlass bestünde, die bisherigen Annahmen in einem Berufungsverfahren zu überprüfen. Denn auch wenn von den in dem EASO-Bericht genannten Opferzahlen im Zeitraum Januar bis August 2017 in Mogadischu (412 Vorfälle und 563 Todesfälle) ausginge, würde sich die Gefahrendichte im genannten Sinne nicht ergeben. Vielmehr läge die Wahrscheinlichkeit, bei einem Terroranschlag von Al-Shabaab oder einer anderen gewaltbereiten extremistischen Organisation getötet zu werden, dann immer noch im Promillebereich. Darüber hinaus ist in diesen Zahlen die Anzahl der nicht getöteten, aber verletzten Personen nicht enthalten, sodass entsprechende Feststellungen auf dieser Grundlage nicht möglich sind. Auch ungeachtet einer quantitativen Betrachtung ergibt sich in Mogadischu keine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 27.3.2018 – 20 B 17.31663 – juris Rn. 36; U.v. 23.3.2018 – 20 B 17.31582 – juris Rn. 27; jeweils unter Berücksichtigung des EASO-Berichtes vom Dezember 2017).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrages wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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