Verwaltungsrecht

Kein Flüchtlingsschutz für eine weibliche Klägerin – Äthiopien

Aktenzeichen  RO 2 K 18.30966

Datum:
8.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16419
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 4, § 4 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Anerkennungs-RL Art. 4 Abs. 4

 

Leitsatz

Einer Frau droht bei einer Rückkehr nach Äthiopien keine Gruppenverfolgung allein aufgrund ihres Geschlechts. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. AsylG) als rechtmäßig und verletzt die Klagepartei nicht in ihren Rechten. Der Klagepartei stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist – unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben – Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 – 13 A 1305/13.A – juris). Eine Verfolgung i.S. d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 11.8.2016 – Au 1 K 16.30744 – juris). Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – BVerwGE 140, 22). Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Hierfür ist erforderlich, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festzustellenden Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei sind gemäß Art. 4 Abs. 3 RL 2011/95/EU neben den Angaben des Antragstellers und seiner individuellen Lage auch alle mit dem Herkunftsland verbundenen flüchtlingsrelevanten Tatsachen zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob in Anbetracht der Gesamtumstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 – BVerwGE 146, 67 Rn. 32 m.w.N.). Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn bei einer „quantitativen“ oder mathematischen Betrachtungsweise ein Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50% für dessen Eintritt besteht. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus; ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Bei der Abwägung aller Umstände ist die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in die Betrachtung einzubeziehen. Besteht bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit; sie bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris m.w.N.).
Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645 m.w.N. – juris). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645 m.w.N. – juris).
Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der Tatrichter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris; BVerwG, U.v. 11.11.1986 – 9 C 316.85 – juris). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VG Ansbach, U.v. 24.10.2016 – AN 3 K 16.30452 m.w.N. – juris).
Vorliegend erweckt die Tatsache, dass die Klägerin keinerlei Papiere vorlegen kann und die Gründe hierfür nicht nachvollziehbar sind, bereits erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin. Der Vortrag, dass sie ihre Papiere nach ihrer erneuten Einreise in Deutschland im Zug mit ihrer Reistasche verloren habe, ist unglaubhaft. Gerade wenn man seine Papiere nicht am Körper oder in einer kleineren Tasche sicher dicht bei sich hat, ist es lebensnah besonderes Augenmerk auf sein Gepäck zu legen, insbesondere wenn man in einem fremden Land reist und damit rechnen muss, sich ausweisen zu müssen. Auch variieren die Angaben der Klägerin hierzu im Detail. Während sie im Rahmen der Erstbefragung bei der Regierung der Oberpfalz angab, dass sie ihre Papiere beim Umsteigen verloren habe, gab sie beim Bundesamt an, dass sie ihre Papiere mit der Reisetasche im Zug verloren habe. Sie wisse aber nicht genau wo. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung äußerte sie, dass sie die Papiere auf dem Weg nach Deutschland verloren habe. Sie wisse nicht mehr genau wo sie die Tasche hingestellt habe. Es ist lebensfremd auf einer Reise eine Reisetasche mit den Papieren zu verlieren und nicht einmal mehr sagen zu können, wo dies passiert sei. Auch kann die Klägerin keine Heiratsurkunde vorlegen, weil sie diese bei der italienischen Botschaft abgegeben habe. Auch hier ist nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin das Original abgab, ohne eine Ausfertigung oder eine Kopie hiervon zu behalten. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum sie sich ihre Schulzeugnisse bislang nicht schicken lies, obwohl sie Kontakt zu ihrer Schwester und ihrer Familie hat. Dies spricht auch vor dem Lichte, dass in Italien kein Asyl beantragt wurde und die Klägerin gezielt nach Deutschland kam, weil sie gehört habe, dass das Asylrecht in Deutschland am besten sei, insgesamt für eine asyltaktische Vorgehensweise der Klägerin.
Auch die von ihr vorgetragenen Ereignisse sind jedenfalls überwiegend unglaubhaft. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, dass sie einerseits von ihrem Freund in Italien unterdrückt worden sei und er ihr in Italien keine Dokumente überlassen habe, sie aber andererseits unproblematisch per Flugzeug zu einer Freundin nach Deutschland reisen durfte. Vor allem aber ist das Vorbringen der Klägerin widersprüchlich, soweit sie vor dem Bundesamt angegeben hatte, dass sie nicht nach Äthiopien zurückkönne, da sie Angst vor ihren Eltern habe, weil diese glaubten, dass sie verheiratet sei. Sie könne auch dort nicht wieder heiraten, weil sie als Verheiratete nach Italien geflogen sei. Wenn sie zurückkomme würden alle schlecht von ihr denken. Lediglich von der falschen Heirat wüssten sie nichts und würden dies auch nicht glauben. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hingegen erklärte die Klägerin, dass ihre Eltern nicht wüssten, dass sie geheiratet hätte und nun wieder getrennt seien. Dies betrifft das Kernelement des Vortrags der Klägerin. Soweit sie auf Vorhalt des Gerichts angab, dass sie vor dem Bundesamt nicht gesagt hätte, dass ihre Eltern glauben würden, dass sie verheiratet sei, sieht das Gericht dies als reine Schutzbehauptung. Die Ausführungen vor dem Bundesamt zur Kenntnis ihrer Eltern von ihrer Heirat sind ausführlich im Protokoll dargestellt und betrafen einen Kern der Befragung und waren Anküpfungspunkt von Nachfragen. Auch ist anzumerken, dass die Klägerin eingangs der mündlichen Verhandlung erklärte, dass sie vor dem Bundesamt die Wahrheit gesagt habe und alles auch entsprechend protokolliert worden sei. Das Gericht geht daher nicht davon aus, dass die Geschehnisse, die die Klägerin vortrug sich so ereignet haben. Unabhängig davon sind im Vortrag der Klägerin selbst bei einer Wahrunterstellung keine Anhaltspunkte für eine flüchtlingsrelevante Vorverfolgung erkennbar. Die Klägerin wäre vielmehr unverfolgt ausgereist, um in Italien eine Scheinehe einzugehen und mit einem anderen Mann zusammenzuleben.
Auch bei einer Rückkehr nach Äthiopien ist nicht davon auszugehen, dass der Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Eine staatliche Verfolgung wurde weder vorgetragen noch ist sie ersichtlich. Der Vortrag der Klägerin hinsichtlich ihrer Befürchtungen bei einer Rückkehr ist aus den oben genannten Gründen unglaubhaft. Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte für eine Verfolgung durch die Familie erkennbar, die zudem auch noch landesweit sein müsste und ohne entsprechenden Schutz durch staatliche Stellen erlangen zu können.
Ferner droht der Klägerin bei einer Rückkehr nach Äthiopien keine Gruppenverfolgung allein aufgrund ihres Geschlechts. Den Erkenntnismaterialien ist zwar zu entnehmen, dass Frauen in Äthiopien in besonderem Maße dem Risiko von Übergriffen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter ausgesetzt sind und Gesetze für Frauen diskriminierende Regelungen beinhalten. (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien Ad hoc aktualisierte Fassung vom 24.4.2020 in der Fassung vom 10.2.2021, Stand des Gesamtberichts: März 2020, S. 15 f.). Die Feststellungen in den Erkenntnismaterialien reichen jedoch zur Annahme einer Gruppenverfolgung nicht aus. Es ist nicht erkennbar, dass Frauen in Äthiopien generell eine derart untergeordnete Stellung hätten, dass sie von der übrigen männlichen Gesellschaft als andersartige Gruppe mit deutlich ab- bzw. ausgegrenzter Identität wahrgenommen würden und als solche generell diskriminierende Unterdrückung von die Menschenwürde verletzender Intensität zu erleiden hätten. Wenngleich Frauen in der Gesellschaft eine untergeordnete Rolle zugewiesen wird, nehmen sie am gesellschaftlichen Leben teil und haben grundsätzlich Bewegungsfreiheit, Zugang zu Bildung, Arbeit und medizinischer Versorgung. Zahlreiche Rechtsnormen und staatliche Maßnahmen dienen ausdrücklich dem Schutz der Frauen, z.B. die Strafbarkeit von weiblicher Genitalverstümmelung und Zwangsentführungen (VG Augsburg, U.v. 15.10.2018 – Au 1 K 17.32523 – juris). Vor dem Hintergrund der äthiopischen Gesetzeslage ist nicht ersichtlich, dass Akte sexueller Gewalt gegen Frauen in Äthiopien in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale erfolgen. Vielmehr sind sie ihrem Charakter nach Teil der allgemeinen Kriminalität und stellen insoweit keine gezielte Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht dar. Hinzu kommt, dass sich die Regierung von Ministerpräsident Abiy für eine Stärkung der Rolle der Frau einsetzt. So ist seit Oktober 2018 das Kabinett paritätisch mit Frauen besetzt und Äthiopien hat erstmals eine weibliche Staatspräsidentin und Präsidentin des obersten Gerichts (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien Ad hoc aktualisierte Fassung vom 24.4.2020 in der Fassung vom 10.2.2021, Stand des Gesamtberichts: März 2020, S. 15 f.).
Auch besehen keinerlei Anhaltspunkte für eine Verfolgung der Klägerin als faktisch alleinstehende Frau wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
Eine Gruppe gilt gem. § 3 b I Nr. 4 AsylG insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Im Einklang mit Art. 10 I Buchst. d RL 2011/95/EU und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH (C-199/12, C-200/12 und C-201/12, ECLI:ECLI:EU:C:2013:720 = NVwZ 2014, 132 Rn. 45 – Minister voor Immigratie en Asiel/X und Y sowie Z/Minister voor Immigratie en Asiel, und EuGH, C-473/16, ECLI:ECLI:EU:C:2018:36 = NVwZ 2018, 643 Rn. 30 – F/Bevándorlási és Állampolgársági Hivatal) müssen die mit den Buchst. a und b gekennzeichneten Voraussetzungen des § 3 b I Nr. 4 Hs. 1 AsylG kumulativ erfüllt sein (BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29/17 – juris). Zum einen steht vorliegend der genaue Status der Klägerin ohnehin nicht fest. Zum anderen ist bereits nicht ersichtlich, dass die äthiopische Gesellschaft Frauen, die verheiratet sind, aber derzeit nicht mit ihrem Ehemann leben, als andersartig betrachtet.
Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat.
Die Entscheidung des Bundesamts in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids, den Antrag der Klägerin im Hinblick auf die Anerkennung als Asylberechtigte abzulehnen, ist bestandskräftig geworden. Die Klägerin hat diese Entscheidung mit ihrer Klage ausdrücklich nicht angegriffen. Ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte würde im Übrigen auch deshalb ausscheiden, weil die Klägerin nach eigenen Angaben von Italien aus in das Bundesgebiet eingereist ist, Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG).
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Dass der Klägerin bei ihrer Rückkehr die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht, hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen. Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Klägerin in Äthiopien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen würden.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645 – juris). Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645 – juris).
Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bei der Klägerin, die keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor.
Im Hinblick auf die Lage in Äthiopien ist festzustellen, dass es trotz zunehmender gewaltsamer ethnischer Konflikte nach aktueller Erkenntnismittellage keinen landesweiten bürgerkriegsähnlichen Zustand gibt. So ist die Militäroffensive der Zentralregierung auf die Region Tigray beschränkt, wenngleich sie Auswirkungen auf die Nachbarregionen und wohl auch Eritrea nach sich zieht. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit lokalen Bedrohungssituationen zu entgehen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien Ad hoc aktualisierte Fassung vom 24.4.2020 in der Fassung vom 10.2.2021, Stand des Gesamtberichts: März 2020, S. 17 f.). Teile Äthiopiens sind friedlich. Durch die Vermeidung konfliktbelasteter Gegenden kann den Konflikten aus dem Weg gegangen werden (vgl. AA, Stellungnahme an VG Schwerin vom 4.12.2020, S. 3). Die Klägerin lebte nach ihren eigenen Angaben in Addis Abeba. Dort sind keine Kampfhandlungen zu befürchten. Bei einer Rückkehr der Klägerin in ihre Heimatregion ist derzeit daher nicht davon auszugehen, dass sie allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.
Schließlich liegen auch keine Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris). Sind Armut und staatliche Mittel ursächlich für schlechte humanitäre Bedingungen, kann dies nur in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645 m.w.N. – juris).
Äthiopien ist bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927,4 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt, auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag (Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 – letzte Kurzinformation eingefügt am 7.7.2020, S. 38). Äthiopien ist traditionell ein Land der Landwirtschaft und Viehzucht, wandelt sich durch massive Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten aber immer mehr zu einem Land mit aufstrebenden Dienstleistungs- und Industriesektoren. Die äthiopische Wirtschaftslage entwickelt sich insgesamt gut. Im Jahr 2016 war ein Wirtschaftswachstum von etwa 8-10% (je nach Quelle) zu verzeichnen. Die Wirtschaft des Landes zählt damit zu den am schnellsten wachsenden der Welt (Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 – letzte Kurzinformation eingefügt am 7.7.2020, S. 39). In den Städten herrscht jedoch eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird. Der wichtigste Erwerbszweig bleibt die Landwirtschaft mit 81% der Erwerbstätigen (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 – letzte Kurzinformation eingefügt am 7.7.2020, S. 39). Es besteht ein hoher Bedarf an humanitärer Versorgung im Rahmen der Dürrehilfe und Abhilfe gegen eine Heuschreckenplage mit einem Volumen von einer Milliarde USD. Darüber hinaus sind 7 Mio. Menschen auf ein staatliches Sozialprogramm zur Ernährungssicherung angewiesen (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 24.4.2020, Stand: März 2020, S. 21). Noch im Vorjahr war das Auswärtige Amt von 7,9 Millionen auf das staatliche Sozialprogramm angewiesenen Menschen ausgegangen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 8.4.2019, Stand: Februar 2019, S. 21). Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass Äthiopien sehr an europäischer Reintegrationsunterstützung für Rückkehrer interessiert ist. Aus dem in Valletta 2015 aufgelegten EU-Treuhandfonds finanziert die EU u.a. eine regionale „Facility on Sustainable and Dignified Return and Reintegration in support of Khartoum Process“, die von IOM umgesetzt wird. Hinzu kommt ein über die ILO umgesetztes EU-Programm zur Reintegrationsunterstützung (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 24.4.2020, Stand: März 2020, S. 22 f.). Insgesamt zeigt sich, dass die Situation für große Teile der Bevölkerung schwierig ist. Gleichwohl bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer keine Nahrungsmittelhilfe erhalten. Für Rückkehrer bieten sich im Übrigen schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur bescheidenen Existenzgründung.
Auch vor dem Hintergrund der von der äthiopischen Regierung getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung des pandemischen Geschehens hinsichtlich der Atemwegserkrankung COVID-19 sowie der Auswirkungen der Heuschreckenplage ergibt sich für das Gericht im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) nicht, dass derzeit die Existenzsicherung der äthiopischen Bevölkerung allgemein gefährdet wäre (vgl. so auch VG Würzburg, U.v. 29.5.2020 – W 3 K 19.31490 – juris Rn. 35 ff.; U.v. 3.7.2020 – W 3 K 19.31666 – juris Rn. 57 ff.; VG Ansbach, U.v. 4.6.2020 – AN 3 K 17.34515 – n.v.; BayVGH, B.v. 26.6.2020 – 23 ZB 20.31311 – n.v.).
Es ist in Äthiopien derzeit weder eine Ausgangsperre oder ein sog. Lockdown verhängt worden. Beschränkungen bestehen insoweit, dass Versammlungen einschließlich religiöse Feiern und Veranstaltungen von mehr als 50 Personen verboten sind. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im öffentlichen Bereich ist vorgeschrieben (Äthiopien: Reise und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes. Stand 8.4.2021). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass Beschäftigungen nachgegangen werden kann. Auch Supermärkte, Straßenverkäufe und kleine Kioske werden weiterhin betrieben, sodass eine Versorgung mit Lebensmitteln grundsätzlich gewährleistet ist. Auch die äthiopische Regierung reagierte mit verschiedenen Maßnahmen, wie beispielsweise einem Konjunkturpaket, Finanzhilfen u.a. zur Verteilung von Nahrungsmitteln, zur Bereitstellung von Notunterkünften sowie zur Unterstützung des Agrarsektors und Steuererleichterungen (vgl. BAMF, Länderinformation – Äthiopien, Gesundheitssystem und Covid-19-Pandemie, November 2020, S. 7). Eine allgemein zunehmende Verschlechterung der pandemiebedingten Situation ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht festzustellen, zumal auch der verhängte Ausnahmezustand inzwischen beendet ist. Auch ist nach Einschätzung des IWF Äthiopien eines der wenigen Länder, dem trotz der Corona-Pandemie für das Jahr 2020 noch ein Wirtschaftswachstum zugetraut worden war, welches im abgelaufenen Fiskaljahr (Juli 2019 bis Juli 2020) tatsächlich auch erzielt wurde (vgl. BAMF, Länderinformation – Äthiopien, Gesundheitssystem und Covid-19-Pandemie, November 2020, S. 8).
Des Weiteren ist auch im Hinblick auf die Folgen der Heuschreckenplage nicht ersichtlich, dass eine Versorgung mit Lebensmitteln in Äthiopien nicht mehr gewährleistet wäre. Dem Gericht liegen daher keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Gesundheits- und Ernährungslage bzw. die wirtschaftliche Lage insgesamt in Äthiopien infolge der Corona-Pandemie und der Heuschreckenplage derzeit derart verschlechtert hätte, dass Rückkehrer grundsätzlich ihr Existenzminimum trotz entsprechender Anstrengungen nicht sicherstellen könnten und ihnen im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erniedrigende Behandlung drohen würde.
Etwas anderer ergibt sich auch nicht aus der persönlichen Situation der Klägerin. Die Klägerin ist jung, gesund und erwerbsfähig. Sie hat Auslandserfahrung und Erfahrung in verschiedenen Berufen. Ferner hat sie durch ihre Reise nach Europa und im Asylverfahren Durchsetzungsvermögen bewiesen. Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nicht in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Bereits soweit die Klägerin angibt, dass eine Rückkehr zum Job bei ihrem Cousin in einer Autowerkstatt nicht möglich sei, überzeugen die allgemeinen Hinweisen auf einen Jobabbau in Äthiopien und die Coronalage bereits nicht, zumal es sich um einen Betrieb eines Verwandten handelt. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, inwieweit eine 7-tägige Quarantäne nach der Einreise, die auch in einer privaten Unterkunft genommen werden kann (vgl. Äthiopien: Reise und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes. Stand 8.4.2021) zur Unzumutbarkeit der Rückkehr führen soll. Überdies geht das Gericht auf Grund der fehlenden Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit (s.o.) ohnehin nicht davon aus, dass die Klägerin auf sich allein gestellt wäre und im Bedarfsfall keine familiäre Unterstützung erhalten würde. Nach alledem ist es der Klägerin zuzumuten, in ihr Heimatland zurückzukehren.
Ebenso wenig besteht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Allerdings kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31646 m.w.N. – juris). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und – wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK – zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.
Nach diesen Maßstäben ist bei der Klägerin ein nationales Abschiebungsverbot nach dieser Bestimmung im Hinblick auf die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend.
Auch ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen besteht nicht.
Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass sich die Klägerin trotz der vermutlich hohen Dunkelziffer an Erkrankten auch in Addis Abeba nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr mit dem Corona-Virus infizieren würde. Außerdem spricht hierfür jedenfalls der in den weit überwiegenden Fällen lediglich milde Krankheitsverlauf, der größtenteils nicht einmal eine medizinische Versorgung erfordert. Nur eine äußerst geringe Anzahl der Erkrankten gerät in einen kritischen Zustand (vgl. zum Ganzen auch VG Würzburg, U.v. 29.5.2020 – W 3 K 19.31490 – juris Rn. 54).
Im Übrigen wird ergänzend auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nach § 83b Asyl nicht erhoben.
Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.


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