Verwaltungsrecht

Kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis wegen Betreuung eines erkrankten Familienangehörigen

Aktenzeichen  W 8 E 19.1631

Datum:
3.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 313
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
AufenthG § 60a
GG Art. 6
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1. Ausnahmsweise schützt Art. 8 EMRK auch die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen Volljährigen, nämlich in Fällen, in welchen ein spezielles Abhängigkeitsverhältnis glaubhaft gemacht wurde. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Abhängigkeitsverhältnis muss dabei in seiner Intensität dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern gleichkommen, was voraussetzt, dass ein Familienmitglied zwingend auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei einer geltend gemachten Betreuungsbedürftigkeit unter erwachsenen Geschwistern ist zu beachten, dass ein Zurücktreten des einwanderungspolitischen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des ausreisepflichtigen Ausländers auf diesem Wege allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn eine unabweisbare Betreuung des ausreisepflichtigen Ausländers zwingend nur durch die in Rede stehende (volljährige) zur Familie gehörende Person sichergestellt werden kann. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben armenische Staatsangehörige. Sie reiste am 11. September 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 20. September 2019 einen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid vom 2. Oktober 2019 als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Hiergegen erhob die die Antragstellerin am 16. Oktober 2019 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg (W 8 K 19.31874). Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss vom 18. Oktober 2019 (W 8 S 19.31875) abgelehnt. Über die Klage hat das Gericht noch nicht entschieden. Am 22. November 2019 stellte die Antragstellerin bei der Zentralen Ausländerbehörde Unterfranken einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen und hilfsweise auf Erteilung einer Duldung. Dieser Antrag wurde bisher nicht verbeschieden. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2019 erging seitens des Antragsgegners eine Eingangsmitteilung hinsichtlich des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit der Aufforderung zur Beibringung der notwendigen Unterlagen. Hierfür wurde der Antragstellerin eine Frist bis zum 18. Februar 2020 gesetzt.
Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2019 ließ die Antragstellerin – neben Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten – beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 22. November 2019 von Abschiebemaßnahmen abzusehen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die Antragstellerin sei gemeinsam mit ihrer Schwester in die Bundesrepublik eingereist. Über den Asylantrag der Schwester habe das Bundesamt noch nicht entschieden, weshalb diese auch nicht vollziehbar ausreisepflichtig sei. Bei der Schwester der Antragstellerin sei 2019 in Armenien Brustkrebs diagnostiziert worden, der mittlerweile auf weitere Körperstellen, insbesondere die Lunge und die Wirbelsäule metastasiert habe. Diese könne gemäß eines Attests des Thoraxzentrums des Bezirks Unterfranken vom 23. September 2019 nicht eigenständig atmen oder laufen und befinde sich in einem sehr schlechten Allgemeinzustand. Nach Attesten des L* . Krankenhauses S* . vom 24. September 2019 und 15. November 2019 sei sie aufgrund der sehr ausgeprägten Metastasierung, vor allem in der Wirbelsäule, nicht im Stande ihren Alltag ohne fremde Hilfe zu bewältigen. Hieraus werde deutlich, dass die Schwester der Antragstellerin pflegebedürftig sei. Sie durchlaufe zudem aktuell eine Chemotherapie und die übliche Tumornachsorge sei daher in Deutschland erforderlich. Zudem übernehme die Antragstellerin die Pflege der Schwester im Alltag. Eine andere Pflegemöglichkeit sei aktuell nicht ersichtlich. Zwischen den beiden bestehe ein besonders großes Vertrauensverhältnis, was sich zum einen aus der familiären Verbundenheit, aber auch aus dem Umstand ergebe, dass die Antragstellerin ein Medizinstudium begonnen und somit die notwendige Fachkompetenz habe, um sich um ihre Schwester zu kümmern. Es dürfe zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Antragstellerin dieselbe Sprache wie ihre Schwester spreche und somit eine adäquate Pflege gewährleistet sei. Aus alldem ergebe sich ein Anspruch auf Duldung gemäß Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK. Es sei der Antragstellerin im Übrigen nicht zuzumuten, eine Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abzuwarten, da ihrem Prozessbevollmächtigten in einem Telefonat mit der Zentralen Ausländerbehörde vom 10. Dezember 2019 mitgeteilt worden sei, dass der Antrag sehr schlechte Erfolgsaussichten habe und in solchen Fällen eine Abschiebung ohne vorherige Ankündigung wahrscheinlich sei. Dies werde anwaltlich versichert.
Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2019 beantragte die Zentrale Ausländerbehörde Unterfranken für den Beklagten, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, es fehle bereits an einem Anordnungsgrund, da konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung der Antragstellerin nicht unmittelbar bevorstünden und auch aktuell seitens der Antragsgegnerin nicht geplant seien. Die Antragstellerin könne aus tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden, da keine Identitätspapiere vorlägen, die eine Abschiebung nach Armenien ermöglichen würden. Diese müssten erst über das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführung beschafft werden. Auch ein Anordnungsanspruch sei nicht ersichtlich. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei derzeit nicht möglich, da die Antragstellerin ihre Passpflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG nicht erfülle, was gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG aber Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels sei. Erst wenn der Zentralen Ausländerbehörde ein gültiger Reisepass der Antragstellerin vorliege, könne über deren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entschieden werden.
Mit Beschluss vom 12. Dezember 2019 übertrug die Kammer den Rechtsstreit auf den Einzelrichter zur Entscheidung.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akten W 8 K 19.31874 und W 8 S 19.31875) sowie die beigezogene Ausländerakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 123 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg, da die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch und keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder es aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. den § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
1. Der Antrag ist zulässig.
Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt trotz der Tatsache vor, dass die Antragstellerin ausweislich der Akten derzeit noch eine am 6. Dezember 2019 ausgestellte, sechs Wochen gültige Duldung besitzt. Zwar erschöpft sich der Regelungsgehalt einer Duldung darin, dass die Vollstreckung der Abschiebung vorübergehend ausgesetzt wird, mit der Folge, dass der Ausländer während der Geltungsdauer der Duldung nicht abgeschoben werden darf (BeckOK Ausländerrecht, 23. Edition, Stand: 1.8.2019, § 60a AufenthG Rn.6). Die Antragstellerin begehrt aber die Aussetzung der Abschiebung bis über ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. Duldung vom 22. November 2019 entschieden worden ist. Dieses Begehren der Antragstellerin geht deshalb über den Regelungsgehalt der bisherigen Duldung hinaus, da unklar ist, wann die Zentrale Ausländerbehörde über den Antrag entscheiden wird und die Antragstellerin letztlich eine Aussetzung bis zu diesem unbekannten Zeitpunkt in der Zukunft begehrt. Sie muss sich diesbezüglich nicht auf die bestehende Duldung verweisen lassen, da nicht sicher ist, ob bis zu deren Ablauf über ihren Antrag vom 22. November 2019 auch tatsächlich entschieden sein wird. Dies gilt trotz der Tatsache, dass es letztlich in der Sphäre der Antragstellerin liegt durch die Beibringung der notwendigen Dokumente, Entscheidungsreife in Bezug auf den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis herzustellen. Es ist aus den vorgelegten Akten und auch sonst nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin dieser Pflicht bisher schuldhaft nicht nachgekommen ist, zumal die Frist zur Beibringung noch bis zum 18. Februar 2020 läuft.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch und keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.
Die Antragstellerin kann sich nicht auf ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK wegen der Beziehung zu bzw. der Betreuung ihrer Schwester berufen. Ein diesbezüglicher Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht.
Nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres privaten Familienlebens. Umfasst hiervon ist die Wahrung der Familieneinheit, jedenfalls in Bezug auf die Kernfamilie, bestehend aus Ehepartner und Kindern. Geschützt ist hierbei das tatsächlich bestehende Familienleben. Eine gelebte Beziehung reicht aus. Anhaltspunkte hierfür sind ein gemeinsamer Haushalt, Art und Länge der Beziehung, Interesse und Bindung der Partner aneinander, gemeinsame Kinder und weitere Umstände wie Sorge um die Gesundheit, Beiträge zur Erziehung und Personensorge. Auch nach Art. 6 GG steht die Ehe und Familie unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung und ist als wertentscheidende Grundsatznorm zu beachten (vgl. VG Hannover, B.v. 17.9.2019 – 5 B 3968/19 – juris; Marx, Kommentar zum AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29 AsylG Rn. 20; Günther in BeckOK, Ausländerrecht, Kluth/Reusch, 23. Edition, Stand 1.8.2019, § 29 AsylG Rn. 43 ff.). Ausnahmsweise schützt Art. 8 EMRK auch die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen Volljährigen, nämlich in Fällen, in welchen ein spezielles Abhängigkeitsverhältnis glaubhaft gemacht wurde (vgl. Hofmann in BeckOK, AuslR, 23. Edition Stand 1.8.2019, Art. 8 EMRK, Rn. 19 m.w.N.). Dieses Abhängigkeitsverhältnis muss dabei in seiner Intensität dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern gleichkommen (vgl. Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 60a AufenthG, Rn. 17), was aber wiederum voraussetzt, dass ein Familienmitglied zwingend auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft (BayVGH, B.v. 4.9.2019 – 19 CE 19.1394). Bei einer geltend gemachten Betreuungsbedürftigkeit unter erwachsenen Geschwistern ist dabei zu beachten, dass ein Zurücktreten des einwanderungspolitischen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des ausreisepflichtigen Ausländers auf diesem Wege allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn eine unabweisbare Betreuung des ausreisepflichtigen Ausländers zwingend nur durch die in Rede stehende (volljährige) zur Familie gehörende Person sichergestellt werden kann (OVG Saarland, B.v. 27.3.2006 – 2 Q 45/05 – BeckRS 2006, 23094).
Ausgehend von vorstehenden Erwägungen ergibt sich ein solches Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Antragstellerin und ihrer Schwester hier aber nicht zwingend. Das Gericht geht aufgrund der vorgelegten ärztlichen Atteste zwar davon aus, dass die Schwester der Antragstellerin aufgrund ihrer Krankheit (metastatsierendes Mammakarzinom) und ihres Allgemeinzustands auf ständige fremde Hilfe angewiesen ist, um den Alltag zu bewältigen. Es ist den vorgelegten Attesten aber lediglich zu entnehmen, dass die Antragstellerin die Pflege ihrer Schwester derzeit wahrnimmt, nicht aber, dass diese Hilfe nur und ausschließlich von der Antragstellerin geleistet werden kann, also dass zwingend eine Unterstützung durch ein anderes Familienmitglied notwendig ist. Den vorgelegten Unterlagen ist zudem nicht das Art und Ausmaß einer zu befürchtenden Gesundheitsverschlechterung zu entnehmen, wenn die notwendige Betreuung und Pflege der Schwester der Antragstellerin nicht durch diese erfolgt.
Im Übrigen weist das Gericht ausdrücklich darauf hin, dass die mit der Abschiebung betraute Zentrale Ausländerbehörde die familiären Belange der Antragstellerin in Bezug auf eine eventuelle Abschiebung zu beachten hat. Insbesondere ist also sicherzustellen, dass die Schwester der Antragstellerin im Falle einer Abschiebung der Antragstellerin die bisher von dieser erbrachten Pflege anderweitig erhält.
Darüber hinaus fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds. Ein Anordnungsgrund liegt nur dann vor, wenn eine vorläufige Sicherung des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes dringlich ist, weil der Antragstellerin unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung unzumutbar ist. Im vorliegenden Fall wurde nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin zum Entscheidungszeitpunkt wegen besonderer Eilbedürftigkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung bedarf. Eine solche erscheint aktuell nicht zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gefahr nötig. Ein solcher besteht gegen eine Abschiebungsandrohung dann nicht, wenn ein Ausländer zwar ausreispflichtig ist, es aber nicht ersichtlich ist, dass eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht (vgl. VG München, B.v. 14.3.2019 – M 5 S 19.50043 – juris).
Eine Abschiebung der Antragstellerin ist zurzeit nicht zu befürchten. Zwar ist diese vollziehbar ausreisepflichtig und erfolgen Abschiebungen ohne vorherige Ankündigung (§ 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG), jedoch hat der Antragsgegner ausdrücklich mitgeteilt, dass konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht unmittelbar bevorstehen und aktuell auch nicht geplant sind. Vielmehr ist eine Abschiebung derzeit aus tatsächlichen Gründen unmöglich, da der Zentralen Ausländerbehörde keine Identitätspapiere der Antragstellerin vorliegen. Diese müssen erst über das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführung beschafft werden. Dass die Übermittlung entsprechender Identitätspapiere derzeit unmittelbar bevorsteht, ist den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen.
Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass die Antragstellerin die Möglichkeit hat durch eine freiwillige Ausreise das Einreise- und Aufenthaltsverbot, welches ihr im Bescheid vom 2. Oktober 2019 auferlegt wurde, wirkungslos werden zu lassen. Nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Eine freiwillige Ausreise, also eine Überstellung in den Herkunftsstaat ohne die Anwendung von Verwaltungszwang, stellt dabei keine Abschiebung in diesem Sinne dar und führt deshalb auch nicht zu einem Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 1 C 26/14 – BVerwGE 153, 24 Rn. 27 zu einer Abschiebungsanordnung sowie BayVGH, B.v. 6.4.2017 – 11 ZB 17.30317 – BeckRS 2017, 107835 Rn. 17). Es besteht in diesem Fall für die Antragstellerin die Möglichkeit über das reguläre Visumsverfahren in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen, um ihre Schwester zumindest zeitweise zu unterstützen.
Nach alldem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Nrn. 1.5 und 8.3 (entsprechend) des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach Nr. 8.3 des Streitwertkatalogs ist bei Klagen bezüglich Abschiebung, isolierte Abschiebungsandrohung vom halben Auffangwert (also 2.500,00 EUR) auszugehen. Nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs war der Streitwert von 2.500,00 EUR im Sofortverfahren zu halbieren, so dass letztlich 1.250,00 EUR festzusetzen waren.
4. Schließlich war nach den vorstehenden Ausführungen mangels Erfolgsaussichten der Prozesskostenhilfeantrag gemäß § 114 ZPO i.V.m. § 166 VwGO abzulehnen. Zudem wurde auch die angekündigte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin nicht vorgelegt.


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