Verwaltungsrecht

Kein internationaler Schutz für konvertierten irakischen Christen aus dem kurdischen Autonomiegebiet

Aktenzeichen  Au 5 K 17.30936

Datum:
29.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 4, § 3a, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 – 3
RL 2011/95/EU Art. 9 Abs. 1a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, S. 5, § 60a

 

Leitsatz

1.  In der Autonomen Region Kurdistan des Irak gibt es keine Anzeichen für eine staatliche Diskriminierung oder Verfolgung von Christen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit einer politischen Verfolgung von Christen durch nichtstaatliche Akteure ist in den kurdischen Autonomiegebieten des Irak derzeit und auch in Zukunft nicht zu rechnen. (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. In der Region Kurdistan-Irak besteht gegenwärtig kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Ein solcher ist auch in naher Zukunft nicht zu erwarten. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2017 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom 7. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, weil die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.
1.1 Soweit der Kläger seine Anerkennung als Flüchtling nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG beantragt, ist die Klage unbegründet.
Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannte Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag aufgrund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Soweit der Kläger geltend macht, dass ihm bei einer Rückkehr in seine Heimat aufgrund seiner bereits seit längerem erfolgten Hinwendung zum Christentum Verfolgungshandlungen im Sinne der § 3, § 3a AsylG drohen, ergibt sich hieraus kein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.
Wird im Herkunftsland eines Asylbewerbers auf dessen Entschließungsfreiheit, seine Religion in einer bestimmten Weise zu praktizieren, durch die Bedrohungen mit Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit eingewirkt, ist dies als Eingriff in die Religionsfreiheit zu prüfen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146, 67 Rn. 21). Eine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1a der Richtlinie 2011/95/EU kann unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 5. September 2012 (Rechtssachen C7 1/11 und C99./11) nicht nur in der schwerwiegenden Verletzung der Freiheit liegen, seine Religion im privaten Rahmen zu praktizieren – Forum Internum -, sondern auch in der Freiheit, den Glauben öffentlich zu leben – Forum Externum – (BVerwG, U.v. 20.2.2013 a.a.O. Rn. 24). Schon das Verbot bestimmter Formen der Religionsausübung zu praktizieren kann eine beachtliche Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1a der Richtlinie 2011/95/EU darstellen, und zwar unabhängig davon, ob sich der davon betroffene Glaubensangehörige tatsächlich religiös betätigen wird oder auf die Ausübung aus Furcht vor Verfolgung verzichtet (BVerwG, U.v. 20.2.2013 a.a.O. Rn. 26). Ein solches Verbot hat aber nur dann die für eine Verfolgungshandlung erforderliche objektive Schwere, wenn dem Ausländer durch die Ausübung seiner Religion mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (BVerwG, U.v. 20.2.2013 a.a.O. Rn. 28).
Die irakische Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Das irakische Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z.B. den Abfall vom Islam. Eine systematische staatliche Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt (vgl. Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18. Februar 2016, S. 9 und vom 7. Februar 2017, S. 11 f.; UK Home Office, Country Information and Guidance: Iraq: Religious minorities, S. 4 ff.). Namentlich in der Autonomen Region Kurdistan gibt es keine Anzeichen für eine staatliche Diskriminierung oder Verfolgung von Christen. Die kurdische Regionalregierung fördert den Kirchenbau und die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen, auch wenn die umfangreichen Enteignungen von christlichem Besitz unter dem alten Regime nicht rückgängig gemacht worden sind (Auswärtiges Amt, Lagebericht Republik Irak vom 7. Februar 2017, S. 18).
Eine individuelle Verfolgung aufgrund seiner Hinwendung zum Christentum hat der Kläger nicht glaubhaft machen können. Sein Vortrag erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass er sich heftige Diskussionen mit muslimischen Glaubensangehörigen innerhalb und außerhalb seiner Familie wegen der unterschiedlichen Religionsinhalte geliefert habe. Diese habe er nach seinem eigenen Vortrag im Wesentlichen nach einer erfahrenen körperlichen Züchtigung durch seinen Vater bzw. Bruder im Jahr 2012 eingestellt. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass es zu dieser körperlichen Züchtigung bzw. Misshandlung des Klägers im Jahr 2012 gekommen ist. Der Kläger hat jedoch weiter vorgetragen, dass er nach diesem Vorfall bis Ende des Jahres 2014 im Irak verblieben sei und es dort zu keinen nennenswerten weiteren Vorfällen gekommen sei. Der Kläger habe dort auch seinen christlichen Glauben nicht weiter öffentlich praktiziert, sondern lediglich einen Austausch im Internet bzw. via Facebook mit anderen christlichen Glaubensangehörigen gepflegt. Lediglich einmal habe er nachts versucht, eine christliche Kirche aufzusuchen, wobei er jedoch enttäuscht darüber war, den Pfarrer nicht anzutreffen. Gesamtbetrachtend vermag das Gericht aus diesem Vortrag nicht zu erkennen, dass der Kläger sein Heimatland im Jahr 2014 in Folge einer nennenswerten Beeinträchtigung bei Betätigung seines christlichen Glaubens verlassen hat. Hierfür fehlt es an belastbaren Anhaltspunkten.
Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers aufgrund dessen zwischenzeitlich erfolgter Taufe von einer glaubwürdigen Hinwendung zum Christentum aus innerer Überzeugung gelangt, vermag dieser Umstand einen Erfolg der Klage nicht zu begründen.
Zwar ist eine Taufe wegen ihrer Bedeutung für die christlichen Glaubensgemeinschaften häufig ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Prüfung, ob ein Übertritt zum christlichen Glauben die religiöse Identität eines Schutzsuchenden prägt (vgl. OVG NRW, B.v. 24.5.2013 – 5 A 1062/12.A – juris Rn. 10).
Dessen ungeachtet liegt für den Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland weder die für eine individuelle Verfolgung erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit noch die Voraussetzung einer Gruppenverfolgung der Christen durch nichtstaatliche Akteure vor. Eine solche ist nach der Erkenntnislage für die Herkunftsregion des Klägers nicht anzunehmen. Für die erforderliche Gefahrenprognose ist bei einer nicht landesweiten Gefahrenlage regelmäßig auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris zu § 60 Abs. 7 AufenthG). Zwar besteht in weiten Teilen des Iraks seit Mitte 2014 eine erhebliche Gefährdung von Christen durch die Terrormiliz des Islamischen Staats (IS), deren Gewalttaten insbesondere auch die Angehörigen religiöser Minderheiten zum Opfer gefallen sind. Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind Christen jedoch in der Herkunftsregion des Klägers, der Region Kurdistan-Irak, weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Christen Zuflucht gefunden (Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 7. Februar 2017, S. 18). Diese Region ist derzeit von den Kämpfen in den Nachbarprovinzen nicht unmittelbar betroffen, auch wenn die Sicherheitslage nach wie vor angespannt ist. Die Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimaniyya gehörten nicht zu den umkämpften und von einer Verfolgung durch die Terrormiliz IS betroffenen Gebieten (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 7. Februar 2017, S. 12). Dabei wird nicht verkannt, dass das Zusammenleben der religiösen Minderheiten und der sonstigen Kurden in der Region Kurdistan-Irak nicht spannungsfrei ist. Es gibt Berichte von Diskriminierungen bei Landerwerb oder Hausbau, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt. Diese erreichen aber nicht die nach § 3a AsylG erforderliche Eingriffsintensität bzw. die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte.
Mit einer politischen Verfolgung von Christen durch nichtstaatliche Akteure ist in der Region Kurdistan Irak auch in Zukunft nicht zu rechnen. Angesichts der zunehmenden Erfolge der Allianz gegen den sogenannten IS kann derzeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Terrormiliz ihren Machtbereich ausdehnen und es in den autonomen kurdischen Provinzen in der Zukunft zu einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure kommen wird. Im Gegenteil sind nach den allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen auch die Grenzgebiete in den westlich und südwestlich gelegenen Provinzen jenseits von Kurdistan-Irak zurückerobert worden und mittlerweile unter dem Einfluss kurdischer und irakischer Sicherheitskräfte. Auch ist es nach den vorigen Erkenntnissen nicht von vornherein ausgeschlossen, dass staatliche Stellen in Kurdistan-Irak auch zum Schutz religiöser Minderheiten tätig werden.
Diese aus den ins Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln vermittelte Lage deckt sich auch mit den Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2017. So hat der Kläger beispielsweise ausgeführt, dass es in der Stadt … den Stadtteil … gebe, in dem ca. 40.000 Christen weitgehend unbehelligt lebten. Es käme zwar gelegentlich zu Beleidigungen gegenüber christlichen Glaubensangehörigen; darüber hinausgehende gewalttätige Konflikte hat der Kläger jedoch nicht geschildert bzw. aufgezeigt. Daher ist für den Kläger, der selbst aus der Großstadt … stammt, eine Rückkehr in diesen Stadtteil gefahrlos möglich.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Subsidiär schutzberechtigt ist nach dieser Vorschrift, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die vorgenannten Gefahren müssen dabei gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG in der Regel von dem in Rede stehenden Staat oder den ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen ausgehen. Die Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure kann hingegen nur dann zu subsidiärem Schutz führen, wenn der betreffende Staat selbst nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu gewähren. Auch subsidiärer Schutz wird nicht zuerkannt, wenn der Ausländer internen Schutz in Anspruch nehmen kann (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG).
Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG wegen der von ihm geltend gemachten Hinwendung zum Christentum. Der Kläger ist jedenfalls bei einer Rückkehr in das Kurdische Autonomiegebiet, aus dem er stammt, und in dem seine Familie nach wie vor lebt, nicht gefährdet.
Die Gefahr eines ernsthaften Schadens in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG kann vorliegend nicht festgestellt werden. Für die Beurteilung der Frage des Bestehens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist, sofern der Konflikt nicht landesweit besteht, auf die Herkunftsregion des Klägers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Ist für die maßgebliche Region eine individuelle Bedrohung entweder wegen gefahrerhöhender individueller Umstände oder ausnahmsweise wegen eines besonders hohen Niveaus allgemeiner Gefahren im Rahmen eines bewaffneten Konflikts anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob der Kläger in anderen Teilen des Irak, in denen derartige Gefahren nicht bestehen, internen Schutz finden kann (vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris).
Der Kläger stammt aus … in der Autonomen Region K. Das Gericht geht aufgrund der Auskunftslage davon aus, dass in der Region Kurdistan-Irak zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG stattfindet und auch in naher Zukunft nicht zu erwarten ist. Die Truppen der Terrormiliz IS sind nicht mit Erfolg in diese Region vorgedrungen. Vielmehr suchen viele Binnenflüchtlinge aus den übrigen Landesteilen des Irak in der Autonomen Region Kurdistan Zuflucht (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 7. Februar 2017, S. 6; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Sicherheitssituation in der KRG-Region vom 28. Oktober 2014 mit Update vom 28. März 2015).
Individuelle gefahrerhöhende Umstände, die zu einer Verdichtung der allgemeinen Gefahren in der Person des Klägers führen könnten, sind bei einer Rückkehr in das Kurdische Autonomiegebiet nicht ersichtlich bzw. zu befürchten.
3. Das Bundesamt hat im angegriffenen Bescheid auch zutreffend ausgeführt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht gegeben sind (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, werden dabei nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Entscheidungen nach § 60a AufenthG berücksichtigt. Das Bayerische Staatsministerium des Inneren hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012, Gz.: IA2-2081.13-15, in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehöriger grundsätzlich, ausgenommen sind Straftäter aus den Autonomiegebieten, nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiter im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass dieser faktische Abschiebestopp derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich im Irak bestehender allgemeiner Gefahren vermittelt.
Allgemeine Gefahren im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG können im Übrigen bei Vorliegen einer Schutzlücke und nur dann Schutz vor Abschiebung begründen, wenn der Ausländer einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzung ausgeliefert würde und diese Gefahren alsbald nach seiner Rückkehr und landesweit drohten (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris; U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319; VGH BW, U.v. 14.5.2009 – A 11 S 610/08 – juris).
Sofern man davon ausgeht, dass für kurdische Volkszugehörige, die aus den Kurdischen Autonomiegebieten stammen, eine Rückführung jedenfalls nach Erbil derzeit möglich ist, ist eine solche extreme allgemeine Gefahrenlage für den Kläger jedenfalls nicht ersichtlich. Der Kläger ist in Kurdistan-Irak aufgewachsen und hat dort auch vor der Ausreise seinen Lebensunterhalt bestritten. Der Kläger verfügt über Kenntnisse in der IT-Branche und ist in dieser bereits beruflich tätig gewesen. Der Kläger ist auch nicht in der schwierigen sozio-ökonomischen Lage der übrigen Binnenflüchtlinge in Kurdistan-Irak. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass der Kläger als erwerbsfähiger junger gesunder Mann mit entsprechender Berufserfahren in Kurdistan-Irak seinen Lebensunterhalt durchaus sicherstellen kann.
4. Die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes genügt den gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Der Kläger ist insbesondere nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG).
5. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist ebenfalls rechtmäßig. Die im angefochtenen Bescheid hierzu erfolgten Ermessenserwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden.
6. Die Klage war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.


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