Verwaltungsrecht

Kein internationaler Schutz und kein Abschiebungsverbot für Kläger aus Nigeria

Aktenzeichen  M 9 K 17.40105

Datum:
28.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 27219
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 4, § 3c Nr. 3, § 3e, § 4 Abs. 1, Abs. 3 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, S. 5
EMRK Art. 3
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greift, liegt trotz der in Nigeria herrschenden harten Lebensbedingungen nicht vor. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Über den Rechtsstreit konnte trotz Ausbleibens der Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung am 28. September 2018 entschieden werden. In der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (die Anerkennung als Asylberechtigter wurde nicht beantragt), auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 (oder anderen Absätzen) AufenthG (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 6. Mai 2017 ist daher rechtmäßig. Es wird insoweit zunächst in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) Bezug genommen. Außerdem wird noch das Folgende ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Dabei ist es Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Unabhängig davon, ob das Vorbringen glaubhaft ist, kommt eine Flüchtlingsanerkennung des Klägers deswegen nicht in Betracht, weil es in Ansehung des geltend gemachten Vorbringens dazu, warum der Kläger Nigeria verlassen habe, bereits an einer Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG fehlt. Zusammengefasst hat der Kläger vorgebracht, dass er deswegen angegriffen und verfolgt worden sei, weil sein Onkel, der seinen Vater getötet hätte, hinter ihm her gewesen sei, weil er das Erbe des Klägers habe an sich bringen wollen. Außerdem sei der Onkel des Klägers Mitglied einer „Kultisten“-Bewegung bzw., laut den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, der Ogboni gewesen. Selbst wenn das so zu Grunde gelegt wird, liegt hierin keine Anknüpfung an einen der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe. Selbst wenn unterstellt wird, dass das Vorbringen des Klägers zutrifft, beinhaltet das Vorgebrachte keine Anknüpfung an eine Verfolgung wegen einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG aufgezählten asylerheblichen Merkmale. Diese Anknüpfung ist nach dem Gesetz ohne weiteres auch bei einer Verfolgung wie hier geltend gemacht durch nichtstaatliche Personen / Organisationen erforderlich. Fehlt es an der Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal, kommt es auch nicht darauf an, ob ein schutzbereiter Staat vorhanden ist. § 3c Nr. 3 AsylG wie auch § 3d AsylG beziehen sich auf eine Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, ergänzt durch § 3b AsylG; d.h. auch eine nichtstaatliche Verfolgung durch Private bzw. nichtstaatliche Einheiten ist nur insoweit flüchtlingsrelevant, als sie wegen einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG aufgezählten Merkmale erfolgt, ebenso ist das Vorhandensein eines schutzbereiten Staates nur insoweit erforderlich, soweit eine Verfolgung in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG aufgezählten Merkmale vorliegt. Eine (auch nur zugeschriebene) Anknüpfung an eine Verfolgung wegen einem der § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, § 3b Abs. 1 AsylG genannten Merkmale lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen. Eine solche liegt nicht schon in der Geltendmachung einer Verfolgung durch einen angeblichen Ogboni-Angehörigen, zumal nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung weiterhin ganz eindeutig das Trachten nach der Erbschaft der Grund für die angebliche Verfolgung des Klägers durch den Onkel gewesen ist; diesem Grund fehlt aber ersichtlich jeder Bezug zu einem asylerheblichen Merkmal. Daran ändert auch die Behauptung der Klägerbevollmächtigten in der Klagebegründung, wonach zwar Hintergrund der Flucht des Klägers zunächst eine Familienstreitigkeit sei, wegen des großen Einflusses des Onkels des Klägers jedoch weit darüber hinaus gehe, nichts, denn auch von der Klägerbevollmächtigten wurde nicht aufgezeigt, dass eine Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal (und an welches) vorliegt.
Unabhängig davon hat das Gericht durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des vom Kläger vorgetragenen Vorbringens zu den Gründen seines Weggangs aus Nigeria. Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung enthält viele erhebliche Abweichungen von den Angaben des Klägers in der Anhörung beim Bundesamt und von dem Vortrag in der schriftlichen Klagebegründung, so dass die Angaben des Klägers insgesamt nicht glaubhaft sind. Insbesondere hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erstmals angegeben, dass es sich bei der Kult-Bewegung, welcher der Onkel angeblich angehört, um die Ogboni handeln soll. Anders als die Klägerbevollmächtigte meint, macht es sowohl für die Überprüfung und Überprüfbarkeit der klägerischen Angaben als auch für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vortrags einen erheblichen Unterschied, ob der Kläger, wie in der Anhörung beim Bundesamt und in der schriftlichen Klagebegründung, eine namentlich nicht bezeichnete Kult-Bewegung (in der Klagebegründung „Kultis“) angibt, was für den Kläger den Vorteil hat, dass auch ein mit den Verhältnissen in Nigeria vertrauter Bearbeiter hierzu nichts sinnvoll überprüfen kann, und in der mündlichen Verhandlung plötzlich eine Gruppe nennt, die es zumindest sicher wirklich gibt; zumal es sich bei den Ogboni um eine Gruppe / einen „Geheimbund“ handelt, den in Nigeria jeder kennt und jeder so bezeichnet, so dass der Einwand, der Kläger habe mit Kult-Gruppe eben die Ogboni gemeint, nicht verfängt, weil er dann in der Anhörung auch Ogboni gesagt hätte. Auf den Vorhalt an den Kläger in der mündlichen Verhandlung, dass er sich erstmals auf die Ogboni bezieht, kam auch keine Erklärung, geschweige denn eine nachvollziehbare, seitens des Klägers selbst. Unabhängig davon hat der Kläger auch wesentliche Einzelheiten, die zum Kernbereich seines Verfolgungsvorbringens gehören, mehrfach komplett anders und widersprüchlich geschildert. Insbesondere hat der Kläger dazu, wie genau und wie oft der Onkel ihm nach dem Leben getrachtet hat, drei verschiedene Versionen angeboten. In der Anhörung beim Bundesamt (Bl. 22 der Bundesamtsakte) hat der Kläger nur allgemein angegeben, der Onkel habe ihm beim Kläger zuhause bedroht / verfolgt und zwar „ganz oft“. In der schriftlichen Klagebegründung seiner Bevollmächtigten wurde dann, ohne Erläuterung, warum der Kläger das nicht bereits in seiner Anhörung angegeben hat, von zwei konkreten Angriffen des Onkels mit jeweils vier Helfern berichtet. In der mündlichen Verhandlung schließlich hat der Kläger auf die ausdrückliche Aufforderung des Gerichts, die Gründe für seine Verfolgung im Zusammenhang selbst zu schildern, nur von einem konkreten Angriff im März 2014 – bei der Anhörung beim Bundesamt (Bl. 22 der Bundesamtsakte) hat der Kläger ausdrücklich angegeben, die Verfolgungen / Bedrohungen hätten im Oktober 2014 angefangen – berichtet. Auf den entsprechenden Vorhalt des Gerichts (Sitzungsprotokoll Seite 4 dritter Absatz von oben), hat der Kläger diesen Widerspruch bzw. diese Widersprüche auch nicht sinnvoll und nachvollziehbar erklärt. Der Kläger hat auf den Vorhalt vielmehr angegeben, er habe nur von einem Angriff berichtet, weil nur nach einem Angriff gefragt worden sei; das stimmt jedoch gerade nicht, weil das Gericht gerade und ausdrücklich offen gefragt und den Kläger gebeten hat, im Zusammenhang selbst seine Verfolgungsgründe vorzutragen. Den Widerspruch des Klägers hinsichtlich der Angaben im Zusammenhang mit dem Tod der Mutter und seiner Rückkehr nach Hause (vgl. Sitzungsprotokoll Seite 3 unten und Seite 4 oben) hat die Klägerbevollmächtigte dem Kläger selbst vorgehalten. Die bloße Behauptung des Klägers hierzu, dass ihn der Dolmetscher bei der Anhörung offenbar falsch verstanden habe, ist nicht überzeugend. Denn der Kläger hat auf dem Kontrollbogen (Bl. 28 der Bundesamtsakte) bestätigt, dass das rückübersetzte Protokoll seinen Angaben entspricht, an statt hier zu monieren, wenn er angeblich falsch wiedergegeben worden wäre. Wiederum unabhängig ist der Vortrag des Klägers auch für sich genommen nicht glaubhaft. Insbesondere ist in keiner Weise nachvollziehbar, dass der Vater des Klägers – angeblich verursacht durch den Onkel – im Jahr 1998 / 1999 umgekommen sei (Bl. 21 der Bundesamtsakte), die Verfolgung durch den Onkel gegenüber dem Kläger wegen des Erbes des Vaters aber erst im März (in der mündlichen Verhandlung) oder im Oktober 2014 (in der Anhörung, Bl. 22 oben der Bundesamtsakte) angefangen haben soll.
Wiederum unabhängig davon gilt hinsichtlich der behaupteten drohenden Verfolgung, dass zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen ist, dass in diesem Fall ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht bzw. interner Schutz zur Verfügung steht (§ 3e AsylG). Es steht außer Frage, dass der Kläger nach einer Rückkehr nach Nigeria in einen anderen Landesteil ziehen könnte, wo er von der Person, die nach seinen Angaben hinter ihm her gewesen sei, mit asylrechtlich hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht belangt werden würde – wiederum unterstellt, dass das insoweit angegebene Verfolgungsvorbringen stimmen würde. Soweit der Kläger angibt bzw. angeben lässt, diese Person sei Mitglied eines – vom Kläger in der Anhörung und auch in der schriftlichen Klagebegründung nicht einmal benannten – Kults, laut Angaben in der mündlichen Verhandlung soll es sich plötzlich um die Ogboni handeln, und deswegen so einflussreich, dass der Kläger nahezu überall Entdeckung fürchten müsste, ändert das nichts. Denn unter Berücksichtigung der vollkommen spärlichen, nichtssagenden Angaben des Klägers hierzu ist nicht ersichtlich, dass das mehr als eine Schutzbehauptung des Klägers ins Blaue hinein ist. Es wird in keiner Weise nachvollziehbar und bezogen auf nachprüfbare Einzelheiten aufgezeigt, auf Grund welcher ganz besonderen Umstände die Person des Onkels so weit herausgehoben sein soll und so einen überragenden Einfluss auf die Polizei haben sollte, dass sie eine landesweite Verfolgung des Klägers sicherstellen kann. Unabhängig davon hat der Kläger in der Anhörung beim Bundesamt sogar angegeben, sich während seines zweijährigen Aufenthalts in Lagos den Nachstellungen entzogen zu haben, bis er wegen der angeblichen Bedrohung seiner Mutter nach Hause zurückgegangen sei; es ist kein Grund ersichtlich, warum es nicht wieder möglich sein sollte, dass sich der Kläger durch einen Ortswechsel der angeblichen Bedrohung entzieht.
Ergänzend wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG), dort Seite 3 unter 1. und 2. bis Seite 6.
2. Den beantragten (unionsrechtlichen) subsidiären Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG kann der Kläger ebenfalls nicht beanspruchen, wofür ergänzend auf die zu § 3 AsylG erläuterten Gründe verwiesen wird.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Im Herkunftsstaat hat dem Kläger keine derartige Gefahr gedroht. Weshalb ihm bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden, insbesondere eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder gar die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) drohen sollte, ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar geworden. Schließlich besteht in Nigeria auch kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Unabhängig davon gilt die inländische Fluchtalternative auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG.
Ergänzend wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG), dort Seite 6 unter 3. bis Seite 7.
3. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig, soweit das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde. Andere Abschiebungsverbote kommen nicht in Betracht, weil dafür überhaupt keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte bestehen.
Bei den national begründeten Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und dem nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 16 f.).
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht vor.
§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Maßgeblich sind die Gesamtumstände des jeweiligen Falls und Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2010 – 10 C 11/09 – juris Rn. 14). Ein Abschiebungsverbot infolge der allgemeinen Situation der Gewalt im Herkunftsland kommt nur in Fällen ganz extremer Gewalt in Betracht und auch schlechte humanitäre Bedingungen können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bei den in Nigeria vorherrschenden harten Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris LS 3 und Rn. 14; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 38), liegt nicht vor.
Auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Bundesamts wird auch insofern Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG), dort Seite 7 unter 4. bis Seite 8 unten. Ergänzend dazu wird noch ausgeführt, dass auch die wirtschaftliche Situation in Nigeria ein Abschiebeverbot aus humanitären Gründen nicht rechtfertigen kann. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass nach der derzeitigen Erkenntnislage die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage für die Mehrheit der Bevölkerung in Nigeria problematisch ist. Bei den mit der schwierigen ökonomischen Situation verbundenen Gefahren handelt es sich jedoch um Gefahren, die einen Großteil der Bevölkerung in Nigeria betreffen und die für sich keine Verletzung von Art. 3 EMRK i.S.d. Rechtsprechung des EGMR begründen (vgl. auch dazu BVerwG, B.v. 25.10 2012 – 10 B 16/12 – juris Rn. 8 f.).
Anhaltspunkte für einen besonderen Ausnahmefall, in dem humanitäre Gründe in der Person des Klägers zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung bzw. gegen eine Rückführung nach Nigeria sprechen, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Für den Kläger kann auf Grund seiner individuellen Voraussetzungen und konkreten Lebenssituation bei einer Rückkehr nach Nigeria keine mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende besondere – außergewöhnliche – Gefahrenlage angenommen werden. Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben die Schule bis zum Alter von 19 Jahren besucht, wenn auch nur, laut den Angaben des Klägers, ab einem Alter von 14 Jahren (Bl. 20 der Bundesamtsakte), was zusammen immerhin fünf Jahre Schulbesuch ergibt. Diese Schulbildung des Klägers erweist sich damit für nigerianische Verhältnisse als überdurchschnittlich – die Analphabetenquote beträgt bei Männern 30 Prozent, bei Frauen sogar rund 50 Prozent (s. Auswärtiges Amt, Länderinformation/Nigeria/Kultur und Bildung unter www.auswäertiges-amt.de, Stand: März 2017). Der noch junge und arbeitsfähige Kläger wird daher auch im Falle der Rückkehr nach Nigeria in der Lage sein, den Lebensunterhalt für sich sicherzustellen. Außerdem hat der Kläger nach seinen Angaben (ebenfalls Bl. 20 der Bundesamtsakte) als Fliesenleger gearbeitet, weswegen die Erwartung besteht, dass er auf Grund seines Erfahrungswissens in diesem Bereich wieder arbeiten kann.
4. Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung nach Nigeria gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist ebenfalls rechtmäßig; die Voraussetzungen hierfür liegen vor, wie sich aus den Ausführungen oben 1. – 3. ergibt. Einen asylunabhängigen Aufenthaltstitel hat der Kläger nicht.
5. Bedenken gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Klage wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgewiesen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO und §§ 708ff. ZPO.


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