Verwaltungsrecht

Kein Rechtsbehelf gegen unselbstständige behördliche Verfahrenshandlungen (Anhörung)

Aktenzeichen  M 2 K 16.30167

Datum:
16.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 44a, § 75
AsylG AsylG § 3, § 4
VwVfG VwVfG § 51 Abs. 1-3

 

Leitsatz

Eine Klage mit dem Begehr der Anhörung ist nach § 44a VwGO unzulässig, da die Anhörung eine unselbstständige (nämlich das Asylfolgeverfahren nicht abschließende) Verfahrenshandlung darstellt. (redaktioneller Leitsatz)
Für eine auf reine Verbescheidung durch das Bundesamt gerichtete Untätigkeitsklage besteht kein Rechtsschutzinteresse (ebenso VGH München BeckRS 2016, 49369). (redaktioneller Leitsatz)
Die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG ist nicht eingehalten, wenn der Antragsteller von dem Wiederaufgreifensgrund für das Asylfolgeverfahren bereits vor sechs Jahren erfahren hat, auch wenn er erst wesentlich später wieder nach Deutschland eingereist ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten kann über die Klage ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist unzulässig.
Soweit die Beklagte verpflichtet werden soll, den Kläger anzuhören, wird die Verpflichtung zu einer unselbstständigen, nämlich das Asylfolgeverfahren nicht abschließenden Verfahrenshandlung begehrt; dies ist nach § 44a VwGO unzulässig (Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 44a Rn. 12).
Soweit die Beklagte verpflichtet werden soll, einen Bescheid zu erlassen, fehlt dem Kläger das Rechtsschutzinteresse. Eigentliches Anliegen des Klägers ist die Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 GG) oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 u. 4 AsylG). Darauf ist die Verpflichtungsklage jedoch nicht gerichtet, vielmehr ist sie als Bescheidungsklage formuliert, wofür im Asylrecht kein Rechtsschutzinteresse besteht (vgl. BayVGH, B. v. 07.07.2016 – 20 ZB 16.30003 – S. 4 UA; BVerwGE, B. v. 21.11.1983 – 9 B 10044/82 – juris Rn. 3).
Im Übrigen hätte die Klage auch dann keinen Erfolg, wenn der Klageantrag, obwohl er von einem Rechtsanwalt formuliert wurde, gemäß § 88 VwGO dahin gehend verstanden würde, dass die Beklagte im Wege der Untätigkeitsklage verpflichtet werden soll, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen oder ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Bundesamt wegen der im Jahr 2015 sprunghaft angestiegenen Zahl von Asylanträgen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) „ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat“ (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und der Beklagten gemäß § 75 Satz 3 VwGO eine Entscheidungsfrist zu setzen wäre. Denn jedenfalls würden die vom Kläger zur Begründung seines Folgeantrags abgegebenen Erklärungen nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und damit möglicherweise zur Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung führen.
Stellt ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat, neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbei geführt haben würden, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 VwVfG). Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tage beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).
Im hier zu entscheidenden Fall beruft sich der Kläger auf den Wiederaufgreifensgrund der nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage, indem er vorträgt, er sei (gemeint ist wohl: nach Abschluss seines Asylerstverfahrens) zum Christentum übergetreten und dies werde seit Dezember 2008 (im Iran) mit dem Tode bestraft. Allerdings hat der Kläger, der nach seinen Angaben bereits Anfang Mai 2009 zuletzt aus dem Iran ausgereist ist, die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht eingehalten, denn von dem behaupteten Wiederaufgreifensgrund hatte der Kläger nach seinen Angaben bereits vor seiner im Mai 2009 erfolgten Ausreise aus dem Iran erfahren. Selbst wenn der Kläger, wie von ihm behauptet, erst am 8. Januar 2015 erstmals wieder nach Deutschland eingereist sein sollte, kann bei dem seit der letzten Ausreise aus dem Iran vergangene Zeitraum von fast sechs Jahren nicht angenommen werden, dass die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG eingehalten wurde. Da der Asylfolgeantrag mithin verfristet ist, kommt auch nicht darauf an, ob die nicht näher substantiierte Behauptung des Klägers, er sei zum Christentum übergetreten, zutrifft.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.


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