Verwaltungsrecht

Kein Rechtsschutzbedürfnis für Klage eines Ruhestandsbeamten gegen dienstliche Beurteilung

Aktenzeichen  AN 16 K 17.01895

Datum:
11.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2377
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 21
VwGO § 173 S. 1
ZPO § 227 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Wird eine Terminaufhebung bzw. -verlegung nur einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt, muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit besteht. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einer Klage gegen eine dienstliche Beurteilung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn es aufgrund des lange zurückliegenden Beurteilungszeitraums offenkundig ausgeschlossen ist, dass der Beurteilung noch Bedeutung zukommen kann. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen eine dienstliche Beurteilung entfällt grundsätzlich mit der Beendigung des Beamtenverhältnisses. Dies gilt auch im Falle einer vorzeitigen Zurruhesetzung jedenfalls dann, wenn keine Reaktivierung mehr in Betracht kommt. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht trotz Ausbleibens des Klägers aufgrund eines entsprechenden Hinweises in der ordnungsgemäßen Ladung entscheiden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), erweist sich als unzulässig.
1. Den Gesuchen des Klägers, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, war das Gericht vorliegend nicht verpflichtet nachzukommen.
Eine Terminverlegung ist gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 ZPO nur aus erheblichen Gründen zulässig. „Erhebliche“ Gründe sind nur solche Umstände, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebotes erfordern (BVerwG, B.v. 23.1.1995 – 9 B 1/95 – NJW 1995, 1231).
a) Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 30. Januar 2020 zur Begründung seines Verlegungsgesuchs darlegte, dass zunächst das Bundesverwaltungsgericht zur Klärung der Frage der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 53 VwGO anzurufen sei und das Verfahren bis zu einer Entscheidung auszusetzen sei, ergibt sich hieraus ersichtlich eindeutig kein erheblicher Grund für eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung. Denn das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach hat sich bereits mit Beschluss vom 13. Januar 2020 für örtlich zuständig erklärt. Für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das nächsthöhere Gericht war aufgrund der eindeutigen Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach nach § 52 Nr. 4 VwGO schon deshalb kein Raum. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht mit einem Beschluss vom 10. Februar 2020 sowohl den Antrag des Klägers auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts als auch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach die Durchführung der mündlichen Verhandlung untersagt werden sollte, abgelehnt hat.
b) Ebenfalls zu keiner Terminverlegung führt die dem Gericht am 10. Februar 2020 – einen Tag vor der mündlichen Verhandlung – übermittelte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ausgestellt von Dr. med. …, vom 10. Februar 2020.
aa) Eine kurzfristige, überraschende Erkrankung mit darauf folgender Unzumutbarkeit des Erscheinens oder des Verhandelns stellt zwar in der Regel einen erheblichen Grund für eine Terminsänderung dar. Im Fall eines erst kurz vor dem Termin gestellten Verlegungsantrags sind jedoch besondere Anforderungen an das vorzulegende ärztliche Attest zu stellen. Denn bei der mit einer Erkrankung begründeten Beantragung einer Terminsaufhebung bzw. -verlegung, nur einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung, muss der Verhinderungsgrund wegen der damit verbundenen Missbrauchsgefahr so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit besteht. Nur die Vorlage eines ärztlichen Attestes, welches den Beteiligten nicht nur eine Erkrankung überhaupt, sondern eine nachvollziehbar dargelegte krankheitsbedingte Verhinderung (im Sinne einer Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit) bescheinigt, ist grundsätzlich als ausreichende Entschuldigung anzusehen (BayVGH B.v. 25.4.2018 – 12 ZB 17.1072 – juris Rn. 3).
Diesen Anforderungen genügt die vorgelegte ärztliche Bescheinigung ersichtlich eindeutig nicht. Denn in dieser wird lediglich pauschal dargelegt, dass der Kläger nicht reisefähig sei. Woraus sich dieses Ergebnis der ärztlichen Feststellung ergibt, bleibt völlig unklar. Für eine hinreichende Plausibilisierung wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass sich eine Angabe über die Art der Erkrankung in der ärztlichen Bescheinigung wiederfindet, die es dem Gericht ermöglicht hätte die ärztliche Feststellung der Reiseunfähigkeit nachzuvollziehen. Im Übrigen verwundert es doch sehr, wie ein im Ruhestand befindlicher Beamter arbeitsunfähig sein kann. Nachdem der Kläger dem Gericht auch keine Telefonnummer oder Faxnummer mitgeteilt hat, hatte das Gericht auch erkennbar keine Möglichkeit in der verbliebenen Zeit bis zur mündlichen Verhandlung etwaige Hinweise zu seinem unzureichenden Vortrag zu erteilen.
bb) Unabhängig von Vorstehendem erweist sich das Terminverlegungsgesuch unter bloßer Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Überzeugung des Gerichts vorliegend als rechtsmissbräuchlich, denn der Kläger versucht unter Berücksichtigung des bisherigen Gangs des Verfahrens – zu erwähnen sind hier insbesondere der (ebenfalls) rechtsmissbräuchlich gestellte Befangenheitsantrag sowie die Anträge und Ausführungen, mit denen der Kläger letztlich eine Entscheidung durch ein anderes Gericht erzielen will – ersichtlich eine Entscheidung durch das Gericht zu verhindern. Bei der Frage, ob einem Antrag auf Terminsverlegung stattzugeben ist, sind auch das Verhalten des Klägers oder andere Umstände, die auf das Bestehen einer Prozessverschleppungsabsicht schließen lassen, zu berücksichtigen (BayVGH B. v. 8.11.2019 – 5 ZB 19.33789 – Rn. 19;). Darüber hinaus hat der Kläger in keiner Weise substantiiert dargelegt, dass er in einer mündlichen Verhandlung noch etwas vorzubringen habe. Er beschränkte sich vielmehr auf die unkommentierte Vorlage der eingangs bezeichneten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. In einem solchen Fall drängt sich dem Gericht die Rechtsmissbräuchlichkeit des Vorgehens des Klägers geradezu auf.
2. Die Unzulässigkeit der Klage ergibt sich vorliegend aus dem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für sein Klagebegehren.
a) Dies folgt bereits daraus, dass die angegriffene dienstliche Beurteilung vom … 2010 einen Beurteilungszeitraum (… 2007 bis … 2010) erfasst, der bereits derart weit zurückliegt, dass es aufgrund des enormen Zeitablaufs offenkundig ausgeschlossen ist, dass der angegriffenen dienstlichen Beurteilung noch Bedeutung zukommen kann. Insoweit ist aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls eine Ausnahme von dem Grundsatz, wonach das Rechtsschutzbedürfnis aufgrund des Vorliegens zwischenzeitlich aktuellerer dienstlicher Beurteilungen nicht entfällt, geboten (vgl. hierzu BVerwG U.v. 19.12.2002 – 2 C 31/01 – juris; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, § 11 Rn. 66). Der Stichtag der angefochtenen Beurteilung datiert auf den … 2010 und liegt damit bereits über 10 Jahre zurück. Damit liegt die dienstliche Beurteilung derart weit in der Vergangenheit, dass ein Rückgriff des Dienstherrn ersichtlich eindeutig – losgelöst von dem Umstand, dass der Kläger wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde (hierzu sogleich) – in jedem Fall ausscheiden würde, weil sie nicht mehr geeignet wäre, den aktuellen Leistungs- und Befähigungsstand widerzuspiegeln. Schließlich hätte der Dienstherr noch zwei dienstliche Beurteilungen aktuelleren Datums (Beurteilungen mit den Stichtagen … 2012 und … 2014), auf die er unter Umständen – ergänzend zu einer aktuellen Regel-/Anlassbeurteilung – zurückgreifen könnte (vgl. zur Relevanz allein der letzten beiden planmäßigen Regelbeurteilungen bei Gleichstand nach der aktuellen Beurteilungslage BVerwG U.v. 29.1.2013 – 1 WB 60.11 – juris Rn. 36).
b) Jedenfalls aber ist das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers mit der Zurruhesetzung wegen dauernder Dienstunfähigkeit mit Ablauf des Monats Mai 2014 entfallen. Denn der für die Gewährung von Rechtsschutz maßgebende Zweck einer dienstlichen Beurteilung, Grundlage für am Leistungsprinzip orientierte Personalentscheidungen zu sein, entfällt grundsätzlich mit der Beendigung des bestehenden Beamtenverhältnisses. Eine auf Abänderung der dienstlichen Beurteilung gerichtete Klage ist daher schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen. Dies gilt auch im Falle einer vorzeitigen Zurruhesetzung jedenfalls dann, wenn keine Reaktivierung mehr in Betracht kommt. Die bloße abstrakte Möglichkeit, dass der Dienstherr den Kläger wieder zum Beamten ernennen könnte, steht der Erledigung der Zweckbestimmung nicht entgegen (stRspr. vgl. nur BVerwG U.v. 13.6.1985 – 2 C 6/83 – juris; BayVGH B.v. 3.11.2016 – 6 ZB 15.2243 – BeckRS 2016, 110010).
So liegt der Fall hier. Der Kläger ist durch bestandskräftige Verfügung vom 23. Mai 2014 mit Ablauf des 31. Mai 2014 wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Für eine Reaktivierung des Klägers bestehen in Anbetracht des amtsärztlichen Gutachtens des Landratsamtes … vom 6. Februar 2014 und den darin attestierten multiplen gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, sowie der Feststellungen der mit der Frage der Dienstunfähigkeit befassten Gerichte, keinerlei Anhaltspunkte. Nach den rechtskräftigen Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach beruht die vorzeitige Zurruhesetzung wegen dauernder Dienstunfähigkeit alternativ auf psychiatrischen und orthopädischen Erkrankungen (vgl. VG Ansbach U.v. 18.11.2015 – AN 11 K 14.01468). Schon dem amtsärztlichen Gutachten vom 6. Februar 2014 ist zu entnehmen, dass die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt nicht wahrscheinlich sei. Der Einwand des Klägers, dass er erst 56 Jahre alt und die weitere Entwicklung nicht vorhersehbar sei, bezieht sich erkennbar auf eine bloß abstrakte Möglichkeit einer Reaktivierung, die ausgehend eingangs aufgezeigter Maßstäbe jedoch gerade nicht ausreichend ist. Dass sich sein Gesundheitszustand seit der Ruhestandsversetzung maßgeblich verbessert hätte, trägt der Kläger nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit trifft das Gericht nicht, weil es davon ausgeht, dass die Beklagte vor Rechtskraft der Entscheidung nicht vollstreckt.


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