Verwaltungsrecht

Kein selbständiger Zwischenstreit über Art und Umfang des Akteneinsichtsrechts im Rahmen eines laufenden Verwaltungsverfahrens

Aktenzeichen  B 6 K 18.278

Datum:
13.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24063
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 29 Abs. 3, Art. 29
VwGO § 44a, § 44a, § 114, §113 Abs.1, § 161 Abs. 2
AufenthG § 59 Abs. 1 S. 6, § 60 Abs. 5, Abs.7 S. 1

 

Leitsatz

1 Zu den nicht selbständig anfechtbaren Verfahrenshandlungen gehört auch die Entscheidung der Behörde über die Art und Weise der Gewährung von Akteneinsicht (Anschluss an BayVGH BeckRS 2013, 50826).  (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei einem Akteneinsichtsbegehren im Rahmen eines noch nicht abgeschlossenen aufenthaltsrechtlichen Verwaltungsverfahrens handelt es sich um eine (vorbereitende) Akteneinsicht nach Art. 29 BayVwVfG, auf die § 44a VwGO anwendbar ist. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3 Da bei der Herausgabe von Behördenakten im Original besondere Vorsicht und Zurückhaltung geboten ist und diese überdies in der Regel sofort verfügbar sein müssen, kann es ermessensgerecht sein, einem Bevollmächtigten die Einsichtnahme in Originalakten durch Übersendung in dessen Kanzlei oder eine andere Behörde zu verweigern.  (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Bewillig von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt O* …wird abgelehnt.
2. Das Verfahren wird eingestellt.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
4. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger, Staatsangehöriger Eritreas, reiste am 05.12.2016 erstmals ins Bundesgebiet ein, stellte am 09.12.2016 einen Asylantrag und wurde verpflichtet, in der Aufnahme- und Rückführungseinrichtung O* … in B* …zu wohnen.
Mit Bescheid vom 27.04.2017 lehnte das Bundessamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (Ziff. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Ziff. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 4). Die Behörde hielt auf der Grundlage eines Eurodac-Treffers 2 nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern Italien für zuständig für die Behandlung des Asylantrages.
Nachdem das Bundesamt der Regierung … – Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) am 24.05.2017 mitgeteilt hatte, der Bescheid sei seit 09.05.2017 bestandskräftig, betrieb die Ausländerbehörde seine Überstellung nach Italien im Wege der Luftabschiebung.
Da die evangelische Kirchengemeinde P* … in …, wo sein Bruder wohnt, das Bundesamt am 03.08.2017 darüber informiert hatte, der Kläger sei seit 02.08.2017 dort ins Kirchenasyl aufgenommen worden, bat die Ausländerbehörde die Polizeiinspektion S* … am 11.08.2017 die Maßnahme zu stornieren.
Mit Telefax vom 23.10.2017 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Vorlage einer Vollmacht wegen „Asyl u.a.“ mit, er sei von ihm mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragt worden und beantragte diesbezüglich Akteneinsicht durch Übersendung der Akten an seine Kanzlei, hilfsweise an die Ausländerbehörde der Stadt U**.
Am 07.11.2017 erklärte er sich mit der vom Beklagten angebotenen Übersendung einer Kopie der Akte nicht einverstanden. Eine Übersendung von Kopien biete keine Gewähr dafür, dass er eine vollständige Kopie der Akte – gegebenenfalls mit geschwärzten Teilen – bekomme, sondern dass die Akte weder paginiert würde noch sonst zu erkennen sei, welche Teile nicht kopiert und übersandt worden seien. Damit sei für ihn vollkommen unklar, wo gegebenenfalls welche Aktenbestandteile fehlten. Wenn Teile der Akte nicht zur Kenntnis gebracht werden dürften, seien die entsprechenden Seiten nicht einfach „herauszunehmen“, sondern in geeigneter Form um die Inhalte zu „bereinigen“, die nicht bekannt gegebenen werden dürfen, beispielsweise um den konkreten Zeitpunkt der geplanten Abschiebung falls die Voraussetzungen von § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG vorliegen.
Mit Beschluss vom 19.12.2017 ordnete das Verwaltungsgericht Augsburg auf Antrag des Klägers vom 30.10.2017 die aufschiebende Wirkung der Klage vom 30.10.2017 gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 27.04.2017 an (Au 1 S 17.50351, Au 1 K 17.50350). Das Gericht begründete die Entscheidung damit, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei aufgrund verschiedener Umstände davon auszugehen, dass der Bescheid dem Kläger nicht ordnungsgemäß zugestellt worden und der Zustellungsmangel nicht habe geheilt werden können. Deshalb sei der Antrag zulässig. Begründet sei der Antrag, weil die Überstellungsfrist am 02.10.2017 abgelaufen sei.
Mit Bescheid vom 26.02.2018 entschied der Beklagte, es werde Akteneinsicht gewährt (Ziff. 1). Sie erfolge nach Wahl durch Übersendung einer Kopie der Akte an die Kanzlei oder durch elektronische Übersendung eines Scans an die Kanzlei oder durch Einsichtnahme an der Dienststelle B* … der ZAB (Ziff. 2 a – c). Eine Übersendung der Originalakten an die Kanzlei oder an eine räumlich naheliegende andere Behörde erfolge nicht (Ziff. 3).
Eine Versendung der Originalakte außer Haus lehnte der Beklagte ab, weil die Akten zur durchgängigen Bearbeitung des Falls benötigt würden.
Mit Telefax vom 20.03.2018 erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers Klage und beantragte, den Bescheid des Beklagten vom 26.02.2018 aufzuheben und ihn zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Übersendung der von dem Beklagten zur Person des Klägers geführten Akten an die Kanzlei seines Bevollmächtigten oder die der Kanzlei nächstgelegene Ausländerbehörde unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Ebenfalls am 20.03.2018 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers weiter beantragt,
dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt
O* … zu bewilligen.
Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die vom 06.12.2017 datiert und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen lediglich die Angabe enthält, der Kläger sei Asylbewerber, wurde am 12.07.2018 vorgelegt.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Klage sei zulässig. Insbesondere greife § 44a VwGO nicht zu Lasten des Klägers ein. Denn der Kläger habe die Verfahrenshandlung „Gewährung von Akteneinsicht“ unabhängig von einem laufenden Verwaltungsverfahren begehrt. Nach ihrem Wortlaut sei die Vorschrift jedoch nur für Verfahrenshandlungen innerhalb eines Verwaltungsverfahrens einschlägig. Für die Klage bestehe weiter ein Rechtsschutzbedürfnis, auch wenn sie nur darauf gerichtet sei, dass die Akte an die Kanzlei übersandt werde. Die Klage sei darüber hinaus auch begründet, weil das Interesse des Klägers, die Akten im Original übersandt zu bekommen, um eine zeit- und kostenintensive Einsichtnahme in den Amtsräumen des Beklagten zu vermeiden und anhand der Originale prüfen zu können, ob die Akten vollständig seien, das Interesse des Beklagten überwiege, die Akte nicht herauszugeben.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.04.2018 beantragt, die Klage abzuweisen.
Er führt aus, die Klage sei unzulässig, weil die Ablehnung der Versendung der Akten in die Büroräume des Prozessbevollmächtigten nicht isoliert anfechtbar sei. Zudem fehle es dafür am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter damit ihre Rechtsposition nicht verbessern könnten.
Im Laufe des Gerichtsverfahrens nahm der Prozessbevollmächtigte auf Antrag vom 22.05.2018 bis 04.06.2018 in seiner Kanzlei Einsicht in die dem Gericht vollständig vorgelegte Originalbehördenakte.
Mit Telefax vom 04.07.2018 bzw. mit Schriftsatz vom 17.07.2018 gaben der Prozessbevollmächtigte des Klägers und der Beklagte Hauptsacheerledigungserklärungen ab.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt O* … wird abgelehnt.
a) Gemäß § 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Wird Prozesskostenhilfe bewilligt, so ist in Verfahren ohne Anwaltszwang nach § 121 Abs. 2 ZPO ein Anwalt beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich ist.
Hinreichende Erfolgsaussicht für Rechtsverfolgung oder -verteidigung liegt vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es muss also aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird.
Maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages. Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme ein (§ 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ein (BayVGH, B. v. 10.02.2016 – 10 C 15.849 – juris Rn. 3; st. Rspr.). Die Prozesskostenhilfeunterlagen wurden erst dann vollständig vorgelegt, wenn beim Gericht neben dem Antrag auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechende Belege eingereicht wurden (§ 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Ist das Hauptsacheverfahren bereits durch beiderseitige Erledigungserklärungen beendet, scheidet die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich aus, weil sie voraussetzt, dass die Rechtsverfolgung noch „beabsichtigt“ ist. Nur dann wenn die antragstellende Partei bereits vorher alles Erforderliche für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe getan hat, kommt ausnahmsweise eine rückwirkende Gewährung in Betracht (BayVGH, B. v. 02.05.2018 – 9 ZB 17.1451 – juris Rn, 5).
Nach diesen Grundsätzen trat hier die Entscheidungsreife erst am 12.07.2018 ein, als die noch ausstehenden PKH-Unterlagen bei Gericht eingingen. Zu diesem Zeitpunkt bot die mit der Klage beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
b) Die Klage ist bereits unzulässig, weil der Kläger gegen die Ablehnung der Akteneinsicht nicht selbständig vorgehen kann.
Gemäß § 44a Satz 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden.
Zu den nicht selbständig anfechtbaren Verfahrenshandlungen gehört auch die Entscheidung der Behörde über die Art und Weise der Gewährung von Akteneinsicht (BayVGH, B. v. 19.04.2013 – 5 CE 13.643 – BayVBl 2014, 29/30). § 44a VwGO setzt aber weiter voraus, dass es sich bei der begehrte Akteneinsicht um eine (vorbereitende) Akteneinsicht nach Art. 29 BayVwVfG im Rahmen eines auf den Erlass eines anderen Sachentscheidung gerichteten Verwaltungsverfahrens handelt und nicht um den Antrag auf isolierte Akteneinsicht außerhalb des laufenden Verwaltungsverfahrens (Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 44a VwGO Rn. 42). Sachentscheidung kann dabei auch ein Realakt sein, wenn dagegen Rechtsschutz in Anspruch genommen und in diesem Zusammenhang auch die Rechtmäßigkeit des zum Erlass des Realaktes führenden Verfahrens überprüft werden kann (Ziekow, a.a.O. Rn. 31).
Die Voraussetzungen des § 44a VwGO liegen vor.
Die streitgegenständliche Entscheidung der Behörde, dem Klägerbevollmächtigten Akteneinsicht in die Originalakten in seinen Kanzleiräumen oder in den Diensträumen der Ausländerbehörde der Stadt U* …zu gewähren, ist eine Verfahrenshandlung.
Bei dem Akteneinsichtsgesuch handelte es sich nicht um einen Antrag auf isolierte Akteneinsicht außerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens. Vielmehr leitete die ZAB, die für den Kläger, der verpflichtet war, in der Aufnahme – und Rückführungseinrichtung Oberfranken in B* … seinen Wohnsitz zu nehmen, zuständig ist, von Amts wegen ein Verwaltungsverfahren ein. In diesem fortlaufenden Verfahren werden dem Kläger bis heute Aufenthaltsgestattungen erteilt. Weiterhin betreibt die Behörde seit 28.06.2017 von Amts wegen seine Überstellung nach Italien und damit ein mit einem Realakt endendes Verwaltungserfahren, das mit der Aufnahme ins Kirchenasyl storniert werden musste. Im Rahmen dieses noch nicht abgeschlossenen aufenthaltsrechtlichen Verwaltungsverfahrens begehrte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 23.10.2017 Akteneinsicht. Dafür spricht neben dem Betreff der ihm erteilten Vollmacht, der lautet „Asyl u.a.“, auch, dass ihm laut Sachverhaltsdarstellung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg v. 19.12.2017 (BA S. 8) am 11.10.2017 Akteneinsicht in die Bundesamtsakte gewährt wurde. Damit spricht alles dafür, dass er auf der Grundlage des aktuellen Sachstands den Sachverhalt sowohl in asyl- als auch in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht prüfen wollte und deshalb die Ausländerakte einsehen wollte.
Dem kann der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht mit Erfolg entgegenhalten, es habe kein laufendes Verwaltungsverfahren vorgelegen, solange er es nicht durch einen Antrag z.B. auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eingeleitet habe. Denn auch wenn die Behörde ein Verwaltungsverfahren mit belastenden Folgen von Amts wegen eingeleitet hat, mutet das Gesetz dem Kläger zu, den Erlass der behördlichen Entscheidung abzuwarten und den geltenden gemachten Anspruch auf Herausgabe der Originalakten in einem anschließenden Prozess durchzusetzen.
c) Unbeschadet davon ist die Klage auch unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte erneut über eine Übersendung der Originalakten in die Kanzleiräume seines Prozessbevollmächtigten oder in die Diensträume der Ausländerbehörde der Stadt U** entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
Gemäß Art. 29 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG erfolgt die Akteneinsicht bei der Behörde, die die Akten führt. Art. 29 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG sieht vor, dass Organen der Rechtspflege die Akten zur Einsicht vorübergehend in die Geschäftsräume hinausgegeben werden können. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde erfolgen (Art. 29 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 BayVwVfG).
Besteht damit kein Anspruch auf Herausgabe der Akten, sondern steht die Herausgabe im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (Adolph in Adolph/Käß/Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand März 2018, Art. 29 BayVwVfG Rn. 84), hat der Kläger Anspruch auf eine am Zweck des Gesetzes orientierte ermessensgerechte Berücksichtigung und Würdigung seiner Belange. Dabei sind die Erfordernisse einer effektiven leistungsfähigen Verwaltung und gleichermaßen die des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG zu berücksichtigen. Eine Verpflichtung des Beklagten durch Bescheidungsurteil ist auszusprechen, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des begehrten Verwaltungsaktes vorliegen und eine Ablehnung auf Ermessensfehlern beruht (Kopp, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 114 VwGO Rn. 5).
Die Ablehnung der Herausgabe der einzelnen Teile der Originalakten, deren Kenntnis zur Geltendmachung der Interessen des Klägers erforderlich ist, war nicht ermessensfehlerhaft.
Zu Recht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass bei der Herausgabe von Behördenakten im Original besondere Vorsicht und Zurückhaltung geboten ist. Sie sind in aller Regel nur einmal vorhanden und bei Verlust oder Beschädigung meist nicht reproduzierbar. Zudem müssen die Akten während eines laufenden Verwaltungsverfahrens sofort verfügbar sein, um auf neu auftretende Entwicklungen umgehend reagieren zu können (BayVGH, a.a.O.; Adolph, a.a.O., Art. 29 BayVwVfG Rn. 85). Hinter diesen sachgerechten Gesichtspunkten hat der Beklagten zu Recht das Interesse des Prozessbevollmächtigten zurücktreten lassen, die Ausländerakten im Original in seiner Kanzlei oder im Ausländeramt der Stadt U** einsehen zu können. Denn das Argument, nur anhand der Originalakte könne er die in jedem Fall erforderliche Überprüfung vornehmen, ob die Akten vollständig seien oder ob die Behörde vor dem Kopieren oder Einscannen Teile davon entfernt hat, hat bei der Abwägung weniger Gewicht als die Einwände, bei einer Versendung bestünde das Risiko, dass Originalakten verloren gehen und im Bedarfsfall nicht zur Verfügung stehen.
Das befürchtete „Aussortieren“ von Aktenstücken scheitert zum einen in aller Regel bereits daran, dass die hohe Arbeitsbelastung der ZAB eine gezielte Herausnahme einzelner Aktenteile vor dem Kopieren oder Einscannen schon aus zeitlichen Gründen nicht zulässt. Zum anderen kann der Prozessbevollmächtigte im Rahmen des Akteneinsichtsrechts nicht beanspruchen, ortsnah anhand der Originalakten seinem generellen Verdacht nachzugehen, Ausländerbehörden „bereinigten“ vor der Einsichtnahme die Akten. Denn den Ausländerbehörden ist nach Erfahrung des Gerichts sehr wohl bekannt, dass sie auch im Verwaltungsverfahren gemäß Art. 29 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, der insoweit von der bundesrechtlichen Regelung abweicht, die einzelnen Teile der Akten zur Verfügung zu stellen haben, deren Kenntnis das rechtliche Interesse seines Klägers erfordert, so dass sich darauf, aber auch nur darauf, das Akteneinsichtsrecht erstreckt (Adolph, a.a.O. Art. 29 Rn. 20). Schließlich stand es dem Prozessbevollmächtigten frei, wie in Ziffer 2c der Entscheidung vom 26.02.2018 angeboten, die Originalakten in den Diensträumen der ZAB einzusehen, um der Frage nachzugehen, ob ihm wesentlichen Aktenstücke vorenthalten wurden.
2. Die Parteien haben die Hauptsache mit den am 04.07.2018 bzw. 18.07.2018 bei Gericht eingegangen Erklärungen in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
3. Nach § 161 Abs. 2 VwGO ist über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. In der Regel entspricht es der Billigkeit, demjenigen die Kosten zu überbürden, der im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Bei der Billigkeitsentscheidung ist jedoch auch zu berücksichtigen, auf wen das erledigende Ereignis zurückzuführen ist.
Billigem Ermessen entspricht es hier, die Verfahrenskosten dem Kläger aufzuerlegen.
Auch zum Zeitpunkt unmittelbar vor dem erledigenden Ereignis, d.h. als der Prozessbevollmächtigte Anfang Juni 2018 im Rahmen des Gerichtsverfahrens Akteneinsicht genommen hatte, wäre er, hätte das Gericht streitig entschieden, unterlegen. Auch zu diesem Zeitpunkt war die Klage unzulässig, weil die in § 44a VwGO normierte negative Zulässigkeitsvoraussetzung vorlag, unzulässig und zudem auch nicht begründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf eine erneute Bescheidung hatte, der die Rechtsauffassung zu Grunde zu legen wäre, die Originalakten seien in die Kanzleiräume des Prozessbevollmächtigten oder die Diensträume des Ausländeramtes der Stadt U** zu versenden.
4. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 62 Satz 1 GKG, § 52 Abs. 2 GKG.


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