Verwaltungsrecht

Kein subsidiärer Schutz in Afghanistan

Aktenzeichen  W 1 K 18.30631

Datum:
19.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25614
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 4, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Nr. 3
AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7, Abs. 8 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Dem Kläger droht keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in der Provinz Maydan-Wardak. In der Zentralregion, zu der die Provinz Maydan-Wardak gehört, lag die Anschlagswahrscheinlichkeit im Jahr 2017 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des BVerwG weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Selbst unter Einrechnung eines gewissen „Sicherheitszuschlages“ wird die kritische Gefahrendichte noch nicht erreicht. Soweit das Gutachten an das VG Wiesbaden vom 28. März 2018 ausführt, es bestehe allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan im gesamten Staatsgebiet die Gefahr, einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden, so handelt es sich hierbei um eine allein dem erkennenden Gericht vorbehaltene rechtliche Würdigung, der auch keine Indizwirkung zukommen kann. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan ergibt sich derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 4. Januar 2017 ist – soweit er noch Gegenstand dieser Klage ist – einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung sowie des Einreise – und Aufenthaltsverbotes rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl I S. 2780 ff.) geändert worden ist (AsylG), anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
1. Der Kläger hat vorliegend nicht glaubhaft machen können, dass er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes aufhält, insbesondere hat er bereits keine Vorverfolgung in Afghanistan glaubhaft darlegen können. Das geschilderte Verfolgungsvorbringen, wonach der Kläger wegen der angenommenen Beteiligung an einem Tötungsdelikt durch die Familie des Opfers sowie die Taliban verfolgt worden sei und er zudem von der Polizei gesucht werde, erscheint – auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung – an mehreren Stellen ungereimt und lebensnah nicht nachvollziehbar, sodass das Gericht davon ausgeht, dass der Kläger in Gänze nicht über tatsächliche Ereignisse im Heimatland berichtet hat. Das Vorbringen erscheint zudem insgesamt vage und unsubstantiiert, so dass dieses auch aus diesem Grunde nicht zu überzeugen vermochte.
So ist bereits im Ausgang des gesamten Vorbringens nicht plausibel, dass der Cousin des Klägers, nachdem er sich mit seiner Ehefrau versöhnt habe, diese in unmittelbarem zeitlichen Nachgang erschießt. Ein Tötungsdelikt hat daher nach Überzeugung des Gerichts bereits nicht stattgefunden. Soweit der Kläger sodann zentral darauf abstellt, dass er in Gefahr sei, da ihn in dem Wohnort der Ehefrau viele Leute gesehen hätten, so müssen diese gleichfalls gesehen haben, dass der Kläger im Gegensatz zu seinem Cousin das Haus, in dem die Schüsse gefallen seien, gar nicht betreten, sondern davor gewartet hat. Darüber hinaus sei dann der Cousin mit der Pistole aus dem Haus gekommen und habe mit dieser auch den Kläger bedroht, damit dieser schnell losfahre. Auch dieser Vorgang kann den nach Schilderungen des Klägers zahlreich anwesenden Personen des Ortes nicht verborgen geblieben sein, so dass nicht nachvollziehbar ist, wie der Kläger angesichts dieser eigenen Bedrohung in Verdacht geraten sein soll, die Tat ausgeführt oder auch nur an ihr beteiligt gewesen zu sein. Aus diesem Grunde ist auch die vorgetragene nachfolgende Verfolgung des Klägers und die gegenüber dessen Vater ausgesprochene Todesdrohung nicht glaubhaft. Nicht plausibel erscheint vor diesem Hintergrund auch, dass der Kläger unmittelbar nach diesem Vorfall nach Kabul geflüchtet sein will, was angesichts dessen, dass er zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht gewusst hat, was sich in dem Haus zugetragen hat, nicht zu überzeugen vermag. Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang angibt, dass er zumindest gewusst habe, dass etwas Schlimmes passiert sei und dass er damit in Verbindung gebracht würde, so ist dem entgegenzuhalten, dass der Kläger an der Tat selbst nicht beteiligt war, was – wie bereits ausgeführt – von den Menschen vor Ort auch beobachtet worden ist. All dies muss dem Kläger auch bewusst gewesen sein. Die angebliche Gefahr für den Kläger erschließt sich daher aus alledem nicht. Widersprüchlich erscheint darüber hinaus, dass der Kläger beim Bundesamt erklärt hat, dass er nach der Tat in sein Heimatdorf gefahren sei, bei seiner Familie die Autoschlüssel abgegeben habe und dann unmittelbar nach Kabul geflüchtet sei. Auf nähere Nachfrage hat er erklärt, dass er in der Nähe des Parkplatzes, von dem aus er nach Kabul aufgebrochen sei, die Schlüssel des Autos des Vaters an seinen Bruder übergeben und dann schnell zum Parkplatz gerannt sei (so auch: Protokoll über die mündliche Verhandlung, S. 2 f.). Dieser Schilderung lässt sich entnehmen, dass der Kläger gar nicht mehr bei seinem Elternhaus gewesen ist. Demgegenüber ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 10. Februar 2017 vortragen, dass er zu seiner Familie gefahren sei und den Vorfall geschildert habe (so auch im Ärztlichen Attest vom 17. Juli 2018). Diese beiden Schilderungen lassen sich nicht miteinander in Einklang bringen.
Darüber hinaus kann dem Kläger insbesondere auch nicht abgenommen werden, dass die Familie der getöteten Frau mit den Taliban in Verbindung gestanden habe. Der Kläger hat die Taliban im Rahmen seines freien Vortrages vor dem Bundesamt nur ganz am Ende sehr pauschal erwähnt, indem er erklärt hat, „dass das Gesetz dort in den Händen dieser Leute sei, die seien alle Taliban“ (vgl. Niederschrift der Bundesamtsanhörung, S. 5). Auf eine spätere Nachfrage hat der Kläger dann auch nur erklärt, dass die Polizei in der Heimatregion sehr schwach sei und die Familie der Getöteten mit den Taliban „verbandelt“ sei. Dieser sehr oberflächliche und unsubstantiierte Vortrag hinsichtlich etwaiger Verbindungen zur Organisation der Taliban erscheint dem Gericht – auch angesichts des persönlichen Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung – vielmehr konstruiert, was auch dadurch bestärkt wird, dass der Kläger die Taliban im Rahmen der erneuten zusammenhängenden Schilderung seiner Fluchtgründe zu Beginn seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung bezeichnenderweise gar nicht erwähnt hat.
Soweit der Kläger darüber hinaus nach seiner Anhörung beim Bundesamt mit Schriftsätzen vom 10. Februar 2017, 28. Juni 2018, 4. Juli 2018 sowie in der mündlichen Verhandlung Weiterungen dahingehend vorgetragen hat, dass die Familie der Getöteten seine Eltern immer wieder nach ihm gefragt habe, seine Familie aufgrund seines Verschwindens immer wieder bedroht worden sei, die Taliban seine Familie nach einem Umzug aufgespürt und sie konkret mit dem Tode bedroht hätten, wenn der Kläger nicht binnen zwei Wochen ausgeliefert würde, der Cousin zwischenzeitlich festgenommen worden sei und den Kläger belastet habe, sodass die Polizei nach ihm suche und seine Familie Afghanistan schließlich verlassen habe, so kann auch all diesem weiteren Fluchtvorbringen nach Überzeugung des Gerichts nicht geglaubt werden, was sich bereits aus der Unglaubhaftigkeit der Ausgangsverfolgung, wie oben dargestellt, ergibt. Darüber hinaus hält das Gericht den gesamten nach der Anhörung beim Bundesamt erfolgten inhaltlich weitergehenden Fluchtvortrag für eine asyltaktische Steigerung, um dem Klagebegehren nach Ablehnung durch das Bundesamt noch zum Erfolg zu verhelfen. Auffällig ist hierbei insbesondere, dass der Kläger beim Bundesamt in keiner Weise vorgetragen hat, dass er nach seiner Ausreise weiterhin gesucht worden sei, was jedoch angesichts der sich aufdrängenden Bedeutsamkeit eines derartigen Vorbringens zu erwarten gewesen wäre (sofern tatsächlich erfolgt). Das Gericht geht daher davon aus, dass eine Nachsuche bzw. Bedrohungen der Familie bis zum Zeitpunkt der Anhörung beim Bundesamt tatsächlich nicht erfolgt sind. Hält man sich jedoch wiederum vor Augen, dass die Anhörung am 22. November 2016 und damit bereits mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Verlassen des Heimatlandes erfolgt ist, so erscheint es völlig abwegig, dass erst danach Nachfragen und Bedrohungen eingesetzt haben sollen. Vielmehr wären diese bei einem realen Geschehensablauf kurzfristig nach der Tat zu erwarten gewesen und nicht mit einem derartig großen zeitlichen Abstand. Vielmehr ist die Steigerung des Vorbringens hier geradezu augenfällig. Vor der Ablehnung des Asylbegehrens hat der Kläger beim Bundesamt nicht von einer Nachsuche und Bedrohungen berichtet, im Schreiben der Klägerbevollmächtigten vom 10. Februar 2017 dann erstmals von Nachfragen nach dem Kläger. Nach der Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrages durch Beschluss vom 11. Mai 2018 wurde das Vorbringen dann durch Schriftsatz vom 28. Juni 2018 wiederum dahingehend gesteigert, dass die Familie des Klägers bedroht worden sei und schließlich am 4. Juli 2017 nochmals dahingehend, dass nunmehr auch Familienmitglieder des Klägers umgebracht werden sollten und diese nun im Begriff seien, ihrerseits Afghanistan zu verlassen. Die damit – angeblich – stets intensiver werdende Bedrohungslage für die Familie des Klägers, um diesem habhaft zu werden, steht in diametralem Widerspruch zum zunehmendem zeitlichen Abstand zu dem angeblichen Tötungsdelikt, das nunmehr bereits mehr als vier Jahre zurückläge. Das Vorbringen erscheint bei lebensnaher Betrachtung daher konstruiert und allein asyltaktisch motiviert.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Drohbrief der Taliban, in welchem diese dem Kläger eine Beteiligung an der Tötung der Ehefrau des Cousins vorwerfen und ihn auffordern, sich unverzüglich bei dem Gericht der Taliban zu melden. Das Schriftstück datiert vom 6.2.1393 nach afghanischen Kalender (entspricht 26. April 2014) und müsste daher unmittelbar nach der angeblichen Tat ausgestellt worden sein, nachdem der Kläger beim Bundesamt angegeben hat, vor etwa zwei Jahren und sieben Monaten, mithin Ende April 2014, ausgereist zu sein. Es erscheint in keiner Weise nachvollziehbar, dass der Kläger von der Existenz dieses Briefes nichts gewusst haben und ihn erst am 14. Juli 2018 erhalten haben will, seine Eltern jedoch bereits am Tag der Ausstellung, dem 6.2.1393, also vor mehr als vier Jahren. Es ist nicht lebensnah erklärbar, dass die Eltern ein derartiges Dokument, das von Bedeutung für das Asylverfahren des Klägers in Deutschland sein kann, derartig lange zurückhalten bzw. den Kläger nicht hierüber informieren. Es handelt sich nach Überzeugung des Gerichts vielmehr um einen weiteren Baustein in der Steigerung des Sachvortrages, so dass das Gericht dem Drohbrief unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen keinerlei Beweiskraft beimisst. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 31. Mai 2018 (vgl. dort S. 29), wonach echte Dokumente unwahren Inhalts in Afghanistan in erheblichem Umfang existieren und es daher kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten gebe.
Unglaubhaft erscheint schließlich auch der Vortrag im Schriftsatz vom 4. Juli 2018, wonach der Cousin des Klägers nunmehr festgenommen worden sei und der Polizei berichtet habe, dass er die Tötung seiner Ehefrau zusammen mit dem Kläger geplant habe, um selbst eine geringere Strafe zu erhalten. Diesbezüglich geht das Gericht ebenfalls von einer asyltaktischen Steigerung des Vorbringens aus; auf die obigen Ausführungen wird diesbezüglich verwiesen. Wie sich in diesem Zusammenhang eine etwaige Beteiligung des Klägers an der Tat auf das Strafmaß des Cousins auswirken sollte, erschließt sich dem Gericht überdies nicht. Unabhängig davon ergäbe sich selbst bei Wahrunterstellung dieses Elements des Vorbringens jedoch daraus keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung, da sich der Kläger damit lediglich einem regulären strafrechtlichen Verfahren infolge eines geäußerten Anfangsverdachts ausgesetzt sähe, in dem die (Nicht-) Beteiligung des Klägers an der Tat zu klären wäre. Dass der Kläger hierbei eine unverhältnismäßige bzw. diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung oder gar die Todesstrafe zu erwarten hätte, § 3a Abs. 2 Nr. 4 AsylG, erscheint weder beachtlich wahrscheinlich noch wurde dies vorgetragen; der Kläger verwies in der mündlichen Verhandlung darauf, dass ihn eine langjährige Gefängnisstrafe erwarte. Vielmehr wäre zu erwarten, dass er – entsprechend obiger Ausführungen – mithilfe der seinerzeit vor dem Haus der Ehefrau des Cousins sich aufhaltenden Dorfbewohner seine Unschuld zügig würde beweisen können. Vor dem Hintergrund der nach der Erkenntnismittellage geringen Präsenz von regierungsfeindlichen Kräften in der Provinz Bamiyan (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 79 f.) erscheint es auch abwegig, dass dort nach dem Umzug der Familie des Klägers abends die Taliban gekommen seien und die Familie bedroht sowie „der Polizei aufgetragen“ hätten, dass der Kläger gesucht werden solle.
2. Schließlich mangelt es für einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter Zugrundelegung der klägerischen Ausführungen vorliegend zusätzlich daran, dass die vorgetragene Verfolgung nicht kausal auf einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG beruht. Eine Verfolgung durch die Familie der Ehefrau des Cousins bzw. durch die Taliban würde nicht auf einen der dort abschließend angegebenen Gründe zurückzuführen sein, auch nicht unter Berücksichtigung dessen, dass hierfür eine Zuschreibung dieser Gründe ausreichend ist, § 3b Abs. 2 AsylG. Denn hierfür hat der Kläger nichts vorgetragen und es ist darüber hinaus auch nichts Entsprechendes ersichtlich.
Der Kläger ist nach alledem nicht vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist und es ist nichts dafür ersichtlich, dass er mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nach seiner Rückkehr dorthin mit einer Verfolgung nach § 3 AsylG zu rechnen hätte.
II.
Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
1. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist bereits nicht glaubhaft dargelegt worden. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG verwiesen werden.
2. Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Maydan-Wardak. In der Zentralregion, zu der die Provinz Maydan-Wardak gehört, wurden im Jahre 2017 2.240 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Annual Report 2017 Afghanistan, Februar 2018, S. 7). Die Anschlagswahrscheinlichkeit lag damit für die Zentralregion im Jahr 2017 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebericht vom 31.5.2018) hat sich die Bedrohungslage für Zivilisten in jüngster Zeit nicht wesentlich verändert. Das Risiko, als Angehöriger der Zivilbevölkerung verletzt oder getötet zu werden, liegt immer noch im Promillebereich. Auch aus dem Midyear Report 2018 von UNAMA ergibt sich nichts Abweichendes, nachdem sich die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im ersten Halbjahr 2018 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum insgesamt um 3% verringert hat. Damit ist derzeit noch nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus den Abhandlungen von Frau Friederike Stahlmann (vgl.: Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, in: ZAR 5-6/2017, S. 189 ff.; Gutachten zu Afghanistan an das VG Wiesbaden vom 28.3.2018). Soweit diese darauf hinweist, dass in den UNAMA-Berichten eine Untererfassung der zivilen Opfer zu besorgen sei (vgl. in diesem Zusammenhang auch Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 31.5.2018, S. 18: Dunkelziffer in für die Berichterstattung wenig zugänglichen Gebieten), so ist darauf hinzuweisen, dass anderes geeignetes Zahlenmaterial nicht zur Verfügung steht und zum anderen auf die von Frau Stahlmann alternativ genannte Zahl der kriegsbedingt Binnenvertriebenen angesichts der klaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) nicht abgestellt werden kann. Insoweit weist Frau Stahlmann eingangs ihrer Abhandlung auch selbst darauf hin, dass ihre Diskussion nicht den Anspruch habe, die Kriterien einer juristischen Prüfung zu erfüllen (vgl. Fußnote 1). Aber selbst unter Einrechnung eines gewissen „Sicherheitszuschlages“ wird die kritische Gefahrendichte noch nicht erreicht. Soweit Frau Stahlmann in ihrem Gutachten vom 28. März 2018 (vgl. S. 9) ausführt, es bestehe allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan im gesamten Staatsgebiet die Gefahr, einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden, so handelt es sich hierbei um eine allein dem erkennenden Gericht vorbehaltene rechtliche Würdigung, der auch keine Indizwirkung zukommen kann. Die von ihr darüber hinaus geschilderten Tatsachen betreffen weit überwiegend Umstände, die allein bei der qualitativen Gesamtbetrachtung zu würdigen sind, die sich hier jedoch aufgrund der – gemessen an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – verhältnismäßig niedrigen Opferzahlen unter keinen Umständen auswirken können (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris).
III.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; BayVGH, B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652; VGH Baden-Württemberg, U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17- juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die hier eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich.
Die diesbezügliche aktuelle Lage in Afghanistan stellt sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 31. Mai 2018 aus, dass Afghanistan trotz der Verbesserung der Lebensbedingungen für viele Afghanen in den letzten 15 Jahren weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2016 lediglich Rang 169 von 188 im Human Development Index belegt habe. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe geprägt von den Nachwirkungen des Abzugs bis 2014 in größerer Zahl präsenter internationaler Truppen, die schwierige Sicherheitslage sowie schwacher Investitionstätigkeit. Zugleich gebe es erhebliche Bemühungen internationaler Partner zur Wirtschaftsbelebung. In 2017 habe das Wirtschaftswachstum 2,6% betragen. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 39% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum von rund 2,4% im Jahr (d.h. Verdopplung der Bevölkerung innerhalb einer Generation) sowie die große Zahl der Binnenvertriebenen und Rückkehrer aus den Nachbarländern stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2014 von 25% auf 39% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch (vgl. diesbezüglich: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016, S. 22). Die Ausweichmöglichkeiten würden maßgeblich vom Grad der sozialen Verwurzelung, der Ethnie und der finanziellen Lage abhängen. Die sozialen Netzwerke vor Ort und deren Auffangmöglichkeiten spielten eine zentrale Rolle für den Aufbau einer Existenz (so auch BFA Österreich, Fact Finding Mission Report Afghanistan, April 2018). Die afghanische Regierung habe 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. IOM biete Unterstützung bei der Ankunft in Kabul mit bis zu zweiwöchiger Unterkunft und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits. Auch die Bundesrepublik Deutschland fördere Reintegrationsprojekte.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 14.09.2017, Seite 27 ff.) führt aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt bleibe, wobei der Anteil der notleidenden Bevölkerung im Verlaufe des Jahres 2016 um 13% angestiegen sei; 2017 benötigten 9,3 Millionen Afghanen dringend humanitäre Hilfe. Die Arbeitslosenquote sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte rasant angestiegen und inzwischen auch in städtischen Gebieten hoch. Gleichzeitig seien die Löhne in Gebieten, welche von Rückkehrströmen betroffen seien, signifikant gesunken. Nach wie vor seien die meisten Menschen in der Land- und Viehwirtschaft oder als Tagelöhner tätig. Die zunehmenden Rückkehrströme hätten zu einem enormen Anstieg an Unterkunftsbedarf geführt, weshalb sich insbesondere in der Hauptstadt Kabul die Wohnraumsituation extrem verschärft habe. Rund 68% der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu adäquaten Sanitätsinstallationen und ca. 45% keinen Zugang zu aufbereitetem Trinkwasser. Rund 40% der Bevölkerung sei von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Die Zahl der von ernsthafter Lebensmittelunsicherheit betroffenen Menschen steige an und umfasse inzwischen 1,6 Millionen Personen. In Gebieten, die von hohen Rückkehrströmen betroffen waren, seien die Lebensmittelpreise stark angestiegen. Etwa 9 Millionen Menschen, in besonderem Maße Frauen und Kinder, hätten keinen oder nur beschränkten Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, welchen es auch an angemessener Ausstattung mangele. Im Jahr 2016 sei der Druck zur Rückkehr auf afghanische Flüchtlinge im Iran und in Pakistan dramatisch angestiegen; Kabul sowie die Provinzen im Norden, Nordosten und Osten des Landes seien in besonderem Maße betroffen gewesen. Rückkehrende fänden oft keine adäquate Unterkunft; sie lebten oft in notdürftigen Behausungen mit schlechten Sanitäranlagen. Der eingeschränkte Zugang zu Land, Nahrungsmitteln und Trinkwasser und die begrenzten Möglichkeiten zur Existenzsicherung stellten eine enorme Herausforderung für diesen Personenkreis dar. Aufgrund der äußerst schwierigen Lebensbedingungen würden Rückkehrende oft zu intern Vertriebenen, deren Zahl Ende 2016 auf etwa 1,4 Millionen Menschen geschätzt worden sei und deren Lage sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert habe. Auch für Flüchtlinge aus Europa gestalte sich eine Rückkehr schwierig. Die Bevölkerung Kabuls solle sich binnen nur sechs Jahren verdreifacht haben. Dort lebten etwa 75% der Bevölkerung in informellen und behelfsmäßigen Behausungen, die oft weder ans Wasserversorgungsnetz noch an die Kanalisation angeschlossen seien. Der Zugang zu Lebensmitteln habe sich rasant verschlechtert, was unter anderem auf die mangelnden Arbeitsmöglichkeiten zurückzuführen sei. Armut sei weit verbreitet. Beinahe die Hälfte der Bevölkerung Kabuls könne sich keine medizinische Behandlung leisten. Die große Zahl der Rückkehrenden und intern Vertriebenen führe zur Überlastung der bereits äußerst stark beanspruchten Infrastruktur zur Erbringung der Grunddienstleistungen in der Hauptstadt Kabul aber auch andernorts, insbesondere in den wichtigsten Provinzstädten und Bezirken.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen allgemeinen Verhältnisse nicht in eine Art. 3 EMRK verletzende besonderen Ausnahmesituation, wie sie Art. 60 Abs. 5 AufenthG entsprechend obiger Ausführungen erfordert, geraten würde. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR – auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt -, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem 20-jährigen Kläger – eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, was damit einher gehe, dass sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4% gestiegen sei. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im Jahre 2017 gegenüber dem Vorjahr um 9% gesunken ist (vgl. UNAMA, Afghanistan Annual Report 2017, Februar 2018, S. 1). Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zudem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse. Trotz dieser Einschätzung, für die der UNHCR seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser auch gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz in einer Entscheidung vom 13. Oktober 2017 (Az. D-5800/2016) zu einem anderen Ergebnis kommt und ausführt, ohne besonders begünstigende Faktoren wie das Vorhandensein eines tragfähigen sozialen Netzes in Kabul sei ein Zurückschicken auch bei gesunden jungen Männern unzumutbar, kann sich dem das Gericht auf der Grundlage der oben aufgezeigten Erkenntnislage nicht anschließen. Mit der Rechtsprechung des Bayer. VGH (vgl. etwa B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652 – juris), der sich das erkennende Gericht anschließt, sind alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben.
Individuell ist bei dem Kläger positiv zu berücksichtigen, dass er neun Jahre lang in Afghanistan die Schule besucht hat und damit über einen Bildungsstand verfügt, mit dem er gegenüber den vielen Analphabeten und geringer qualifizierten jungen Menschen klar im Vorteil und damit auch in der Lage ist, ein breiteres Spektrum an beruflichen Tätigkeiten auszuüben. Er hat zudem 16 Jahre lang in Afghanistan gelebt und kennt damit die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse in ausreichender Weise, um sich auch nach einer Rückkehr dort zurechtzufinden. Ohne dass es rechtserheblich noch hierauf ankäme, verfügt der Kläger in Afghanistan auch noch über Familienanschluss und eine größere Verwandtschaft. Ihm kann in diesem Zusammenhang nicht abgenommen werden, dass seine Familie zwischenzeitlich Afghanistan ebenfalls verlassen hat. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Insbesondere könnte der Kläger eine Unterstützung von seinem Vater erwarten, der für den Kläger auch bereits die Fluchtkosten finanziert hat. Die wirtschaftliche Situation der Familie sei überdurchschnittlich gut gewesen, wie der Kläger beim Bundesamt angegeben hat; sie hätten ein eigenes Haus, einen Laden und landwirtschaftliche Grundstücke besessen, so dass eine Unterstützung durch den Vater auch realistisch erscheint. Darüber hinaus halten sich – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung geschildert hat – im Heimatland zudem noch drei Onkel und sieben Tanten auf, auf deren Hilfe er im Bedarfsfalle ebenfalls zurückgreifen könnte. Gegenteiliges ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Denn es ist im Kulturkreis des Klägers absolut üblich, dass in Notsituationen über derartige Verbindungen und Kontakte Unterstützung geleistet wird und es ist nichts dafür erkennbar, dass dies vorliegend nicht geschehen würde.
Auch nach obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. etwa BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – ju-ris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris; U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris; U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris), der sich das Gericht anschließt, scheitert eine Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen – der Kläger hat in Deutschland die Hauptschule erfolgreich abgeschlossen – befindet sich der Kläger vielmehr in einer vergleichsweise guten Position. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Dies ist vorliegend der Fall.
Darüber hinaus kann der Kläger seine finanzielle Situation zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200,00 EUR und Starthilfen im Umfang von 500,00 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700,00 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12.8.2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt wer-den, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
Dieser Einschätzung steht auch nicht das am Tag der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingereichte ärztliche Attest der Dr. R.-M. vom 17. Juli 2018 entgegen. Hieraus ergeben sich insbesondere keine Erkenntnisse dahingehend, dass der Kläger nicht arbeitsfähig sein könnte. Zunächst stützt sich das diagnostizierte Vorliegen einer „depressiven Symptomatik“ auf die Ereignisse im Heimatland – der Kläger habe Albträume, dass die Taliban ihn finden und dass er sich aufgrund der Lebensgefahr für die Eltern massive Sorgen um diese mache -, die das Gericht entsprechend obiger Ausführungen in Gänze als nicht glaubhaft eingestuft hat, so dass auch das ärztliche Attest bereits auf einer unzutreffenden Beurteilungsgrundlage beruht. Auffällig ist darüber hinaus, dass die Erkrankung neben der Angst um die Eltern auch auf die Ereignisse gestützt wird, die zur Flucht des Klägers geführt haben. Insoweit ist – jenseits der mangelnden Glaubhaftigkeit – nicht nachvollziehbar, dass der Kläger offensichtlich erstmals nach mehr als dreieinhalb Jahren nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland wegen psychischer Probleme einen Arzt aufgesucht und ein entsprechendes Attest vorlegt hat. Auch dieses dient offensichtlich der asyltaktischen Stützung seines Vorbringens.
Darüber hinaus erfüllt das vorgelegte Attest nicht die Voraussetzungen, die an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung zu stellen sind. Eine solche soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten, § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG (vgl. zur Anwendbarkeit der Norm auch auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse: OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 28.9.2017 – 2L 85/17 – Asylmagazin 1-2/2018, S. 41 f.). So lässt sich dem Bericht nicht entnehmen, dass sich die Erkrankung des Klägers durch seine Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Erhebliche Gefahren für Leib und Leben im Falle einer Abschiebung werden nicht beschrieben. Vielmehr wird ohne jegliche Begründung darauf verwiesen, dass eine Rückkehr nach Afghanistan aus medizinischen Gründen nicht möglich sei. Wie die behandelnde Ärztin zu dieser Einschätzung gelangt ist, erschließt sich in keiner Weise. Vielmehr fehlt es an der Darstellung einer eigenen ärztlichen Exploration und Befunderhebung, die die klägerseitig geklagten Beschwerden nachvollziehbar belegen würden. Die Ärztin gibt vielmehr allein die vom Kläger vorgetragenen Beschwerden wider. Auch wird aus dem Attest nicht ersichtlich, ob und inwieweit die Fortführung einer spezifischen medikamentösen Therapie zwingend erforderlich wäre bzw. welche Folgen sich aus deren Nichterreichbarkeit ergeben würden. Aus dem Hinweis, dass der Kläger aktuell mit Mirtazapin behandelt wird, lässt sich eine zwingende Fortführung dieser Behandlung jedenfalls nicht herleiten. Auch die in dem Attest beschriebenen Symptome in Form von Durchschlafstörungen, Albträumen, Rückzugsverhalten, Grübeln sowie ausgeprägten Ängsten vor der Zukunft erscheinen nicht für die Annahme geeignet, dass der Kläger in Afghanistan in einen Zustand gerät, in dem er schwere gesundheitliche Schäden erleiden würde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem diesbezüglichen Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach es ihm derzeit sehr schlecht gehe und er ein Schlafmittel einnehme. Im Übrigen enthält der Bericht auch keine Angabe einer ICD-10 Nummer. Damit ist auch eine Überprüfung hinsichtlich der Diagnosekriterien nach der ICD-10 nicht möglich. Ebenso wenig wird ersichtlich, wie sich die Erkrankung des Klägers aktuell darstellt, insbesondere nicht, wie schwer die benannte depressive Symptomatik aktuell ist. Der Hinweis auf die derzeit nicht bestehende Reisefähigkeit, die im Übrigen ebenfalls jeglicher Begründung entbehrt, stellt zudem kein – hier allein relevantes – zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis dar (vgl. BVerwG, U.v. 11.11.1997 – 9 C 13/96 – juris). Aus der vorgelegten Bescheinigung kann damit in der Gesamtschau ein Abschiebungsverbot wegen einer psychischen Erkrankung nicht hergeleitet werden (vgl. zu einem vergleichbaren Fall: BayVGH, B.v. 26.10.2017 – 13a ZB 17.30985 – juris).
Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Frau Friederike Stahlmann und Amnesty International, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt bzw. überholt sei (vgl. Friederike Stahlmann, Gutachten zu Afghanistan an das VG Wiesbaden vom 28.3.2018, Überleben in Afghanistan, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff.; Amnesty International, Auskunft an das VG Leipzig vom 8.1.2018 und an das VG Wiesbaden vom 5.2.2018). Denn Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger und Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen nicht vor. Zwar lassen sich auch schwerwiegende Nachteile bei Unterkunfts- und Arbeitssuche in Afghanistan durchaus nicht ausschließen, eine tatsächliche Gefahr, dass sie eintreten werden, besteht indes nicht (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris). Nach Überzeugung des Gerichts bieten die vorliegend geschilderten persönlichen Verhältnisse und Ressourcen ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, zumindest für den hiesigen Kläger ein Leben in Afghanistan zumutbar erscheinen zu lassen.
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
a) Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 12.4.2018 – 13a ZB 18.30135 – juris; B.v. 4.1.2018 – 13a ZB 17.31652 – juris; B.v. 21.8.17 – 13a ZB 17.30529 – juris; B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris; B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris; B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254 – juris; BayVGH, B.v. 23.1.2017 pro – 13a ZB 17.30044 – juris; B.v. 27.7.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris; B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17 m.w.N..; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG Baden-Württemberg, U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris).
b) Ein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist vorliegend ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer III. 1. verwiesen.
IV.
Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG bestehen ebenfalls keine Bedenken.
V.
Es kann vorliegend offen bleiben, ob die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage gegen das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG bereits mangels Statthaftigkeit bzw. Rechtsschutzbedürfnis unzulässig ist (vgl. Kopp/Schenke VwGO, 13. Aufl., § 42 Rn. 30), da ein solches Verbot von Gesetzes wegen zwingend nach der genannten Vorschrift festzusetzen ist. Vielmehr wäre eine Verpflichtungsklage auf Verkürzung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erheben. Jedenfalls aber ist auch ein derartiger Antrag hier unbegründet. Die Entscheidung in Ziffer 6 des angegriffenen Bundesamtsbescheides, die Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate festzusetzen, basiert auf § 11 AufenthG. Nach Abs. 3 der genannten Vorschrift wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten. Vorliegend wurde eine Frist von 30 Monaten festgesetzt. Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Insbesondere liegt kein Ermessensausfall vor. Gründe für eine Ermessensreduzierung dahingehend, die Frist auf null Monate festzusetzen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger wurde im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt zu schutzwürdigen Belangen hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbotes befragt und hat keine schutzwürdigen Belange vorgetragen. Insofern erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, die Frist auf 30 Monate und damit auf die Hälfte der Maximalfrist nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG festzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 11 ZB 16.30463 – juris). Die Formulierung (nach dem Zitat des Gesetzestextes des § 11 Abs. 3 AufenthG): „Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist im vorliegenden Fall angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung, aufgrund schutzwürdiger Belange, wurden weder vorgetragen noch liegen sie nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor. Der Antragsteller verfügt im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären“, erscheint im vorliegenden Falle ausreichend, um das Ermessen auszuüben. Weitere Erwägungen waren nicht anzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich zwischenzeitlich Änderungen hinsichtlich schutzwürdiger Aspekte ergeben haben.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.


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