Verwaltungsrecht

Kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör

Aktenzeichen  9 ZB 19.31601

Datum:
3.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13834
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2018 – BeckRS 2018, 26960). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG kein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. BayVGH, B.v. 29.06.2018 – BeckRS 2018, 15283). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 30 K 17.40844 2018-12-21 Ent VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der behauptete Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt nicht vor (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10).
a) Danach hat der Kläger mit dem Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag dazu, dass ihm im Fall der Rückkehr nach Sierra Leone weiterhin Gefahr durch die Poro-Society drohe, nicht gewertet, keinen Gehörsverstoß dargelegt, der auch vorliegt. Dem erstinstanzlichen Urteil lässt sich entnehmen, dass das Verwaltungsgericht schon deshalb nicht die Überzeugung von der drohenden Verfolgung des Klägers gewinnen konnte, weil es dem Kläger möglich sei, innerstaatlichen Schutz in einer Großstadt Sierra Leones zu finden (s. UA S. 7 f.). Die Frage, ob von der Poro-Society weiterhin Gefahr für den Kläger ausgehen würde, war somit nicht entscheidungserheblich. Soweit das Verwaltungsgericht auch unabhängig vom Bestehen einer Fluchtalternative nicht zu erkennen vermochte, wieso der Kläger noch heute Nachstellungen durch die Poro Society zu befürchten haben sollte, übt der Kläger mit seinem diesbezüglichen Zulassungsvorbringen letztlich Kritik an der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG aber kein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2018 – 9 ZB 18.31509 – juris Rn. 9).
b) Soweit der Kläger einen Gehörsverstoß darauf stützt, dass das Verwaltungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob der Kläger, der seine eigenen drei Kinder und einen gelähmten Bruder sowie dessen drei Kinder in Sierra Leone unterstütze, im Fall seiner Rückkehr mit Unterstützung einer Familie und durch Freunde rechnen könne, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos. Eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht statuiert Art. 103 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2018 – 1 BvR 1011/17 – juris Rn. 16). Insbesondere gibt Art. 103 Abs. 1 GG den am Prozess Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht von sich aus Beweis erhebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 9 ZB 18.33046 – juris Rn. 5). Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht notwendig vorrangig die Versorgung seiner eigenen drei 20, 18 und 15 Jahre alten Kinder erwirtschaften müsse, sondern diese einen erheblichen Beitrag zur Existenzsicherung leisten könnten.
2. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 ZB 19.30057 – juris Rn. 2 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Hinsichtlich der Frage, ob der Kläger bei Bekanntwerden der Asylantragstellung mit politischer Verfolgung rechnen muss, sind die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt. Unabhängig davon, dass dieser (neue) Sachvortrag weder im Verfahren der Anhörung vor dem Bundesamt noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom Kläger thematisiert wurde und damit im Zulassungsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen sein dürfte (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2018 – 1 ZB 17.31272 – juris Rn. 10), fehlt hier jede Ausführung zur Klärungsbedürftigkeit oder Klärungsfähigkeit.
3. Inwieweit – wie der Kläger noch behauptet – die angefochtene Entscheidung von obergerichtlicher Rechtsprechung abweichen soll (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG), wird ebenfalls nicht ausreichend dargelegt. Es ist weder ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet, noch angegeben, von welchem Rechtssatz welchen Divergenzgerichts dieser abweichen soll (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2018 – 9 ZB 18.31509 – juris Rn. 7).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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