Verwaltungsrecht

Kein Widerspruch gegen dienstliche Beurteilung vor obligatorischer Überprüfung

Aktenzeichen  AN 1 K 18.00245

Datum:
11.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 9257
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LlbG Art. 60 Abs. 2
JuBeurteilBek Nr. 9.3
AGVwGO Art. 15

 

Leitsatz

1. Dienstliche Beurteilung und Überprüfungsentscheidung nach Art. 60 Abs. 2 S. 1 LlbG  bilden eine Einheit, sodass das Beurteilungsverfahren erst mit der Überprüfung durch die vorgesetzte Dienstbehörde abgeschlossen ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Legt ein juristisch nicht vorgebildeter Kläger dar, dass es sein Wunsch gewesen sei, dass über seine Einwendungen durch die übergeordnete Behörde entschieden werde, so ist ein als “Widerspruch” bezeichneter Rechtsbehelf als Antrag auf Überprüfung der Beurteilung auszulegen. (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Vor Abschluss der Überprüfung kann über Einwendungen gegen die Beurteilung nicht durch Widerspruchsbescheid entschieden werden. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2018 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger und der Beklagte können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Soweit sich die Klage auf Aufhebung der periodischen dienstlichen Beurteilung vom … 2018 und auf die Verpflichtung des Beklagten auf Neuerstellung einer periodischen dienstlichen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum 2013 bis 2016 richtet, ist die Klage bereits unzulässig (I.). Soweit die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2018 begehrt wird, ist sie dagegen zulässig und begründet (II.).
I.
Der Klage auf Aufhebung der periodischen dienstlichen Beurteilung und auf Erstellung einer neuen periodischen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum 2013 bis 2016 fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 11. November 2017 „Widerspruch“ gegen die periodische dienstliche Beurteilung vom … 2017 eingelegt und um erneute Prüfung der Beurteilung gebeten. Über die dort vorgebrachten Einwände wurde mit Widerspruchsbescheid der Justizvollzugsanstalt … vom 22. Januar 2018 entschieden. Das nach Art. 60 Abs. 2 Leistungslaufbahngesetz (LlbG) durchzuführende Überprüfungsverfahren wurde vor Erlass des Widerspruchsbescheides jedoch nicht abgeschlossen.
Nach Art. 60 Abs. 2 S. 1 LlbG ist die dienstliche Beurteilung von der vorgesetzten Behörde zu überprüfen. Ist die vorgesetzte Dienstbehörde – wie vorliegend – eine oberste Dienstbehörde, kann sie die Überprüfung der dienstlichen Beurteilungen auf eine nachgeordnete Behörde übertragen, Art. 60 Abs. 2 S. 3 LlbG, oder bestimmen, in welchen Fällen auf die Überprüfung der dienstlichen Beurteilung verzichtet wird, Art. 60 Abs. 2 S. 4 LlbG. Das Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz hat mit Erlass der Bekanntmachung über die Beurteilung und Leistungsfeststellung für die Beamten und Beamtinnen im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz mit Ausnahme der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen (Beurteilungsbekanntmachung Justiz – JuBeurteilBek) vom 25. September 2013 Az.: A4 – 2012 – V – 7710/11, in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Oktober 2016 (JMBl S. 121) von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und in Ziff. 9.3 bestimmt, dass bei Beurteilungen der Beamten und Beamtinnen des allgemeinen Vollzugsdienstes, des Werkdienstes und des Krankenpflegedienstes bis einschließlich Besoldungsgruppe A 9 mit Amtszulage eine Überprüfung durch die oberste Dienstbehörde nur stattfindet, wenn der Beamte gegen die Beurteilung Einwendungen erhoben hat.
Die periodische dienstliche Beurteilung des Klägers wurde durch das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz trotz der erhobenen Einwendungen und trotz Vorlage der Einwendungen durch die Justizvollzugsanstalt … an das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nicht überprüft. Vielmehr wurden die Einwendungen durch die die Beurteilung erstellende Behörde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bearbeitet. Nach ständiger Rechtsprechung bilden dienstliche Beurteilung und Überprüfungsentscheidung eine Einheit, sodass das Beurteilungsverfahren erst mit der Überprüfung durch die vorgesetzte Dienstbehörde abgeschlossen ist (BVerwG, U.v. 19.12.2002 – 2 C 31/01 – juris Rn. 21; Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Kommentar Bd. 3, Erl. 18 zu Art. 54 LlbG). Vor Abschluss des Überprüfungsverfahrens fehlt für eine Klage deshalb das Rechtsschutzinteresse (Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a.a.O.).
Daran ändert sich auch nichts durch die Bezeichnung des Schreibens des Klägers vom 11. November 2017 als Widerspruch. Allein die Bezeichnung „Widerspruch“ führt entgegen der durch die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung dargelegten Rechtsauffassung nicht dazu, dass das in Art. 60 Abs. 2 LlbG i.V.m. Ziff. 9.3 JuBeurteilBek geregelte Überprüfungsverfahren, das vorliegend zu einer Befassung der obersten Dienstbehörde geführt hätte, ausgeschlossen wird. Insoweit stellt Art. 60 Abs. 2 LlbG hinsichtlich der Durchführung einer Überprüfung eine zwingende Regelung dar, die das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Ziff. 9.3 JuBeurteilBek für den Fall des Vorliegens von Einwendungen auch beibehalten hat. Aber selbst wenn man dem Kläger ein Wahlrecht zwischen förmlichem Widerspruch und dem Erheben von Einwendungen einräumen würde (so z.B. BVerwG, B.v. 18.6.2009 – 2 B 64/08 – juris zum Landesrecht Berlin), wäre bei Vorliegen einer nicht eindeutigen Formulierung – wie vorliegend Bezeichnung als „Widerspruch“ und gleichzeitig die Bitte um erneute Prüfung der Einwendungen – der Antrag so auszulegen, wie er den Belangen des Beamten besser entspricht (Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a.a.O., Erl. 13 zu Art. 54 LlbG). Demnach ist gerade nicht die durch den Kläger als juristischen Laien getroffene Wortwahl maßgeblich, sondern die durch Auslegung zu ermittelnde Intention.
Der Kläger legte in der mündlichen Verhandlung dar, dass es sein Wunsch gewesen sei, dass über seine Einwendungen durch die übergeordnete Behörde entschieden werde. Unter Berücksichtigung dieses Interesses und des Aspekts, dass der Überprüfungsbehörde eine selbstständige Beurteilungsbefugnis ohne rechtliche Bindung an die Beurteilung des nach Art. 60 Abs. 1 LlbG zuständigen Beurteilers eingeräumt ist (Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a.a.O., Erl. 14 zu Art. 60 LlbG), wird die Auslegung des Schreibens vom 11. November 2017 als Einleitung des Überprüfungsverfahrens dem Interesse des Klägers, eine Überprüfung durch bisher unbeteiligte Personen zu erreichen, am ehesten gerecht. Denn über den Widerspruch würde ohne Durchführung eines Überprüfungsverfahrens die Ausgangsbehörde, also die Justizvollzugsanstalt …, entscheiden und nicht die für die Überprüfung zuständige vorgesetzte Dienstbehörde, da diese mangels nach außen erkennbarer Maßnahme dem Beamten gerade nicht als Ausgangsbehörde gegenübertritt (BayVGH, U.v. 31.1.1996 – 3 B 95.779, BeckRS 1996, 14961; a.A. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a.a.O., Erl. 22 zu Art. 54 LlbG).
Auch durch die Einführung des fakultativen Widerspruchsverfahrens im Beamtenrecht mit Wirkung zum 1. Juli 2007 durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGOÄndG) vom 22. Juni 2007 (GVBl. S. 390) zur Neufassung des Art. 15 AGVwGO ergibt sich keine andere Bewertung. Die Einführung des fakultativen Widerspruchsverfahrens gibt dem betroffenen Beamten ein Wahlrecht, ob er gegen eine beamtenrechtliche Maßnahme Widerspruch einlegen oder unmittelbar Klage zum zuständigen Verwaltungsgericht erheben möchte. Dieses Wahlrecht besteht damit ab Vorliegen einer abgeschlossenen beamtenrechtlichen Maßnahme. Da die dienstliche Erstbeurteilung und die Überprüfungsentscheidung nur gemeinsam die dienstliche Beurteilung im Rechtssinn darstellen, kommt das durch das AGVwGOÄndG eingeräumte Wahlrecht zwischen Klage und Vorverfahren erst nach Abschluss der Überprüfungsentscheidung zum Tragen.
II.
In Bezug auf den Widerspruchsbescheid der Justizvollzugsanstalt … vom 22. Januar 2018 ist die Klage dagegen zulässig und begründet. Zwar kann gegen eine dienstliche Beurteilung, auch wenn es sich dabei nicht um einen Verwaltungsakt handelt, Widerspruch eingelegt werden, jedoch hätte eine Entscheidung über den Widerspruch erst nach Abschluss des Überprüfungsverfahrens ergehen dürfen, da – wie bereits ausgeführt – erst ab diesem Zeitpunkt die endgültige Fassung der dienstlichen Beurteilung vorliegt, die Gegenstand einer Widerspruchsentscheidung sein kann.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.


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