Verwaltungsrecht

Kein Zuerkennung eines asylrelevanten Schutzstatus – Keine begründete Furcht vor Verfolgung

Aktenzeichen  Au 9 K 17.33927

Datum:
2.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4090
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 16a
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
AsylG § 3, § 4 Abs. 1 Nr. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Über den Rechtsstreit konnte trotz Ausbleibens der Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2020 entschieden werden. In der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klage ist insbesondere zulässig, da der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 13. März 2017 dem Kläger nicht wirksam zugestellt wurde. Dem Kläger wurde bereits mit Bescheid der Regierung von … vom 23. November 2016 ab dem 1. Dezember 2016 die Privatwohnung …straße,, zugewiesen. Die Zustellung des Bescheids der Beklagten vom 13. März 2017 erfolgte hingegen an die vormalige Anschrift … Weg, …. Eine wirksame Zustellung des Bescheids lässt sich daher nicht nachweisen, so dass für den Kläger zunächst gar keine Klagefrist lief. Selbst wenn man in diesen Fällen die Vorschrift des § 58 Abs. 2 VwGO analog heranziehen würde, wahrt die Klageerhebung mit Schriftsatz vom 18. Juli 2017 diese Frist offensichtlich. Es bedurfte deshalb auch keiner Entscheidung über den vom Kläger gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO.
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Selbst wenn man den Klageantrage des Klägers vom 18. Juli 2018 erweiternd dahingehend auslegt, dass der Kläger auch die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt, bleibt die Klage ohne Erfolg (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 13. März 2017 ist daher rechtmäßig. Es wird zunächst in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG) Bezug genommen. Darüber hinaus wird das Folgende ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag auf Grund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Wer bereits Verfolgung erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei der Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus (vgl. BVerfG, B.v. 12.2.2008 – 2 BvR 2141/06 – juris Rn. 20; VG Köln, U.v. 26.2.2014 – 23 K 5187/11.A – juris Rn. 26).
Gemessen an diesen Maßstäben konnte der Kläger eine individuelle Verfolgung nicht glaubhaft machen. Das Gericht erachtet das Vorbringen des Klägers in Bezug auf die von ihm begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als insgesamt unglaubwürdig. Das gesamte Vorbringen des Klägers von seiner behaupteten Einreise in die DR Kongo am 29. Dezember 2014 bis zur Ausreise am 14. Dezember 2015 wirkt insgesamt konstruiert und unschlüssig. Das Gericht erachtet den Vortrag des Klägers insoweit als frei erfunden, um die Ausreise des Klägers aus der DR Kongo in die Bundesrepublik Deutschland zu rechtfertigen. So erschließt sich bereits für das Gericht nicht, warum der Kläger bei seiner Einreise in die DR Kongo am 29. Dezember 2014 aus der Ukraine kommend, einer derartigen Behandlung unterzogen worden sein soll, wie sie der Kläger beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2020 schildert. Hierfür gibt es aus Sicht des Gerichts keine Anhaltspunkte. Auch die vom Kläger behauptete Tatsache, dass er im Flughafen … gefesselt und dann mit einem Fahrzeug in ein ihm unbekanntes Gebäude außerhalb der Stadt gefahren worden sei, erachtet das Gericht für erfunden und nicht den Tatsachen entsprechend. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der vom Kläger geschilderten Flucht aus dem Gebäude. Wieso der Kläger aus dem Gebäude geführt worden sein soll und eine ihn bewachende Person ihm die Möglichkeit zur Flucht eröffnet haben soll, erscheint widersinnig. Auffällig ist ebenfalls, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht mehr geschildert hat, dass er bei seiner Flucht aus dem Gebäude Schüsse hinter sich gehört habe. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger insoweit lediglich ausgeführt, dass er fortgelaufen sei, bis er eine ihm unbekannte Person auf einem „Bauernhof“ getroffen habe. Insoweit erweist sich der Sachvortrag des Klägers auch teilweise als widersprüchlich. Ebenfalls schenkt das Gericht dem Kläger keinen Glauben darin, dass ihm am 14. Januar 2015, ohne im Besitz von Ausweispapieren gewesen zu sein, die Flucht aus der DR Kongo über den Flughafen … gelungen sein soll. Dass ihm hierfür ein seine Schleusung übernehmendes Ehepaar die Papiere von dessen Sohn zur Verfügung gestellt haben will, glaubt das Gericht ebenfalls nicht. Auch dies wirkt letztlich unter dem Eindruck der Gesamtschilderung des Klägers konstruiert und nicht den Tatsachen entsprechend. Der Gesamtvortrag des Klägers begründet nicht zur Überzeugung des Gerichts ein glaubhaftes und asylrechtlich relevantes Verfolgungsschicksal. Das Gericht kann aus der gesamten Schilderung des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in die DR Kongo erkennen. Das Gericht ist hierbei schon nicht überzeugt davon, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsland das Opfer von Verfolgung war. Die gesamte Schilderung des Klägers wirkt letztlich konstruiert, um eine Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland zu rechtfertigen. Ebenfalls erschließt sich nicht, warum der Kläger bei seiner Ausreise aus der DR Kongo am 14. Januar 2015 nicht erneut in die Ukraine zur Fortsetzung seines Studiums geflogen ist. Auch dies spricht letztlich dafür, dass es sich um einen frei erfundenen Sachvortrag handelt.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft liegen demnach nicht vor. Da das Gericht dem Kläger keine Vorverfolgung in seinem Heimatland glaubt, ist die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Qualifikations-Richtlinie vorliegend ohne Relevanz.
Aus den gleichen Gründen besitzt der Kläger auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art. 16a Grundgesetz (GG).
2. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung von subsidiärem Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG.
Solche ist einem Ausländer zuzuerkennen, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG durch einen Akteur im Sinne des § 3c i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 AsylG die Verhängung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die §§ 3c bis 3e AsylG gelten entsprechend (§ 4 Abs. 3 AsylG).
Der Kläger hat, wie oben dargelegt, keine Verfolgung glaubhaft dargelegt. Auch ergeben sich im Hinblick auf die humanitäre Situation in der DR Kongo keine Hinweise darauf, dass ihm ein ernsthafter Schaden droht. Dies gilt zumindest in Bezug auf, den Geburts- und vormaligen Aufenthaltsort des Klägers.
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Unabhängig davon, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, liegt jedenfalls keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen Konflikts vor. Der Kläger stammt seinen eigenen Angaben zufolge aus Kinshasa. Dort hat er auch bis zur Aufnahme seines Auslands-Studiums in der Ukraine ab Dezember 2012 zusammen mit seiner Familie gelebt. Lediglich im Osten der Demokratischen Republik Kongo, insbesondere auch in den Provinzen Nord-Kivu und Süd-Kivu kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen (vgl. Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo des Auswärtigen Amts vom 27. Februar 2018, Stand: Dezember 2017, S. 5). Bei den andauernden Konflikten im Osten bzw. Nordosten der Demokratischen Republik Kongo handelt es sich u.a. um komplexe soziale Auseinandersetzungen um regionale bzw. lokale Vorherrschaft, Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen, befeuert von inter-ethnischen Spannungen. Angesichts der Gesamteinwohnerzahl der Provinz Nord-Kivu mit etwa 6,6 Mio. Einwohner und Süd-Kivu von etwa 5,7 Mio. Einwohner hat der dem Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt aber kein so hohes Niveau, dass davon ausgegangen werden kann, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Im Übrigen handelt es sich nicht um einen landesweiten Konflikt. Es ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst aus … stammt. Bei der nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderlichen Gefahrenprognose im Falle eines – wie hier – regional begrenzten, nicht landesweiten Konflikts ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17). Dies zugrunde gelegt scheidet für den Kläger die Gewährung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus.
3. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG entgegen.
Ein solches liegt zu Gunsten des Klägers nicht vor. Eine Abschiebung ist gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt. Gemäß § 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60 AufenthG Rn. 35 f.). Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder der ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. Dabei sind lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen.
Diese Voraussetzungen liegen mangels erkennbarer Vorverfolgung des Klägers nicht vor.
Eine unmenschliche Behandlung droht dem Kläger auch nicht aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen in der DR Kongo. Unzureichende wirtschaftliche Verhältnisse im Herkunftsland können nur in Ausnahmefällen, in denen die schlechten humanitären Verhältnisse eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Asylbewerbers darstellen, ein Abschiebungsverbot in diesem Sinn begründen. In ganz außergewöhnlichen Fällen können auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen eine Abschiebung „zwingend“ sind. Dies gilt in den Fällen, in denen die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut oder die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen, zurückzuführen sind. Wenn jedoch die Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führen, so ist zu berücksichtigen, ob es dem Betroffenen gelingt, die elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen (EGMR, U.v. 28.6.2011 – 8319/07 – NVwZ 2012, 681 ff.; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris). Unter Berücksichtigung sämtlicher Gegebenheiten des Einzelfalles ist hierbei ein sehr hohes Niveau der Gefährdung zu verlangen (BayVGH, U.v. 21.10.2014 – 13a B 14.30285 – juris).
Dies zugrunde gelegt ist hier davon auszugehen, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit sowie durch Unterstützung seiner Familie bei einer Rückkehr in die DR Kongo sichern kann. Der Kläger ist ein junger gesunder Mann von gehobenem Bildungsniveau. Der Kläger hat in der DR Kongo zwölf Jahre lang die Schule besucht und mit Abitur abgeschlossen. Er hat bereits in … Architektur studiert. Im Anschluss hat sich ein mehrjähriger Auslandsstudienaufenthalt in der Ukraine angeschlossen. Überdies hat der Kläger derzeit keine Unterhaltslasten zu tragen. Dass der Kläger keinen Kontakt mit seiner Familie in der DR Kongo mehr hat, glaubt das Gericht dem Kläger ebenfalls nicht. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich sowohl die Eltern als auch die jüngere Schwester des Klägers noch in der DR Kongo aufhalten. Dem Kläger kann zugemutet werden, von Deutschland aus den Kontakt zu seiner Familie wiederherzustellen und so seine Rückkehr vorzubereiten.
Der Abschiebung des Klägers steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG entgegen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Individuelle, nur dem Kläger drohende Gefahren liegen nicht vor. Dessen Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung ist nicht glaubhaft.
Der Kläger hat aber auch keine ihn betreffenden gesundheitlichen Aspekte im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG glaubhaft vorgetragen. Auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2020 hat der Kläger ausgeführt, dass er weitgehend gesund sei. In ärztlicher Behandlung befinde er sich nur bei entsprechendem Bedarf. In psychiatrischer Behandlung befinde er sich nicht.
4. Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.
Hinweise auf eine Fehlerhaftigkeit der Befristung der Einreise- und Aufenthaltsverbote nach § 11 AufenthG bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht. Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und im Rahmen der gerichtlich gemäß § 114 Satz 2 VwGO beschränkten Prüfung ordnungsgemäß ausgeübt. Die erforderliche Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer kann in unionsrechtskonformer Auslegung des Aufenthaltsgesetzes auch in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG 2011 (§ 11 Abs. 2 AufenthG n.F.) gesehen werden (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris).
5. Die Klage war mithin mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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