Verwaltungsrecht

Kein Zwangsgeld wegen Erfüllung einer Auflage zur Baugenehmigung – Baumschutzzaun während der Bauzeit

Aktenzeichen  M 11 K 15.1235

Datum:
10.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG VwZVG Art. 31 Abs. 3 S. 3, Art. 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 6 S. 2

 

Leitsatz

Eine Auflage zu einer Baugenehmigung, wonach während der “Bauzeit” ein Baumschutzzaun aufzustellen und zu erhalten ist, ist so auszulegen, dass sich die Verpflichtung nur auf Zeiträume bezieht, in denen tatsächlich Bauarbeiten durchgeführt werden. (Rn. 16 – 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bescheid des Landratsamts … vom 27.02.2015, Az.: … wird aufgehoben.
II.
Es wird festgestellt, dass das im Bescheid des Landratsamts … vom 27.08.2012 für die Nichterfüllung der darin enthaltenen Auflage Nr. 86.2 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von EUR 5.000,- nicht zur Zahlung fällig geworden ist.
III.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.
1. Der zulässige Feststellungsantrag, mit dem die Kläger festzustellen begehren, dass das im Schreiben vom 27. Februar 2015 fällig gestellte Zwangsgeld nicht fällig geworden ist, ist begründet, da die Kläger die ihnen bestandskräftig auferlegte Verpflichtung einen Baumschutzzaun nach DIN 18920 aufzustellen, erfüllt haben.
Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG wird eine Zwangsgeldforderung fällig, wenn die einem im Sinne von Art. 31 Abs. 1 VwZVG Pflichtigen auferlegte Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht bis zum Ablauf der nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG zu bestimmenden Frist nicht erfüllt wird.
Das Gericht zweifelt nicht an den Angaben der Kläger, dass sie den Baumschutzzaun entsprechend der Auflage Nr. 86.2 jeweils vor Beginn der Bauarbeiten aufgestellt und nur während der Wintermonate, als keine Bauarbeiten stattfanden, abgebaut haben, um die in dieser Zeit unnötigerweise anfallende Miete einzusparen. Zum einen wurde dies vom Beklagten nicht bestritten. Zum anderen ergibt sich aus einem Lichtbild, das im Rahmen einer Baukontrolle am 20. Oktober 2014 angefertigt wurde, dass zu diesem Zeitpunkt an der Stelle, an der gemäß dem genehmigten Freiflächengestaltungsplan der Baumschutzzaun stehen sollte, tatsächlich ein Zaun vorhanden war (Bl. 61 der Behördenakte). Des Weiteren ist auf Lichtbildern unter dem 24. März 2015 die Wiederaufstellung des Zauns dokumentiert (Bl. 96 der Behördenakte). Im Übrigen ist auch das Fehlen des Baumschutzzaunes im Rahmen dieser Baukontrolle nicht bemängelt worden.
Die Tatsache, dass die Kläger den Zaun für die Zeit entfernten, in der aufgrund der Temperaturen keine Baumaßnahmen stattfanden, stellt keinen Verstoß gegen Auflage Nr. 86.2 dar. Nach ihrem objektiven Sinngehalt und dem was ein verständiger Empfänger billigerweise unter dem objektiv Erklärten verstehen durfte, ist die streitgegenständliche Auflage so auszulegen, dass der Zaun nur für die Zeit aufzustellen und zu erhalten ist, in der entsprechend dem Willen der Bauherren tatsächlich Baumaßnahmen stattfinden.
Vom Wortlaut her ist dieses Auslegungsergebnis zwar nicht eindeutig. „Bauzeit“ kann sowohl verstanden werden als die Zeit, in der tatsächlich Baumaßnahmen durchgeführt werden, als auch als der gesamte Zeitraum der Errichtung eines Vorhabens, vom erstmaligen Beginn der Bauarbeiten bis zu dessen endgültiger Fertigstellung.
Allerdings folgt aus dem Sinn und Zweck der Auflage, dass unter „Bauzeit“ die Zeit zu verstehen ist, innerhalb der aufgrund eines entsprechenden Willensentschlusses des Bauherrn tatsächlich Baumaßnahmen stattfinden. Bereits aus der Stellung der Auflage Nr. 86.2 nach der Auflage Nr. 86.1, in der die entsprechende Buche als zu erhalten festgesetzt wurde ergibt sich, dass mit der Auflage Nr. 86.2 bezweckt ist, den Erhalt dieser Buche sicherzustellen und den Baum vor Beeinträchtigungen durch die Baumaßnahmen zu schützen. Die Gefahr einer derartigen Beeinträchtigung des Baumes besteht aber denknotwendigerweise nur solange, als tatsächlich Bauarbeiten durchgeführt werden und daher ohne sichernden Zaun die Gefahr bestünde, dass Maßnahmen den Baum in Mitleidenschaft ziehen, insbesondere weil sie zu nahe an dessen Wurzelgeflecht durchgeführt werden. In der Zeit dagegen, in der die Baumaßnahmen ruhen, ist insoweit keinerlei Gefahrenlage denkbar. Werden die Arbeiten also aufgrund einer Willensentscheidung des Bauherren unterbrochen und ruhen vollständig, kann nicht von „Bauzeit“ in diesem Sinne gesprochen werden. Hierfür spricht zudem noch die Überlegung, dass im Falle einer endgültigen Einstellung der Arbeiten, also einer Aufgabe der Errichtung des Vorhabens, die im freien Belieben des Bauherrn steht, auch nicht mehr von „Bauzeit“ gesprochen werden könnte und dementsprechend die weitere Erhaltung eines Baumschutzzaunes widersinnig wäre und daher nicht mehr verlangt werden könnte. Somit bestimmt letztlich der Bauherr aufgrund seines Entschlusses zielgerichtete Baumaßnahmen durchzuführen, wann und wie lange „Bauzeit“ ist. Es muss für den vorliegenden Fall des bewussten Ruhens und der späteren Wiederaufnahme der Bauarbeiten dasselbe wie für den Fall der endgültigen Aufgabe der Baumaßnahmen gelten.
Da keine Zuwiderhandlung vorliegt, ist das Zwangsgeld aus der Baugenehmigung vom 27. August 2012 nicht gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG fällig geworden.
2. Der zulässige Anfechtungsantrag, mit dem die Kläger sich gegen die weitere Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 27. Februar 2015 wenden, ist ebenfalls begründet, da die Androhung eines weiteren Zwangsgelds in Höhe von 5.500,- € im Bescheid vom 27. Februar 2015 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG darf eine neue Zwangsmittelandrohung erst erfolgen, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Die Zwangsgeldandrohung in Höhe von 5.000,- € aus dem Baugenehmigungsbescheid vom 27. August 2012 ist vorliegend aber nicht erfolglos geblieben, da die Kläger der Auflage Nr. 86.2 dieses Bescheids nicht zuwidergehandelt haben (s.o.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 7.750,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-i.V.m Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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