Verwaltungsrecht

Keine Abänderung wegen nicht ausreichender ärztlicher Atteste zu psychischer Erkrankung

Aktenzeichen  W 1 S 17.32686

Datum:
29.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2
VwGO VwGO § 80 Abs. 7

 

Leitsatz

Ergibt sich die Gefahr einer Eigengefährdung durch Suizidalität gerade aus der drohenden Gefahr einer Abschiebung selbst, handelt es sich nicht um ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Gemäß § 80 Abs. 7 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Der Beteiligte kann die Abänderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
Der Antragsteller macht gegenüber dem Beschluss des Gerichts vom 24. April 2017, mit dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. März 2017 verfügte Abschiebungsandrohung abgelehnt wurde, nunmehr eine extreme Verschlechterung seiner gesundheitlichen Situation unter Vorlage von neuen fachärztlichen Attesten sowie eine ebenfalls extreme Verschärfung der Sicherheitslage in Afghanistan geltend.
Dieser Vortrag ist nicht geeignet, eine Abänderung des Beschlusses vom 24. April 2017 zu rechtfertigen. Auf die Begründung des Bescheides vom 24. März 2017 wird Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG. Darüber hinaus ist auf Folgendes hinzuweisen:
Was die gesundheitliche Situation des Klägers angeht, so lagen beim Antragsteller bereits im Zeitpunkt des Beschlusses vom 24. April 2017 psychische Erkrankungen der auch nunmehr geltend gemachten Art vor und waren Gegenstand dieses Verfahrens (W 1 S. 17.31497). Eine Anpassungsstörung war bereits Gegenstand der ärztlichen Atteste vom 14. und 28. Juli 2015, eine mittelgradigen depressive Episode und Somatisierungsstörung Gegenstand der Atteste vom 7. und 15. September 2016, welche im Verfahren W 1 S. 17.31497 verwertet wurden. Eine Anpassungsstörung, F43.2, sowie eine mittelgradige depressive Episode, F32.1, sind nunmehr auch Gegenstand des vorläufigen Entlassberichts des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin … … Der Antragsteller habe sich dort wegen einer suizidalen Krise aufgrund einer ihm offenbar angekündigten Abschiebung nach Afghanistan im Zeitraum vom 28. April 2017 bis zum 8. Juni 2017 stationär aufgehalten. Zum Verlauf wird im genannten ärztlichen Bericht festgehalten, dass die Stimmungslage des Antragstellers sich unter medikamentöser Therapie gebessert habe. Trotz unklarer Zukunftsperspektive habe sich der Antragsteller im Augenblick glaubhaft von Suizidalität distanziert; Belastungserprobungen seien zufriedenstellend verlaufen und der Antragsteller in hinreichend stabilem psychischen Zustand entlassen worden. Eine ambulante psychiatrische Behandlung werde fortgeführt. Aus diesem Attest ergibt sich bereits keine wesentliche Verschlechterung der diagnostizierten Erkrankungen i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan; vielmehr sagt das Attest hierzu nichts aus. Was das jüngste vorgelegte Attest vom 23. Juni 2017 angeht, so wird darin eine schwere depressive Episode mit Somatisierung, F32.12, diagnostiziert. Es erscheint bereits nicht nachvollziehbar, warum nunmehr im Gegensatz zum ausführlich gehaltenen Entlassbericht vom 6. Juni 2017, in welchem eine mittelgradige depressive Episode bescheinigt wurde, nunmehr ohne weitere Begründung von einer schweren depressiven Episode ausgegangen wird, zumal sich die Krisensituation, in welcher sich der Antragsteller bei der Aufnahme in die stationäre Einrichtung befunden habe, gebessert und sein Zustand stabilisiert habe. Die in der Bescheinigung aufgeführte akute Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes bei Abbruch der ärztlichen Behandlung wird nicht weiter begründet. Es wird insoweit nur darauf hingewiesen, dass der Antragsteller auf akuten Stress (z.B. Abschiebung) mit Belastungsreaktionen und akuter Eigengefährdung reagiere. Eine nachvollziehbare konkrete Darstellung der Entwicklung des Gesundheitszustandes im Falle der Abschiebung wird auch mit diesem Schreiben nicht hinreichend dargelegt.
Unabhängig davon wird aus den Darlegungen im Attest vom 23. Juni 2017, aber auch aus der Anamnese im Entlassbericht vom 6. Juni 2017, ersichtlich, dass sich die Gefahr einer Eigengefährdung durch Suizidalität gerade aus der drohenden Gefahr einer Abschiebung selbst ergibt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, welches allein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, sondern um ein von der zuständigen Ausländerbehörde zu prüfendes inlandsbezogenes Voll-streckungshindernis (vgl. etwa OVG Münster, U.v. 27.1.2015 – 13 A 1201/12.A – juris). Soweit der Kläger seine Ängste im Falle der Abschiebung auch darauf bezieht, dass sein Onkel und seine Tante in Afghanistan für den IS oder die Taliban tätig seien und den Antragsteller dazu zwingen würden, sich am Dschihad zu beteiligen, so wurde dieses Vorbringen bereits durch das rechtskräftige Urteil des Gerichts im Asylerstverfahren vom 6. November 2013 als nicht glaubhaft eingestuft. Der Kläger erscheint darüber hinaus schließlich auch arbeitsfähig, nachdem er selbst mitgeteilt hat, dass er in den letzten fünf Jahren seinen Lebensunterhalt in Deutschland durch Arbeit gedeckt habe, so dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass dies auch im Heimatland möglich sein würde.
Was die Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan angeht, so ergibt sich auch unter Berücksichtigung der jüngsten Anschläge und der hierbei gegebenen Opferzahlen, insbesondere in der Stadt Kabul (vgl. etwa Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 19. Juni 2017 zur Sicherheitslage in Afghanistan), dass zum Entscheidungszeitpunkt weder in der Heimatregion des Klägers Sar-i Pul und Mazar-e Sharif (Nordregion) noch in Kabul (Zentralregion) davon auszugehen ist, dass bei Unterstellung eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einem ernsthaften Schaden für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre (vgl. auch BayVGH, B.v. 4.4.2017 – 13a ZB 17.30231 – juris).
Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG zuweisen.


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