Verwaltungsrecht

Keine Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft für Faili-Kurde aus Bagdad

Aktenzeichen  AN 2 K 16.30810

Datum:
13.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Faili begründet als solche keine asylrechtlich erhebliche Verfolgungsgefahr im Irak. (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Irak existieren Gebiete, in denen Faili-Kurden die Bevölkerungsmehrheit darstellen und vor Benachteiligungen weitgehend geschützt sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des BAMF vom 2. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Weder besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG oder Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch die in Ziffer 5 und 6 getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen Bedenken. Vom Klageantrag nicht umfasst und damit nicht Gegenstand der Klage ist ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a GG.
Das BAMF hat zu Recht den geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG verneint. Ein Anspruch besteht auch nicht im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG).
Die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Faili begründet als solche noch nicht die Gefahr von Verfolgung bzw. Übergriffen im Sinne von § 3 a AsylG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 21.4.2009, 10 C 11/08 – juris) liegt eine asylrechtlich erhebliche Verfolgungsgefahr für Mitglieder einer Gruppe dann vor, wenn Verfolgungshandlungen im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht.
Bei der Volksgruppe der Faili handelt es sich, wie vom Kläger korrekt dargestellt, um kurdische Volkszugehörige schiitisch-muslimischen Glaubens. An der Zugehörigkeit des Klägers zu dieser Volksgruppe hat das Gericht auch keine Zweifel. Die Faili stellen eine Minderheit von ca. 1.000.000 Angehörigen im Irak dar, die – wie der Kläger – hauptsächlich in der irakischen Hauptstadt Bagdad und im Grenzgebiet zum Iran siedeln. Als Kurden nicht-sunnitischer Glaubensausrichtung bilden sie sowohl unter den Kurden eine Minderheit, als auch als nicht-arabische Volkszugehörige unter den Schiiten des Iraks. In der Vergangenheit waren die Faili-Kurden im Irak vielfältigen und erheblichen Schwierigkeiten und Diskriminierungen ausgesetzt. Als oppositionelle Kraft zum Bath-Regime unter Saddam Hussein waren sie insbesondere in dieser Zeit unter anderem Maßnahmen wie Deportation und Beschlagnahme ihres Eigentums ausgesetzt. Benachteiligungen im Alltag durch Diskriminierungen innerhalb der Bevölkerung und Nachbarschaft sind die Faili auch heute zum Teil noch ausgesetzt, eine gezielte staatliche Diskriminierung als Minderheit ist den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen, insbesondere den Lageberichten des Auswärtigen Amtes vom 18. Februar 2016 und 7. Februar 2017 jedoch nicht zu entnehmen, auch nicht, dass ihnen staatlicherseits nicht bei Bedarf grundsätzlich ausreichender Schutz zuteil wird. Auch Benachteiligungen der Faili-Kurden zum Beispiel durch willkürliche Kontrollen von staatlichen Sicherheitsbehörden wie es der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft schildert, sind durchaus möglich, erreichen aber nicht die die Häufigkeit und Schwelle der asylrechtlichen Erheblichkeit.
Im Übrigen existieren im Irak Gebiete, in denen die Faili-Kurden die Bevölkerungsmehrheit darstellen und sie dort vor Benachteiligungen weitgehend geschützt sind. In einem derartigen Stadtteil von Bagdad hat auch der Kläger nach seinem glaubhaften Vorbringen gelebt. Nennenswerte und damit asylrechtlich relevante Diskriminierungen und Benachteiligungen hat der Kläger bis auf die vorübergehende Festsetzung im Jahr 2007 dort nicht erlebt. Er hat auch angegeben, dass seine Eltern nach wie vor in dem mehrheitlich durch Faili- Kurden bewohnten Stadtgebiet von Bagdad leben und diese dort keinen spezifischen Gefährdungen ausgesetzt sind. Die vorübergehende Festnahme bzw. Festsetzung von Faili-Kurden im Jahr 2007, von der Kläger berichtet hat und die er auch selbst erlebt hat, erreicht ebenfalls nicht die Schwelle einer asylrechtlichen Verfolgung. Sie war auch nicht auf den Kläger persönlich gerichtet und begründet deshalb auch keine Wiederholungsgefahr.
Da die Faili-Kurden aufgrund der in der Regel uneingeschränkten Kenntnisse der arabischen Sprache zunächst auch nicht als Zugehörige zu einer Minderheit auffallen, ist mit Übergriffen „en passant“, die die Bewegungsfreiheit faktisch einschränken würde, realistischerweise nicht zu rechnen.
Angesichts der allgemeinen Situation im Irak und in der der Stadt Bagdad ist auch keine Situation im Sinne von § 4 AsylG, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes führen würde, anzunehmen. Ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt liegt in der dort nach Auswertung der zum Verfahren beigezogenen Erkenntnisquellen nicht vor. Einzelne terroristische Anschläge und Gewaltakte, zu denen es im gesamten Irak gekommen ist und weiter kommen kann, genügen hierfür nicht.
Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in der Heimat nicht auf Dauer bestreiten könnte wie dies auch vor seiner Ausreise der Fall war.
Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheids beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen der nach § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffenden Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ist nicht zu beanstanden, § 114 Abs. 1 VwGO.
Die Kostenentscheidung der damit abzuweisenden Klage resultiert aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.


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