Verwaltungsrecht

Keine Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Dienstunfallfolge

Aktenzeichen  M 12 K 15.4789

Datum:
14.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG BayBeamtVG Art. 46

 

Leitsatz

1. Ein äußeres, den Dienstunfall verursachendes Ereignis kann nicht nur ein physisch auf den Körper des Beamten einwirkendes Ereignis sein, sondern auch ein solches, das nur mittelbar krankhafte Vorgänge im Körper auslöst, etwa durch die Verursachung eines seelischen Schocks (ebenso BVerwG BeckRS 2009, 40433). (redaktioneller Leitsatz)
2. Löst ein Unfallereignis ein bereits vorhandenes Leiden aus oder beschleunigt oder verschlimmert es dieses, so ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen „der letzte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte“ bei einer Krankheit, „die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen war“. (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Anspruch auf Anerkennung eines Ereignisses als Dienstunfall ist nur dann zuzuerkennen, wenn sowohl das Vorliegen des behaupteten Körperschadens als auch der Kausalzusammenhang mit dem Dienstunfallgeschehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sind (stRspr, BVerwG BeckRS 2011, 50921). (redaktioneller Leitsatz)
4. Äußert ein Schüler einer Berufsschule im Rahmen einer streitigen Auseinandersetzung gegenüber einem Lehrer „Ich bring dich um du fetter Glatzkopf!“ und anschließend gegenüber den übrigen im Lehrerzimmer anwesenden Personen „Ich bring euch alle um. Ich komme am …“, stellt dies kein traumatisierendes Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß dar, auf welches die Diagnose einer PTBS gestützt werden könnte. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass das Ereignis vom … November 2013 als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge einer posttraumatischen Belastungsstörung anerkannt wird (§ 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2015 erweist sich vielmehr als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Nach der Legaldefinition des Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder als Folge des Dienstes eingetreten ist. Als Folgen eines Dienstunfalls können nur Körperschäden anerkannt werden, die durch diesen verursacht wurden.
Ein äußeres, den Dienstunfall verursachendes Ereignis kann dabei nicht nur ein physisch auf den Körper des Beamten einwirkendes Ereignis sein, sondern auch ein solches, das nur mittelbar krankhafte Vorgänge im Körper auslöst, etwa durch die Verursachung eines seelischen Schocks (vgl. BVerwG, U.v. 9.4.1970 – juris Rn. 14). Unter einem Körperschaden im Sinne des Dienstunfallrechts ist jede über Bagatelleinbußen hinausgehende Verletzung der körperlichen oder seelischen Integrität zu verstehen, mithin auch eine als Folge einer Traumatisierung eingetretene seelische Erkrankung (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2009 – 2 C 134.07 – juris Rn. 24).
Als Ursachen im Rechtsinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung sind nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlichphilosophischen (natürlichlogischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Der Ursachenzusammenhang ist nicht schon dann ausgeschlossen, wenn außer dem Unfall auch andere Umstände (namentlich eine anlage- oder schicksalsbedingte Krankheit oder ein anderes Unfallereignis) als Ursachen in Betracht kommen. In derartigen Fällen ist der Dienstunfall vielmehr dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) beigetragen hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt.
Löst ein Unfallereignis ein bereits vorhandenes Leiden aus oder beschleunigt oder verschlimmert es dieses, so ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen „der letzte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte“ bei einer Krankheit, „die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen war“. Das Unfallereignis tritt dann im Verhältnis zu der schon gegebenen Bedingung (dem vorhandenen Leiden oder der krankhaften Veranlagung) derartig zurück, dass die bereits gegebene Bedingung als allein maßgeblich anzusehen ist. Nicht Ursache im Rechtsinn sind demgemäß sogenannte Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, d. h. wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2009 – 2 C 134.07 – juris Rn. 26; U.v. 18.4.2002 – 2 C 22.01 – juris Rn. 10; OVG NRW, U.v. 6.5.1999 – 12 A 2983/96 – juris Rn. 50; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Anm. 1 a und 5 zu § 31).
Der Grundgedanke dieser aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung übernommenen Kausaltheorie liegt darin, dass der Dienstherr nicht für Folgen haften soll, die nicht seiner Risikosphäre zugerechnet werden können. Die beamtenrechtliche Unfallfürsorge darf nicht dazu führen, dass dem Beamten jedes denkbare Risiko abgenommen wird, auch wenn es sich in gar keiner Weise aus dem Dienst ableitet; vielmehr kann nur eine solche Risikoverteilung sinnvoll sein, die dem Dienstherrn die eigentümlichen und spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit auferlegt, dagegen dem Beamten mindestens die Risiken belässt, die sich aus seinen persönlichen Anlagen und etwa bereits bestehenden Beeinträchtigungen seines Gesundheitszustandes ergeben. Körperschäden auch psychischer Art sind so dem individuellen Lebensschicksal des Beamten und damit seinem Risikobereich zuzurechnen, wenn der Körperschaden jederzeit auch außerhalb des Dienstes bei einer im Alltag vorkommenden Belastungssituation hätte eintreten können (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.2002, a. a. O., juris Rn. 11).
Für das Vorliegen eines Dienstunfalls, eines Körperschadens und der Ursächlichkeit des Dienstunfalls für den Körperschaden ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, sowohl für das Vorliegen des behaupteten Körperschadens als auch dafür, dass die Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Bleibt nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht offen, ob die anspruchsbegründenden Voraussetzungen erfüllt sind, geht dies damit zulasten des Beamten. Ein Anspruch ist nur dann zuzuerkennen, wenn sowohl das Vorliegen des behaupteten Körperschadens als auch der Kausalzusammenhang mit dem Dienstunfallgeschehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sind (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U.v. 25.2.2010 – 2 C 81.08 – NVwZ 2010, 708; BVerwG, B.v. 4.4.2011 – 2 B 7.10 – juris).
2. Gemessen an diesen Vorgaben konnte das Gericht bereits nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit dafür gewinnen, dass beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt.
a) Nach den in Deutschland geltenden fachlichen Grundsätzen der medizinischen Fachgesellschaften (vgl. Leitlinienempfehlung 3 der S3-Leitlinie posttraumatische Belastungsstörung ICD 10: F 43.1 der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. in Abstimmung mit den AWMF-Fachgesellschaften: Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie [DeGPT] – federführend -, Deutsche Gesellschaft für Psychotherapeutische Medizin und ärztliche Psychotherapie [DGPM], Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM), Deutsche Gesellschaft für Psychologie [DGPs], Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie [DGPT], Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde [DGPPN]) soll die Diagnostik einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach klinischen Kriterien (ICD-10) erfolgen.
Das Krankheitsbild der PTBS wird in dem von der Weltgesundheitsorganisation erstellten Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 („Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“) in Kapitel V „Psychische und Verhaltensstörungen“ (F00 – F99), Unterkapitel „Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen“ (F40 – F48) beschrieben. Von den anderen in diesem Abschnitt dargestellten psychischen Störungen unterscheiden sich die unter F43.- beschriebenen Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen nicht nur aufgrund der Symptomatologie und des Verlaufs, sondern auch durch die Angabe eines ursächlichen Faktors, nämlich eines außergewöhnlich belastenden Lebensereignisses, das eine akute Belastungsreaktion hervorruft. Im Gegensatz zu den auf individuelle Vulnerabilität abstellenden Angststörungen des vorstehenden Abschnitts entstehen die hier aufgeführten Störungen immer als direkte Folge der akuten schweren Belastung oder des kontinuierlichen Traumas. Das belastende Ereignis oder die andauernden, unangenehmen Umstände sind primäre und ausschlaggebende Kausalfaktoren und die Störung wäre ohne ihre Einwirkung nicht entstanden. Nach ICD-10 F 43.1 entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann.
Da eine PTBS stets eine Reaktion auf ein traumatisches Ereignis ist, ist der Nachweis eines solchen Traumas Grundvoraussetzung für die Feststellung einer PTBS. Ohne die exakte Feststellung eines Traumas im Sinne eines Ereignisses von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß kann eine entsprechende Diagnose mithin nicht zuverlässig gestellt werden. Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss dabei gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden. Denn der objektive Erlebnisaspekt ist nicht Gegenstand der gutachterlichen ärztlichen Untersuchung. Allein mit psychiatrischpsychotherapeutischen Mitteln kann nicht sicher darauf geschlossen werden, ob tatsächlich in der Vorgeschichte ein Ereignis vorlag und wie dieses geartet war (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.2010 – 9 ZB 10.30376).
Vorliegend konnte ein solches Trauma im Sinne eines Ereignisses von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß nicht nachgewiesen werden. Die von der sachverständigen Zeugin Dr. K. vertretene Einschätzung, wonach das Ereignis vom … November 2013 beim Kläger eine PTBS hervorgerufen hat, vermag nicht zu überzeugen, da das vom Kläger beschriebene Ereignis nicht von außergewöhnlicher Bedrohung oder von katastrophenartigem Ausmaß war und damit nicht die erforderliche Schwere erreicht hat.
Nach den Angaben des Klägers, die auch von der Schulleitung bestätigt werden, hat er am …, den … November 2013 vormittags, einige Handys im Unterricht konfisziert. Daraufhin ist gegen 13 Uhr der Schüler … im Lehrerzimmer der Schule erschienen, in dem neben dem Kläger zwei weitere Lehrer, Herr H. und Frau V., anwesend waren. Der Schüler … hat sein Handy zurückbekommen wollen. Als ihm dies verweigert wurde, hat er Herrn H. beschimpft, der sich eingemischt hatte, und zu diesem gesagt: „Ich bring dich um du fetter Glatzkopf!“. Danach hat er sich an die übrigen im Lehrerzimmer anwesenden Personen gewandt und gesagt: „Ich bring euch alle um. Ich komme am …“ Nachdem am … den … November 2013 am späteren Nachmittag durch den Ausbildungsbetrieb des Schülers … mitgeteilt worden ist, dieser habe den Betrieb mit dem erklärten Ziel verlassen, die Schule aufzusuchen, sind die beiden Lehrer, Herr H. und der Kläger, nach Hause geschickt worden. Aufgrund der Vorfälle ist gegenüber dem Schüler … ein verschärfter Verweis durch den Schulleiter sowie ein sofortiges Hausverbot für drei Tage ausgesprochen worden. Von Seiten des Ausbildungsbetriebes ist der Schüler noch am … November 2013 fristlos gekündigt worden. Der Vater des Schülers … hat am … Dezember 2013 gegenüber dem Schulleiter geäußert, dass er auf seine Lehrer aufpassen solle.
Dies stellt kein traumatisierendes Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß dar, auf welches die Diagnose einer PTBS nach ICD-10 gestützt werden könnte. Aus der Formulierung der ICD-Klassifikation „belastendes Ereignis oder Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die fast bei jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“, folgt, dass nach ICD-10 das subjektive Empfinden einer besonderen Belastung allein nicht ausreicht, um die Schwere des Ereignisses bejahen zu können. Es ist daher nicht ausreichend – wie die sachverständige Zeugin Dr. K. in der mündlichen Verhandlung ausführt -, dass beim Kläger die individuelle Schwelle erreicht gewesen sei. Denn „nahezu bei jedem“ bedeutet, dass es sich um ein derart außergewöhnlich belastendes Ereignis handeln muss, dass es nicht nur bei besonders empfindsamen, sondern auch bei psychisch robusten Menschen mit einem überdurchschnittlich starken Nervenkostüm tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Für die Frage, ob ein Ereignis mit katastrophenartigem Ausmaß vorliegt, sind damit objektive Kriterien maßgebend (vgl. LSG NRW, U.v 16.5.2007 – L 17 U 127/06 – juris Rn. 25). Ein Ereignis mit katastrophenartigem Ausmaß ist dabei insbesondere bei Geschehen wie Folter, Vergewaltigung, schweren Naturkatastrophen oder Terroranschlägen anzunehmen.
Bei Zugrundelegung objektiver Kriterien lässt sich vorliegend ein außergewöhnlich belastendes Ereignis, welches mit Ereignissen wie Folter, Vergewaltigung, schweren Naturkatastrophen oder Terroranschlägen vergleichbar wäre, nicht feststellen. Weder der konkrete Geschehensablauf der Streitigkeit noch der Ausgang des Streits lassen auf ein Ereignis schließen, das geeignet ist, bei nahezu jedem tiefe Verzweiflung auszulösen. Der Kläger war weder Opfer noch Zeuge einer massiven Gewalttat. Verletzt wurde bei dem Vorfall niemand. Die erkennbaren Gegebenheiten schließen es aus, dass eine emotionale Äußerung eines Schülers angesichts der Beschlagnahme seines Handys fast jeden Menschen in einen Zustand tiefer Verzweiflung und Hilflosigkeit stürzen würde, zumal es sich nicht um eine unmittelbare Bedrohung gehandelt hat. Die ausgesprochene Drohung war gerade nicht auf eine direkt bevorstehende Gewaltausübung gerichtet, so dass eine unmittelbare Bedrohung und ausweglose Situation nicht vorlag. Darüber hinaus waren insgesamt drei Lehrer anwesend, so dass der Kläger dem Schüler auch nicht allein gegenüberstand. Der Streit stellt sich unter Berücksichtigung des konkreten Geschehensablaufs letztlich als in dieser oder ähnlicher Form wohl häufiger vorkommende Auseinandersetzung zwischen Lehrern und Schülern, insbesondere an Brennpunktschulen, dar. Das Ereignis ist deshalb nicht als besonders belastend einzustufen. Es ist davon auszugehen, dass vergleichbare Streitigkeiten des Öfteren an Schulen vorkommen und es zu den typischen Aufgaben eines Lehrers und der Schulen insgesamt gehört, im Rahmen des Erziehungsauftrags auch derartige Auseinandersetzungen mit Schülern zu führen und aufzuarbeiten. Die Kammer geht deshalb davon aus, dass es sich um einen Vorfall handelt, der im Berufsleben eines Lehrers nicht außergewöhnlich ist. Es ist daher auszuschließen, dass das Ereignis vom … November 2013 seiner Intensität und Eigenart nach geeignet war, bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorzurufen und damit auch bei einem psychisch gefestigten Bediensteten psychische Störungen hervorzurufen. Dies belegt nicht zuletzt auch die Reaktion des direkt betroffenen Lehrers H., der – anders als der Kläger – unmittelbar bedroht wurde, als auch der weiteren anwesenden Lehrerin V. Beide hat das Ereignis nicht in tiefste Verzweiflung gestürzt.
Auch die Aussage des Vaters des Schülers stellt kein Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß dar. Nach der überzeugenden Darstellung des Schulleiters in seiner Stellungnahme vom … März 2015 war die Äußerung schon nicht als Drohung zu verstehen, sondern als Unmutsäußerung über das Verhalten der Lehrer, das der Schulleiter besser überwachen solle.
Damit konnte bereits die Grundvoraussetzung für eine PTBS, die hinreichende Schwere des Ereignisses, hier nicht festgestellt werden.
b) Darüber hinaus fehlt es auch an der für die Diagnose einer PTBS wesentlichen subjektiven Reaktion des Klägers in Form von Intrusionen (Flashbacks). Wie die sachverständige Zeugin Dr. R. nachvollziehbar ausgeführt hat, hat der Kläger nach dem Ereignis zwar Angstsymptome entwickelt, Intrusionen hätten aber nicht vorgelegen. Der Kläger habe sich etwa mit der Frage beschäftigt, ob es richtig gewesen sei, das Handy nicht herauszugeben. Er habe erklärt, sich an das Ereignis häufig zu erinnern und dabei zu sehen, wie der Schüler mit geballter Faust vor dem Lehrer H. stehe. Voraussetzung für Intrusionen wäre aber eine emotionale Erinnerung, ein Affektsturm, der zu einem unmittelbaren Erleben des Ereignisses führt. Derartiges intrusives Erleben hat der Kläger bei der Begutachtung gerade nicht gezeigt, sondern nur explizite Erinnerungsinhalte geschildert. Wenn der Kläger tatsächlich derartige Flashbacks bereits seit Anfang 2014 gehabt hätte – wie die sachverständige Zeugin Dr. K. ausführt -, ist es nicht nachvollziehbar, weshalb er bei der Begutachtung der sachverständigen Zeugin Dr. R., bei der er sich erneut intensiv mit dem belastenden Ereignis auseinandersetzen musste, kein intrusives Erleben gezeigt hat bzw. hiervon nicht zumindest in nachvollziehbarer Weise berichtet hat. Alpträume und starkes Vermeidungsverhalten, wie sie beim Kläger vorliegen, können nach den nachvollziehbaren Ausführungen der sachverständigen Zeugin Dr. R. auch Symptome anderer psychischer Erkrankungen sein. Beim Kläger bestehen manifeste Vorerkrankungen. So leidet der Kläger bereits seit Längerem an einer Depression, aufgrund derer er nach der schlüssigen Aussage der sachverständigen Zeugin Dr. R. auf das zugrundeliegende Ereignis unverhältnismäßig stark reagiert hat. Hinzu kommt, dass der Kläger im Jahr 2008 eine cerebrale Toxoplasmose infolge seiner HIV-Erkrankung erlitten hat, bei der nach Ausführungen der sachverständigen Zeugin Dr. R. unter Berufung auf eine Studie aus dem Jahr 2015 die große Wahrscheinlichkeit besteht, dass als Folge neurologische Restsymptome, insbesondere psychische Folgen und eine allgemeine Vulnerabilität verbleiben. Auch die sachverständige Zeugin Dr. K. hält es für möglich, dass aufgrund der cerebralen Toxoplasmose auch Jahre später Angstsymptome oder eine Angststörung auftreten kann. Demzufolge ist es schlüssig, wenn die sachverständige Zeugin Dr. R. davon ausgeht, dass der Kläger zwar an einer Depression und einer schweren Angststörung leidet, wesentliche Symptome einer PTBS aber fehlen.
3. Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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