Verwaltungsrecht

Keine Aussetzung der Abschiebung nach Mali – erst bei Gericht behauptete Homosexualität

Aktenzeichen  M 21 S 17.42853

Datum:
6.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 3, § 4, § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a, Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Homosexualität als Fluchtgrund ist grundsätzlich schon bei der persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geltend zu machen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach letzten, eigenen Angaben ein lediger, in Gao geborener Staatsangehöriger der Republik Mali muslimischen Glaubens vom Volk der Songhai.
Er stellte am 28. August 2015 bei der Außenstelle des Bundesamt für … (kurz: Bundesamt) in M. einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in B. am 1. Dezember 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, sich bis zur Ausreise in Accra aufgehalten zu haben. Mit ca. fünf Jahren sei er mit seiner Familie nach Ghana ausgereist. Sie hätten davor in Gao gewohnt. In Accra habe er mit seinem Vater, seiner Mutter, einer Schwester und vier Brüdern gelebt. Zwei Schwestern, ein Bruder und die Großfamilie lebten in Gao. Ghana habe er im August 2013 verlassen und sei am 1. Juli 2015 in das Bundesgebiet eingereist. Seine Eltern hätten sein Flugticket in die Türkei bezahlt. Dort habe er auch gearbeitet. Er habe Kontakt zu seinem Bruder in Mali. Er sei sechs Jahre auf einer Fußballschule gewesen. Nach Ghana habe er nicht zurück gekonnt, weil seine Familie dort eine Hochzeit für ihn arrangiert habe, die er nicht wolle. Deshalb sei er nach Deutschland gegangen. Die Hochzeit hätte in Mali stattfinden sollen, deswegen sei er nicht dorthin gegangen. Dort lebten alle seine Familienangehörigen. Sein Bruder sei Lehrer in Bamako.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Mali an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Vortrag zu Ghana sei nicht geeignet, eine Verfolgungsgefahr in Mali zu begründen. Dem Antragsteller stehe auch nach wie vor eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis zur Verfügung. So sei etwa eine Rückkehr nach Bamako zumutbar. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
Am 29. Mai 2017 erhob der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München sinngemäß Klage gegen den Bundesamtsbescheid vom 18. Mai 2017.
Über die Klage (M 21 K 17.42849) ist noch nicht entschieden.
Am 29. Mai 2017 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München zugleich,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Zur Klage- und Antragsbegründung wurde durch Schreiben vom 26. Mai 2017 im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller fürchte um seine leibliche Unversehrtheit und um sein Leben bei einer Rückkehr nach Mali.
Mit Schreiben vom 30. Mai 2017 führte der Antragsteller zur Klagebegründung im Wesentlichen ergänzend aus, er sei homosexuell und könne auf keinen Fall eine Frau heiraten. Nur aus diesem Grund sei er geflüchtet. Aus Schamgefühl habe er auch bei seiner Anhörung diese Tatsache verschwiegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und an der Rechtmäßigkeit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur näheren Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bundesamtsbescheids Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
Wäre der Antragsteller wirklich homosexuell, hätte er dazu in der Bundesamtsanhörung (nähere) Angaben machen können und müssen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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