Verwaltungsrecht

Keine Aussetzung der Ausreisepflicht nach Antrag auf Aufenthaltserlaubnis für Antragsteller mit Daueraufenthaltstitel EU

Aktenzeichen  M 10 S 18.4208

Datum:
8.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26486
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § § 38a, § 58 Abs. 1 Nr. 1, § 81 Abs. 3, Abs. 4
AsylG § 55 Abs. 2, § 69 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
SDÜ Art. 21 Abs. 1
VO (EU) 2016/399 Art. 6 Abs. 1 lit. c
VwGO § 80 Abs. 5, § 123

 

Leitsatz

1. Für einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs, 5 VwGO mit dem Ziel, die Ausreisepflicht auszusetzen, besteht dann kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Antragsteller bereits unabhängig von der gerichtlichen Entscheidung über die Ablehnung seines Antrags auf Aufenthaltserlaubnis ausreisepflichtig ist. (Rn. 17 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Reist ein Ausländer mit einem Daueraufenthaltstitel EU ins Bundesgebiet ein, kann er sich nur unter den Einreisevoraussetzungen des Schengener Grenzkodex bis zu 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet Deutschlands bewegen. Voraussetzung ist somit u.a., dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts verfügt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen eine Ausweisung und Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben senegalesischer Staatsangehöriger. Er reiste am 26. November 2014 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Er ist im Besitz eines unbefristeten „Permesso di soggiorno, Soggiornante di lungo periodo – CE“ aus 2013.
Nach Vortrag der Antragsgegnerin beantragte der Antragsteller beim Landratsamt … Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wobei er nicht angab, bereits seit 2013 eine italienische Daueraufenthaltskarte zu besitzen. Die Bundesagentur für Arbeit gewährte dem Antragsteller nach Angaben der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2014 bis 21. November 2016 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von 6.358,60 €.
Das Asylverfahren des Antragstellers in Deutschland wurde am 22. April 2016, bestandskräftig seit dem 18. Mai 2016, eingestellt.
Am 10. Juli 2017 hat er einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG gestellt. Darin hat der Antragsteller angegeben, eine Erlaubnis für langfristig Aufenthaltsberechtigte in Italien zu besitzen. Als ständigen Wohnsitz außerhalb Deutschlands gab er eine Adresse in Italien an. Er hat angegeben, ohne Unterbrechungen seit dem 18. April 2017 in Deutschland zu sein und als früheren Aufenthalt November 2014 bis Januar 2016. Er hat angegeben, seinen Unterhalt durch eigenes Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu bestreiten.
Der Antragsteller erhielt eine Fiktionsbescheinigung.
Mit nicht rechtskräftigem Strafbefehl vom 14. Dezember 2017 wurde der Antragsteller zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt. Gegen diesen Strafbefehl legte der Antragsteller Einspruch ein und das Verfahren wurde mit Beschluss vom 6. Juli 2018 gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Dem Antragsteller wurde zur Auflage gemacht, 1000 € in monatlichen Raten zu je 200 € zugunsten eines gemeinnützigen Vereines zu bezahlen.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2018 hat die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis und zur Ausweisung angehört.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2018 hat die Antragsgegnerin den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vom 10. Juli 2017 abgelehnt (Ziffer 1), den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, die Wiedereinreise für die Dauer von 2 Jahren untersagt (Ziffer 2), den Antragsteller über seine Verpflichtung, die Bundesrepublik Deutschland bis spätestens zum 31. August 2018 zu verlassen, informiert (Ziffer 3) und ihm die Abschiebung nach Italien angedroht (Ziffer 4). Zur Begründung wird ausgeführt: der Antragsteller sei strafbar geworden, die Einstellung des Strafverfahrens stelle keinen Freispruch dar. Der Antragsteller hätte bei seiner Einreise gegenüber den Behörden alle Unterlagen und Dokumente vorlegen und seinen Voraufenthalt in Italien mitteilen müssen. Bei Kenntnis der tatsächlichen Sachlage hätte der Leistungsträger … keine Leistungen gewährt, da der Antragsteller aufgrund der auf ihn ausgestellten Daueraufenthaltskarte nicht zu dem Kreis der Leistungsempfänger nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes zähle. Das Sozialamt … sei durch das Verhalten des Antragstellers in Höhe von 6.358,60 € finanziell geschädigt worden. Die Straffälligkeit des Antragstellers gefährde die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Es liege im öffentlichen Interesse, dass Sozialleistungen an Ausländer nur in gerechtfertigten Fällen ausgezahlt würden. Der Antragsteller habe nicht nur einen vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen. Durch die Falschangaben sei nicht nur eine einmalige Auszahlung erwirkt worden, sondern mehrere über einen längeren Zeitraum. Es liege kein Bleibeinteresse vor. Der Antragsteller habe sich kurzfristig öfter ins Ausland oder nach unbekannt abgemeldet und dann wieder in … angemeldet. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe der besondere Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen. Selbst wenn keine Ausweisung angeordnet worden wäre, käme die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht in Betracht, da ein Ausweisungsinteresse bestehe.
Der Bescheid wurde der Bevollmächtigten des Antragstellers am 25. Juli 2018 zugestellt.
Am 23. August 2018 hat die Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den Bescheid vom 25. Juli 2018 zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt, den Bescheid aufzuheben, unter Aufhebung des Bescheids festzustellen, dass die Ausweisung rechtswidrig ist, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sowie die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
Eine Begründung erfolgte nicht.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt: die Ausweisung stütze sich auf generalpräventive Gründe. Es mehrten sich die Fälle, in denen Drittstaatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht in einem anderen EU-Staat besäßen, nach Deutschland einreisten, um hier unter anderen Personalien, ohne gültige Ausweispapiere vorzulegen und unter Verschweigen des Aufenthaltsrechts des anderen EU-Staates widerrechtlich öffentliche Leistungen zu beziehen. Der Straftatbestand des Betruges sei beim Antragsteller erfüllt, auch wenn das Strafverfahren letztlich gegen eine Geldauflage eingestellt worden sei. Unabhängig von der Ausweisung dürfe dem Antragsteller keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, da er die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfülle und kein vom gesetzlichen Regelfall abweichender Sachverhalt gegeben sei. Der Antragsteller erfülle das Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Der Antragsteller habe über einen längeren Zeitraum öffentliche Leistungen erschlichen, die sich letztlich zu einer Gesamtschadenssumme von über 6000 € beliefen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg. Das Gericht geht davon aus, dass er mangels Rechtschutzbedürfnisses bereits unzulässig ist. Jedenfalls aber ist er unbegründet.
Der Antragsteller verfolgt mit seinem Antrag das Rechtschutzziel, seine Ausreisepflicht auszusetzen. Die grundsätzlich bestehende aufschiebende Wirkung einer Klage (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) besteht nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht für Klagen gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis. Ein Kläger ist insoweit auf die Anordnung des Gerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO verwiesen, um die sofort vollziehbaren Rechtswirkungen der Ablehnung, insbesondere die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht, zu suspendieren. Nach § 58 Abs. 2 AufenthG richtet sich die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht grundsätzlich nach der Vollziehbarkeit der Ablehnung eines Antrags auf Aufenthaltserlaubnis. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen der Antragsteller bereits aus anderen Gründen ausreisepflichtig ist. Ein Antrag bei Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO hat demnach nur ein Rechtschutzbedürfnis, wenn der Antragsteller sein Ziel, die Ausreisepflicht auszusetzen, damit überhaupt erreichen kann und nicht unabhängig von der gerichtlichen Entscheidung über die Ablehnung seines Antrags auf Aufenthaltserlaubnis bereits ausreisepflichtig ist.
Letzteres ist beim Antragsteller der Fall: Unabhängig von der Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ist er ausreisepflichtig. Das Gericht kann somit die Rechtstellung des Antragstellers selbst dann nicht verbessern, wenn es die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen sollte.
Grundsätzlich benötigt der Antragsteller zum Aufenthalt in der Bundesrepublik einen Aufenthaltstitel (§§ 3, 4 AufenthG). Der Antragsteller ist ohne Aufenthaltstitel nach Deutschland eingereist. Nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist ein unerlaubt Eingereister vollziehbar ausreisepflichtig.
Daran ändert nichts, dass der Antragsteller während seines Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG erhalten hat und sich somit in diesem Zeitraum rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Denn die Aufenthaltsgestattung ist nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG mit Zustellung der Einstellungsentscheidung des Bundesamts vom 22. April 2016 erloschen, nachdem der Antragsteller seinen Asylantrag zurückgenommen hatte.
Ebenso verhilft dem Antragsteller nicht zu einem rechtmäßigen Aufenthalt, dass er nach dem Ablauf der Geltung seiner Aufenthaltsgestattung einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis gestellt hat. Ein Antrag auf die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis kann zwar unter den Voraussetzungen des § 81 Abs. 3 AufenthG dazu führen, dass der Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gilt (sog. Fiktionswirkung). Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt nach § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt. Nach § 81 Abs. 3 AufenthG ist erforderlich, dass der betreffende Antragsteller sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen. Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller den Antrag auf Aufenthaltserlaubnis erst über ein Jahr nach Ablauf seiner Aufenthaltsgestattung gestellt. Unabhängig davon kann in seinem Fall keine Fiktionswirkung eintreten. Zwar zählt die Aufenthaltsgestattung nicht zu den Aufenthaltstiteln des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und der Aufenthalt eines Asylbewerbers ist nach Stellung seines Asylantrags rechtmäßig.
Gleichwohl hat der Antrag nicht die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zur Folge. Denn nach dem spezielleren und damit vorrangigen § 55 Abs. 2 AsylG finden die Regelungen nach § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG keine Anwendung (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2015 – 10 C 15.1470 – juris; OVG Bremen, B.v. 27.10.2009 – 1 B 224/09 – juris; OVG NRW B. v. 17.3.2009 – 18 E 311/09 – juris). § 55 Abs. 2 AsylG sieht vor, dass mit der Stellung eines Asylantrags die Erlaubnis-/Duldungsfiktionen nach § 81 Abs. 3 oder 4 erlöschen (Satz 1); etwas anderes gilt nur dann, wenn der Ausländer die Verlängerung eines ihm zuvor bereits erteilten längerfristigen Aufenthaltstitels beantragt hat (Satz 2). Der Ausländer verliert mit der Asylantragstellung grundsätzlich das vorläufige Bleiberecht nach § 81 Abs. 3 AufenthG. Es wäre widersprüchlich, einen Ausländer, der den Aufenthaltstitel nach der Asylantragstellung beantragt, in dieser Hinsicht günstiger zu behandeln als einen Ausländer, der den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor dem Asylantrag gestellt hat. Dementsprechend stellt § 43 Abs. 2 AsylG klar, dass der Abschiebung eines Asylbewerbers § 81 AufenthG nicht entgegensteht, anderes gilt nur im Fall der Verlängerung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels (siehe zu alldem Bergmann/Dienelt/Samel, AufenthG, § 81 Rn. 31-37).
Auch die Regelung des § 10 AufenthG steht diesem Befund nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung entfaltet ein laufender oder früherer Asylantrag bestimmte Sperrwirkungen hinsichtlich der Erteilung eines Aufenthaltstitels (vgl. Maor in BeckOK Ausländerrecht, § 10 AufenthG Rn. 1 ff.). § 10 Abs. 1 AufenthG regelt Ausnahmen dieser Sperrwirkung für die erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels. Daraus lässt sich allerdings nicht herleiten, dass ein von einem Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens gestellter Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG begründet, zumal durch die asylrechtliche Aufenthaltsgestattung dessen Aufenthalt ohnehin legalisiert ist. § 39 Nr. 4 AufenthV enthält schließlich lediglich eine Ausnahme von der Pflicht zum Durchlaufen eines Visumverfahrens für Asylbewerber, denen nach § 10 Abs. 1 und 2 AufenthG ausnahmsweise ein Aufenthaltstitel erteilt werden darf, und kann in diesen Fällen ebenfalls nicht als durchgreifendes Argument für die Begründung der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG herangezogen werden (zu alledem: BayVGH, B.v. 28.9.2015 – 10 C 15.1470 – juris, Rn. 6).
Schließlich ändert auch nichts an der Unzulässigkeit des Antrags, dass der Kläger mit einem Daueraufenthaltstitel-EU nach Deutschland eingereist ist und den Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis binnen 90 Tagen gestellt hat. Zwar ist der Antragsteller Inhaber einer italienischen Aufenthaltserlaubnis und kann sich daher bis zu 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, vgl. Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ). Dies gilt jedoch nur unter den Einreisevoraussetzungen des Schengener Grenzkodex, auf den Art. 21 Abs. 1 SDÜ verweist. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c Schengener Grenzkodex (wortgleich Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c des Schengener Grenzkodex vom 15. März 2006, auf den Art. 21 SDÜ dem Wortlaut nach Bezug nimmt), ist eine Voraussetzung, dass der Antragsteller über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben. Dies ist nicht nachgewiesen. Der Antragsteller hat zwar angegeben, er bestreite seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit, diese ist aber nicht bekannt. Auch den Akten lässt sich nichts entnehmen. In den Akten befindet sich ein Arbeitsvertrag des Antragstellers über eine Teilzeitbeschäftigung als Spüler/Küchenhilfe. Als Lohn ist monatlich 9 € brutto eingetragen, womit vermutlich ein Stundenlohn von 9 € gemeint ist. Hinsichtlich der Anzahl der Wochenstunden ist ein Fragezeichen eingetragen. Somit ist nicht bekannt, ob der Antragsteller seinen Lebensunterhalt durch anderweitige Tätigkeit sichern kann. Von der Bundesagentur für Arbeit ist ihm jedenfalls eine anderweitige Erwerbstätigkeit laut Aktenlage nicht gestattet. Dass er zu seinem anderweitig genannten Wohnsitz in Parma von … aus pendelt, um dort einer anderweitigen Beschäftigung nachzugehen, ist nicht wahrscheinlich. Der Antragsteller selbst hatte bei seinem Asylantrag angegeben, kein weiteres Vermögen zu besitzen.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann somit mangels Rechtschutzbedürfnis keinen Erfolg haben (vgl. OVG Bremen, B.v. 27.10.2009 – 1 B 224/09 – juris).
2. Dem Rechtschutzbegehren des Antragstellers entsprechend ist sein Antrag dahingehend gemäß §§ 88, 122 VwGO auszulegen, dass er hilfsweise eine vorübergehende Aussetzung seiner Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO begehrt. Ein solcher Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung) oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (sog. Regelungsanordnung). Wesentliche Nachteile sind u.a. wesentliche rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Nachteile, die der Antragsteller in Kauf nehmen müsste, wenn er das Recht im langwierigen Hauptsacheprozess erstreiten müsste (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 123, Rn. 23). Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO sind sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Grund, für den ein Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen. Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Eine einstweilige Anordnung ist nicht nur zu erlassen, wenn mit zweifelsfreier Sicherheit feststeht, dass das materielle Recht besteht, dessen Sicherung der Antragsteller im Fall des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO erstrebt oder dessen Regelung er im Sinn von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erreichen will. Es genügt vielmehr, dass das Bestehen dieses Rechts überwiegend wahrscheinlich ist, so dass der Rechtsschutzsuchende in der Hauptsache voraussichtlich obsiegen würde (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.). Grundsätzlich darf das Eilverfahren die Hauptsache nicht vorwegnehmen.
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn nach summarischer Prüfung liegt kein Abschiebungshindernis vor. Dem Antragsteller steht kein Anspruch auf eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu.
Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung des Antragstellers nach Italien ist weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich. Diesbezüglich ist nichts von der Antragstellerseite glaubhaft gemacht. Selbst wenn ein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis einer Abschiebung rechtlich entgegenstünde, kommt ein solcher Anspruch im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Denn es fehlt an den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG muss der Lebensunterhalt des Antragstellers gesichert sein. Diese Anforderungen bleiben grundsätzlich im Rahmen der Anforderungen des Art. 15 Abs. 2a RL 2003/109 auch hinsichtlich § 38a AufenthG bestehen. Maßgeblich ist die Definition des § 2 Abs. 3 AufenthG über die Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. Hailbronner, AufenthG, 84. Aktualisierung, 2014). Der Antragsteller hat die Sicherung seines Lebensunterhalts nicht glaubhaft gemacht.
Die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis war daher rechtmäßig.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Der Streitwert beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog.


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