Verwaltungsrecht

Keine drohende Verfolgung für Asylsuchenden im Iran allein aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Taufe

Aktenzeichen  Au 5 K 18.30430

Datum:
20.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21622
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
AsylG § 3, § 3a, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Zwar drohen den zum Christentum konvertierten Muslimen im Iran durch die Glaubensausübung landesweit vom iranischen Staat oder diesem zurechenbaren Akteuren ausgehende Verfolgungshandlungen iSd § 3a AsylG, weshalb dann regelmäßig die Voraussetzungen der §§ 3 ff. AsylG vorliegen. Bei unglaubwürdigem Vortrag und fehlender  nachvollziehbarer Darlegung des Asylsuchenden, was der eigentliche Auslöser für seine Konversion zum Christentum gewesen ist, scheidet eine Vorverfolgung aus religiösen Gründen jedoch aus. (Rn. 28 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist der asylsuchende Kläger nach dem Eindruck seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung nicht vertieft im christlichen Glauben verankert, ist es insoweit auch nicht naheliegend, dass der Kläger bei einer Rückkehr in ein muslimisch geprägtes Umfeld den christlichen Glauben in anderer Art und Weise praktizieren würde, als er ihn derzeit ausübt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der bloße formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtliche wirksame Taufe genügt für einen inneren Religionswandel, der nachfolgend eine Verfolgungsfurcht aus religiösen Gründen begründen könne, nicht. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4 Allein aufgrund des Umstandes der zwischenzeitlich für den Asylsuchenden erfolgten Taufe droht ihm keine Verfolgung im Iran. Denn selbst wenn die iranischen Behörden von dieser Tatsache erfahren sollten, gingen sie im Regelfall davon aus, dass dies nicht ernst gemeint war und allein der Förderung des Asylverfahrens dienen sollte (vgl. VG München BeckRS 2016, 44613). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 16. August 2018 form- und fristgerecht geladen worden.
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Februar 2018 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG.
Ein Ausländer darf gemäß §§ 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – jeweils juris). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgeblich ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – jeweils juris). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in der Bundesrepublik Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – juris).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger seine Gründe für eine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – den Vortrag als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei dem in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss der Kläger eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Gemessen an diesem Maßstab ist es dem Kläger nicht gelungen, die für seinen geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen.
Der vom Kläger vorgetragene Wechsel zum christlichen Glauben führt nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Einzelrichter geht insoweit von keiner Verfolgungsgefahr für den Kläger mangels eines nachgewiesenen ernsthaften und nachhaltigen Glaubenswandels aus.
Zwar drohen den zum Christentum konvertierten Muslimen im Iran durch die Glaubensausübung landesweit vom iranischen Staat oder diesem zurechenbaren Akteuren ausgehende Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG, weshalb dann regelmäßig die Voraussetzungen der §§ 3 ff. AsylG vorliegen. Die Annahme einer konkreten Verfolgungsgefährdung setzt im konkreten Einzelfall allerdings voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum neuen Glauben vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigen sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt insoweit nicht (VGH BW, B.v. 23.4.2014 – A 3 S 269/14; OVG SH, B.v. 7.3.2014 – 13 LA 118/13; OVG NRW, B.v. 24.5.2013 – 5 A 1062/12.A; BayVGH, B.v. 7.5.2013 – 14 ZB 13.30082 – jeweils juris). Vielmehr muss glaubhaft sein, dass der Betreffende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tiefempfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Falle der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion entsprechend lebt, die er in seinem Zukunftsland nur vorgeblich, oberflächlich oder als asyltaktischen Gründen angenommen hat (vgl. OVG NRW, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris).
Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers gegenüber dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2018 ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass für den Kläger eine begründete Gefahr politischer Verfolgung aus religiösen Gründen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. bei einer Rückkehr in den Iran besteht.
Bezüglich der Angaben des Klägers hinsichtlich seiner Kontakte zum Christentum in seinem Heimatland vor der Ausreise aus dem Iran im Oktober 2017, fehlt es bereits an einem widerspruchsfreien Vortrag. So hat der Kläger gegenüber dem Bundesamt ausgeführt, dass er nach dem einmaligen Besuch einer Hauskirche in … eine Bibel und sonstige Unterlagen mit nach Hause genommen hätte, um sich dort weiter mit dem Christentum zu beschäftigen. Dieser Umstand sei auch der Anlass für die vom Kläger später geschilderte Durchsuchung seiner Wohnung durch den Sepah gewesen. In der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2018 hat sich der Kläger hingegen dahingehend eingelassen, dass beim Besuch der Hauskirche keine christlichen Materialien zum Weiterstudium übergeben bzw. von ihm mitgenommen worden seien. Der insoweit widersprüchliche Vortrag lässt das Vorbringen des Klägers in Bezug eine Zuwendung zum Christentum bereits im Iran als unglaubwürdig erscheinen. Dies gilt auch im Hinblick auf die vom Kläger geschilderte spätere Hausdurchsuchung. Ohne dass dem Kläger christliche Materialien überlassen wurden und er diese in seiner Wohnung … aufbewahrt hat, erscheint die spätere Hausdurchsuchung durch den Sepah unschlüssig. Über dies fällt aufgrund der Schilderungen des Klägers im Übrigen auf, dass es im Iran keinen wirklichen Anlass für den Kläger gegeben hat, sich dem Christentum zuzuwenden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich geschildert, dass seine Mutter konfessionslos gewesen sei, und auch im Haushalt des Vaters keine besondere religiöse Prägung vorhanden gewesen sei. Da nach den Angaben des Klägers der Unterricht in der Schule von Christen und Muslimen in getrennten Klassen erfolgt sei, kann ein Kontakt zu christlichen Mitschülern allenfalls in den Pausen bestanden haben. Dieser Umstand lässt eine vertiefte Hinwendung des Klägers zum Christentum bereits im Iran als nicht wahrscheinlich erscheinen. Aufgrund des widersprüchlichen und insgesamt unglaubwürdigen Vortrags des Klägers scheidet eine Vorverfolgung aus religiösen Gründen nach Auffassung des Gerichts aus.
Auch hat der Kläger gegenüber dem Gericht nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht, was der eigentliche Auslöser für seine Konversion zum Christentum gewesen ist. Soweit der Kläger insoweit auf seine zwischenzeitliche Drogenabhängigkeit und die Scheidung seiner Eltern verweist, ist der Vortrag ebenfalls unschlüssig. Nach Angaben des Klägers ist die Scheidung der Eltern bereits im Jahr 2007 lange vor seiner Ausreise aus dem Iran erfolgt.
Aber auch die vom Kläger vorgetragene Hinwendung zum christlichen Glauben seit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland vermag nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen. Insbesondere hat das Gericht beim Kläger noch keine identitätsprägende Glaubensbetätigung feststellen können, die es rechtfertigen würde, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse sprechen gegen eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr. Gegen eine solche prägende religiöse Identität beim Kläger spricht insbesondere, dass dieser nach seinen eigenen Angaben sich nach seiner Ankunft in … erst einmal anderen Problemen zugewandt hat, bevor er sich nach seinen Angaben erneut mit dem Christentum beschäftigt hat. Dies obwohl er zuvor in Griechenland und auch in … sofort ein Gotteshaus aufgesucht haben will. Auch dieser Umstand spricht gegen eine derzeit hinreichend feste Verwurzelung des christlichen Glaubensgutes in der Person des Klägers. Nachdem sich der Kläger wohl durch den Kontakt mit afghanischen und iranischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland wohl erstmalig intensiver dem Christentum zugewandt hat, geht das Gericht in Übereinstimmung mit der Beklagten davon aus, dass die Konversion aus asyltaktischen Gründen erfolgt. Über dies weist das Gericht auch darauf hin, dass der Kläger in der Ausprägung, in der er den christlichen Glauben derzeit praktiziert, bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit erheblicher Verfolgung zu rechnen hat.
Der Kläger ist nach dem Eindruck seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung nicht vertieft im christlichen Glauben verankert. Insoweit ist es auch nicht naheliegend, dass der Kläger bei einer Rückkehr in ein muslimisch geprägtes Umfeld den christlichen Glauben in anderer Art und Weise praktizieren würde, als er ihn derzeit ausübt. Der Kläger verfügt im jetzigen Zeitpunkt nicht über vertiefte Kenntnisse des christlichen Glaubens. Vieles wirkt hier noch lückenhaft. So brachte der Kläger den Karfreitag mit dem letzten Abendmahl in Verbindung. Auch wer die Kreuzigung Jesus Christus veranlasst habe, war dem Kläger nicht geläufig. Die Heiligen drei Könige bzw. die drei Weisen aus dem Morgenland waren ihm ebenfalls unbekannt. Wo Mose die Zehn Gebote empfangen hat, war dem Kläger nicht geläufig. Es ist dem Kläger nicht abzusprechen, dass dieser sich mit christlichen Fragen auseinandersetzt und beschäftigt. Das Gericht hat jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck gewonnen, dass die Konversion des Klägers auf einer individuellen, inneren, die Persönlichkeit prägenden Überzeugung beruht, sondern letztlich wohl aus asyltaktischen Gründen vorgenommen wurde. Letztlich bleibt auch der Umstand, warum sich der Kläger dem Christentum in Deutschland zugewandt hat, offen. Auch die Antworten des Klägers auf die Unterschiede zwischen Islam und Christentum wirken gesamtbetrachtet eher stereotyp und auswendig gelernt. All dies vertieft für das Gericht den Eindruck, dass die Konversion des Klägers nicht auf einer individuellen, inneren, die Persönlichkeit prägenden Überzeugung beruht, sondern letztlich aus asyltaktischen Gründen vorgenommen wurde.
Hieran vermag auch der Umstand der am 29. Juli 2018 vollzogenen Taufe des Klägers nichts zu ändern. Der bloße formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtliche wirksame Taufe genügt für einen inneren Religionswandel, der nachfolgend eine Verfolgungsfurcht aus religiösen Gründen begründen könne, nicht. Hinzu kommt, dass nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung der Taufe keine eigentliche längerfristige Taufvorbereitung vorausgegangen ist. Der Kläger hat zu seiner Taufe ausgeführt, dass lediglich ein Vorbereitungstermin stattgefunden hat, indem den Täuflingen das Ritual und der tiefere Sinn des Sakramentes erklärt worden sei. Auch dieser Umstand verstärkt für das Gericht den Eindruck, das Ziel der Taufe war, den Kläger schnellstmöglich in die christliche Gemeinde aufzunehmen.
Da für das Gericht bereits nichts nachvollziehbar erkennbar ist, aus welchen Gründen der Kläger den Glaubenswandel vorgenommen hat und die mündliche Verhandlung lediglich den Eindruck vermittelt hat, dass der Kläger christlichen Glaubensinhalten zwar interessiert zugewandt ist, scheidet die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger aus. Auch nach der Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 20.12 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 15; EuGH, U.v. 5.9.2012 – C 71/11 und C 99/11 – ZAR 2012, 433) ist für die Annahme einer Verfolgungsgefahr erforderlich, dass für den Kläger eine öffentliche Glaubensbetätigung als zentrales Element seiner religiösen Identität für ihn unverzichtbar ist. Daran hat das Gericht zum gegenwärtigen maßgeblichen Zeitpunkt im Asylverfahren beim Kläger noch durchgreifende Zweifel. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck erweckt, dass er den neuen Glauben schon nachhaltig und endgültig verinnerlicht hat und deshalb bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran als unverzichtbares Element seine neue Glaubensüberzeugung auch öffentlich betätigen müsste. Der Kläger hat sich zwar in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen, dass er bei einer Rückkehr in den Iran seinen „neuen“ Glauben nicht verheimlichen würde, sondern ihn bekennen und für ihn werben würde. Nach Auffassung des Gerichtes ist es für den Kläger jedoch möglich, den christlichen Glauben, in der Form, in der er ihn aktuell praktiziert, auch bei einer Rückkehr in den Iran beizubehalten. Dies umso mehr, als der Kläger selbst geschildert hat, dass es im Iran durchaus christliche Glaubensangehörige gebe, deren Bekenntnis zum Christentum bekannt sei, und denen es dennoch ermöglicht ist, im Iran beispielsweise eine Schule o.ä. zu besuchen.
Zum Umstand der zwischenzeitlich für den Kläger erfolgten Taufe ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass dem Kläger allein aufgrund dieses Umstandes keine Verfolgung im Iran droht. Selbst wenn die iranischen Behörden von dieser Tatsache erfahren sollten, gingen sie im Regelfall davon aus, dass dies nicht ernst gemeint war und allein der Förderung des Asylverfahrens dienen sollte (vgl. OVG NW, U.v. 9.6.2011 – 13 A 947/10.A – juris; VG München, U.v. 22.7.2015 – M 2 K 14.30929 – juris). Auch sonst droht dem Kläger bei einer Rückkehr keine politische Verfolgung, etwa wegen seines Auslandsaufenthalts oder seiner Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland. Auslandsaufenthalte sind im Iran nicht grundsätzlich verboten.
An der vom Gericht vorgenommenen Einschätzung zur religiösen Identität des Klägers, vermögen auch die Ausführungen der in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehörten Personen der Freikirche … und der Freien Evangelischen Gemeinde … nichts zu ändern. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass sowohl Herr … als auch Herr … in der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2018 erklärt haben, dass sie den Kläger erst seit Mai 2018 in seiner Hinwendung zum Christentum begleiten. Allein dieser Umstand erschwert nach Auffassung des Gerichts eine sachgerechte längerfristige fachliche Einschätzung. Hierauf hat auch Herr … ausdrücklich hingewiesen.
Nach alldem ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die behauptete Hinwendung des Christentums im Fall des Klägers nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche dessen religiöse Identität nachhaltig prägt, sondern vielmehr dass dieser Behauptung überwiegend Opportunitätserwägungen und asyltaktische Überlegungen zugrunde liegen. Dies wird durch den fehlenden widerspruchsfreien Vortrag des Klägers untermauert.
2. Nach dem vorstehenden Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären.
Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes.
3. Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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