Aktenzeichen M 22 K 16.31824
EMRK Art. 3
Leitsatz
1. Es gibt keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Erkenntnisse dafür, dass die syrischen Sicherheitsbehörden ohne Hinzutreten weiterer gefahrerhöhender Umstände jeden Rückkehrer, der Syrien illegal verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten hat, der Opposition zurechnen würden (Anschluss an VGH München BeckRS 2018, 16829). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umstand, dass ein Kläger wegen Wehrdienstentziehung mit Sanktionen rechnen müsste, wenn er nach Syrien zurückkehren würde, führt nicht zur Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr in Anknüpfung an Konventionsgründe. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg, da der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (zu den Verfolgungsgründen siehe weiter § 3b AsylG; zu den sog. Nachfluchtgründen vgl. § 28 Abs. 1a AsylG).
Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).
§ 3a Abs. 3 AsylG bestimmt, dass zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen muss. Unerheblich ist dabei aber, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).
Eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung kann ausgehen (Verfolgungsakteure) vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, soweit die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, wirksamen Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 3c Abs. 1 AsylG).
2. Der mit dem Tatbestandsmerkmal der „begründeten Furcht vor Verfolgung“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (vgl. Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU) beschriebene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“; vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – juris). Es kommt danach darauf an, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für die Annahme eines reellen Verfolgungsrisikos sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Gefordert ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung. Entscheidend ist, ob bei einer Bewertung des sich aus den gegebenen Umständen ableitbaren Verfolgungsrisikos bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann und wegen dieses Risikos eine Rückkehr nicht zumutbar erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – und U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – beide in juris).
3. Darüber, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gegeben sind – also festgestellt werden kann, dass die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung in Anknüpfung an die Konventionsmerkmale besteht -, entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht muss dabei sowohl von der Wahrheit und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit des vom Schutzsuchenden behaupteten individuellen Schicksals (soweit es hierauf wie insbesondere im Falle der Geltendmachung einer Vorverfolgung ankommt) als auch von der Richtigkeit der Prognose einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr die volle Überzeugung gewinnen. Es darf jedoch insbesondere hinsichtlich relevanter Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – BVerwGE 71, 180 und U.v. 4.7.2019 – 1 C 37/19 – juris).
Wenn der Schutzsuchende bereits verfolgt wurde bzw. von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist weiter (der bislang nicht in das nationale Recht umgesetzte) Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU zu beachten, wonach dies als ernsthafter Hinweis darauf zu werten ist, dass die Furcht des Schutzsuchenden vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Schutzsuchenden eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von Verfolgung bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht sind. Die geforderte Überzeugungsgewissheit bezieht sich in diesem Falle also auch auf die Frage, ob die Verfolgungsvermutung widerlegt werden kann.
4. Nach diesen Maßgaben kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, dass hinsichtlich des Klägers, der eine Vorverfolgung nicht geltend gemacht hat, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
4.1 Zum Vorgehen des syrischen Staates gegen Oppositionelle bzw. Personen, denen eine regimefeindliche Haltung unterstellt wird, ist vorab auf Folgendes hinzuweisen: Das syrische Regime verfügt über einen expansiven Sicherheitsapparat mit einer Vielzahl von Diensten (die unabhängig voneinander arbeiten und sich teils gegenseitig kontrollieren) mit nach Schätzungen über 50.000 hauptamtlichen Mitarbeitern und mehreren Hunderttausend Mitarbeitern, die nur zeitweilig für die Dienste tätig sind. Oppositionelle Bestrebungen hat das Regime seit jeher (von kurzen Tauwetterphasen abgesehen) massiv unterdrückt. Die Verhaftung Oppositioneller, deren Verschwindenlassen sowie Misshandlungen und Folter gehörten schon vor Ausbruch des Konflikts im Jahr 2011 zur gängigen Praxis des Regimes im Umgang mit seinen Gegnern. Als Reaktion auf die Unruhen wurde die Repression nochmals dramatisch verschärft. Insbesondere wurden Zehntausende Menschen verhaftet, über deren Schicksal und Aufenthaltsort nichts bekannt ist. Es wird vermutet, dass viele in der Haft umgekommen sind. Vermutlich hat die Repression aufgrund der militärischen Erfolge des Regimes und der Konsolidierung seiner Macht in den von ihm beherrschten Gebieten mittlerweile etwas abgenommen. Es kommt aber weiterhin zu Übergriffen gegen echte und vermeintliche Gegner. Die Sicherheitskräfte, die als omnipräsent gelten bzw. erscheinen wollen, nutzen dabei auch eine Reihe von Techniken im Vorfeld von Haft und Folter, um die Bevölkerung einzuschüchtern und sie dazu zu bringen, nach ihren Vorstellungen zu handeln. Dazu gehören Maßnahmen wie Reiseverbote, Schikanen, auch von Angehörigen, und die Bedrohung mit Haft und Folter bzw. die Androhung sonstiger Nachteile. Die Sicherheitskräfte haben im Übrigen freie Hand, wie sie mit den Betroffenen umgehen und es ist in diesem Zusammenhang weiter auch darauf hinzuweisen ist, dass es zu willkürlicher Gewaltanwendung bereits im Vorfeld eines etwaigen Verdachts kommen kann (so etwa aus Anlass einer Rückkehrerbefragung). Das Regime ist ersichtlich bemüht, eine latente Drohkulisse aufrechtzuerhalten, um systemkonformes Verhalten zu erzwingen. Ihm ist daneben aber auch daran gelegen, ein einigermaßen normales Alltagsleben in den von ihm beherrschten Gebieten zu gewährleisten, um sich die Unterstützung der Bevölkerung zu erhalten bzw. diese wieder zu gewinnen. Dessen ungeachtet sind aber die Verhältnisse in den Regimegebieten weiterhin von weitreichender Willkür bis hin zur vollständigen Rechtlosigkeit geprägt. Nach wie vor besteht in keinem Teil Syriens ein umfassender, langfristiger und verlässlicher interner Schutz und immer wieder sind auch Rückkehrer (zurückkehrende Binnenvertriebe wie auch Rückkehrer aus dem Ausland), selbst wenn sie vom Regime nicht als ihm feindlich gesonnen eingestuft werden, erneuter Vertreibung, Sanktionen bzw. Repressionen, bis hin zur unmittelbaren Gefährdung von Leib und Leben ausgesetzt, wobei die inmitten stehenden Motive für ein solches Vorgehen sich häufig nicht hinreichend sicher bestimmen lassen, aber doch angenommen werden kann, dass dabei in vielen Fällen nicht Sicherheitsbelange im Vordergrund stehen, sondern die Sicherheitskräfte, in denen korrupte Praktiken endemisch sind und die zunehmend von mafiösen Strukturen geprägt werden, dabei ihre Machtbefugnisse zur Verfolgung ökonomischer Interessen missbrauchen (allgemein zu den Verhältnissen in Syrien und insbesondere auch zum Vorgehen der Sicherheitskräfte siehe Auswärtiges Amt – AA -, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, Stand 20.11.2019, insbes. S. 10 ff. und 20 ff.; AA, Stellungnahme an den HessVGH vom 12.02.2019; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – BFA -, Länderinformationsblatt Syrien, Gesamtaktualisierung 13.05.2019, insbesondere S. 34 ff; UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arabic Repbulic, Update V, vom 25.01.2018; UNHCR, Feststellung des internationalen Schutzbedarf von Asylsuchendenden aus Syrien – „illegale Ausreise“ und verwandte Themen, Februar 2017; amnesty interantional, Jahresberichte 2012 bis 2018; Stellungnahme an den HessVGH vom 20.09.2018; US-Außenministerium, Länderberichte zur Menschenrechtslage in Syrien 2016 und 2018; Schweizerische Flüchtlingshilfe – SFH -, Syrien: Rückkehr, 21.03.2017).
4.2 Es liegt damit auf der Hand, dass Personen, die den Sicherheitskräften als Gegner des Regimes, Unterstützer der Opposition bzw. einer der Rebellenfraktionen bekannt sind bzw. bei denen dies vermutet wird oder denen aus sonstigen Gründen eine illoyale Haltung gegenüber dem Regime unterstellt wird, grundsätzlich Gefahr laufen, Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein.
Die vorliegenden Informationen tragen dagegen nicht die weitergehende Einschätzung, dass jeder Syrer, soweit dieser nicht als Unterstützer des Regimes bekannt ist, ohne weiteres mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungsmaßnahmen, die an Konventionsgründe anknüpfen, insbesondere einer politischen Verfolgung, zu rechnen hätte. Die Verneinung einer Verfolgungsgefahr in Anknüpfung an Konventionsgründe für diese Fallgestaltung bedeutet jedoch nicht, es sei davon auszugehen, dass bei denjenigen, die das Regime nicht als ihm feindlich gesonnen einstuft, eine relevante Gefahrenlage – die zwar nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ggf. aber zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG führen könnte – regelmäßig nicht anzunehmen wäre.
Aktuell ist aber davon auszugehen, dass nicht für jeden Rückkehrer in gleicher Weise das Risiko einer Verfolgung in Anknüpfung an Konventionsgründe besteht. Dafür, dass die syrischen Sicherheitsbehörden ohne Hinzutreten weiterer gefahrerhöhender Umstände jeden Rückkehrer, der Syrien illegal verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten hat, der Opposition zurechnen würden, gibt es keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Erkenntnisse. Vielmehr erscheint es gerechtfertigt, anzunehmen, dass die syrischen Behörden bei Zurückkehrenden unabhängig davon, ob diese im Ausland ein Asylverfahren betrieben haben, selektiv vorgehen und erst zusätzliche signifikante gefahrerhöhende Merkmale oder Umstände, aufgrund derer die betreffende Person als möglicherweise regimefeindlich eingestuft wird, die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr in Anknüpfung an Konventionsmerkmale begründen (vgl. BayVGH, U.v. 22.6.2018 – 21 B 18.30852 – juris Rn. 22 m.w.N.).
4.3 Solche signifikant gefahrerhöhenden Merkmale oder Umstände vermag das Gericht vorliegend nicht zu erkennen.
4.3.1 Nach Auffassung des Gerichts führt insbesondere der Umstand, dass der Kläger wegen der Wehrdienstentziehung mit Sanktionen rechnen müsste, wenn er nach Syrien zurückkehren würde, nicht zur Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr in Anknüpfung an Konventionsgründe, wobei zur Klarstellung darauf hinzuweisen ist, dass das Gericht nicht davon ausgeht, es stehe fest, dass insoweit eine an Konventionsgründe anknüpfende Verfolgung nicht zu erwarten sei. Vielmehr verhält es sich so, dass die vorliegenden Erkenntnismittel nicht genügen, um ein solches Anknüpfen (für den Regelfall) hinreichend belastbar zu belegen. Es handelt sich hier in der Sache also um eine Beweislastentscheidung.
Entzieht sich ein Wehrpflichtiger – unabhängig davon, ob er als Rekrut oder Reservist herangezogen wird – dem Wehrdienst, droht ihm wie auch sonstigen Rückkehrern die (willkürliche) Festnahme bei der Einreisekontrolle an der Grenze oder am Flughafen, an einem Checkpoint, bei einer Razzia oder bei jedem sonstigen Kontakt mit den staatlichen Sicherheitsbehörden. Es ist damit zu rechnen, dass sich an die Ergreifung Untersuchungsmaßnahmen anschließen sowie in der Regel die umgehende Einziehung zum Wehrdienst (vgl. etwa Danish Refugee Council, Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria, Februar 2019, S. 35; AA, Lagebericht vom 20.11.2019, S. 11; NdsOVG, B.v. 6.9.2019 – 2 LB 327/18 – juris Rn. 48). In nicht näher quantifizierbaren Fällen erfolgt zuvor auch eine Inhaftierung, wobei die Sicherheitskräfte ebenso wie bei Rückkehrerbefragungen bzw. einem sonstigen Aufgriff systematisch Folter- und Misshandlungspraktiken anwenden (vgl. AA, Lagebericht vom 20.11.2019, S. 14 f.; BFA vom 13.5.2019, S. 34 f.). Weiter wird von Fällen berichtet, in denen Rückkehrer dauerhaft verschwunden sind (vgl. etwa AA, Lagebericht vom 20.11.2019, S. 25). Die Behandlung, die syrische Männer, die sich dem Wehr- bzw. Reservedienst entzogen haben, im Falle eines Aufgriffs ggf. zu befürchten haben, entspricht damit, soweit sich das anhand der Erkenntnismittel beurteilen lässt, jedenfalls im Wesentlichen der durch die Anwendung willkürlicher Gewalt geprägten allgemeinen Gefährdungslage, der sich im Grunde jeder Syrer ausgesetzt sieht, der in engeren Kontakt mit den Sicherheitsbehörden kommt und von diesen aus welchen Gründen auch immer festgehalten wird (vgl. AA, Lagebericht vom 20.11.2019, S. 14 f.; BFA vom 13.5.2019, S. 89; VGH BW, U.v. 27.3.2019 – A 4 S 335/19 – juris Rn. 18 ff., insbesondere Rn. 27). Es kann auch nicht hinreichend verlässlich festgestellt werden, dass bei der Behandlung von Wehrdienstentziehern typischerweise ein sog. Politmalus eine Rolle spielen würde (wenngleich diese Vermutung durchaus naheliegt; zur Einstellung der Sicherheitsbehörden gegenüber Rückkehrern vgl. AA, Lagebericht vom 20.11.2019, S. 22). Bei Wehrdienstentziehern stehen den Erkenntnismitteln zufolge (anders als bei Deserteuren) Fälle, in denen diese ohne ernstliche weitere Konsequenzen den Streitkräften zugeführt werden, neben Fällen, in denen die Betreffenden inhaftiert werden, und wiederum Fällen, in denen es (darüber hinaus) zu Misshandlungen und ggf. auch Verschwindenlassen kommt, wobei, was Letzteres angeht, zur Häufigkeit eines solchen Geschehens keine eine einigermaßen verlässliche Bewertung zulassende Erkenntnisse vorliegen, während die Gefahr einer Misshandlung im Falle eines Aufgriffs oder einer Inhaftierung augenscheinlich als beachtlich wahrscheinlich gewertet werden muss. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der mit der Flucht aus Syrien verbundenen Wehrdienstentziehung potentiell wehrpflichtiger Männer um ein Massenphänomen handelt und es im Eigeninteresse des Regimes liegt, Wehrdienstentzieher möglichst unmittelbar den Streitkräften zuzuführen, für die weiterhin intensiv und auch zwangsweise rekrutiert wird.
Im Ergebnis stellt sich die Situation zur Überzeugung des Gerichts aktuell so dar, dass Wehrdienstentziehern zwar beachtlich wahrscheinlich eine Behandlung droht, die als schwerwiegende Menschenrechtsverletzung einzustufen wäre (was einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes begründet). Die vorliegenden Erkenntnisse reichen aber nicht hin – auch wenn es durchaus gewichtige in diese Richtung weisende Indizien gibt -, um annehmen zu können, dass derartige Übergriffe typischerweise an Konventionsmerkmale anknüpfen würden und nicht lediglich Folge des von willkürlicher Gewalt systemisch geprägten Umgangs der syrischen Sicherheitskräfte mit Festgehaltenen sind. Das Gericht folgt damit im Ergebnis der den Beteiligten bekannten neueren Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 12.4.2019 – 21 B 18.32459 – und U.v. 9.9.2019 – 20 B 19.32017 – beide in juris; siehe hierzu weiter auch VGH BW, U.v. 27.3.2019 – A 4 S 335/19 – juris).
4.3.2 Sonstige Umstände, die auf eine Verfolgungsgefahr in Anknüpfung an Konventionsmerkmale hinweisen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Solche Umstände ergeben sich insbesondere nicht aus seiner Einlassung dazu, dass er kurzfristig von Milizionären der Freien Syrischen Armee festgesetzt worden sei.
5. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.