Verwaltungsrecht

Keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache

Aktenzeichen  9 ZB 20.31250

Datum:
16.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14751
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3, § 83b
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ist erfolglos, wenn das Zulassungsvorbringen keinen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, wie etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 14 K 18.32056 2020-03-16 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Er ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 18.30670 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Die Frage, „ob aufgrund der schwierigen Versorgungslage in S. L. und durch bürgerkriegsbedingte Zerstörungen und die damit einhergehenden Infrastrukturmängel ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG für alleinstehende Personen, welche ohne die Unterstützung durch die traditionellen Großfamilien sind, vorliegt“, ist jedenfalls nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass trotz der schwierigen Lebensumstände in S. L. davon ausgegangen werden muss, dass der Kläger, der nach eigenen Angaben acht Jahre lang die Schule besucht, vor seiner Ausreise als Fotograf gearbeitet, bei Veranstaltungen gefilmt und ein Aufnahmestudio für Filmaufnahmen betrieben habe, im Fall seiner Rückkehr wieder seinen Lebensunterhalt wird sicherstellen können. Ihm ist danach auch zuzumuten, sein Existenzminimum durch Gelegenheitsjobs zu sichern, wenn er in seinem früheren Beruf nicht mehr Fuß fassen kann. Abgesehen davon, dass das Zulassungsvorbringen dem nicht substantiiert entgegentritt, setzt es sich auch nicht mit den eingeführten Erkenntnismitteln auseinander. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2019 – 9 ZB 19.31946 – juris Rn. 4 m.w.N.). Dem genügt der Hinweis auf eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14. November 2005 an das Verwaltungsgericht Aachen, wonach bei jüngeren Personen keine abweichende Beurteilung davon geboten sei, dass Erwerbslose besonders auf die Unterstützung der traditionellen Großfamilien angewiesen seien, die vom Verwaltungsgericht ausweislich der mit der Ladung übermittelten Erkenntnismittelliste bereits zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde, nicht. Darüber hinaus kann die Frage auch nicht verallgemeinernd, sondern nur nach jeweiliger Würdigung der Verhältnisse im Einzelfall beurteilt werden (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 9 ZB 20.30689 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Zumindest Letzteres gilt auch, soweit der Kläger die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Frage mit den Auswirkungen der Covid 19-Pandemie in S. L. zu begründen versucht und ausführt, dass am 24. Mai 2020 86 Neuinfektionen festgestellt worden seien, die Dunkelziffer wohl höher liege und schon mehrfach lockdowns verhängt worden seien, mit denen auch weiterhin zu rechnen sei. Die Sicherung des Lebensunterhalts sei für den Kläger hierdurch erschwert. Es ist nicht ausreichend dargelegt, dass es sich bei der vom Kläger formulierten Frage unter dem Aspekt der Covid 19-Pandemie um eine die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung eröffnende Tatsachenfrage von verallgemeinerungsfähiger Tragweite handeln könnte, zumal das weltweite Pandemiegeschehen gegenwärtig von großer Dynamik gekennzeichnet und nicht ersichtlich ist, dass über eine bloße Momentaufnahme hinaus eine verlässliche Einschätzung seiner mittelfristigen Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in einzelnen Ländern, wie etwa S. L., überhaupt möglich wäre (vgl. VGH BW, B.v. 8.5.2020 – A 4 S 1082/20 – juris Rn. 5). Aktuelle Entwicklungen, die einer Abschiebung entgegenstehen, wären im Übrigen im Rahmen der Abschiebung von der Ausländerbehörde zu berücksichtigen (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Ggf. wäre ihnen mit einem Folgeantrag zu begegnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 Asyl).


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