Verwaltungsrecht

Keine Klärungsbedürftigkeit der Frage einer drohenden Genitalveränderung in Uganda

Aktenzeichen  9 ZB 20.30428

Datum:
21.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4591
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 77 Abs. 2, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 4 S. 4, § 80, § 83b

 

Leitsatz

1. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des VG von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Frage, ob bei einer Rückkehr nach Uganda keine Genitalveränderung droht, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, da nicht ersichtlich oder dargelegt wird, dass weder die Mutter noch die Großmutter der Klägerin eine Beschneidung nicht verhindern könnten. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 18.31001 2019-11-22 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Klägerin, nach Angaben ihrer Mutter (vgl. Az. 9 ZB 20.30427) Staatsangehörige Ugandas, begehrt die Anerkennung als Asylberechtigte, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 22. November 2019 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungshindernissen weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruht auch nicht auf einer Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG).
1. Der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2019 – 9 ZB 19.34094 – juris Rn. 3). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, „ob in die Rückkehrprognose die weitere in Uganda lebende (Halb-)Schwester der Klägerin hätte einbezogen werden müssen“, ist weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig. Abgesehen davon, dass durch die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe die in Uganda lebende (Halb-)Schwester der Klägerin nicht in die Rückkehrprognose einbezogen, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts geltend gemacht werden, die jedoch keinen Zulassungsgrund i.S.d. § 78 Abs. 3 AsylG darstellen (BayVGH, B.v. 28.10.2019 – 9 ZB 32969 – juris Rn. 3), ist für die Prognose, welche Gefahren einem Ausländer bei Rückkehr in den Herkunftsstaat drohen, eine realitätsnahe Rückkehrsituation zugrunde zu legen (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris Rn. 16). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrer Mutter nach Uganda zurückkehrt. Weiter hat es in den Urteilsgründen ausgeführt, dass die Mutter der Klägerin – wie bereits vor ihrer Ausreise – auf Unterstützung ihrer Familie in Uganda zurückgreifen könne. Dass das Verwaltungsgericht hierbei auch das weitere Kind der Klägerin einbezogen hat, ergibt sich zweifelsfrei daraus, dass es im Übrigen auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Mai 2018 abgestellt hat (§ 77 Abs. 2 AsylG), der neben der Großmutter der Klägerin auch auf einen Onkel sowie ein weiteres Kind der Mutter der Klägerin abstellt.
Soweit die Klägerin geltend macht, im Falle einer Rückkehr einer äußerst schmerzhaften Genitalveränderung unterworfen zu werden, wird schon keine Frage formuliert und keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung aufgezeigt. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht unter Würdigung aktueller Erkenntnismittel ausgeführt, dass in Uganda die Beschneidung von Frauen von der Gesellschaft zunehmend bekämpft wird und das Gesetz sowie die Verfassung FGM/C seit 2009 unter Strafandrohung verbieten. Unter Berücksichtigung des Bildungsstandes der Mutter der Klägerin sowie dass sowohl die Mutter der Klägerin als auch die Großmutter der Klägerin gegen eine Beschneidung seien, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin bei einer Rückkehr nach Uganda keine Genitalveränderung drohe. Das Zulassungsvorbringen setzt sich insoweit weder mit den vom Verwaltungsgericht eingeführten Erkenntnismitteln auseinander noch ist ersichtlich oder dargelegt, dass weder die Mutter noch die Großmutter der Klägerin eine Beschneidung nicht verhindern könnten (vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2019 – 9 ZB 19.34014 – juris Rn. 5; B.v. 27.3.2019 – 8 ZB 19.30972 – juris Rn. 8).
2. Soweit sich die Klägerin auf eine Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) beruft, bleibt der Zulassungsantrag schon mangels substantiierter Darlegung (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) erfolglos.
Eine Divergenz setzt voraus, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil einen Rechtssatz aufgestellt hat, der einem Rechtssatz widerspricht, den eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Klägerin schon deshalb nicht dargelegt, weil es an der Bezeichnung bestimmter und voneinander abweichender Rechtssätze fehlt (BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 9 ZB 17.30411 – juris Rn. 12). Auf eine fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes im Einzelfall kann die Divergenzrüge im Übrigen nicht gestützt werden (vgl. BVerwG, B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 16).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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