Verwaltungsrecht

Keine Klagebefugnis aufgrund faktischer Grundwasserbenutzung (Inertabfalldeponie)

Aktenzeichen  20 ZB 16.931

Datum:
15.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 51390
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG § 36 Abs. 1 Nr. 4
VwGO § 42 Abs. 2
WHG § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Zur Bejahung der Klagebefugnis genügt die Behauptung allein einer tatsächlichen Betroffenheit nicht. Entscheidend ist die Geltendmachung der Verletzung von Rechten. Einen Rechtsanspruch, vor jeder tatsächlichen Beeinträchtigung geschützt zu sein, gibt es nicht. (redaktioneller Leitsatz)
2. Verfahrensrechte können eine Klagebefugnis grundsätzlich nicht selbständig begründen, sondern nur unter der Voraussetzung, dass sich der behauptete Verfahrensverstoß auf eine materiell-rechtliche Position des Klägers ausgewirkt haben kann. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

17 K 15.3470 2016-04-07 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000,– € festgesetzt.

Gründe

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechts-sätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – DVBl 2004, 838; BayVGH, B.v. 24.2.2006 – 1 ZB 05.614 – juris Rn. 11; B.v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2). Ist das angefochtene Urteil auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt (Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und vorliegt (BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – BauR 2013, 2011 = juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 31 m. w. N.).
Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil vom 7. April 2016 zum einen darauf gestützt, dass die Klage mangels Klagebefugnis unzulässig sei und zum anderen aber auch unbegründet sei; also auf zwei selbstständige Gründe. Dabei ist bereits die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, die Klage sei unzulässig, auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers im Berufungszulassungsverfahren rechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Kläger dort angeführten Gesichtspunkte führen zu keiner anderen Bewertung. Der Kläger muss hinreichend substantiiert solche Tatsachen vorbringen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den Verwaltungsakt in eigenen rechtlich geschützten Positionen beeinträchtigt wird. Es genügt nicht die Behauptung allein einer tatsächlichen Betroffenheit, sondern entscheidend ist die Geltendmachung der Verletzung von Rechten. Einen Rechtsanspruch, vor jeder tatsächlichen Beeinträchtigung geschützt zu sein, gibt es nicht (BVerwG, U.v. 22.12.1980 – 7 C 84.78 – BVerwGE 61, 256 (262) = NJW 1981, 1393). Abwehransprüche für Nachbarn können sich nach Lage der Sache aus drittschützenden Normen der einfachen Gesetze ergeben oder aus den grundrechtlichen Positionen der Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 GG.
Zunächst macht der Kläger geltend, ohne es näher zu erläutern, dass er in seinem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG wegen schädlicher Umwelteinwirkungen verletzt sein soll. Aus dem Zusammenhang der Zulassungsbegründung sieht sich der Kläger hier wohl betroffen, weil er eine Grundwasserbeeinträchtigung durch die Errichtung der Deponie und durch den Verbrauch des Wassers aus dem eigenen Brunnen eine Gesundheitsgefährdung befürchtet. In seiner Zulassungsbegründung behauptet der Kläger nicht, dass er eine wasserrechtliche Genehmigung für die Grundwasserbenutzung besitzt, sondern hält die Benutzung für erlaubnisfrei nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG. § 46 WHG geht jedoch davon aus, dass das Grundeigentum allein nicht zu einer Grundwasserbenutzung berechtigt (hierzu § 4 Abs. 2 WHG: „Wasser eines fließenden Gewässers und Grundwasser sind nicht eigentumsfähig.“). Das Grundwasser ist damit einer zusätzlichen gesonderten öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterstellt (hierzu BVerfG, B.v. 15.7.1981 – 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 332). Nach dem WHG und den Landeswassergesetzen und auch im Sinn der Wasserrahmenrichtlinie bedürfte es grundsätzlich einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung zur Grundwasserbenutzung, wozu § 46 Abs. 1 Satz 1 WHG die Ausnahmeregelung ist. Keiner wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung bedürfen die in § 46 Abs. 1 Satz 1 aufgeführten Benutzungen des Grundwassers, soweit keine signifikanten nachteiligen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt zu besorgen sind. Eine subjektive Rechtsposition wie zum Beispiel ein Recht auf eine bestimmte Beschaffenheit oder Menge des Grundwassers oder einen bestimmten Grundwasserstand oder einen Abwehranspruch gegen Beeinträchtigungen des Grundwasserzustands wird dem Eigentümer oder Berechtigten damit nicht eingeräumt (Sieder/Zeitler, WHG, Stand: September 2015, § 46 Rn. 14 f m. w. N.).
Darüber hinaus weist das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zu Recht darauf hin, dass § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG auf den Kläger nicht anwendbar sei, weil er seinem Wortlaut nach nur die Einzelhaushaltung privilegiere, so dass eine gemeinsame Entnahme für mehrere Haushalte, wie im vorliegenden Fall, nicht darunter falle (Sieder/Zeitler, WHG, Stand: September 2015, § 46 Rn. 18; Giesberts/Reinhardt in: BeckOK Umweltrecht, Stand: 1.4.2016 § 46 WHG Rn. 7 m. w. N.).
Soweit sich der Kläger zur Begründung seiner Klagebefugnis auf einen Anspruch auf Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung beruft, so hat er dies lediglich behauptet und nicht substantiiert begründet. Dieser Vortrag genügt bereits nicht dem Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Der Kläger kann sich auch nicht auf die Bestimmungen des UVPG und des UmwRG berufen, weil er nicht in eigenen materiellen Rechten betroffen ist. Ihm steht eine Klagebefugnis unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensrecht nicht zu. Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften ist regelmäßig kein Selbstzweck, sondern dient der besseren Durchsetzung von materiellen Rechten und Belangen. Daher können Verfahrensrechte eine Klagebefugnis grundsätzlich nicht selbstständig begründen, sondern nur unter der Voraussetzung, dass sich der behauptete Verfahrensverstoß auf eine materiell-rechtliche Position des Klägers ausgewirkt haben kann (BVerwG, NVwZ 2012, Seite 573 Rn. 19; st.Rspr.). Das Unionsrecht gebietet mithin nicht die Einführung einer UVP-rechtlichen Popular- oder Interessentenklage ohne die Notwendigkeit eigener Betroffenheit. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Spielraum genutzt und auch für den Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie an der Systementscheidung zugunsten eines auf subjektive Rechte Einzelner zugeschnittenen Rechtsschutzes festgehalten (BT-Drs. 16/2495, 7 f.). Auch widerspricht es offenkundig weder dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gericht zu gewähren noch dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip, dass ein Einzelner nur dann gegen die Zulassung eines UVP-pflichtigen Vorhabens klagen kann, wenn überhaupt die Möglichkeit besteht, dass er dadurch betroffen wird (BVerwG, U. v. 2.10.2013 – 9 A 23.12 – NVwZ 2014, 367).
Schließlich vermag die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 4 KrWG dem Kläger keine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO zu verleihen. Denn die dort angesprochenen nachteiligen Wirkungen auf Rechte Dritter setzen grundsätzlich eine Rechtsbeeinträchtigung voraus. Eine solche liegt im Fall des Klägers aber nicht vor.
Weil die Klage bereits unzulässig ist, kommt es auf die Frage der Begründetheit der Klage nicht mehr an.
2. Aus den gleichen Gründen weist die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.
3. Der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Der Kläger meint, das Verwaltungsgericht hätte unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht weitere Tatsachenfeststellungen unterlassen. Die Verletzung der Amtsermittlungspflicht ist aber nur dann ordnungsgemäß gerügt, wenn unter anderem dargelegt wird, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig war, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema pflichtwidrig nicht erhoben worden sind, warum in der letzten mündlichen Verhandlung kein entsprechender Beweisantrag gestellt worden ist, warum sich die Beweiserhebung dem Tatsachengericht nach seiner materiellen Auffassung hätte aufdrängen müssen und inwieweit die unterbliebene Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des Tatsachengerichts hätte führen können (vgl. BVerwG, B. v. 11.3.1998 – 8 B 35.98 – juris). Diese Voraussetzungen erfüllt der Zulassungsantrag des Klägers nicht.
4. Daher ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs.1 und 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 S. 4 VwGO).


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