Verwaltungsrecht

Keine Neuerteilung der Fahrlehrerlaubnis bei Straftaten

Aktenzeichen  W 6 K 18.1396

Datum:
18.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27204
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FahrlG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 15 Abs. 1 S. 1, § 31a Abs. 2 Nr. 1, § 45
StGB § 56b Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 251 Abs. 1, § 263 Abs. 1
StVG § 4a

 

Leitsatz

1. Die in § 2 Abs. 1 Nr. 4 FahrlG genannte Definition der Unzuverlässigkeit („insbesondere … wiederholt die Pflichten gröblich verletzt“) ist ein Regelbeispiel, was sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt und schließt nicht aus, dass auch eine einmalig gröbliche Pflichtverletzung oder andere Gründe für den Wegfall der Zuverlässigkeit vorliegen können. Unzuverlässig ist ein Bewerber von dem aufgrund der vorliegenden Tatsachen zu erwarten ist, dass er den spezifischen Anforderungen des Fahrlehrerberufs charakterlich nicht gewachsen sein wird und der nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er den Fahrlehrerberuf ordnungsgemäß auszuüben wird. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Unzuverlässigkeit kann sich auch aus Verfehlungen außerhalb des Straßenverkehrs ergeben. Besonders negativ werden Verhaltensweisen zu beurteilen sein, die sich im Rahmen der Ausbildung von Fahrschülern für diese wirtschaftlich oder persönlich nachteilig auswirken können. Aber auch nicht verkehrsrechtliche Zuwiderhandlung des Fahrlehrers, die seine Vorbildfunktion ausschließen, können zur Unzuverlässigkeit führen (z. B. finanzielle Unregelmäßigkeiten, Straftaten, wie Diebstahl, Betrug, Untreue), wenn sie negative Auswirkungen auf die Tätigkeit als Fahrlehrer befürchten lassen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die erhobene Verpflichtungsklage ist zulässig, jedoch in Haupt- und Hilfsantrag nicht begründet. Der Bescheid des Landratsamts M. vom 2. Januar 2018 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 27. September 2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die (erneute) Erteilung der Fahrlehrererlaubnis für die beantragten Fahrerlaubnisklassen A, B, CE und DE (§ 113 Abs. 5 VwGO), da im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung nicht festgestellt werden konnte, dass der Kläger die hierfür erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Fahrlehrergesetzes (FahrlG) wiedererlangt hätte. Die Klage war deshalb in Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.
Das Gericht verweist auf die Begründung des Bescheides des Landratsamts M. vom 2. Januar 2018 und die ergänzenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 27. September 2018, denen es folgt und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 2 VwGO). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
1. Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt für die erhobene Verpflichtungsklage auf (erneute) Erteilung der Fahrlehrererlaubnis für die beantragten Fahrerlaubnisklassen ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Rechtsgrundlage hierfür ist in § 15 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 des Fahrlehrergesetzes (FahrlG – i. d. F. d. G. v. 30.6.2017, BGBl. I, 2162; in Kraft getreten zum 1.1.2018) zu sehen.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FahrlG gelten die Vorschriften für die Ersterteilung, wenn nach Erlöschen, Rücknahme, Widerruf oder Verzicht einer Fahrlehrererlaubnis eine neue Erlaubnis beantragt wird. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 – 8 und § 4 Satz 2 Nr. 5 – 7 sind nicht anzuwenden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 FahrlG). Eine im Fall des Klägers eingreifende Übergangsregelung (§ 69 FahrlG) besteht nicht. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrlehrererlaubnis sind in § 2 FahrlG geregelt. Nach § 2 Abs. 1 FahrlG wird die Fahrerlaubnis erteilt, wenn die in Nummern Nr. 1 – 10 genannten Voraussetzungen vorliegen. Dem Antrag auf Erteilung der Fahrlehrererlaubnis sind die in § 4 Abs. 1 Nr. 1 – 7 FahrlG (Nr. 5 – 7 FahrlG entfällt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 FahrlG) genannten Unterlagen beizufügen. Ermessen ist der zuständigen Behörde dabei nicht eröffnet. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist die Fahrlehrererlaubnis zwingend zu erteilen. Voraussetzung für die Erteilung der Fahrlehrererlaubnis ist u. a. gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 FahrlG, dass gegen den Bewerber keine Tatsachen vorliegen dürfen, die ihn für den Fahrlehrerberuf als unzuverlässig erscheinen lassen. Unzuverlässig im Sinne der Nr. 4 ist nach der in § 2 Abs. 1 Satz 2 FahrlG gegebenen gesetzlichen Definition ein Bewerber insbesondere dann, wenn er wiederholt die Pflichten gröblich verletzt hat, die ihm nach diesem Gesetz oder den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen obliegen.
2. Die Voraussetzungen für die (erneute) Erteilung der Fahrlehrererlaubnis liegen im maßgelblichen Entscheidungszeitpunkt mangels Zuverlässigkeit des Klägers nicht vor.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Erteilung der Fahrlehrererlaubnis, nachdem diese durch Bescheid des vormals zuständigen Regierungspräsidiums Darmstadt vom 27. April 2016 widerrufen wurde, am 24. Oktober 2017 beim nunmehr zuständigen Landratsamt M. erneut beantragt und – wie gefordert – diverse Unterlagen (Geburtsurkunde, Lebenslauf, Einverständniserklärung MPU-Untersuchung, Ablichtung seines Führerscheins, Führungszeugnis vom 1.9.2017) vorgelegt. Den ursprünglich gestellten Antrag auf Erteilung der Nachschulungserlaubnis für den Führerschein auf Probe (§ 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG, § 45 FahrlG) hat der Kläger (zunächst) nicht mehr weiter verfolgt.
Aus dem übermittelten Führungszeugnis vom 1. September 2017 und den dem Landratsamt in der Folgezeit bekannt gewordenen strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers ergeben sich jedoch weiterhin Tatsachen, die den Kläger als unzuverlässig für die beantragte Fahrlehrererlaubnis erscheinen ließen und lassen. Die rechtskräftig abgeurteilten Straftaten können dem Kläger weiterhin vorgehalten werden und weitere im Verfahren ermittelte Tatsachen (hierzu unten) waren nicht geeignet, den Eindruck der Unzuverlässigkeit zu entkräften. Der Kläger ist deshalb weiterhin wegen (wiederholt) gröblicher Verletzung seiner Pflichten als Fahrlehrer unzuverlässig. Nach dem Gesamtbild seines Verhaltens ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung nicht zu erwarten, dass der Kläger die Gewähr dafür bietet, dass er den Fahrlehrerberuf künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Im Einzelnen:
2.1 Die in § 2 Abs. 1 Nr. 4 FahrlG genannte Definition der Unzuverlässigkeit („insbesondere … wiederholt die Pflichten gröblich verletzt“) ist ein Regelbeispiel, was sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt und schließt nicht aus, dass auch eine einmalig gröbliche Pflichtverletzung oder andere Gründe für den Wegfall der Zuverlässigkeit vorliegen können. Unzuverlässig ist ein Bewerber von dem aufgrund der vorliegenden Tatsachen zu erwarten ist, dass er den spezifischen Anforderungen des Fahrlehrerberufs charakterlich nicht gewachsen sein wird und der nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er den Fahrlehrerberuf ordnungsgemäß auszuüben wird. Da die Zuverlässigkeit nicht absolut sondern mit Blick auf den Fahrlehrerberuf zu beurteilen ist, müssen die Tatsachen einen Bezug zu diesem Beruf aufweisen. Nach § 12 FahrlG hat der Fahrlehrer die Fahrschüler gewissenhaft auszubilden. Er hat ihnen die Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu vermitteln, die das Straßenverkehrsgesetz und die auf dem Straßenverkehrsgesetz und auf dem Fahrlehrergesetz beruhenden Rechtsverordnungen für die Ausbildung und Prüfung der Bewerber um die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen fordern. Ferner hat er über die Folgen von Zuwiderhandlungen gegen die Verkehrsvorschriften und über die Pflichtversicherung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern zu unterrichten. Die Fahrlehrerausbildung vermittelt dem Bewerber um die Fahrlehrererlaubnis die fachlichen und pädagogischen Kompetenzen zur Ausbildung von Fahrschülern (§ 7 FahrlG).
Unzuverlässigkeit kann gegeben sein, wenn aufgrund der vorliegenden Tatsachen zu erwarten ist, dass der Bewerber um eine Fahrlehrererlaubnis seine Aufgaben als Ausbilder nicht korrekt, sachgerecht und gewissenhaft erfüllen wird. Im Hinblick auf die Vorbildfunktion des Pädagogen darf nicht die Fähigkeit fehlen, sich im Straßenverkehr nicht nur regelkonform, sondern darüber hinaus vorbildlich zu verhalten. Unzuverlässigkeit kann sich auch aus Verfehlungen außerhalb des Straßenverkehrs ergeben. Besonders negativ werden Verhaltensweisen zu beurteilen sein, die sich im Rahmen der Ausbildung von Fahrschülern für diese wirtschaftlich oder persönlich nachteilig auswirken können. Auch nicht verkehrsrechtliche Zuwiderhandlung des Fahrlehrers, die seine Vorbildfunktion ausschließen, können zur Unzuverlässigkeit führen (z. B. finanzielle Unregelmäßigkeiten, Straftaten, wie Diebstahl, Betrug, Untreue), wenn sie negative Auswirkungen auf die Tätigkeit als Fahrlehrer befürchten lassen; insbesondere, wenn die Delikte zum Nachteil der Fahrschüler begangen werden (vgl. Dauer, Fahrlehrerrecht, 1. Aufl. 2018, § 2 Nr. 7, 8, 9 und die dortige beispielhafte Aufzählung von gröblichen Pflichtverletzungen aus der Rechtsprechung).
Auch länger zurückliegende Straftaten können noch berücksichtigt werden, wenn sie nach den Bestimmungen des BZRG noch verwertet werden dürfen (BVerwG, B.v. 28.10.1996 – 1 B 211/96 – juris). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es allerdings, zwar noch verwertbare, aber länger zurückliegende Tatsachen nur heranzuziehen, wenn sie im Hinblick auf die verstrichene Zeit noch geeignet sind, Unzuverlässigkeit zu begründen. Schematische zeitliche Begrenzungen sind nicht möglich, weil immer eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist. Ob die vorliegenden Tatsachen den Bewerber als unzuverlässig für den Fahrlehrerberuf erscheinen lassen, unterliegt der Beurteilungsentscheidung der Behörde, die gerichtlich in vollen Umfang nachprüfbar ist (Dauer, a.a.O., § 2 Rn. 12). Nach § 51 Abs. 1 BZRG darf eine Tat und eine Verurteilung im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zum Nachteil einer Person verwertet werden, wenn die Eintragung im Register getilgt ist. Die Tilgungsfristen ergeben sich aus §§ 45 ff BZRG. Nach § 46 Abs. 1 BZRG beträgt die Tilgungsfrist fünf Jahre bei Verurteilungen zu Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist, ansonsten beträgt die Länge der Tilgungsfrist 10 Jahre (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 BZRG). Die Berechnung der Frist beginnt nach § 47 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 BZRG mit dem Tag des ersten Urteils. Allerdings ist § 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG zu beachten, wonach dann, wenn im Register mehrere Verurteilungen eingetragen, die Tilgung einer Eintragung erst dann zulässig ist, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen.
Im vorliegenden Fall sind damit die Tilgungsfristen (hier beginnend mit der der ersten Verurteilung durch das AG Obernburg vom 13.8.2014) noch nicht abgelaufen und unterliegen noch keinem Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG. Auf die Frage, ob vorliegend auch die Ausnahmevorschrift des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG einschlägig wäre, wonach abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG eine Tat noch berücksichtigt werden darf, wenn die betroffene Person die Zulassung zu einem Beruf oder einem Gewerbe beantragt, falls die Zulassung, Einstellung oder Erteilung der Erlaubnis sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde (gleiches gilt, wenn die betroffene Person die Aufhebung einer die Ausübung eines Berufs oder Gewerbes untersagenden Bescheiderteilung beantragt), kommt es deshalb nicht mehr an.
2.2 Bei Anlegung dieses Maßstabes ist festzustellen, dass gröbliche Pflichtverletzungen, die dem Kläger auch im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorgehalten werden können, vorliegen. Die Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.
Der Kläger war vorliegend wegen des Mitführens von Waffen (Revolver und Pistole im nicht verschlossenen Handschuhfach) im Fahrschulwagen und offenliegender Munition in der Mittelkonsole des Wagens im Beisein eines Fahrschülers und wegen Bedrohung von Personen am Ostbahnhof in Darmstadt am 23. Juli 2014 mit dem Revolver im Zusammenhang mit einer Geldforderung gegen ihn, rechtskräftig verurteilt worden (AG Darmstadt, U.v. 7.7.2015 – 211 Ds 400 Js 35229/14). Auch erfolgten rechtskräftige Verurteilungen wegen Betrugshandlungen zum Nachteil von Personen, für die eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) im Zusammenhang mit ihrer Fahrerlaubnis anstand. Der Kläger versprach am 29. Juli 2014 dem Denis K. gegen Geldzahlung hierfür Hilfe, die jedoch nicht erfolgte (AG Obernburg, U.v. 3.9.2015 – 7 Cs 110 Js 1911/15). Weitere Betrugsdelikte im Zusammenhang mit MPU-Bescheinigungen erfolgten im Frühjahr 2013 (zum Nachteil von Thomas M.) und im Dezember 2015 oder Januar 2016 zum Nachteil von Mesut G. Am 26. April 2015 täuschte der Kläger in einem Handyladen in Wörth vor, ein von ihm erworbenes Handy auch bezahlen zu wollen, und im Juni oder Juli 2015 stellte der Kläger gegen Geldzahlung eine Teilnahmebescheinigung nach § 5 des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes (BKrQG) aus, obwohl er hierzu nicht berechtigt war, was zu einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung führte (AG Obernburg, U.v. 18.9.2017 – 3 Ls 13971/15, rechtskräftig). Des Weiteren wurde der Kläger wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Arbeitsentgelt (Tattag: 28.4.2014) in fünf Fällen rechtskräftig verurteilt (AG Zw. Miltenberg v. 13.8.2014 – 7 Cs 108 Js 6234/14).
Das Mitführen von Waffen und Munition im Fahrschulwagen im Beisein eines Fahrschülers und die anschließende Bedrohung von Personen mit einer Waffe am 23. Juli 2014 sowie die weiteren rechtskräftig Betrugshandlungen und die Urkundenfälschung (Teilnahmebescheinigung nach § 5 BKrQG) sind auch heute noch geeignet, den Kläger als unzuverlässig erscheinen zu lassen. Alle diese Delikte hatten einen Bezug zu der Fahrlehrertätigkeit des Klägers. Bei den Betrugshandlungen im Zusammenhang mit den MPU-Bescheinigungen nutzte der Kläger seine beruflichen Stand und die Vertrauensstellung als Fahrlehrer aus. Das Vorenthalten und die Veruntreuung von Arbeitsentgelt erfolgte zwar zu einem Zeitpunkt, als der Kläger noch Inhaber einer Fahrschulerlaubnis war und damit Arbeitgeberfunktion hatte, dennoch kann hierbei noch der Bezug zur Fahrlehrertätigkeit gesehen werden, da der Fahrschulinhaber auch Überwachungs- und Vorbildfunktion bezüglich der bei ihm angestellten Fahrlehrer hat (§ 29 FahrlG).
2.3 Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung seine Zuverlässigkeit auch nicht wiedererlangt. Die Einwendungen des Klägers greifen nicht durch. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet auch im Hinblick auf die in Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit nicht, die rechtskräftig abgeurteilten Taten unberücksichtigt zu lassen. Weitere Umstände zu Gunsten des Klägers, die die vergangenen Zuwiderhandlungen in einem anderen Licht erscheinen ließen, konnten nicht festgestellt werden. Im Hinblick auf die o. g. noch verwertbaren strafrechtlichen Verurteilungen, die noch andauernde Bewährungszeit aus der letzten strafrechtlichen Verurteilung (AG Obernburg, U.v. 18.9.2107), fehlenden Anhaltspunkten für eine nachhaltige Verbesserung der finanziellen Situation des Klägers und dem Hinweis auf eine neue Betrugsstraftat in der noch offenen Bewährungszeit, konnte von einer wiedererlangten Zuverlässigkeit (noch) nicht ausgegangen werden.
Einzubeziehen in die Bewertung der Frage der Zuverlässigkeit des Klägers für den Fahrlehrerberuf im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt war auch die aktuelle Lebenssituation des Klägers, insbesondere auch seine privaten und finanziellen Verhältnisse vor dem Hintergrund der dargestellten Straftaten. So gab der Kläger an, die in den Zeiträumen 2014 und 2015 begangenen Straftaten seien auch die Folge von „privaten Umsetzungen“ gewesen und er habe sich seit der letzten Verurteilung (somit in den Jahren 2016-2018) „tadellos“ verhalten. Hierzu war Folgendes festzustellen: In seinem Lebenslauf hatte der Kläger angegeben, im Zeitraum 06/2016 – 08/2017 krank gewesen und anschließend arbeitslos gewesen zu sein. Nähere Angaben hierzu erfolgten nicht. Auch in der mündlichen Verhandlung, zu der der Kläger nicht erschienen war, erklärte der Klägerbevollmächtigte lediglich, dass seines Wissens die Ehefrau vom Kläger getrennt lebe und dies wohl auch Auswirkungen auf seine finanzielle Situation gehabt habe. Zu den Krankheiten im genannten Zeitraum könne er nichts sagen. Aus den im beigezogenen Bewährungsheft (zum Verfahren des AG Obernburg, U.v. 18.9.2017 – 3 Ls 110 Js 13971/15) ersichtlichen ärztlichen Bescheinigungen ergibt sich, dass der Kläger im November 2016 und Februar 2017 operative Eingriffe an beiden Händen hatte und im April 2018 an einer orthopädischen Erkrankung (Bandscheibe) litt. Aus den beigezogenen Akten ist weiterhin ersichtlich, dass gegen den Kläger wegen erheblicher Steuerschulden eine erweiterte Gewerbeuntersagung ausgesprochen wurde (Bescheid des Landratsamts M. vom 18.11.2013, Urteil des Gerichts vom 3.9.2014 – W 6 K 13.1256). Des Weiteren ergibt sich aus den beigezogenen Akten, dass gegen den Kläger bereits im Jahr 2008 ein Privatinsolvenzverfahren durchgeführt und eine Restschuldbefreiung erfolgt ist (Beschluss des AG Aschaffenburg vom 5.3.2015, s. Beiakt der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg zum Verfahren 3 Ls 110 Js 13971/15, Sonderheft, Kopien aus dem Verfahren 654 IN 85/08 beim AG Aschaffenburg). Des Weiteren ergibt sich aus den beigezogenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrensakten, dass der Kläger auch aktuell keine Zahlungen der Gerichtskosten leistet und zuletzt am 9. Oktober 2018 erneut eine eidesstattliche Versicherung abgelegt hat (s. Beiakt Kosten zum zugrundeliegenden Verfahrensakt mit dem Vermerk „Hartz IV“). Im Verfahren W 5 K 14.907 (Entziehung des Jagdscheins) wurden die Gerichtkosten am 19. Mai 2019 unbefristet niedergeschlagen, da alle Vollstreckungsmaßnahmen ausgeschöpft waren (s. Beiakt Kosten). Zwar ergibt sich aus dem beigezogenen Bewährungsheft zur Verurteilung vom 18. September 2017, dass der Kläger möglicherweise als Busfahrer arbeitet und beruflich viel unterwegs sei (Mitteilung des Bewährungshelfers vom 5.4.2019 an das Amtsgericht Obernburg, Blatt 32 der Akte). Nähere Angaben hierzu konnten jedoch nicht in Erfahrung gebracht werden. Der Bevollmächtigte des Klägers gab lediglich an, er wisse, dass der Kläger verschiedene beruflichen Tätigkeiten nachgehe und er deshalb zur mündlichen Verhandlung nicht habe erscheinen können, da er beruflich im Raum Hannover unterwegs sei. Was genau der Kläger beruflich mache, könne er jedoch nicht sagen. Zu seinen finanziellen Verhältnissen habe der Kläger ihm jedoch berichtet, dass er noch ergänzenden Leistungsbezug erhalte.
Bei Bewertung dieser Umstände und der aktenkundigen Tatsachen (letzte eidesstattliche Versicherung am 9.10.2018, aktueller ergänzender Leistungsbezug zum Arbeitslohn) vor dem Hintergrund erheblicher Steuerschulden in der Vergangenheit, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Situation des Klägers in finanzieller Hinsicht soweit gebessert hätte, dass die Gefahr weiterer Betrugsdelikte durch Ausnutzung seiner Stellung als Fahrlehrer zur Erlangung von Geldleistungen gebannt erscheinen könnte. Dieser Eindruck verfestigt sich angesichts der im Bewährungsheft befindlichen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hanau vom 24. Mai 2019 (A.: 2550 Js 8148/19), wonach der Kläger beschuldigt wird, am 26. April 2018 (somit in offener Bewährungsfrist) mit dem Zeugen H. Ö. einen Vertrag zur Erlangung eines ADR-Scheins (erforderlich zum Transport von Gefahrgut) gegen Geldzahlung von 500,00 EUR abgeschlossen zu haben, ohne die zugesagten Leistungen (Unterrichtserteilung mit anschließender Ablegung der Prüfung) erbracht zu haben und hierzu berechtigt gewesen zu sein. Der Klägerbevollmächtigte hat auf die Frage nach dem Fortgang dieses Verfahrens in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass dieses noch nicht weiter gediehen sei. Auch wenn damit eine Verurteilung des Klägers noch nicht festgestellt werden kann, so zeigt allein die Existenz der Anklageschrift doch, dass für die Staatsanwaltschaft Hanau ein hinreichender strafrechtlicher Verdacht besteht, der sie veranlasst hat, die Anklageschrift an das Amtsgericht Hanau – Strafrichter – zu übermitteln. Allein dieser Umstand widerlegt die Angaben des Klägers, er habe seit dem Jahr 2016 ein tadelloses Leben geführt.
Hinzu kommt, dass die Bewährungsfrist des Klägers aus der letzten bekannten Verurteilung durch das Amtsgericht Obernburg vom 18. September 2017 (3 Ls 110 Js1 3971/15) noch nicht abgelaufen ist. Der Kläger wurde mit dem genannten Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts Obernburg vom 18. September 2017 wurde die Bewährungszeit auf drei Jahre festgelegt und der Kläger während der Dauer der Bewährungszeit der Führung und Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt, unter anderem deshalb, „um seine desolate finanzielle Situation in den Griff zu bekommen“ (s. Urteil vom 18.9.2017, S. 6). Zwar wurde die Unterstellung unter die Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers zum 30. April 2019 (nach Ableistung der auferlegten 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit) aufgehoben (B. d. AG Obernburg vom 16.4.2019), die Bewährungszeit dauert jedoch noch an und endet erst am 17. September 2020. Auch der Klägerbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Bewährungszeit aus der letzten Verurteilung seines Wissens noch ein Jahr andauere.
Angesichts der bereits in der Vergangenheit in erheblichem Umfang erfolgten strafrechtlichen Verurteilungen im Zusammenhang mit Vermögensdelikten (insbesondere Betrug und Urkundenfälschung), dem Mitführen von Waffen und Munition im Fahrschulwagen und der erfolgten Bedrohung am 13. Juli 2014, die auch im Zusammenhang mit einer Geldforderung gegen den Kläger stand, den immer noch bestehenden finanziellen Schwierigkeiten des Klägers, der noch offenen Bewährungszeit aus der letzten Verurteilung sowie dem Hinweis auf eine erneute (Vermögens-)Straftat in der Bewährungszeit (Betrug), kann derzeit noch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seinen Fahrlehrerberuf künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Die genannten Umstände begründen auch noch aktuell die Gefahr, dass der Kläger erneut seine Stellung als Fahrlehrer ausnutzen wird und unter Verletzung seiner Pflichten und seiner Vorbildfunktion – insbesondere zur Erlangung von Geldleistungen – seine Verpflichtungen gröblich verletzen wird. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung bietet er damit nicht die Gewähr dafür, dass er in Zukunft den Fahrlehrerberuf ordnungsgemäß ausüben wird.
Die Klage konnte deshalb weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg haben.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Entscheidung über den Antrag auf Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO) bedurfte es wegen der Erfolglosigkeit des Klageverfahrens nicht.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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