Verwaltungsrecht

Keine Prämierung eines während der Dienstzeit entwickelten Verbesserungsvorschlags

Aktenzeichen  6 ZB 16.1464

Datum:
20.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 101085
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 317, § 319

 

Leitsatz

1 Die Entscheidung einer im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens geschaffenen paritätisch besetzten Kommission ist nur auf grobe Unbilligkeit und beachtliche Verstöße gegen die zugrunde liegenden Verfahrensvorschriften überprüfbar (vgl. BAG BeckRS 2016, 70286). Ein beachtlicher Verfahrensfehler liegt nicht vor, wenn er sich auf die Entscheidung der Kommission nicht ausgewirkt haben kann. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Prämierung einer Idee ist abzulehnen, wenn sie in hohem Umfang den Verantwortungsbereich des Beamten betrifft. Denn wurde ein Verbesserungsvorschlag während der Dienstzeit entwickelt und stellt sich als Ergebnis der geschuldeten Dienstausübung dar, ist er bereits mit der Besoldung abgedeckt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 K 14.701 2016-07-07 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 7. Juni 2016 – B 5 K 14.701 – wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 75.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seiner Klage vom 14. Oktober 2014 begehrte der Kläger in den Hauptanträgen die Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung jeweils der Höchstprämie (je 150.000 Euro) für zwei von ihm eingereichte Verbesserungsvorschläge (Idee 0606099 und Idee 0903289). Hilfsweise beantragte er die Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Entscheidung über die Prämierung beider Ideen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Mit Urteil vom 7. Juni 2016 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur erneuten Entscheidung über die Zahlung einer Prämie für die Idee 0606099 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt, da insofern nach Auffassung des Verwaltungsgerichts keine nachvollziehbare und widerspruchsfreie Berechnung des zugrunde zu legenden Nutzens als Grundlage für die Entscheidung vorgelegen habe. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Mit dem vorliegenden Rechtsmittel begehrt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil nur, soweit darin der hilfsweise gestellte Antrag auf Neuverbescheidung des Antrags auf Prämierung der Idee 0903289 abgewiesen wurde.
1. Dieser Antrag bleibt ohne Erfolg. Der innerhalb der Zweimonatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, auf dessen Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist, liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, den noch streitigen Hilfsantrag abzuweisen, wären nur anzunehmen, wenn insoweit vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Gerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B. v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Hilfsantrag des Klägers, der sich auf eine Neuverbescheidung seiner Idee 093289 richtete, keinen Erfolg haben könne, da die Prämienkommission frei von willkürlichen oder sachfremden Erwägungen sowohl einen Nutzen der Idee im Sinne der Konzernbetriebsvereinbarung (im Folgenden: KBV IDM) verneint als auch den Regelaufgabenfaktor mit 0,0 veranschlagt habe. Es seien keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, dass die für die Entscheidung über eine Prämiengewährung zuständige paritätische Kommission die ihr gemäß § 8 Nr. 2 KBV IDM obliegende verfahrensrechtliche Pflicht, die Idee mit Sorgfalt und Objektivität zu prüfen, verletzt hätte. Die Einschätzung der Kommission, der Verbesserungsvorschlag des Klägers sei vollumfänglich seiner Tätigkeit als regionaler Bereichscontroller zuzurechnen, sei nicht zu beanstanden. Sie könne sich hierbei nicht nur auf die Stellungnahme des zuständigen Niederlassungsleiters, sondern auch auf weitere Stellungnahmen aus dem Bereich „Controlling“ sowie des (neuen) unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers stützen. Gleiches gelte für den Umstand, dass die paritätische Kommission einen Nutzen des Verbesserungsvorschlags 0903289 mit dem Hinweis darauf verneint habe, bei EBITDA (earnings before interest, taxes, depreciation and amortization), dessen Verbesserung der Kläger als Nutzen ansähe, handele es sich lediglich um eine Steuerungskennzahl im betrieblichen Controlling und nicht um einen Ergebnisfaktor.
Den überzeugenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts hält der Kläger in der Antragsbegründung nichts Stichhaltiges entgegen, das ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wecken und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfen würde.
a) Der Kläger macht bezüglich der Beurteilung des Regelaufgabenfaktors lediglich einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften geltend: Die Beklagte sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts von den in der KBV IDM aufgestellten Vorgaben abgewichen, da gemäß Anlage 1 Ziffer 4 zur KBV IDM hierzu eine „Stellungnahme der Führungskraft oder des Projektleiters“ hätte eingeholt werden müssen. Frau St., die zum maßgeblichen Zeitpunkt die unmittelbare Führungskraft des Klägers gewesen sei, sei aber stattdessen als „Gutachterin“ am Verfahren beteiligt worden. Dies stelle ein sachfremdes/willkürliches Vorgehen der Beklagten dar.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung ergeben sich daraus nicht.
Wie das Verwaltungsgericht richtig ausgeführt hat, ist die Entscheidung einer im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens geschaffenen paritätisch besetzten Kommission nach ständiger Rechtsprechung in entsprechender Anwendung der §§ 317, 319 BGB nur auf grobe Unbilligkeit sowie auf beachtliche Verstöße gegen die zugrunde liegenden Verfahrensvorschriften überprüfbar (vgl. BAG, U. v. 18.5.2016 – 10 AZR 183/15 – juris; U. v. 16.12.2014 – 9 AZR 431/13 – juris Rn. 29; U. v. 20.1.2004 – 9 AZR 393/03 – BAGE 109, 193 – 206; BVerwG, U. v. 31.1.1980 – 2 C 3.78 – juris Rn. 28). Verfahrensfehler sind allerdings nur dann beachtlich, wenn sie sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben können (BAG, U. v. 19.5.2015 – 9 AZR 863/13 – juris Rn. 19; U. v. 20.1.2004, a. a. O.; LAG Rheinland-Pfalz, U. v. 25.2.2011 – 9 Sa 559/10 – juris Rn. 27).
Ein in diesem Sinne beachtlicher Verfahrensfehler lässt sich vorliegend nicht feststellen. Selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgehen wollte, dass es einen Verfahrensfehler darstellen könnte, wenn die erforderliche Stellungnahme einer Führungskraft in Form eines „Gutachtens“ statt einer „Stellungnahme“ eingeholt wird, obgleich ein Gutachten ebenfalls eine Stellungnahme enthält, ist jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass – und wie – sich dies in irgendeiner Weise auf die Entscheidung der Kommission ausgewirkt haben könnte. Auch der Kläger macht dies nicht geltend.
Im Übrigen war auch Herr S. als Leiter der Niederlassung, in der der Kläger tätig war, „Führungskraft“ des Klägers in der maßgeblichen Zeit, auch wenn er nicht der unmittelbare Vorgesetzte war, und hat als solcher der Kommission ebenfalls seine Einschätzung zur Frage des Regelaufgabenfaktors mitgeteilt. Zu Recht weist die Beklagte diesbezüglich darauf hin, dass die KBV IDM in Anlage 1 Ziffer 4 nicht von der unmittelbaren Führungskraft spricht, so dass die Stellungnahme von Herrn S. insoweit ebenfalls den Vorschriften entsprach. Diese deckt sich im Übrigen mit der Auffassung des Nachfolgers von Frau St., also der späteren unmittelbaren Führungskraft des Klägers, Herrn M. Dass sich sein Aufgabenbereich mit dem Austausch der unmittelbaren Führungskraft geändert hätte, trägt der Kläger nicht vor. Daher hat die Einschätzung von Herrn M. durchaus Bedeutung.
b) Soweit der Kläger bemängelt, dass die Einschätzung der ehemaligen (unmittelbaren) Führungskraft, Frau St., die einen Regelaufgabenfaktor von 0,25 vorgeschlagen hatte, von der Kommission nicht berücksichtigt worden sei, legt er nicht dar, dass die Entscheidung der Kommission, der Einschätzung des Niederlassungsleiters folgend den Regelaufgabenfaktor auf 0,0 festzusetzen und damit den Anspruch auf Prämierung abzulehnen, deshalb offensichtlich falsch, unvernünftig oder willkürlich wäre.
Die Kommission ist nicht an die Einschätzung einer Stellung nehmenden Person gebunden. Vielmehr sollen die eingeholten Äußerungen lediglich eine Grundlage für die Entscheidung der Kommission bilden. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Kommission der Aussage von Herrn S. vom 14. Januar 2011 gefolgt ist, der seine Einschätzung – anders als Frau St. – nachvollziehbar begründet hat. Herr S. hat ausgeführt, dass das Thema der Idee 0903289 deshalb zu 100% den Verantwortungsbereich des Klägers als örtlichem Controller betrifft, weil dessen Hauptaufgabe gerade darin besteht, mit regelmäßigen Analysen zu helfen, Fehler zu erkennen und Lösungen zu entwickeln, um die finanziellen Kennzahlen und damit das Ergebnis zu verbessern – dies „natürlich“ auch immer mit dem Ziel, bundesweit Effekte zu erzielen. Auch Frau St. hat ausgeführt, dass die Idee ihrer Einschätzung nach „in sehr hohem Umfang“ den Verantwortungsbereich des Klägers betreffe. Weshalb dennoch ein Regelfaktor von 0,25 anzusetzen sein soll, begründet sie nicht.
Nach eigenem Vortrag hat der Kläger während und im Rahmen seiner Tätigkeit als Controller als Teil seiner ihm übertragenen Dienstgeschäfte Daten auf Auffälligkeiten gesichtet und das Ergebnis seiner Arbeit zusammen mit dem Lösungsvorschlag (Idee 0903289) weitergegeben. Damit ist der Verbesserungsvorschlag während der Dienstzeit des Klägers entwickelt worden und stellt sich auch als Ergebnis der geschuldeten Dienstausübung dar. Der Besoldungsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 BBesG deckt im Regelfall auch besonders hervorragende Leistungen des Beamten innerhalb des eigenen Arbeitsbereiches ab. Hierfür kann er – jedenfalls im Regelfall – keine gesonderte Vergütung beanspruchen. Anhaltspunkte dafür, dass die Einschätzung von Herrn S. (und anderen) offenbar unrichtig oder gar willkürlich sein könnte, hat der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht aufgezeigt. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, ein Anspruch des Klägers auf Neuverbescheidung seines Prämierungsantrags bezüglich der Idee 0903289 bestehe nicht, da der Regelaufgabenfaktor mit 0,0 zu veranschlagen sei, ist nach alledem nicht als offensichtlich falsch oder gar willkürlich anzusehen.
c) Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob – wofür vieles spricht – die paritätische Kommission und dieser folgend auch das Verwaltungsgericht einen wirtschaftlichen Nutzen der Idee 0903289 zu Recht verneint haben. Denn eine Prämierung von Vorschlägen setzt voraus, dass sie zumindest teilweise über die bezahlten Aufgaben des Einreichers hinausgehen (vgl. § 6 Abs. 4 KBV IDM i. V. m. Anlage 1 Ziffer 4 a.E): Betrifft die Idee – wie vorliegend – in vollem Umfang den Verantwortungsbereich des Ideengebers, gibt es dafür keine Prämie.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Ausgangspunkt für die Bemessung ist der Betrag von 150.000 Euro, auf den der erstinstanzliche Hauptantrag beziffert ist (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG) und der für den zweitinstanzlich nur noch weiter verfolgten Hilfsantrag auf Neuverbescheidung halbiert wird. Für eine weitergehende Herabsetzung besteht kein Anlass.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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