Verwaltungsrecht

Keine Schutzgewährung für einen “Transgender” aus Sierra Leone

Aktenzeichen  9 ZB 19.31969

Datum:
13.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13913
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 14 K 17.33623 2019-04-04 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der behauptete Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt nicht vor (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 9 ZB 19.30847 – juris Rn. 7)
a) Danach hat der Kläger mit dem Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag dazu, dass er „Transgender“ sei, nicht beachtet und einen „Gesetzesverstoß“ begangen, weil es nicht dargelegt habe, was die Ausübung einer unzüchtigen Handlung für eine Strafe nach sich ziehe, sowie außerdem eine Fluchtalternative angenommen habe, keinen Gehörsverstoß dargelegt, der auch vorliegt. Das Verwaltungsgericht hatte zwar Zweifel daran, dass der Kläger „Transgender“ sei. Es ist insoweit aber ebenso wie in Bezug auf die von ihm geltend gemachte Homosexualität, die es glaubte, davon ausgegangen, dass dem Kläger im Fall der Rückkehr keine Verfolgung drohe, weil ein Gesetz von 1861, welches die Absicht unzüchtiger Handlungen von Männern unter Strafe stelle und eine Gefängnisstrafe von zehn Jahren vorsehe, keine Anwendung finde. Für fehlende Schutzgewährung vor Verfolgungshandlungen Dritter durch staatliche Behörden in Sierra Leone lägen keine Erkenntnisse vor. Diskriminierungen, die der Kläger vor seiner Ausreise angeblich erlitten habe, erreichten nicht die Intensität einer schutzrelevanten Bedrohung. Ob der Kläger als „Transgender“ anzusehen ist oder für ihn eine Fluchtalternative angenommen werden kann, war somit nicht entscheidungserheblich. Der Kläger kritisiert letztlich die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG aber gerade kein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 9 ZB 17.31736 – juris Rn. 4).
b) Soweit der Kläger einen Gehörsverstoß darauf stützt, dass das Verwaltungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob der Kläger im Fall seiner Rückkehr mit Unterstützung einer Familie bzw. durch Freunde rechnen könne, kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden. Eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht statuiert Art. 103 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2018 – 1 BvR 1011/17 – juris Rn. 16). Insbesondere gibt Art. 103 Abs. 1 GG den am Prozess Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht von sich aus Beweis erhebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 9 ZB 18.33046 – juris Rn. 5). Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger in der Lage sein werde, sein Existenzminimum eigenständig zu sichern (vgl. UA S. 11 und 15).
2. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 9 ZB 19.30847 – juris Rn. 3). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Die Frage, ob angesichts der im Zulassungsvorbringen geschilderten Armut in Sierra Leone, der Schwierigkeiten beim Finden von Wohnraum, der Gefahr willkürlicher Festnahmen und Inhaftierungen und der fehlenden staatlichen Unterstützung Feststellungen dazu getroffen hätten werden müssen, ob der Kläger mit Unterstützung einer Familie bzw. Freunden rechnen könnte oder dürfte, lässt keine allgemeine, über den Einzelfall des Klägers hinausreichende Bedeutung erkennen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auf die schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone abgestellt und ist auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger als arbeitsfähiger Mann in der Lage sein wird, sein Existenzminimum zu sichern. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegen getreten.
3. Inwieweit – wie der Kläger behauptet – die angefochtene Entscheidung von ober-gerichtlicher Rechtsprechung abweichen soll (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG), wird nicht ausreichend dargelegt. Es ist weder ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet, noch angegeben, von welchem Rechtssatz welchen Divergenzgerichts dieser abweichen soll (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2018 – 9 ZB 18.31509 – juris Rn. 7).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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