Verwaltungsrecht

Keine substantiierte Darstellung asylrechtlich relevanter Merkmale

Aktenzeichen  9 ZB 19.33380

Datum:
25.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27572
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3

 

Leitsatz

Die Anforderungen an das Zulassungsvobringen nach § 78 Abs. 3 Nr. 2, 3 AsylG sind nicht erfüllt, wenn die  Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit der ausformuliert und substantiiert dargelegt ist. (Rn. 2 – 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 30 K 17.40883 2019-07-08 VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones. Er begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 8. Juli 2019 wies das Verwaltungsgericht seine Klage ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Soweit das Zulassungsvobringen § 78 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 AsylG lediglich benennt, fehlt es bereits an einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Darlegung von Gründen. Wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist die Berufung nicht zuzulassen.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 9 ZB 19.30606 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
1. Die Frage, „ob einem Staatsangehörigen von Sierra Leone, dessen Familie aktiv gegen die Regierung gekämpft hat, mit einer Messerstecherei wegen Blutrache von der Familie des Getöteten verfolgt wird, dazu führt, dass im gesamten Staatsgebiet von Sierra Leone bei einer Rückkehr dorthin keine geeignete und zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht, insbesondere auch nicht in einer der großen Städte von Sierra Leone“, ist nicht verallgemeinerungsfähig. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass es nicht beachtlich wahrscheinlich sei, dass der Kläger mit der Rebellentätigkeit seiner Familie im Bürgerkrieg bis zum Jahr 2000 – als damals 12-jähriger – nunmehr 19 Jahre später damit in Verbindung gebracht wird und der Kläger auch schon damals in Magburaka keine entsprechenden Schwierigkeiten hatte. Darüber hinaus hat es ausgeführt, dass in Sierra Leone kein ausreichendes Melderegister bestehe und hat die vom Kläger angeführten Möglichkeiten des Auffindens und der Rache durch spirituelle Praktiken zutreffend dem Bereich des Okkulten und Aberglaubens zugeordnet. Das Zulassungsvorbringen zeigt insoweit keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung auf. Unabhängig davon setzt sich das Zulassungsvorbringen weder mit den vom Verwaltungsgericht eingeführten Erkenntnismitteln auseinander noch zeigt es konkrete Anhaltspunkte auf, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten, Presseberichte oder andere Gerichtsentscheidungen oder Erkenntnisse, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf. Der Kläger wendet sich hier vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Damit wird kein in § 78 Abs. 3 genannter Zulassungsgrund dargetan (BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 9 ZB 18.33345 – juris Rn. 5).
2. Die Frage, „ob die Gefahr, nicht einem fairen Gerichtsverfahren in Sierra Leone ausgesetzt zu sein, ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben begründet“, ist nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht ist bereits nicht von einer strafgerichtlichen Verfolgung des Klägers ausgegangen; eine solche wurde auch weder vorgetragen noch dargelegt. Darüber hinaus handelt es sich bei der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG regelmäßig um eine nicht grundsätzlich klärungsfähige Frage (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2019 – 9 ZB 18.31719 – juris Rn. 8). Dass der Kläger bei Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, legt das Zulassungsvorbringen nicht dar; es beschränkt sich vielmehr auf Kritik an der Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht und wendet sich damit im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Damit wird kein in § 78 Abs. 3 AsylG genannter Zulassungsgrund geltend gemacht.
3. Die Frage, „ob sich der sierra-leonische Staatsangehörige, der nicht nur von Familienangehörigen, sondern auch von der Polizei und den Sicherheitsbehörden seines Herkunftlandes verfolgt wird, auf ein Abschiebungsverbot i.S.v. § 60 Abs. 5 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen, erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben berufen kann“, weil der Kläger aufgrund der ständigen Gefahr, von seinen Verfolgern entdeckt zu werden, seinen Unterhalt nicht sichern könne, stellt ebenfalls keine verallgemeinerungsfähige Frage dar. Das Verwaltungsgericht hat auf die schwierigen humanitären Bedingungen abgestellt und ausgeführt, dass es dem Kläger aufgrund seiner individuellen Lebensumstände und Erfahrungen möglich sein wird, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es hat dabei die 12-jährige Schulbildung des Klägers sowie seine Arbeit in der Textilverarbeitung und seine Ausbildung zum Elektriker in Deutschland gewürdigt und darauf abgestellt, dass der Kläger jung, gesund, erwerbsfähig und unterhaltslastenfrei ist. Das Verwaltungsgericht hat ferner unter Würdigung der aktuellen Auskünfte ausgeführt, dass in Sierra Leone kein ausreichendes Melderegister bestehe und hat die vom Kläger angeführten Möglichkeiten des Auffindens und der Rache durch spirituelle Praktiken zutreffend dem Bereich des Okkulten und Aberglaubens zugeordnet. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander und zeigt auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür auf, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf. Der Kläger versucht vielmehr, die Frage nach dem Vorliegen eines Abschiebungshindernisses neu aufzuwerfen und im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vorzugehen. Dies stellt keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund dar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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