Verwaltungsrecht

Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen in Italien

Aktenzeichen  M 9 S 16.51034

Datum:
20.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 3 Abs. 2
AsylG AsylG § 29, § 34a Abs. 1 S. 1
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Einer Rückführung eines Asylbewerbers nach Italien stehen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen entgegen, die dazu führen würden, dass Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden (VGH München BeckRS 2014, 52068; OVG NRW BeckRS 2016, 47662; NdsOVG BeckRS 2015, 47840). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die am … Mai 1989 geborene Antragstellerin reiste nach eigenen Angaben am … August 2015 über Italien in das Bundesgebiet ein (Bl. 7 des Behördenakts – i.F.: BA -). Sie beantragte am … Juni 2016 Asyl (Bl. 17 des BA). Die Antragstellerin ist Staatsangehörige Nigerias.
Aufgrund eines Eurodac-Treffers (Bl. 36 des BA) wurde am … Juli 2016 ein Wiederaufnahmegesuch an Italien gerichtet (Bl. 58ff. des BA). Die italienischen Behörden haben bis dato nicht geantwortet.
Mit Bescheid vom 4. November 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und befristete das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Wegen des Bescheidinhalts wird auf diesen Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 11. November 2016, bei Gericht eingegangen am 14. November 2016, Klage gegen den Bescheid erhoben. Vorliegend beantragt er,
die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 11.11.2016 gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 4.11.2016 anzuordnen.
Im Hauptsacheverfahren wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin in ihrem Heimatland politisch verfolgt werde. Im Falle einer Rückkehr müsse sie mit weiterer politischer Verfolgung rechnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichts- sowie die beigezogene Behördenakte.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu.
An der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt zutreffend auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat u. a. aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft, v.a. nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Italien ist hier für die Prüfung zuständig. Dies ergibt sich aus Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 25 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO. Die italienischen Behörden haben auf das Wiederaufnahmegesuch vom 20. Juli 2016 nicht geantwortet.
Die Überstellung an Italien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO. Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass in Italien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit der Folge gegeben sind, dass Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Grundsätzlich erhalten auch Rückkehrer eine Unterkunft, medizinische Behandlung und sonstige Versorgung. Sofern sie einen Asylantrag stellen, wird ein Asylverfahren durchgeführt. Zusätzliche Aufnahmezentren sind geschaffen worden. Aktuelle Erkenntnisse diesbezüglich liegen den neueren Entscheidungen zugrunde (VG München, U. v. 9.12.2016 – M 9 K 16.50798 -m. w. N.; BayVGH, U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris; OVG NRW, U. v. 21.6.2016 – 13 A 1896/14.A – juris; NdsOVG, U. v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – juris). Probleme bei der Unterbringung in der zweiten Jahreshälfte 2015 rechtfertigen keine andere Einschätzung, da diesbezügliche Schwierigkeiten nicht nur in Italien, sondern in weiten Teilen Europas bestanden. Aus diesen Gründen bestand für die Beklagte auch keine Veranlassung, das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG, oder ein inlandsbezogenes Vollzugshindernis (BayVGH, B. v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris) wurden nicht belegt. Zu den Akten gegeben wurde lediglich ein Attest vom 26. Juli 2016 (Bl. 69 des BA), aus dem sich ergibt, dass die Antragstellerin unter schmerzhaften Narbenbildungen im Brustbereich leide. Dieses Attest enthält aber keine Hinweise auf eine deswegen bestehende Reiseunfähigkeit. Weder die Antragstellerin noch ihr Bevollmächtigter haben dargelegt, wieso Narbenbildungen eine Reiseunfähigkeit bedingen sollte. Eine empfohlene Exzision, mithin ein chirurgisches Entfernen des vernarbten Gewebes, kann auch in Italien erfolgen.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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