Verwaltungsrecht

Keine systemischen Mängel im Asylverfahren in Italien

Aktenzeichen  M 6 K 16.50265

Datum:
3.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 34a Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Es bestehen keine systemischen Mängel im italienischen Asylverfahren. Wer sich als “vulnerable case” zu erkennen gibt und sich um eine entsprechende ärztliche Versorgung bemüht, erhält diese in Italien auch. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

Aufgrund des vom Kläger rechtzeitig gestellten Antrags auf mündliche Verhandlung (§ 84 Abs. 2 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -) gilt der Gerichtsbescheid vom 17. Juni 2016 als nicht ergangen, § 84 Abs. 3, Halbsatz 2 VwGO.
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2016 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist. Die Beklagte ist ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Termin ordnungsgemäß geladen worden, verbunden mit dem Hinweis, dass im Falle des Nichterscheinens eines der Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.
Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie nicht zu spät erhoben (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 2, § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylgesetz – AsylG -). Denn aufgrund des Umstandes, dass – entgegen der Eintragung in der Postzustellungsurkunde mit dem Zustellungsdatum … April 2016 – auf dem Briefumschlag, mit dem dem Kläger der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 1. April 2016 zugestellt wurde, der … April 2016 als Zustellungsdatum vermerkt wurde, ist dem Kläger jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Klagefrist zu gewähren, wenn man nicht bereits die Zustellung als fehlerhaft ansehen wollte.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 1. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zunächst nimmt die erkennende Kammer bei Italien als sog. Dublin-Staat gegenwärtig (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen an. Zur Begründung wird auf die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen, denen die Kammer folgt.
Sodann liegt zur Überzeugung der erkennenden Kammer auch kein Abschiebungshindernis hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Klägers vor.
Die erkennende Kammer zweifelt nicht an der medizinisch-wissenschaftlichen Richtigkeit der von Dr. A. gestellten Diagnosen laut psychiatrischer Stellungnahme vom … Juni 2016 anhand der vom Kläger am … Juni 2016 geschilderten Symptome.
Die Kammer hegt jedoch große Zweifel an der Richtigkeit der geschilderten Symptome des Klägers. Es drängt sich geradezu der Verdacht auf, dass diese im Hinblick auf eine mögliche Abschiebung nach Italien aus asyltaktischen Gründen nachträglich in das Verfahren eingebracht worden sind. Dafür spricht folgendes:
Während der gesamten Zeit in Italien von angeblich zumindest … August 2014 bis zur dortigen illegalen Ausreise und illegalen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am … Januar 2016 hat der Kläger dort nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 3. August 2016 nicht um eine medizinische Behandlung nachgesucht. Wegen der damaligen vornehmlichen Kopfschmerzen habe er eine solche (noch) nicht für erforderlich gehalten.
Deshalb habe er in dem Fragebogen des Bundesamts auf die Frage nach Krankheiten etc. verneint.
Nach Aktenlage erstmals mit der Klageschrift vom … April 2016 ließ der Kläger von seinem Bevollmächtigten vortragen, er leide „unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, deren Beschwerden er in der Vergangenheit zwar laufend aufgetreten waren, er diese aber bislang verdrängt hatte“. Deswegen sei die entsprechende Frage in dem Fragebogen unrichtig beantwortet worden.
Schließlich stellte sich der Kläger am … Juni 2016, und damit nach ergangenem Gerichtsbescheid, bei Dr. A. vor und stellte seine angeblichen Symptome dar.
Letztlich kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob dem Kläger mit seinen Einlassungen insoweit geglaubt werden kann. Denn zur Überzeugung der erkennenden Kammer besteht für den Kläger auch in Italien eine ausreichende Möglichkeit, sich ggf. behandeln zu lassen. Zur Begründung insoweit wird wiederum auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen, nämlich was die Behandlung sog. „vulnerable cases“ anbelangt. Der Kläger muss sich hierzu allerdings dann auch, anders als bei seinem ersten Aufenthalt in Italien, als solcher zu erkennen geben und sich um eine entsprechende ärztliche Versorgung überhaupt bemühen. Die Ausführungen in der psychiatrischen Stellungnahme vom … Juni 2016, der Kläger könne in Italien nicht ausreichend versorgt werden, sind so nicht nachvollziehbar und stellen lediglich die – unbegründete – Meinung des Dr. A. dar.
Nicht nachvollziehbar begründet ist auch die von Dr. A. angenommene Reiseunfähigkeit des Klägers, zumal sich der Kläger von akuten Suizidimpulsen glaubhaft distanziert habe. Zur mündlichen Verhandlung am 3. August 2016 war es dem Kläger offensichtlich auch ohne weiteres möglich anzureisen. Auch der persönliche Eindruck, den sich die Kammer vom Kläger verschafft hat, spricht gegenwärtig gegen dessen Reiseunfähigkeit auch hinsichtlich einer Rücküberstellung nach Italien. Ggf. würde insoweit einer angeblichen Verschlechterung des Zustandes des Klägers bei einer notwendig werdenden Abschiebung durch die zuständigen Behörden Rechnung zu tragen sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.


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