Verwaltungsrecht

Keine Umdeutung eines als Berufung ausdrücklich bezeichneten Rechtsmittels in einen Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  15 B 18.1087, 15 ZB 18.1233

Datum:
4.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17187
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60 Abs. 1, § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 4 S. 1, § 125 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Eine von einem Rechtsanwalt innerhalb der Antragsfrist des § 124a Abs. 4 S. 1 VwGO eingelegte Berufung kann regelmäßig nicht in einen Antrag auf Zulassung der Berufung umgedeutet werden (Anschluss an BVerwG BeckRS 2008, 40553). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es gehört zu den nicht auf sein Büropersonal übertragbaren originären Aufgaben eines Rechtsanwalts, Art und Umfang des gegen eine gerichtliche Entscheidung einzulegenden Rechtsmittels zu bestimmen (Anschluss an BayVGH BeckRS 2009, 33864). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 K 17.1580 2018-03-15 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Verwaltungsstreitsachen 15 B 18.1087 und 15 ZB 18.1233 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Berufung wird verworfen.
III. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
IV. Die Klägerin trägt die Kosten sowohl des Berufungs- als auch des Zulassungsverfahrens.
V. Die Kostenentscheidung ist hinsichtlich des Berufungsverfahrens vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI. Die Revision gegen Nummer II des Beschlusses wird nicht zugelassen.
VII. Die Streitwerte für das Berufungs- und das Zulassungsverfahren werden auf jeweils 96.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine bauordnungsrechtliche Untersagung, das Kellergeschoss eines bestimmten Anwesens für die gewerbliche Prostitution zu nutzen bzw. nutzen zu lassen. Ihre auf Aufhebung des Nutzungsuntersagungsbescheids vom 20. September 2017 gerichtete Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 15. März 2018 ab. Das Urteil wurde den Bevollmächtigten der Klägerin laut Empfangsbekenntnis am 12. April 2018 zugestellt.
Am 3. Mai 2018 ging beim Verwaltungsgericht per Telefax ein Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin ein, mit dem namens und im Auftrag der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. März 2018 wörtlich „Berufung“ eingelegt wurde (Verfahren 15 B 18.1087).
Nach Eingang dieses Schriftsatzes beim Verwaltungsgerichtshof am 17. Mai 2018 wurden die Bevollmächtigten der Klägerin auf Verfügung des Vorsitzenden des Senats mit – laut Empfangsbekenntnis am 28. Mai 2018 zugestellten – Schreiben der Geschäftsstelle vom 24. Mai 2018 darauf hingewiesen, dass mit der „Berufung“ anstelle eines statthaften Antrags auf Zulassung der Berufung das falsche Rechtsmittel eingelegt worden sei. Mit weiterem Schreiben des Gerichts vom 28. Mai 2018 wurden die Beteiligten auf die Möglichkeit hingewiesen, die Berufung ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit, sich hierzu binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zu äußern.
Die Beklagte nahm schriftsätzlich dahingehend Stellung, dass sie die Berufung als unzulässig ansehe. Eine Umdeutung der von einem Rechtsanwalt eingelegten Berufung in einen Antrag auf Zulassung der Berufung komme nicht in Betracht.
Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2018, der an diesem Tag per Telefax beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einging, stellte die Klägerin über ihre Bevollmächtigten – unter gleichzeitiger Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist – einen Antrag auf Zulassung der Berufung (Verfahren 15 ZB 18.1233). Dass mit der „Berufung“ das falsche Rechtsmittel eingelegt worden sei und dass dieses auch nicht in das zulässige Rechtsmittel eines „Antrags auf Zulassung der Berufung“ umgedeutet werden könne, sei zur Kenntnis genommen worden. Unter Bezugnahme auf eine eidesstattliche Versicherung einer in der Kanzlei der Bevollmächtigten der Klägerin angestellten Rechtsanwaltsfachangestellten und geprüften Rechtsfachwirtin vom 8. Juni 2018 wird klägerseits zur Begründung für den Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, die versichernde Angestellte habe gemäß genereller Anweisung durch den Bevollmächtigten der Klägerin (unterzeichnender Rechtswalt), der die Ordnungsmäßigkeit der Verfahrensabläufe auch immer wieder stichprobenweise überprüfe, auf dem Urteil des Verwaltungsgerichts die Fristennotierung durchgeführt und bereits bei der genauen Fristnotierung das falsche Rechtsmittel notiert, nämlich als Art der Frist „Berufung“. Die Angestellte habe dann auf Anweisung des unterzeichnenden Rechtsanwalts, dass von ihr das zulässige Rechtsmittel eingelegt werden solle, auch den Schriftsatz vom 3. Mai 2018 gefertigt, mit dem gegen das erstinstanzliche Urteil das falsche Rechtsmittel – Berufung anstelle eines Antrags auf Zulassung der Berufung – eingelegt worden sei. Aufgrund dieser Umstände sei die Klägerin ohne ihr Verschulden verhindert gewesen, fristgerecht den Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen. Die gerichtliche Mitteilung vom 24. Mai 2018, dass ein unzulässiges Rechtsmittel eingelegt worden sei, sei den Bevollmächtigten der Klägerin erst am 28. Mai 2018 zugegangen. In der Kanzlei der Bevollmächtigten der Klägerin bestehe eine allgemeine Anweisung, dass der Fristenkalender jeden Abend eines Arbeitstags von einer Kanzleivorsteherin kontrolliert werde und dass die Fristerledigung erst dann auf dem angefochtenen Urteil vermerkt werde, wenn das Rechtsmittel in den Postablauf gegangen sei bzw. das Faxprotokoll mit einem „o.k.-Vermerk“ den Eingang des Rechtsmittels beim Gericht bestätige. Erst danach erfolgten die internen Erledigungsvermerke. Es bestehe auch in der Kanzlei eine Anweisung, dass bei Notierung der Rechtsmittelfrist zugleich das richtige, dem Gesetz nach zulässige Rechtsmittel benannt und gekennzeichnet werde. Diese Eintragungen bzw. Fristnotierungen würden auch stichprobenweise immer wieder durch den jeweiligen Rechtsanwalt – so auch durch den unterzeichnenden Rechtsanwalt – kontrolliert. Diese Tätigkeit der Fristeintragung und auch der Überprüfung der zulässigen Frist dürfe der Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung zuverlässigem, erfahrenem und gut ausgebildetem Personal überlassen. Dies sei hier geschehen. Die handelnde Angestellte habe eine Lehre als Rechtsanwaltsfachangestellte erfolgreich absolviert, im Anschluss einen Zeitraum von fünf Jahren als Rechtsanwaltsfachangestellte in der Kanzlei der Bevollmächtigten der Klägerin und auch in einer weiteren Anwaltskanzlei gearbeitet. Sie habe danach eine zusätzliche Ausbildung zur geprüften Rechtsfachwirtin erfolgreich absolviert und daher die Befähigung zur Kanzleivorsteherin. Im Rahmen dieser Ausbildung seien die jeweils zulässigen Rechtsmittel und deren Einlegung ausführlicher Gegenstand der Ausbildung. Es handele sich bei der Eintragung der Frist bzw. der Fristnotierung als „Berufung“ um ein Versehen einer qualifizierten, berufserfahrenen und gut ausgebildeten Angestellten der Kanzlei, die passiert sei, obwohl in der Rechtsmittelbelehrungdas zutreffende Rechtsmittel angegeben gewesen sei. Der unterzeichnende Rechtsanwalt habe nicht damit rechnen können, dass – als er mit dem Postauslauf den Schriftsatz vom 3. Mai 2018 erhalten und unterzeichnet habe – diese erfahrene und qualifizierte geprüfte Rechtsfachwirtin versehentlich ein falsches Rechtsmittel eingelegt habe. Nachdem die Klägerin kein Verschulden an der Fristversäumnis treffe und diese auch nicht auf ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zurückgehe, sei der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Inder Sache sei dem Antrag auf Zulassung der Berufung stattzugeben, weil ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestünden.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die Verbindung der beiden Verfahren beruht auf § 93 Satz 1 VwGO.
2. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. März 2018 ist nicht statthaft und deshalb nach § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung ergeht nach Anhörung der Beteiligten (§ 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO) durch Beschluss (§ 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO); § 101 Abs. 1 VwGO und § 117 VwGO finden dann keinen Anwendung (vgl. § 122 Abs. 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Da das Verwaltungsgericht die Berufung im angegriffenen Urteil nicht zugelassen hat, ist statthaftes Rechtsmittel der Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 4 VwGO) und nicht die Berufung (§ 124 Abs. 1, § 124a Abs. 2 VwGO). Hierauf hat das Verwaltungsgericht Augsburg in der Rechtsmittelbelehrung des angegriffenen Urteils zutreffend hingewiesen. Das am 3. Mai 2018 vom Bevollmächtigten der Klägerin eingelegte Rechtsmittel der Berufung ist folglich unzulässig (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 27.1.2006 – 11 B 05.3134 – juris Rn. 7; B.v. 30.11.2015 – 15 B 15.2137 – juris Rn. 2; B.v. 18.1.2017 – 1 ZB 16.2474 – juris Rn. 5; OVG NRW, B.v. 12.9.2017 – 13 A 1929/17 – juris Rn. 8).
3. Mit dem innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 3. Mai 2018 wurde nicht gleichzeitig ein Antrag auf Zulassung gestellt.
a) Das mit Schriftsatz vom 3. Mai 2018 eingelegte und ausdrücklich als Berufung bezeichnete Rechtsmittel der Klägerin kann nicht im Wege der Auslegung als Antrag auf Zulassung der Berufung verstanden werden. Denn die Klägerin hat ausdrücklich nur „Berufung“ gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. März 2018 eingelegt. Dabei hat sie das Wort „Berufung“ abgesetzt vom Fließtext in einem eigenen Absatz, in zentrierter Schreibweise und durch Fettdruck besonders hervorgehoben. Eine auf die Zulassung der Berufung gerichtete Antragstellung ist hingegen unterblieben. Der Inhalt der anwaltlichen Prozesserklärung ist unmissverständlich und bietet keinerlei Anhaltspunkt für eine vom eindeutigen Wortlaut abweichende Auslegung (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 30.12 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 27.1.2006 – 11 B 05.3134 – juris Rn. 8; B.v. 28.3.2012 – 15 B 10.1351 – juris Rn. 10; B.v. 18.1.2017 – 1 ZB 16.2474 – juris Rn. 6; OVG NRW, B.v. 12.9.2017 – 13 A 1929/17 – juris Rn. 15 ff.; B.v. 15.12.2017 – 7 A 2570/17 – juris Rn. 2).
b) Eine Berufung umfasst auch nicht – automatisch – zugleich einen Antrag auf Zulassung der Berufung. Die beiden Rechtsbehelfe betreffen unterschiedliche Gegenstände. Der Antrag auf Zulassung der Berufung begehrt ausschließlich die Zulassung dieses Rechtsmittels durch den Verwaltungsgerichtshof. Die Berufung richtet sich gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache. Beide Rechtsbehelfe sind nicht austauschbar. Sie haben unterschiedliche Ziele und stehen in einem Stufenverhältnis selbständig nebeneinander. Erst ein erfolgreicher Antrag auf Zulassung der Berufung eröffnet die prozessrechtliche Möglichkeit, dieses Rechtsmittel als nunmehr statthaft einzulegen (BVerwG, U.v. 2.5.2016 – 9 B 12.16 – NVwZ, 1187 = juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 27.1.2006 – 11 B 05.3134 – juris Rn. 9; B.v. 18.1.2017 –1 ZB 16.2474 – juris Rn. 7; OVG NRW, B.v. 15.12.2017 – 7 A 2570/17 – juris Rn. 3 m.w.N.).
c) Eine Umdeutung des Rechtsmittelantrags vom 3. Mai 2018 in einen Antrag auf Zulassung der Berufung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichthofs, an der der Senat festhält, kann eine von einem Rechtsanwalt innerhalb der Antragsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO eingelegte Berufung regelmäßig nicht in einen Antrag auf Zulassung der Berufung umgedeutet werden. Gerade weil die Berufung und der Antrag auf Zulassung der Berufung unterschiedliche Gegenstände betreffen (s.o.), ist eine Umdeutung allenfalls dann möglich, wenn i n n e r h a l b d e r A n t r a g s f r i s t des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO das wirkliche Begehren klargestellt wird; andernfalls würde die gesetzliche Frist für die Stellung eines Zulassungsantrages umgangen werden (zum Ganzen vgl. BVerwG, U.v. 27.8.2008 – 6 C 32.07 – NJW 2009, 162 = juris Rn. 24 f.; B.v. 19.4.2010 – 9 B 4.10 – juris Rn. 5 f. m.w.N.; B.v. 10.1.2013 – 4 B 30.12 – juris Rn. 4; B.v. 16.6.2015 – 9 B 79.14 – juris Rn. 3; U.v. 2.5.2016 – 9 B 12.16 – NVwZ, 1187 = juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 28.3.2012 – 15 B 10.1351 – juris Rn. 11; B.v. 10.10.2012 – 6 B 12.1590 – juris Rn. 3; B.v. 30.11.2015 – 15 B 15.2137 – juris Rn. 2; B.v. 18.1.2017 – 1 ZB 16.2474 – juris Rn. 8; OVG NRW, B.v. 12.9.2017 – 13 A 1929/17 – juris Rn. 19; OVG NRW, B.v. 15.12.2017 – 7 A 2570/17 – juris Rn. 5). Eine solche Klarstellung innerhalb der Antragsfrist ist hier indes nicht rechtzeitig erfolgt, vgl. auch im Folgenden 4.
4. Der erst am 8. Juni 2018 gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung erfolgte nicht fristgemäß gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO und ist daher ebenso unzulässig.
a) Da das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. März 2015 den Bevollmächtigten der Klägerin ausweislich des in den Gerichtsakten enthaltenen Empfangsbekenntnisses (Bl. 111 der VG-Akte) am 12. April 2018 zugestellt wurde, lief die Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO in Anwendung von § 57 Abs. 2 VwGO i.V. mit § 222 Abs. 2 ZPO bereits am Montag, 14. Mai 2018, um 24:00 Uhr – und damit mehr als drei Wochen vor Antragstellung am 8. Juni 2018 – ab.
b) Der Klägerin ist auf ihren Antrag vom 8. Juni 2018 keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung gemäß § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren.
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach § 60 Abs. 1 VwGO sind nicht gegeben. Die Versäumung der Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung beruht auf einem Verschulden des Bevollmächtigten, das sich die Klägerin gemäß § 173 VwGO i.V. mit § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Die Einlegung eines unzulässigen Rechtsmittels, die für die Versäumung der Antragsfrist ursächlich war, fällt dem Bevollmächtigten der Klägerin, der den Schriftsatz unterzeichnet hat, als Verschulden zur Last.
Die Verwaltungsgerichtsordnung stellt sicher, dass die Verwaltungsgerichte jedem anfechtbaren Urteil eine Rechtsmittelbelehrung beifügen (§ 117 Abs. 2 Nr. 6 VwGO), die die Beteiligten u.a. über die Art des statthaften Rechtsmittels aufklärt (vgl. § 58 VwGO). Dem ist die Rechtsbehelfsbelehrung:im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. März 2018 gerecht geworden. Die Klägerin und ihre Bevollmächtigten waren mithin hinreichend über das statthafte Rechtsmittel und die einzuhaltenden Fristen für dessen Einlegung informiert. Die Bevollmächtigten der Klägerin können sich zu ihrer Entlastung nicht darauf berufen, die Tätigkeit der Fristeintragung und der Überprüfung der zulässigen Frist einer zuverlässigen, erfahrenen und gut ausgebildeten Kanzleimitarbeiterin überlassen zu haben. Denn es geht vorliegend nicht bloß um die Verwaltung und Überwachung von Rechtsmittelfristen, sondern – als originäre Aufgabe eines Rechtsanwalts – um die Einlegung eines richtigen Rechtsmittels innerhalb noch laufender Rechtsmittelfrist. Zwar mag es sein, dass die Angestellte der Rechtsanwaltskanzlei, die nach Ansicht der Klägerseite das alleinige Verschulden an der Rechtsmittelversäumnis treffen soll, gemäß den Organisationsregelungen der Kanzlei den Entwurf des Schriftsatzes zur Unterschrift eines Rechtsanwalts vorbereitet hat, sie hat aber gerade nicht selbst in Vertretung für die Klägerin als Mandantin das Rechtsmittel eingelegt, sondern dies einem Rechtsanwalt der Kanzlei überlassen, der auch tatsächlich den Schriftsatz vom 3. Mai 2018, mit dem „Berufung“ eingelegt wurde, unterzeichnet hat. Es gehört zu den nicht auf sein Büropersonal übertragbaren originären Aufgaben eines Rechtsanwalts, Art und Umfang des gegen eine gerichtliche Entscheidung einzulegenden Rechtsmittels zu bestimmen. Zugleich ist es seine ebenfalls nicht auf das Büropersonal abwälzbare Aufgabe, alle gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit des danach bestimmten Rechtsmittels in eigener Verantwortung zu prüfen und dafür Sorge zu tragen, dass dieses Rechtsmittel innerhalb der jeweils gegebenen Rechtsmittelfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht (zum Ganzen BayVGH, B.v. 27.1.2006 – 11 B 05.3134 – juris Rn. 11; B.v. 18.1.2017 – 1 ZB 16.2474 – juris Rn. 10; OVG NRW, B.v. 12.9.2017 – 13 A 1929/17 – juris Rn. 24; vgl. auch BGH, B.v. 5.6.2013 – XII ZB 47/10 – MDR 2013, 1061 = juris Rn. 11; B.v. 10.5.2016 – VIII ZR 19/16 – MDR 2016, 842 = juris Rn. 6 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 27.1.2015 – OVG 10 N 54.14 – juris Rn. 3).
Dem ist der für die Klägerin handelnde Rechtsanwalt bei der Rechtsmitteleinlegung nicht gerecht geworden. Denn dieser hat sich mit der Unterschrift unter den Schriftsatz vom 3. Mai 2018 das bis dahin nur als Schriftsatzentwurf existente Schreiben zu Eigen gemacht und damit die inhaltliche Verantwortung übernommen. Zwar durfte der handelnde Rechtsanwalt seine Mitarbeiterin mit der Erstellung des Schriftsatzes für das Rechtsmittel beauftragen, er wäre jedoch verpflichtet gewesen, das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen. Zudem soll gerade der u.a. für einen Antrag auf Zulassung der Berufung vorgeschriebene Vertretungszwang (§ 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO) sicherstellen, dass dem Rechtsschutzsuchenden ein besonders rechtskundiger Bevollmächtigter zur Seite steht, der die prozessualen Erklärungen und Handlungen von der Einleitung bis zur Beendigung des Verfahrens selbst vorzunehmen hat. Der den Schriftsatz vom 3. Mai 2018 unterzeichnende Rechtsanwalt hätte mithin spätestens zu dem Zeitpunkt, als ihm seine Kanzleimitarbeiterin die Akten zur Bearbeitung der aus ihrer Sicht einzulegenden Berufung vorgelegt hat, die Art des gegen die angefochtene Entscheidung einzulegenden Rechtsbehelfs eigenverantwortlich auf Richtigkeit und Zweckmäßigkeit überprüfen müssen. Dies ist offensichtlich nicht geschehen. Vielmehr hat er den Schriftsatzentwurf unterschrieben, ohne sorgfältig zu kontrollieren, ob der gefertigte Schriftsatz das zulässige Rechtsmittel benannte. Bei sorgfältiger Prüfung – etwa anhand der Rechtsmittelbelehrungdes anzugreifenden Urteils des Verwaltungsgerichts sowie der Gesetzeslage (§§ 124, 124a VwGO) – hätte ihm auffallen müssen, dass richtigerweise statt der Berufungseinlegung ein Antrag auf Zulassung der Berufung hätte gestellt werden müssen. Dieses Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin zuzurechnen, so dass keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gewährt werden kann (OVG NRW, B.v. 12.9.2017 – 13 A 1929/17 – juris Rn. 24).
5. Die Klägerin trägt die Kosten sowohl des Berufungs- als auch des Berufungszulassungsverfahrens, weil beide Rechtsmittel erfolglos geblieben sind, § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich des Berufungsverfahrens beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V. mit § 708 ff. ZPO; die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 i.V. mit § 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO) liegen nicht vor. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57) sowie an der Streitwertentscheidung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind; es war dabei zu berücksichtigen, dass zwei Rechtsmittel – Berufung und Antrag auf Zulassung der Berufung – eingelegt wurden (OVG NRW, B.v. 12.9.2017 – 13 A 1929/17 – Nr. 3 des Tenors, abgedruckt bei juris).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen