Verwaltungsrecht

Keine unmittelbare Zuweisung einer Sozialwohnung aufgrund erhöhtem Wohnungsbedarf

Aktenzeichen  M 12 E 16.2420

Datum:
17.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123
BayWoBindG BayWoBindG Art. 5 S. 2

 

Leitsatz

Nach dem Bayerischen Wohnungsbindungsrecht ist die unmittelbare Zuweisung einer Sozialwohnung durch die zuständige Behörde nicht möglich. Diese hat lediglich ein Benennungsrecht gegenüber den Verfügungsberechtigten, die unter den zu benennenden fünf Wohnberechtigten die Auswahl treffen und einen Mietvertrag abschließen. (redaktioneller Leitsatz)
Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. (redaktioneller Leitsatz)
Erst wenn ein Vormerkbescheid vorliegt, ist die Antragsgegnerin verpflichtet, Wohnungsangebote in der damit erstellten Reihenfolge der Dringlichkeit zu erteilen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der am … geborene Antragsteller hat am … Februar 2016 beim Sozialgericht München beantragt,
ihm einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren und ihm eine geförderte Wohnung zu stellen sowie Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe zu gewähren.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass er sich am 19. Februar 2016 bei der Antragsgegnerin die Anträge für eine geförderte Wohnung habe geben lassen. Er habe diese ausgefüllt und abgeben wollen. Hierfür habe er eine Nummer ziehen müssen und festgestellt, dass 38 Personen vor ihm an der Reihe sind. So lange habe er nicht warten können und wollen. Ein Gespräch mit einem Vorgesetzten, um sein Anliegen vorzubringen, sei ihm nicht ermöglicht worden. Daher habe er keine andere Möglichkeit gesehen, als beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu stellen und dort seine Unterlagen abzugeben. Er sei seit zwei Tagen obdachlos; vorher habe er sich in der JVA … befunden, aus der er am 17. Februar 2016 entlassen worden sei.
Mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 6. April 2016 wurde der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München, hier eingegangen am 30. Mai 2016, verwiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Gegenstand des Rechtsstreits die Registrierung für eine Sozialwohnung sei. Für derartige Streitigkeiten sei der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
Mit Schreiben vom 7. Juni 2016 hat die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag auf Vormerkung für eine geförderte Wohnung am 22. Februar 2016 eingegangen, jedoch unvollständig ausgefüllt gewesen sei. Eine Vorsprache bei der Sachbearbeitung sei nicht erfolgt. Da in dem Antrag keine Adresse oder Telefonnummer angegeben gewesen sei, habe der Antrag nicht weiterbearbeitet werden können. Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er habe keinen Anspruch darauf, dass ihm eine geförderte Wohnung gestellt werde. Die Antragsgegnerin habe lediglich ein Benennungsrecht. Der Verfügungsberechtigte wähle unter den Benannten selbst aus, mit wem er einen Mietvertrag schließen möchte. Der Antragsteller habe bei Vorliegen der Voraussetzungen allenfalls einen Anspruch auf Vormerkung für eine Sozialwohnung entsprechend des tatsächlichen Sachverhalts und auf Berücksichtigung bei der Benennung entsprechend der sozialen Dringlichkeit. Eine Entscheidung über den Antrag des Antragstellers habe aber noch nicht ergehen können, da der Antrag unvollständig abgegeben worden sei und der Antragsteller mangels Adresse/Telefonnummer auch nicht erreichbar gewesen sei. Erst mit Zustellung des Verweisungsbeschlusses am 18. April 2016 habe die Antragsgegnerin Kenntnis von einer c/o-Adresse des Antragstellers erhalten. Daher sei er nun angeschrieben und gebeten worden, weitere erforderliche Unterlagen vorzulegen. Erst dann könne eine Entscheidung erfolgen.
Mit Schreiben vom 14. Juni 2016 erklärte die Antragsgegnerin weiter, dass der Antrag vom 19. Februar 2016 offenbar bereits am selben Tag bei der Infothek abgegeben oder in den Hausbriefkasten eingeworfen worden sei. Da er nicht persönlich vorgesprochen habe, habe er nicht auf die fehlenden Kontaktdaten hingewiesen werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ausschließlich die beantragte Zurverfügungstellung einer geförderten Wohnung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes. Denn mit Verweisungsbeschluss vom 6. April 2016 hat das Sozialgericht München den „Rechtsstreit“ an das Verwaltungsgericht München verwiesen. Als Gegenstand des Rechtsstreits wird ausweislich der Begründung des Verweisungsbeschlusses ausschließlich die Registrierung für eine Sozialwohnung bezeichnet. Der Antrag auf Gewährung von Leistungen nach den SGB II bzw. SGB XII wird von der Verweisung folglich nicht erfasst.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allen bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat der Antrag keinen Erfolg. Es besteht nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage kein Anordnungsanspruch auf Zuweisung einer geförderten Wohnung.
Nach dem Bayerischen Wohnungsbindungsrecht ist die unmittelbare Zuweisung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin nicht möglich. Da es sich bei dem Gebiet der Antragsgegnerin um ein Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf im Sinne von Art. 5 des Gesetzes zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen in Bayern handelt, hat die Antragsgegnerin in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten lediglich ein Benennungsrecht. Gemäß Art. 5 Satz 2 BayWoBindG hat die zuständige Stelle den Verfügungsberechtigten mindestens fünf wohnberechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl zu benennen. Die Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrages mit den Wohnungssuchenden bleibt jedoch den Verfügungsberechtigten vorbehalten. Eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin ist nicht möglich (BayVGH v. 21.8.1990 – 7 CE 90.1139).
Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH v. 23.9.1987, DWW 1988, 55). Ein solcher Vormerkbescheid konnte jedoch im vorliegenden Fall noch nicht erlassen werden, da die Antragsunterlagen, die der Antragsteller am 19. Februar 2016 bei der Antragsgegnerin eingereicht hat, unvollständig waren und der Antragsgegnerin zunächst weder eine Adresse noch eine Telefonnummer des Antragstellers bekannt war, so dass sie die notwendigen Unterlagen auch nicht anfordern konnte. Erst im Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts München ist die c/o-Adresse des Antragstellers erstmals genannt. Der Antragsteller wurde dort mittlerweile angeschrieben und zur Vorlage der fehlenden Angaben und Nachweise aufgefordert.
Erst wenn ein Vormerkbescheid vorliegt, ist die Antragsgegnerin verpflichtet, Wohnungsangebote in der damit erstellten Reihenfolge der Dringlichkeit zu erteilen. Die Benennung hängt von der Zahl der tatsächlich freiwerdenden Wohnungen, die dem festgestellten Wohnbedarf entsprechen, von der Anzahl vorgemerkter Bewerber mit entsprechendem Wohnbedarf sowie der Dringlichkeit und Dauer der Bewerbung ab.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).


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