Verwaltungsrecht

Keine unrichtige Rechtsmittelbelehrung wegen Zusatz zur Abfassung der Klage in deutscher Sprache

Aktenzeichen  Au 8 S 17.35702

Datum:
9.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 717
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 2, § 75 Abs. 1

 

Leitsatz

Mit dem Zusatz zur Abfassung der Klage in deutscher Sprache werden regelmäßig fremdsprachige Asylbewerber darauf hingewiesen, dass die Gerichtssprache Deutsch ist. Eine darüber hinausgehende Ausschlusswirkung dieses Zusatzes, die zu einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung führt, kommt dem nicht zu. (VG Augsburg BeckRS 2017, 126152). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine ablehnende Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).
1. Der ohne Ausweispapiere in das Bundesgebiet eingereiste Kläger gibt an, 1997 geboren und afghanischer Staatsangehöriger und pashtunischer Volkszugehörigkeit zu sein.
Nach der Einreise auf dem Landweg im Januar 2016 beantragte er am 26. April 2016 beim Bundesamt die Anerkennung als Asylberechtigter.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 7. November 2016 trug er im Wesentlichen vor, dass er mit seinen Eltern und vier Brüdern sowie zwei Schwestern in Kabul gelebt habe. Sein Vater sei beruflich in der Provinz Ghazni als Inhaber eines Lebensmittelladens tätig gewesen, dort habe er auch gelebt. Seine Mutter und die Geschwister hielten sich weiter in Kabul auf. Er selbst habe in einem von seinem Vater in Kabul gegründeten Bekleidungsladen gearbeitet, dieser sei etwa 15 Autominuten vom Familienwohnsitz entfernt gewesen. Eines Abends sei er wie üblich auf dem Nachhauseweg mit einem Taxi gefahren. Der Fahrer des Taxis habe ihn mit einer Waffe bedroht und ihn mit dem Fahrzeug an einen unbekannten Ort gebracht. Dort seien zwei Männer gewesen, die von den Entführern beauftragt worden seien, ihn zu bewachen. Diese Bewacher hätten ihn aufgefordert, für sie in Frauenkleidern zu tanzen. Das habe er abgelehnt, da dieses Verhalten die Ehre der Familie zutiefst verletzt hätte und er damit gerechnet habe, dass er beim Tanz gefilmt werden sollte. Die Bewacher hätten sich dann vereinbart, ihn zu vergewaltigen. Er habe einen Gang zur Küche in dem Haus genutzt, sich selbst eine Wunde am Bauch zuzufügen. Die Bewacher hätten ihn dann in Unterwäsche fotografiert und ein Bewacher hätte dann das Haus verlassen. Er habe das Messer, mit dem er sich selbst verletzt habe, in der Socke verstecken können. Mit diesem Messer habe er den Bewacher, der geblieben sei, mit einem Überraschungsangriff verletzen können und sei dann aus dem Haus geflohen. Seiner Mutter habe er nach der Rückkehr nach Hause nichts erzählt, er habe aber nachts aus Angst Alpträume gehabt und immer wieder geschrien. Als sein Vater aus der Provinz Ghazni zurückgekehrt sei, habe er auch diesem nichts erzählt. Sein Vater habe ihn zu einem Arzt gebracht, was aber auch nichts geholfen habe. Deshalb habe ihn schließlich sein Vater in die Provinz Ghazni mitgenommen, wo er sich etwa sechs Wochen aufgehalten habe. In dieser Zeit sei auch seine Mutter aus Kabul gekommen. Sein Vater habe ihm einen Lebensmittelladen übergeben, damit er durch eine Beschäftigung abgelenkt sei. Gleichzeitig habe er in der Moschee intensiv den Koran gelernt. Dort habe er den Neffen des Mullahs kennengelernt, der ihn eines Tages auch zu sich eingeladen habe. In dessen Haus sei er ohnmächtig geworden. Nach dem Aufwachen sei er nackt gewesen, ebenso der Neffe des Mullahs neben ihm. In diesem Moment sei der Mullah in das Zimmer gekommen. Er hätte ihn geschlagen, er habe irgendwie fliehen können. Bei seiner Rückkehr nach Hause habe seine Mutter durch einen Anruf seines Vaters bereits von der Schande durch den homosexuellen Geschlechtsverkehr erfahren. Er habe deshalb sofort fliehen müssen, da der Mullah ihm sonst nach dem Leben getrachtet hätte. Auch habe er Angst vor seinen Entführern gehabt. Das Handy eines der beiden Bewacher habe er zufällig bei seiner Flucht aus dem Haus, wohin er verschleppt worden sei, auf dem Boden gefunden und an sich genommen. Auf diesem Handy sei ein Foto eines der beiden Bewacher gewesen, das er dann auf sein Handy kopiert habe. Wegen der Schande, die er über die Familie gebracht habe, werde er auch von seiner eigenen Familie verfolgt.
Auf die Niederschrift über die Anhörung wird im Einzelnen verwiesen.
Mit Bescheid vom 6. März 2017, dem Kläger zugestellt am 9. März 2017, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) sowie auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ab (Nr. 4). Die Abschiebung nach Afghanistan wurde angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Zur Begründung führt das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen. Der Kläger habe keine staatliche oder nichtstaatliche Verfolgung geltend gemacht. Die behauptete Verfolgung wegen einer sexuellen Orientierung sei insgesamt unglaubwürdig. Ein ernsthafter Schaden, der die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus rechtfertigen könnte, drohe dem Kläger bei einer Rückkehr ebenfalls nicht. Auch lägen keine Abschiebungsverbote vor. Der Kläger könne als junger, erwerbsfähiger Mann bei einer Rückkehr eine ausreichende existenzsichernde Lebensgrundlage schaffen.
Auf den Bescheid vom 6. März 2017 wird im Einzelnen verwiesen.
2. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 27. Dezember 2017 ließ der Kläger im Verfahren Au 8 K 17.35700 Klage gegen den Bescheid vom 6. März 2017 erheben, dessen Aufhebung und die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzstatus und des Vorliegens von Abschiebungsverboten beantragen. Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Gleichzeitig wird im vorliegenden Verfahren beantragt,
festzustellen, dass die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 6. März 2017 aufschiebende Wirkung hat.
Analog § 80 Abs. 5 VwGO sei die aufschiebende Wirkung der Klage festzustellen. Dem Bescheid sei eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung beigefügt gewesen. Wie sich aus der Rechtsprechung ergebe, sei der Hinweis auf die Klageerhebung in deutscher Sprache fehlerhaft, so dass die Klage innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zulässig erhoben werden könne. Der Klage komme somit aufschiebende Wirkung zu. Dass die Klage offensichtlich als unzulässig abzuweisen sei, sei wegen der vorgenannten Rechtsprechung nicht erkennbar.
Auf die Antragsbegründung wird im Einzelnen verwiesen.
Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren nicht geäußert, sie hat die Behördenakte auf elektronischem Weg vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Über den Antrag entscheidet nach § 76 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) der Berichterstatter als Einzelrichter.
Der zulässig erhobene Antrag ist nicht begründet. Der Klage vom 27. Dezember 2017 gegen den Bescheid vom 6. März 2017 kommt offensichtlich keine aufschiebende Wirkung zu, sie ist verfristet.
1. Der Antrag ist in analoger Anwendung von § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig erhoben.
Da gegen die in Ziffer 5. des angefochtenen Bescheids vom 6. März 2017 enthaltenen Abschiebungsandrohung im Klageverfahren eine Anfechtungsklage zu erheben ist (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) und diese grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat (vgl. § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 38 Abs. 1 AsylG), ist vorliegend einstweiliger Rechtsschutz in Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren (vgl. VG München, B.v. 5.9.2017 – 26 E 17.46749 – juris Rn. 14).
2. Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
a) Die Klage gegen den Bescheid vom 6. März 2017 kann zulässig nur innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung des Bescheids, die am 9. März 2017 erfolgt ist, erhoben werden (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG).
Von dieser Frist ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil in der dem Bescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung ausgeführt worden ist, dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ muss. Die Rechtsmittelbelehrung ist wegen dieser Formulierung nicht unrichtig erteilt i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO.
Im Urteil vom 10. August 2017 hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Augsburg ausgeführt, dass mit dem Zusatz zur Abfassung der Klage in deutscher Sprache der regelmäßig fremdsprachige Asylbewerber darauf hingewiesen werden soll, dass die Gerichtssprache Deutsch ist. Eine darüber hinausgehende Ausschlusswirkung dieses Zusatzes, die zu einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung führt, hat das Gericht nicht erkannt. Die Rechtsmittelbelehrung ist somit richtig erteilt (VG Augsburg, U.v. 10.8.2017 -Au 3 K 16.32597 – juris Rn. 10).
Der Einzelrichter schließt sich dieser Auffassung ausdrücklich an.
b) Damit ist die am 27. Dezember 2017 erhobene Klage offensichtlich nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bei Gericht eingegangen, die Klagefrist war bereits am 23. März 2017 abgelaufen. Da die Klage somit offensichtlich unzulässig erhoben ist, kommt ihr auch keine aufschiebende Wirkung zu (Eyermann/Schmidt, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 13).
3. Der Antragsteller hat nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des erfolglosen Antrags zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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