Verwaltungsrecht

Keine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für den Ehegatten einer Deutschen, da eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr fortbesteht

Aktenzeichen  Au 1 S 16.1319

Datum:
27.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 3, § 31 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
GG GG Art. 6

 

Leitsatz

Besteht der durch Erklärungen nach außen manifestierte Wille eines Ehepartners, die eheliche Gemeinschaft mit einem Ausländer dauerhaft zu beenden, so ist trotz einseitiger Versöhnungsversuche des anderen Partners von einer dauernden Trennung auszugehen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der am … 1976 geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er wendet sich gegen seine Ausweisung sowie die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
Der Antragsteller reiste erstmals am 5. August 2010 in das Bundesgebiet ein und führte erfolglos unter Verwendung eines Aliasnamens ein Asylverfahren durch. Am 23. September 2012 reiste er freiwillig aus.
Nachdem er am 8. November 2012 in Nigeria eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hatte, reiste er am 20. Dezember 2013 mit einem nationalen Visum wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein. Aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 13. Januar 2014 wurden ihm zunächst Fiktionsbescheinigungen ausgestellt. Am 23. Juli 2014 erteilte ihm die Antragsgegnerin eine Aufenthaltserlaubnis bis zum 22. Juli 2015. Aufgrund seines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 23. Juli 2015 wurden ihm zunächst erneut Fiktionsbescheinigungen ausgestellt. Ein ablehnender Bescheid, den die Antragsgegnerin am 12. November 2015 in Verbindung mit einer Ausweisung des Antragstellers erließ, wurde mit Bescheid vom 18. November 2015 aufgehoben, nachdem die Ehefrau des Antragstellers die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft versicherte. In der Folgezeit erhielt der Antragsteller jeweils Fiktionsbescheinigungen, zuletzt bis zum 10. Oktober 2016.
Mit Bescheid vom 17. August 2016 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland aus und befristete die Wirkungen der Ausweisung auf 2 Jahre gerechnet ab der Ausreise aus dem Bundesgebiet (Ziffern 1 und 2 des Bescheids). In Ziffer 3 lehnte sie den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 23. Juli 2015 ab, setzte dem Antragsteller eine Ausreisefrist von 20 Tagen (Ziffer 4) und drohte ihm die Abschiebung nach Nigeria an (Ziffer 5). Die Ausweisung basiere auf spezial- und generalpräventiven Erwägungen. Es lägen zwar widersprüchliche Angaben der Ehefrau des Antragstellers bezüglich zwischenzeitlicher Aufhebungen und Wiederaufnahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft vor. Ihre Aussage, dass die Beziehung Ende Januar/Anfang Februar 2016 endgültig beendet worden sei, sei jedoch konstant. Dennoch habe der Antragsteller bei seiner Vorsprache am 11. Juli 2016 trotz vorhergehender Belehrung angegeben, dass die Beziehung weiterhin bestehe. Dies sei nicht nur durch die Angaben der Ehefrau, sondern auch durch die von ihr zur Verfügung gestellten Protokolle des Nachrichtendienstes WhatsApp vom 11. bis 19. Juli 2016 widerlegt. Im Rahmen der Interessenabwägung würden die öffentlichen Belange an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Antragstellers überwiegen. Der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen gewesen, da die eheliche Lebensgemeinschaft jedenfalls seit der Trennung im Januar/Februar 2016 nicht mehr bestehe. Ein selbständiges Aufenthaltsrecht als Ehegatte habe der Antragsteller nicht, da die Ehe nicht drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden habe und eine besondere Härte nicht ersichtlich sei.
Gegen den Bescheid ließ der Antragsteller Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Au 1 K 16.1318). Gleichzeitig beantragt er Eilrechtsschutz. Die eheliche Lebensgemeinschaft bestehe weiter fort. Er lebe weiterhin in ehelicher Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen ehelichen Wohnung. Es sei unklar, weshalb sie gegenüber der Ausländerbehörde Gegenteiliges behauptet habe. Zum Beweis werde die Ehefrau als Zeugin angeboten. Ein Ausweisungsinteresse bestehe nicht, da der Antragsteller keine falschen Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels gemacht habe. Dagegen wiege das Bleibeinteresse schwer. Der Antragsteller halte sich länger als fünf Jahre mit einer kurzen Unterbrechung im Bundesgebiet auf und lebe mit einer deutschen Ehefrau in ehelicher Lebensgemeinschaft. Die Ausländerbehörde selbst stelle in dem angefochtenen Bescheid fest, dass die Ehefrau widersprüchliche Angaben gemacht habe. Die Eheleute versuchten, sich zu versöhnen und wollten an ihrer Ehe festhalten. Der Antragsteller habe keine falschen Angaben gemacht. Er habe sich in die hiesigen Lebensverhältnisse eingelebt und gehe einer regulären Arbeit nach.
Der Antragsteller lässt beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
hilfsweise die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur endgültigen Entscheidung über die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von Abschiebungsmaßnahmen abzusehen und der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass eine Abschiebung vorläufig nicht durchgeführt werden darf.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 28. September 2016,
den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
Der Behauptung des Bevollmächtigten, dass beide Ehepartner an der Ehe festhielten und in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebten, stehe der Inhalt einer umfangreichen Korrespondenz der Antragsgegnerin mit der Ehefrau entgegen. Diese sei der Akte zu entnehmen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Gegenstand des Hauptantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist einerseits die Ausweisung des Antragstellers sowie die kraft Gesetzes (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) sofort vollziehbare Ablehnung des am 23. Juli 2015 gestellten Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (Ziffern 1 und 3 des Bescheids vom 17.8.2016). Der Antrag richtet sich weiter gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 5 des Bescheids), die als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung von Gesetzes wegen sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG).
2. Der Antrag ist unzulässig, soweit er sich gegen die in Ziffer 1 des Bescheids vom 17. August 2016 verfügte Ausweisung des Antragstellers richtet. Denn insoweit kommt der Klage gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu, so dass es deren gerichtlicher Wiederherstellung im Rahmen eines Eilbeschlusses nicht bedarf.
3. Soweit der Hauptantrag zulässig ist, ist er unbegründet.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung aufgrund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Es hat dabei die Interessen des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Besondere Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu, soweit sie im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bereits beurteilt werden können.
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interes-sensabwägung vorliegend zu Ungunsten des Antragstellers aus. Nach derzeitigem Stand bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Die diesbezüglich in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos sein. Überwiegende Interessen des Antragstellers, die gleichwohl eine Entscheidung zu seinen Gunsten rechtfertigten, sind nicht erkennbar.
a) Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG wird die dem Ehegatten eines Deutschen erteilte Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Ehefrau des Antragstellers hat der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 12. Februar 2016 mitgeteilt, dass der Antragsteller am 28. Januar 2016 aufgrund eines beiderseitigen Trennungswunsches ausgezogen sei. Auch in dem umfangreichen Schriftverkehr, der vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids stattgefunden hat sowie bei einer persönlichen Vorsprache am 11. Februar 2016 teilte die Ehefrau immer wieder mit, dass sie seit November 2014 von ihrem Ehemann getrennt lebe und dieser seit Februar 2016 endgültig aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen sei. So bestätigte sie am 12. April 2016 auf Nachfrage der Ausländerbehörde, dass sie und der Antragsteller noch immer getrennt lebten. Eine gegenteilige E-Mail vom 17. Februar 2016 stamme nicht von ihr. Auch in ihrer E-Mail vom 12. Juni 2016 an die Antragsgegnerin sowie in einem persönlichen Telefonat am 11. Juli 2016 legte die Ehefrau dar, trotz einiger sogenannter „Trennungspausen“ seit November 2014 vom Antragsteller getrennt zu leben und seit Februar 2016 definitiv dauerhaft getrennt zu sein. Der Antragsteller habe zwar einen Schlüssel für die Wohnung, komme jedoch nur um seine Post zu holen. Mit E-Mail vom 19. Juli 2016 teilte sie mit, dass sich der Antragsteller zwar wieder überwiegend in der Wohnung aufhalte, sie jedoch hoffe, dass das Ganze bald ein Ende finde. Auf Anfrage bestätigte sie am 9. August 2016 erneut per E-Mail, von ihrem Ehemann getrennt zu leben. Vor diesem Hintergrund ist es nach derzeitigem Stand nicht zu erwarten, dass die vom Antragsteller angeregte Zeugeneinvernahme der Ehefrau seine Behauptung eines ehelichen Zusammenlebens stützen kann. Auch der Antragsschrift sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die eine mittlerweile geänderte Haltung der Ehefrau nahelegen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes kommt es für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft, die aufenthaltsrechtlichen Schutz nach Art. 6 GG genießt, auf den nachweisbar betätigten Willen beider Eheleute an, ein gemeinsames Leben zu führen (BVerwG, B.v. 22.5.2013 – 1 B 25/12 – juris Rn. 4). Dabei kann von einer dauernden Trennung ausgegangen werden, wenn der Wille auch nur eines Ehepartners besteht, die eheliche Ge meinschaft dauerhaft zu beenden und sich dieser Wille durch Erklärungen nach außen manifestiert (BayVGH, U.v. 12.12.2007 – 24 B 06.2381 – juris Rn. 31). Dies ist im vorliegenden Fall jedenfalls seit Februar 2016 der Fall, als der Antragsteller aus der gemeinsamen Ehewohnung auszog. Soweit er sich nunmehr dort wieder verstärkt aufhält, basiert dies unter Zugrundelegung der Äußerungen der Ehefrau nicht auf dem Willen beider Eheleute, ein gemeinsames Leben zu führen. Vielmehr handelt es sich allenfalls um einseitige Versöhnungsversuche, die bisher offenbar nicht gefruchtet haben. Im Antragsverfahren werden keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass bei der Ehefrau ein nachhaltiger Gesinnungswandel stattgefunden hat. Soweit der Antragsteller zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine endgültige Trennung ohne die Möglichkeit einer Versöhnung sieht, ist dies unbeachtlich. Denn einer von beiden Ehegatten anerkannten Trennung bedarf es nicht.
b) Der Antragsteller kann auch kein eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG beanspruchen, da die eheliche Lebensgemeinschaft erst ab dem Tag seiner Einreise mit einem Visum zum Ehegattennachzug am 20. Dezember 2013 und damit nicht seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonderen Härte, die gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ein Absehen von der Dreijahresfrist rechtfertigen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
c) Da sich der Bescheid vom 17. August 2016 hinsichtlich der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird, überwiegen die öffentlichen Interessen an dessen Vollzug die privaten Interessen des Antragstellers. Seine Familie lebt in Nigeria. Nach der Trennung von seiner Ehefrau hat er keine persönlichen Bindungen mehr in der Bundesrepublik Deutschland. Zudem weist sein Rentenversicherungsverlauf vom 3. September 2015 lediglich im Zeitraum vom 2. Dezember 2014 bis zum 4. März 2015 Beitragszeiten aus, so dass von einer nachhaltigen Integration in den deutschen Arbeitsmarkt nicht ausgegangen werden kann. Sein derzeitiges Arbeitsverhältnis begann erst am 23. Mai 2016 und ist auf ein Jahr befristet.
4. Die hilfsweise beantragte einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur endgültigen Entscheidung über die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von Abschiebungsmaßnahmen abzusehen, ist gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nicht statthaft. Hiernach ist immer dann kein Raum für eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO, wenn Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO erlangt werden kann. Dies ist hier der Fall. Bei einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. August 2016 würde dem Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 23. Juli 2015 gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 VwGO erneut die Fiktionswirkung zukommen. Hiernach würde die zuletzt erteilte Aufenthaltserlaubnis wieder als fortbestehend gelten, so dass sich der Antragsteller im Bundesgebiet aufhalten dürfte, was seinem Rechtschutzziel entspricht.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
6. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 8.1,
8.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
7. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung war abzulehnen, da der Antrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Zur Begründung wird auf die Ausführungen dieses Beschlusses verwiesen.


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